Beschneidung heute

Ethik und Moral
Medizin & Krankheit
Aramat
Beiträge: 5
Registriert: Fr 6. Jun 2014, 09:23

#21 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von Aramat » Sa 7. Jun 2014, 10:35

Vier Fallbeispiele... maja. Um zuverlässige Aussagen bei medizinischen Studien machen zu können, braucht man hunderte von Patienten. Und dazu sollten diese Studien verblindet sein. Ich will die Ergebnisse nicht bagatellisieren, aber das ist als medizinische Evidenz schon sehr dünn, um daraus pauschal Eingriffe am Kleinkind zu verbieten. Das lacht dich jede jüdische, bzw. islamische Vereinigung aus.


Ich finde auch die Relativierung mies. Wie viele Menschen müssen denn nachhaltig nachgewiesenermaßen geschädigt sein, damit es Wert ist darüber nach zu denken? Ist es nicht so schlimm, nur weil es einen nicht betrifft? Wird es besser dadurch das es nur einpaar sind?

Bei unnötigen OP´s ist ein Opfer schon zuviel.

Zu einer Minderheit zu gehören die ein Kind verloren hat weil das Kind ein Gendefekt hat, kenne ich. Der Schmerz wird aber nicht leichter mit dem Wissen, das die Wahrscheinlichkeit bei 1:50 000 oder höher lag das das Kind durch den Defekt stirbt. Leichter wird es, das ich nichts dafür konnte, bei einer schiefgegangenen Wunsch OP sähe das ganz anders aus. Da müsste ich auch noch mit Selbstvorwürfen leben.

Wie gesagt ein Opfer ist zuviel, und es dürfen gerne alle über mich lachen, wenn durch meine Lächerlichkeit ein Kind gerettet wird, dann war es das Wert. Dann bin ich gerne der Kasper aller Beschneidungsbefürworter.

Soviel erstmal von mir.

LG

Aramat

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#22 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von Naqual » Sa 7. Jun 2014, 10:54

Aramat hat geschrieben:Bei unnötigen OP´s ist ein Opfer schon zuviel.
Ja, grundsätzlich (!) stimmt dies. Aber ganz so einfach ist es nicht.
Nimm exemplarisch das Beispiel AIDS. Ich gebe Dir recht, dass die 60 Prozent ein wenig hoch gegriffen sind und hier eine politisch motivierte Auswahl unter diversen vorhanden wissenschaftlichen Abhandlungen vorlag. Aber untere Werte (soweit ich mich erinnere, ich hatte das vor Jahren mal näher angeschaut) lagen auch bei 15-20 Prozent.
Dann stellt sich die Frage, ob dies für Afrika (eines der Hauptverbreitungsgebiete der Krankheit) sinnvoll ist flächendeckend zu beschneiden und dann ggf. ALLEINE aus diesem Grund (es gibt auch andere Krankheiten, die minimiert werden können) in Europa anzuwenden. Denn wenn EIN Aids-Toter zu viel ist.....
In Afrika geht es dabei um die Vermeidung von 3,5 Millionen Neuinfektionen (bei angelegten 60 Prozent).
In Europa sicher weniger.
Gegner der Beschneidung in Afrika warnen insofern, dass die Beschneidung ein trügerisches Gefühl von Sicherheit geben könnte (es verbleiben ja im BESTEN Fall 40 Prozent, die erkranken trotz Beschneidung) und das man auf Kondom-Aktionen zurückgreifen sollte. Aber auch dies ändert nichts daran, dass die Beschneidung Leben retten bzw. vor Krankheit schützen kann.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#23 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von Pluto » Sa 7. Jun 2014, 11:17

Aramat hat geschrieben:Ich finde auch die Relativierung mies.
Ich will es nicht realtivieren, aber du jagst Windmühlen, wenn du meinst, dass 4 Einzelfälle in einer einzign Studie, dazu ohne Verblindung, genügen um Jahrtausende alte Traditionen abzustellen.

