Homöopathie

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closs
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#1011 Re: Homöopathie

Beitrag von closs » Fr 13. Sep 2013, 22:30

Anton B. hat geschrieben:Der Positivismusstreit wurde auch nie "ausdiskutiert", sondern schlief einfach ein, sobald die Bedeutungslosigkeit der Bestimmung des "Positivismusanteils" an den empirischen Wissenschaften erkannt wurde.
Ja - aber nach dem, was Du mir da vermittelst, hat das mit einem semantischen Shift des Wortes "Positivismus" zu tun.

Im Grunde verstehe ich Dich so, dass Positivismus quasi "irreversibel" wäre - auf diese Idee bin ich noch nie gekommen. - Rein funktional erscheint mir, dass das, was Du "kritischen Rationalismus" nennst, ein Controlling-Instrument des Positivismus ist. Das würde ich als Bestandteil des Positivismus selbst verstehen (Zielkontrolle, neue Fakten einarbeiten, etc.). Falsifizierung wäre dann ein natürlicher Bestandteil des Positivismus - das, sagst Du, ist nach heutiger Definition ausgeschlossen. - Ich stelle fest, dass unsere Positivismus-Definition vollkommen unterschiedlich ist.

Wir können deshalb gerne das aktuelle Wort für das finden, was wir früher als Positivismus bezeichnet haben: Wie nennst Du es, wenn eine Disziplin ausschließlich mit Phänomenen arbeitet, die "positiv" bestätigbar sind, also wissenschaftlich nachweisbar sind?

Für mich ist interessant, dass sich innerhalb weniger Jahrzehnte ein Wort semantisch so verändern kann. - Danke übrigens für Deine Mühen.

sven23 hat geschrieben:Wieso kann man sich eigentlich nicht mit hochverdünnten Überdosen vergiften?
Es gibt Homöopathen, die Stein und Bein schwören, dass eine Dosis D100 bei dem, auf dem sie genau passt, zum Tod führen kann. - In der Praxis ist das unwahrscheinlich, weil die Abstimmung von Typ/Individuum/Krankheitsbild und Mittel nur sehr aufwendig ermittelt werden kann, so dass es mehr als ein 6er im Lotto wäre, wenn das "klappen" würde (deshalb ist es auch so dumm-dreister Populismus, wenn man xbeliebige Leute D100-Globuli einwerfen lässt, um zu beweisen, dass sie nichts wirken). - Aber im Prinzip ist Dein Gedanke richtig.

Auch da: Wenn Du da Genaueres wissen willst, setzte Dich endlich mit Profis in Verbindung, die das weitaus besser erklären können als ich.

piscator hat geschrieben:wieso bekommt man von einem Schokoriegel, der geringe Mengen Alkohol enthält, keine Vollrausch?
Warum sind Tangas aufreizender als Schlafanzüge?

Anton B.
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#1012 Re: Homöopathie

Beitrag von Anton B. » Fr 13. Sep 2013, 23:04

closs hat geschrieben:Im Grunde verstehe ich Dich so, dass Positivismus quasi "irreversibel" wäre - auf diese Idee bin ich noch nie gekommen. - Rein funktional erscheint mir, dass das, was Du "kritischen Rationalismus" nennst, ein Controlling-Instrument des Positivismus ist. Das würde ich als Bestandteil des Positivismus selbst verstehen (Zielkontrolle, neue Fakten einarbeiten, etc.). Falsifizierung wäre dann ein natürlicher Bestandteil des Positivismus - das, sagst Du, ist nach heutiger Definition ausgeschlossen. - Ich stelle fest, dass unsere Positivismus-Definition vollkommen unterschiedlich ist.
Wenn empirische Wissenschaften positivistisch wären, könnte es wohl so sein. Sie sind es aber nicht. Anscheinend habe ich mich auch nicht verständlich machen können, denn Dein Textfragment gibt nicht das wieder, was ich vermitteln wollte. Am besten ist es, Du ließt Dich selber ein.

closs hat geschrieben:Wir können deshalb gerne das aktuelle Wort für das finden, was wir früher als Positivismus bezeichnet haben: Wie nennst Du es, wenn eine Disziplin ausschließlich mit Phänomenen arbeitet, die "positiv" bestätigbar sind, also wissenschaftlich nachweisbar sind?
Habe ich keinen Begriff dafür, denn die empirische Wissenschaft beschäftigt sich ja im Gegensatz zu Deiner Darstellung mit geistigen Konstrukten, die aber anhand von Beobachtungsvorhersagen falsifizierbar sind. Der Versuch der Falsifikation wird an Wahrnehmungen vorgenommen, die im Zuge der Falsifizierung womöglich erst "erzeugt" werden. Wie schreibt der Meister so schön (Logik der Forschung: 85. Der Weg der Wissenschaft):
Wir stolpern nicht über Erfahrungen, wir lassen sie auch nicht über uns ergehen wie einen Strom von Erlebnissen, sondern wir machen unsere Erfahrungen;
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Hemul
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#1013 Re: Homöopathie

Beitrag von Hemul » Fr 13. Sep 2013, 23:36

closs hat geschrieben: Warum sind Tangas aufreizender als Schlafanzüge?