Für mich ist das moralisch/ethische Argument der Verstümmelung eines hilf- und wehrlosen Kleinkindes der richtige Weg, um Beschneidung ernsthaft zu bekämpfen. Eltern die beschneiden lassen, handeln verantwortungslos. Soll das Kind selbst entscheiden, wenn es alt genug dazu ist, z. B. ab 16 Jahren.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

privatekralle
Beiträge: 23
Registriert: Sa 7. Jun 2014, 11:50

#24 Beschneidung2

Beitrag von privatekralle » Sa 7. Jun 2014, 12:14

Grüß Gott, ich bin neu hier und möchte gerne der Aufklärung dienen. ;-)

Ich hab mir die Antworten jetzt durchgelesen und die Backen aufgeblasen. Au weia.

Zunächst einmal zu Naqal (?): Du hast nur bedingt Recht, was die Quellenlage bezüglich der Vorteile der Beschneidung so angeht. Es ist immer recht hilfreich, sich auch mal die Leute *hinter* der Studie und deren Motivation anzusehen.

Bertrand Auvert, der "Vater" der Studie, die diese 60%-Reduktion bei HIV festgestellt hat, steht z.B. der Gilgal-Society nahe. Und deren Gründer, Vernon Quaintance, ist verurteilt wegen des Besitzes von Kinderpornographischen Beschneidungsbildern. Um es platt zu sagen: Dem geht einer ab, wenn er die Schreie beschnittener Babies hört.

Aber die Auvert-Studie ist noch aus einem anderen Grund interessant. Wenn man sich die Studien allgemein ansieht, bemerkt man recht schnell, dass die mit "relativen" Bezügen arbeiten und nicht mit absoluten.

Diese 60% "Reduktion" bei HIV-Infektionen sind so ein relativer Begriff.

Mal ein paar, vielleicht etwas provokant formulierte Sätze dazu:

Wenn ich 1000 Männer nehme, die in zwei Gruppen teile, dann die Studie beginne und die eine Gruppe beschneide während die andere bereits in einem HIV-Hochrisikogebiet wie ein Karnickel loslegt - natürlich OHNE Kondom, kann ich dann den Zahlen noch vertrauen? Die intakte Gruppe hat schließlich 6 Wochen Infektionsvorsprung.

Wenn ich den Infektionsstatus der Ehepartner nicht mit erfasse, ist die Studie dann noch überhaupt auf wissenschaftlichen Füßen?

Wenn ich dann 2 Jahre die Infektionen zähle, bin ich dann noch ein ethisch handelnder Wissenschaftler?

Wenn ich dann feststelle, dass die Zahlen sich nicht so entwickeln wie ich vermutet habe und ich dann die Studie abbreche, ist die Studie noch etwas wert? (Hint: Sie ist durch ALLE Peer-Reviews gefallen, imho mit Ausnahme der Cochrane-Reviews).

So, und um mal den Unterschied zwischen absoluten Zahlen und relativen klarzumachen:

Wenn von den Männern der Gruppe intakt am Ende 16 infiziert sind von der Gruppe beschnitten 10, dann ist dass die 60%-Reduktion des Infektionsrisikos.

Das sagt aber nichts über die absolute Reduktion aus, die in meinem Beispiel *deutlich* geringer und vor allem aussagekräftiger ist.

Auf DIE Art wird in diesen Studien mit Risikoverringerungen gearbeitet. Und wichtiger: Aufgrund DIESER Studie werden in Afrika gerade die Männer beschnitten, indem man ihnen weismacht, dass sie dann ein um 60% verringertes Risiko... genau.

Dabei werden andere Infektionsquellen wie infizierte Blutkonserven, infizierte Instrumente und infizierte Ärzte/Krankenschwestern überhaupt nicht erwähnt. In Afrika ist das Operationsrisiko unfassbar hoch.

Die anderen "Vorteile"? Sind genauso einfach zu widerlegen.

Harnwegsinfektionen: Oh biiiiiiitte... ist mir irgendwie die medizinische Erkenntnis entgangen, dass Jungen keine Antibiotika erhalten dürfen?

Peniskrebs: Ein Krebs alter Männer. Der erste Peak ist um 50. Außerdem blöderweise ein Krebs der Vorhaut UND der Eichel. Und zudem noch einer der seltensten Krebsarten weltweit. 400 Fälle wurden 2012 imho in Großbritannien diagnostiziert. Er ist zudem gut heilbar.

Prostatakrebs (die neueste Sau, die durchs Beschneidungsdorf getrieben wird): Man hat für diese Studie ALLE Risikofaktoren gezielt herausgerechnet bis nur noch "war beschnitten" oder "war nicht beschnitten übrigblieb.

Hinzu kommt, dass auch Prostatakrebs ein *langsam wachsender* Krebs alter Männer ist. Und dafür Kinder beschneiden? Gehts noch?

Sexuell übertragbare Krankheiten im allgemeinen: Das letztemal als ich nachgeguckt habe, sind die Eltern sexuell aktiver Kinder wegen sexuellem Missbrauch im Knast gelandet. Oder aber jeder andere, der da sexuell aktiviert hat. Hat sich daran was geändert, dass man Kinder jetzt davor schützen muss? Nein? Dann lassts doch die Kids selbst entscheiden, ja? (von der Tatsache abgesehen, dass die Studien alle sagen: Okay, Kondome sind besser).

Zu: "Ich fühle mich nicht verstümmelt und habe mit meiner Beschneidung keine Probleme":

YAY. Endlich mal einer. Ist schön für dich. Ich kann dir aber für jeden, den DU anschleppst, der das toll findet (und nicht nach 3x nachfragen aggressiv wird und einknickt) jemanden nennen, der das NICHT ist.

Wir reden hier von kleinen Kindern. Keiner weiß, was für ein Mann einmal aus ihm wird. Niemand kann voraussagen, ob der erwachsene Mann später auch mit der Beschneidung klarkommt oder nicht. Diese Entscheidung, wie sein Leben später auszusehen hat, betrifft auch immer zwei Leute: Den Mann und seinen späteren Beziehungspartner (Mann oder Frau lasse ich an der Stelle dahingestellt).

Und wenn dieser Beziehungspartner ein Problem mit der Beschneidung hat, kann das eine Beziehung zerstören. Das heißt, man greift als Elternteil lebenslang aktiv in das Sexual- und Beziehungsleben des Kindes ein.

Das steht Eltern nicht zu. Das wird NICHT vom Erziehungsrecht gedeckt.

Es ist das Kind, dass sein Leben lang mit dem auskommen muss, was der Beschneider übriggelassen hat. Und allzuoft können sie es nicht.

Also lasst es bitte sein.

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#25 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von Naqual » Sa 7. Jun 2014, 12:20

Pluto hat geschrieben:Für mich ist das moralisch/ethische Argument der Verstümmelung eines hilf- und wehrlosen Kleinkindes der richtige Weg, um Beschneidung ernsthaft zu bekämpfen. Eltern die beschneiden lassen, handeln verantwortungslos. Soll das Kind selbst entscheiden, wenn es alt genug dazu ist, z. B. ab 16 Jahren.

Verstümmelung ist schon eine unverschämte, herabsetzende Bezeichnung bar jeglichem sachlichen Gehalts.

Berechtigt ist allerdings die Frage, wann eine Beschneidung (soll sie denn sein) sinnvoller ist.
Also aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen ich hätte mir gewünscht als Kind beschnitten worden zu sein.
Das liegt daran, dass man als Erwachsener sich vor einer solchen OP unendlich viele Gedanken und Ängste macht. Jedenfalls ich. Da schützt man seine "Kronjuwelen" über Jahrzehnte vor auch nur leichten Schlägen und dann lässt man einen Arzt mit nem Schneidewerkzeug dran. Das ist psychologisch krass. Und manche Internetseiten sind da alles andere als eine Hilfestellung. Einem 8tägigen Kind passiert dieses nicht, die teils monatelangen inneren Kämpfe entfallen. Zudem kriegt das Kind in den 2 Wochen nach der OP keinen "Steifen" (ist zwar keine wirkliche Gefahr, die Nähte halten und es gibt auch keine Schmerzen, wenn auch nicht unbedingt so total angenehm - aber seelisch gleichwohl ein wenig beängstigend). Zudem läuft das Kind in dem Alter noch nicht rum und muss nicht wie ein Erwachsener sich die erste Zeit ein wenig zurücknehmen. (Das Rumlaufen ist als Reibung spürbar, nicht schmerzhaft aber definitiv die ersten Tage etwas unangenehm. Und solange man nicht groß rumläuft merkt man eigentlich NICHTS)