Meine Güte clöschen? :roll: Hätte ich nie von Dir gedacht! :mrgreen:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#1014 Re: Homöopathie

Beitrag von Pluto » Fr 13. Sep 2013, 23:39

closs hat geschrieben:Warum sind Tangas aufreizender als Schlafanzüge?
Ist das vielleicht nur in DEINER Wahrnehmung so?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1015 Re: Homöopathie

Beitrag von closs » Sa 14. Sep 2013, 00:18

Pluto hat geschrieben:Ist das vielleicht nur in DEINER Wahrnehmung so?
Denkbar - deshalb wirkt es bei mir. - Immerhin zeigt es, dass weniger mehr als mehr bewirken kann. :geek:

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#1016 Re: Homöopathie

Beitrag von closs » Sa 14. Sep 2013, 00:28

Anton B. hat geschrieben:Anscheinend habe ich mich auch nicht verständlich machen können, denn Dein Textfragment gibt nicht das wieder, was ich vermitteln wollte.
Habe mich tatsächlich nur auf wik beschränkt - das Wichtigste ist mir aber klar geworden: Wir haben/hatten dasselbe Wort für komplett unterschiedliche Inhalte (apropos: Mir fällt gerade ein, wovon ich diesbezüglich geprägt bin: Positivisten-Streit rund um Dilthey/Nagel im letzten Viertel des 19. Jh.). Ich werde das Wort zukünftig vorsichtig verwenden, wenn es so eine komplizierte Begriffs-Historie hat.

Anton B. hat geschrieben: denn die empirische Wissenschaft beschäftigt sich ja im Gegensatz zu Deiner Darstellung mit geistigen Konstrukten
Das mag sein - dann tun dies Architekten aber auch. - Wie willst Du begrifflich eine Abgrenzung zu Philologie/Theologie schaffen? - Da droht doch der nächste Definitions-GAU. - Nach meiner Interpretation wären Naturwissenschaften so etwas wie Feinmechaniker (wie es Chirurgen auch sind) - überhaupt nicht abfällig gemeint, sondern in Abgrenzung zu Disziplinen, die sich mit dem Geistigen beschäftigen.

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#1017 Re: Homöopathie

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Sep 2013, 00:50

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: denn die empirische Wissenschaft beschäftigt sich ja im Gegensatz zu Deiner Darstellung mit geistigen Konstrukten
Das mag sein - dann tun dies Architekten aber auch. - Wie willst Du begrifflich eine Abgrenzung zu Philologie/Theologie schaffen? - Da droht doch der nächste Definitions-GAU. - Nach meiner Interpretation wären Naturwissenschaften so etwas wie Feinmechaniker (wie es Chirurgen auch sind) - überhaupt nicht abfällig gemeint, sondern in Abgrenzung zu Disziplinen, die sich mit dem Geistigen beschäftigen.
Indem ich wieder zusammenfüge, was Du zerrissen hast:

"... denn die empirische Wissenschaft beschäftigt sich ja im Gegensatz zu Deiner Darstellung mit geistigen Konstrukten, die aber anhand von Beobachtungsvorhersagen falsifizierbar sind. Der Versuch der Falsifikation wird an Wahrnehmungen vorgenommen"

Klingelt es jetzt? Das darfst Du sowenig zerreißen, wie Mutation + Selektion bei der ET.

Außerdem rezipiere ich nur den Stand der Wissenschaftstheorie, nicht mehr und nicht weniger.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#1018 Re: Homöopathie

Beitrag von closs » Sa 14. Sep 2013, 01:15

Anton B. hat geschrieben:Außerdem rezipiere ich nur den Stand der Wissenschaftstheorie, nicht mehr und nicht weniger.
DAS glaube ich aufs Wort. Es ist sehr interessant, was die Wissenschaftstheorien zu tun.

Ich würde daraus schließen, dass Naturwissenschaften unter ihrer Bedingung, dass Geist Folge von Materie ist, nunmehr den Geist in ihr eigenes System einbauen. - Ontologisch geht das GAR nicht - aber das spielt vermutlich keine Rolle.

Aber die Frage bleibt: Wenn schon Naturwissenschaft den Begriff "Geist" für sich beansprucht, wie soll man dann das nennen, was man unter meta-physischen Gesichtspunkten unter "Geist" versteht? - Brauchen wir ja einen neuen Begriff.

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#1019 Re: Homöopathie

Beitrag von Pluto » Sa 14. Sep 2013, 01:46

closs hat geschrieben: Brauchen wir ja einen neuen Begriff.
Warum? Geist bleibt Geist, Bewustsein, Seele... was du willst.
Die Erkenntnis ist: Ohne Intelligenz keine Wahrnehmung, ergo kein Geist.
MaW, Geist ist Folge von Materie.
(wo bleibt eigentlich Barbara?)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1020 Re: Homöopathie

Beitrag von closs » Sa 14. Sep 2013, 01:55

Pluto hat geschrieben:Warum?
Weil hier in etwa dasselbe geschieht wie mit dem Begriff "Bildung". - Früher hat man unter "Bildung" die Formung des Menschen im Hinblick auf sein Menschsein und seine geistigen Fähigkeiten verstanden - das was man heute "Bildung" nennt, nannte man früher "Ausbildung". -Was man früher "Bildung" nannte, ist de facto verschwunden.

Das heißt: Zeitgeist-bedingt finden semantische Shifts statt, die vorherige semantische Inhalte verschwinden lassen - modern gesagt: Ein Meisterwerk der PR.

Pluto hat geschrieben:Geist ist Folge von Materie
Exakt - unter diesem Paradigmen-Wechsel werden Begriffe neu besetzt. - Das ist übrigens nicht neu, sonst gäbe es ja nicht den Begriff der "Begriffs-Historie".

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