Richtig ist natürlich, dass hier die Eltern dem Kind eine Entscheidung abnehmen, die es nicht selbst treffen kann. Was Eltern natürlich in vielen anderen Dingen tun, teils mit gravierenden Folgen. Das ist - durchaus auch aus meiner Sicht - problematisch. Aber bei weitem nicht so, dass ich den Eltern Verantwortungslosigkeit vorwerfen würde. Das wäre nur, wenn die Beschneidung ein klarer Nachteil wäre. Alleine die schwierige Diskussion auch unter Fachleuten zeigt, dass man dies unterschiedlich sehen und betrachten kann.

privatekralle
Beiträge: 23
Registriert: Sa 7. Jun 2014, 11:50

#26 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von privatekralle » Sa 7. Jun 2014, 12:32

Naqal:

Diese Ängste hat auch jedes Kind. Sie werden nur nicht ernst genommen.

Das Schmerzsystem eines Babies ist zudem auch noch nicht entwickelt wie das eines Erwachsenen. Es ist aber nicht, wie fälschlicherweise oft behauptet, weniger entwickelt: Es ist HYPERsensitiv.

Babies empfinden den Schmerz erheblich intensiver *und* sie haben noch nicht die geistigen Mechanismen entwickelt, mit dem Schmerz umzugehen. Dass Schmerz auch wieder aufhört, weiß ein 8 Tage alter Säugling nicht, dass muss er noch lernen.

Zudem ist ein Säugling zeitlos. Vielleicht die einzige zeitlose Welt, die wir je kennen lernen werden. Und im Falle der Beschneidung und anschließenden Heilung arbeitet genau das GEGEN das Kind. Denn wenn du nur im jetzt lebst und gestern und Morgen und Zeit noch ein fremdes Konzept für dich ist, kannst du auch nicht wissen, dass Schmerz nachläßt. Du fühlst nur den Schmerz und bist Dauergestresst.

Beschnittene Kinder entwickeln daher häufig Probleme, die von Eltern, die nichts anderes kennen, auch gar nicht als Problem wahrgenommen werden.

Kind ist "fussy", also zappelt herum und läßt sich nur schwer wickeln - "ist halt ein Junge, die wehren sich mehr."

Kind weint viel? "Hat Blähungen."

Kind will nicht mehr an der Brust nuckeln und verweigert Nahrung? "Mein Sohn ist so ein empfindlicher Esser"

Nein, das läßt sich ALLES auf die Beschneidung zurückführen. Ausnahmslos. Und das ist auch bereits mehrfach auf die Beschneidung zurückgeführt worden.

Das geht hin bis zu echten Gedeihstörungen, weil der 8. Tag zudem einer der denkbar schlechtesten Tage ist, wo man eine Beschneidung durchführen kann.

Das ist einer der Tage, wo die Umwandlung des Blutes in "extern" abgeschlossen ist. Die Blutzusammensetzung eines Fötus ist anders als die eines geborenen Kindes, weil die Sauerstoffaufnahme anders erfolgt, nämlich über die Nabelschnur. Der Umbau des Blutes dauert etwa eine Woche und ist für das Kind recht anstrengend. Genau wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, wird beschnitten.

Nicht gut.

/edit:

Naqal:

Zudem kriegt das Kind in den 2 Wochen nach der OP keinen "Steifen" (ist zwar keine wirkliche Gefahr, die Nähte halten und es gibt auch keine Schmerzen, wenn auch nicht unbedingt so total angenehm - aber seelisch gleichwohl ein wenig beängstigend). Zudem läuft das Kind in dem Alter noch nicht rum und muss nicht wie ein Erwachsener sich die erste Zeit ein wenig zurücknehmen. (Das Rumlaufen ist als Reibung spürbar, nicht schmerzhaft aber definitiv die ersten Tage etwas unangenehm. Und solange man nicht groß rumläuft merkt man eigentlich NICHTS)

Ähem, das stimmt sooooo nicht.

Kinder sind nicht sexuell aktiv, in dem Sinne, dass sie Sex haben. ABER:

Die Vorhaut macht schöne Gefühle, sie fühlt sich toll an. Es hat einen Grund, warum sich unbeschnittene Jungs sofort an den Penis greifen, sobald die Windel ab ist.

Zur Beschneidung bekommen die Kinder übrigens vom Beschneider die erste Erektion ihres Lebens verpasst, sonst kann er nicht beschneiden. Und DIE wird in einem Instant mit den schlimmsten Schmerzen bestraft, die man einem Menschen zufügen kann.

Und ja, mechanisch funktioniert eine Erektion bereits im Säuglingsalter. Sie ist nur noch nicht sexuell belegt und es gibt keinen Samenerguß, weil die Entwicklung noch nicht so weit ist.

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#27 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von Naqual » Sa 7. Jun 2014, 12:40

privatekralle hat geschrieben:Zunächst einmal zu Naqal (?): Du hast nur bedingt Recht, was die Quellenlage bezüglich der Vorteile der Beschneidung so angeht. Es ist immer recht hilfreich, sich auch mal die Leute *hinter* der Studie und deren Motivation anzusehen.
Ich weiß, ich habe das schließlich mal peinlich genau studieren dürfen (Gesellschaftswissenschaften).
Und die Tricks bei Statistiken sind schier endlos. Gleichwohl kann man sie natürlich genauer anschauen. Aber vorsichtig muss man sein, einfach nur die kurzgefassten Ergebnisse in Zahlen zu lesen und dies für das Gelbe vom Ei zu halten ist ein Kardinalfehler.


Bertrand Auvert, der "Vater" der Studie, die diese 60%-Reduktion bei HIV festgestellt hat, steht z.B. der Gilgal-Society nahe. Und deren Gründer, Vernon Quaintance, ist verurteilt wegen des Besitzes von Kinderpornographischen Beschneidungsbildern. Um es platt zu sagen: Dem geht einer ab, wenn er die Schreie beschnittener Babies hört.
Ist eigentlich völlig unwichtig. Und zwar deswegen, weil es gar nicht bestritten wird, dass die Beschneidung HIV-Infektionen verhindert. Die Frage ist nur, zu welchem Prozentsatz. Und selbst wenn die pessimististen Schätzungen mit 15 % richtig wären (die sind in der Regel von fanatischen Gegnern der Beschneidung, die damit aber den grundlegenden Sachverhalt bestätigen), dann ist es einfach ein Argument. Insbesondere, wenn die Krankheit schließlich zu einem Tod nach langjährigem "Vorspiel" führt.

Wenn ich 1000 Männer nehme, die in zwei Gruppen teile, dann die Studie beginne und die eine Gruppe beschneide während die andere bereits in einem HIV-Hochrisikogebiet wie ein Karnickel loslegt - natürlich OHNE Kondom, kann ich dann den Zahlen noch vertrauen? Die intakte Gruppe hat schließlich 6 Wochen Infektionsvorsprung.
Das ist ganz phantasievoll, aber praktisch werden solche Fehler von seriösen Instituten nicht gemacht. Die Fehler liegen wenn woanders. Etwas "feinsinniger".

Wenn ich dann 2 Jahre die Infektionen zähle, bin ich dann noch ein ethisch handelnder Wissenschaftler?
Ja. Wo ist die vermeintliche Schuld des Wissenschaftlers? Er wertet nur statistisch aus. Anstecken mit Aids tuen sich die Mitglieder der Vergleichsgruppe schon selbst. Und das egal, ob sie nun mit statistisch erfasst sind oder nicht.


So, und um mal den Unterschied zwischen absoluten Zahlen und relativen klarzumachen:
Wenn von den Männern der Gruppe intakt am Ende 16 infiziert sind von der Gruppe beschnitten 10, dann ist dass die 60%-Reduktion des Infektionsrisikos.
Das ist auch der Grund, warum Fallzahlen unter 1000 nicht zu einer wissenschaftlichen Untersuchung zählen. Und das gilt schon als die absolute Untergrenze, die nur zu groben Ergebnissen führt.

Zu: "Ich fühle mich nicht verstümmelt und habe mit meiner Beschneidung keine Probleme":
YAY. Endlich mal einer. Ist schön für dich. Ich kann dir aber für jeden, den DU anschleppst, der das toll findet (und nicht nach 3x nachfragen aggressiv wird und einknickt) jemanden nennen, der das NICHT ist.
Es ist nur so, dass ich viele Leute kenne, die beschnitten sind und keinen einzigen, der unter seiner Beschneidung leidet. Schließe aber nicht aus, dass dies in seltenen Fällen vorkommen kann.
Abgesehen davon, dass die Nordamerikaner, Australier, Israelis, Moslemischen Länder nur so voll sei von Leuten, die unter der Beschneidung leiden. Für wie blöd werden die eigentlich gehalten? Vor allem wenn es so eindeutig wäre, wie Du sagst.
Das ist für mich der Punkt, wo Glaubwürdigkeitsprobleme beginnen.

privatekralle
Beiträge: 23
Registriert: Sa 7. Jun 2014, 11:50

#28 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von privatekralle » Sa 7. Jun 2014, 12:43

Zum Verstümmelungsbegriff ziehe ich einmal die FGM heran und die dort geführte Argumentation.

Female Genital Mutilation ist eine Verstümmelung, richtig? Die Frauen sind an ihren Genitalien verstümmelt, richtig?

Nun, die meisten beschnittenen Frauen sehen das in der Tat völlig anders. Die verteidigen die Beschneidung auch recht vehement. Weil es sauberer ist, "reiner" (im spirituellen Sinne) und weil die Frauen dann weniger zu Krankheiten neigen.

Zudem ist es so, dass die Frauen dann auch "beweisen" können, dass sie ihren Ehemann nicht betrügen, was die Chance auf dem Heiratsmarkt erhöht.

Die FGM IV, die Infibulation wird hier in Somalia zum Beispiel und Sierra Leone genauso verteidigt wie die FGM I auf den Philippinen und in Ägypten verteidigt wird.

Es sind hier die Frauen die die Beschneidung weitertragen und verteidigen. Die Frauen, die von uns als verstümmelt bezeichnet werden, sich selbst aber als "beschnitten".

Es gibt gerade in Afrika jetzt wieder starke Bestrebungen, die FGM umzubenennen in "Beschneidung", damit die Frauen, die die Prozedur über sich haben ergehen lassen, sich nicht schlecht fühlen müssen.

Demgegenüber stehen aber Frauen wie Ajaan Hirsi Ali, die darauf bestehen, es Verstümmelung zu benennen, weil man den Brauch nur so brechen kann, indem man eine Abscheu davor weckt.

Naqal, nun du?

privatekralle
Beiträge: 23
Registriert: Sa 7. Jun 2014, 11:50

#29 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von privatekralle » Sa 7. Jun 2014, 12:54

Naqual hat geschrieben: Ich weiß, ich habe das schließlich mal peinlich genau studieren dürfen (Gesellschaftswissenschaften).
Und die Tricks bei Statistiken sind schier endlos. Gleichwohl kann man sie natürlich genauer anschauen. Aber vorsichtig muss man sein, einfach nur die kurzgefassten Ergebnisse in Zahlen zu lesen und dies für das Gelbe vom Ei zu halten ist ein Kardinalfehler.

Und dann kommst du mit "das reduziert um 60%"? Ähem, du hast dir soeben selbst ziemlich widersprochen, das weißt du?


Bertrand Auvert, der "Vater" der Studie, die diese 60%-Reduktion bei HIV festgestellt hat, steht z.B. der Gilgal-Society nahe. Und deren Gründer, Vernon Quaintance, ist verurteilt wegen des Besitzes von Kinderpornographischen Beschneidungsbildern. Um es platt zu sagen: Dem geht einer ab, wenn er die Schreie beschnittener Babies hört.

Ist eigentlich völlig unwichtig. Und zwar deswegen, weil es gar nicht bestritten wird, dass die Beschneidung HIV-Infektionen verhindert. Die Frage ist nur, zu welchem Prozentsatz. Und selbst wenn die pessimististen Schätzungen mit 15 % richtig wären (die sind in der Regel von fanatischen Gegnern der Beschneidung, die damit aber den grundlegenden Sachverhalt bestätigen), dann ist es einfach ein Argument. Insbesondere, wenn die Krankheit schließlich zu einem Tod nach langjährigem "Vorspiel" führt.


Ich finde die Motivation, WARUM jemand eine derartige Studie durchführt, durchaus hinterfragenswert. Und um auf die Reduktion zurückzukommen: Die absolute Reduktion, auch in der Auvert-Studie, liegt bei etwa 3%. Die relative bei 60%. Auvert selbst hat diese Zahlen nie bestritten, aber die 60% haben sich eingebürgert. Die aussagekräftigere ist aber die absolute Reduktion - und die liegt im statistisch insignifikanten Bereich.

Aber nehmen wir doch mal für einen Moment an, dass die Beschneidung wirklich das Infektionsrisiko um 60% verringert. Für eine Sekunde nehmen wir an, Auvert hat Recht und machen einen kleinen Realitycheck, ja?

Beschnittener nicht infizierter Mann hat ungeschützten Sex mit einem nicht infizierten Partner: Kein Problem.
Beschnittener nicht infizierter Mann hat ungeschützten Sex mit einem infizierten Partner: Hier kommt die 60% Reduktion zum Tragen. Chance ist 60:40, dass er sich nicht infiziert
Beschnittener infizierter Mann hat ungeschützten Sex mit einem nicht infizierten Partner: Die Beschneidung schützt den Partner nicht
Beschnittener infizierter Mann hat ungeschützten Sex mit einem infizierten Partner: Wiederum kein Problem.

Die Beschneidung würde also nur die *beschnittenen Männer* zu 60% schützen, wenn sie mit einem infizierten Partner ungeschützten Sex haben. In allen anderen Fällen ist die Beschneidung schlicht witzlos.

Aber weiter. Mir fehlt bei der 60%-Reduktion der Bezug. 60% von was? Pro Verkehr? Pro Lebenszeit? Was sind die 100%?
Gehen wir mal von Lebenszeit aus:

1x Sex: 60% Reduktion
2x Sex: 30% Reduktion
4x Sex: 15% Reduktion

Hm. Beschneidung ist viel eher eine Art Russisch Roulette mit 5 Kugeln in der Kammer, meinst du nicht auch?

Wenn ich 1000 Männer nehme, die in zwei Gruppen teile, dann die Studie beginne und die eine Gruppe beschneide während die andere bereits in einem HIV-Hochrisikogebiet wie ein Karnickel loslegt - natürlich OHNE Kondom, kann ich dann den Zahlen noch vertrauen? Die intakte Gruppe hat schließlich 6 Wochen Infektionsvorsprung.

Das ist ganz phantasievoll, aber praktisch werden solche Fehler von seriösen Instituten nicht gemacht. Die Fehler liegen wenn woanders. Etwas "feinsinniger".

Nein, DAS war die Methodik der Auvert-Studie.

Wenn ich dann 2 Jahre die Infektionen zähle, bin ich dann noch ein ethisch handelnder Wissenschaftler?

Ja. Wo ist die vermeintliche Schuld des Wissenschaftlers? Er wertet nur statistisch aus. Anstecken mit Aids tuen sich die Mitglieder der Vergleichsgruppe schon selbst. Und das egal, ob sie nun mit statistisch erfasst sind oder nicht.

Wenn ich die Männer in eine Studie aufnehme, wenn ich WEISS, dass es ein HIV-Hochrisikogebiet ist (Orange Farm, wo die Studie stattfand, hat die höchste HIV-Quote weltweit) und wenn ich die dann anweise, ohne Gummi zu poppen? Ja, das war die Methodik der Auvert-Studie.


So, und um mal den Unterschied zwischen absoluten Zahlen und relativen klarzumachen:
Wenn von den Männern der Gruppe intakt am Ende 16 infiziert sind von der Gruppe beschnitten 10, dann ist dass die 60%-Reduktion des Infektionsrisikos.
Das ist auch der Grund, warum Fallzahlen unter 1000 nicht zu einer wissenschaftlichen Untersuchung zählen. Und das gilt schon als die absolute Untergrenze, die nur zu groben Ergebnissen führt.

ich müsste mal die Fallzahlen bei Auvert nachgucken. Es waren deutlich unter 1000, soweit ich weiß.

Zu: "Ich fühle mich nicht verstümmelt und habe mit meiner Beschneidung keine Probleme":
YAY. Endlich mal einer. Ist schön für dich. Ich kann dir aber für jeden, den DU anschleppst, der das toll findet (und nicht nach 3x nachfragen aggressiv wird und einknickt) jemanden nennen, der das NICHT ist.

Es ist nur so, dass ich viele Leute kenne, die beschnitten sind und keinen einzigen, der unter seiner Beschneidung leidet. Schließe aber nicht aus, dass dies in seltenen Fällen vorkommen kann.
Abgesehen davon, dass die Nordamerikaner, Australier, Israelis, Moslemischen Länder nur so voll sei von Leuten, die unter der Beschneidung leiden. Für wie blöd werden die eigentlich gehalten? Vor allem wenn es so eindeutig wäre, wie Du sagst.
Das ist für mich der Punkt, wo Glaubwürdigkeitsprobleme beginnen.

Du hörst nur nicht hin. Bist du bei Facebook? Ich kann dich auf Anhieb mit gut 100 beschnittener Männer zusammenbringen, die ihre Beschneidung mit einer Leidenschaft verabscheuen, die bis zu dem Punkt geht, dass sie den Kontakt zu den Familien völlig abgebrochen haben.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#30 Re: Vorhäute 1 Samuel 18:25

Beitrag von Pluto » Sa 7. Jun 2014, 13:11

Naqual hat geschrieben:Verstümmelung ist schon eine unverschämte, herabsetzende Bezeichnung bar jeglichem sachlichen Gehalts.
Lieber Naqual,
Es bleibt eine permamente Veräränderung des Organs.Wie würdest du es denn anders nennen?

Das liegt daran, dass man als Erwachsener sich vor einer solchen OP unendlich viele Gedanken und Ängste macht. Jedenfalls ich. Da schützt man seine "Kronjuwelen" über Jahrzehnte vor auch nur leichten Schlägen und dann lässt man einen Arzt mit nem Schneidewerkzeug dran. Das ist psychologisch krass.
Psychologisch krass...?
Um wie viel krasser das im Fall eines wehrlosen Babys ist, muss jeder für sich selber entscheiden.
N.B. Vorhäute wachsen nicht nach.
Richtig ist natürlich, dass hier die Eltern dem Kind eine Entscheidung abnehmen, die es nicht selbst treffen kann. Was Eltern natürlich in vielen anderen Dingen tun, teils mit gravierenden Folgen. Das ist - durchaus auch aus meiner Sicht - problematisch. Aber bei weitem nicht so, dass ich den Eltern Verantwortungslosigkeit vorwerfen würde.
Diese Meinung teile ich nicht.
Das wäre nur, wenn die Beschneidung ein klarer Nachteil wäre. Alleine die schwierige Diskussion auch unter Fachleuten zeigt, dass man dies unterschiedlich sehen und betrachten kann.
Ganz egal ob du Anhänger der Evolution bist, oder an eine göttlichen Schöpfung glaubst, Herumschnippeln an den Geschelchtsteilen von wehrlosen Kindern bleibt ein unverantwortlicher Eingriff in die Natur, bzw. das Werk Gottes.

Ich finde es nach wie vor unverantwortlich, ja sogar frevelhaft, so etwas einem Kind aufzuzwingen, bevor es die Möglichkeit hat zu verstehen, was mit ihm geschieht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Antworten