closs hat geschrieben:Anton B. hat geschrieben:Deshalb bleibt die Frage: Was hilft uns das Konzept von "Wirklichkeit" bei der Suche nach vernünftig begründeten Erkenntnissen über die Welt?
Eigentlich "nur", dass alles Suchen unter dem Veto-Recht der Wirklichkeit steht.
Und in der Naturwissenschaft steht jedes Wissen unter dem Veto einer zukünftigen Falsifizierung. Das ist weniger schwurbelig, weil wir wissen, wie wir Falsifikationsversuche bewerkstelligen können. "Das Veto-Recht der Wirklichkeit", was soll das aber sein?
closs hat geschrieben:Operativ gebe ich Dir doch recht: Man will etwas wissen und schaut, wie man das am besten organisiert.
Na, ja. Wir Naturwissenschaftler wollen etwas wissen, und deshalb betreiben wir Versuche zur Zerstörung des Modells.Scheint mir eine andere, kritischere Einstellung zu sein. Es bleiben nicht die schwächsten, sondern die stärksten Modelle am Leben. Meines Erachtens ein großer Unterschied zu Deiner Denke.
closs hat geschrieben:Nun sind wir uns wahrscheinlich im Glauben einig, dass "methodische Ergebnisse" und "Wirklichkeit" meistens übereinstimmen [...]
Härter: Die "methodischen Ergebnisse" sagen unmittelbar nichts über Deine "Wirklichkeit". Sie sagen etwas über Annahmen (Modelle), Korrelationen und Beobachtungen aus. Nur, weil vielerlei dieses Wissens so unmittelbar nützlich ist und der "kleine Mann" dies immer und immer wieder bestätigt bekommt, interpretiert er dieses Wissen dann als Abbild der Wirklichkeit. Das ist praktisch, das ist häufig auch ganz gut so, jedoch nicht ganz richtig und für uns Naturwissenschaftler schon mal gar keine Option.
closs hat geschrieben:[...] - aber HP scheint insofern ein Sonderfall zu sein, dass die Wirklichkeit auf Seiten der Betroffenen ist und offenbar nicht mit dem übereinstimmt, was methodisch/wissenschaftlich dazu gesagt wird. - Diese Divergenz muss man zur Kenntnis nehmen.
Doch nicht die "Wirklichkeit ist auf Seiten der Betroffenen", sondern deren Empfinden, da wäre etwas. Dass sie es so Empfinden, spricht doch auch niemand den Betroffenen ab. Die durch die Betroffenen dazu gebastelte Theorie, die wird in Frage gestellt. Das fängt damit an, dass sich die Beobachtungen, sobald sie systematischer erhoben werden, immer mehr von dem abweichen, was die Betroffenen berichten. Da tut sich die erste Divergenz auf. Und mit der beschäftigt man sich auch vernünftig.
closs hat geschrieben:Wenn nun die Wissenschaft aufgrund methodische Anforderungen zum Ergebnis kommen muss, dass dies korrelativ zu verstehen ist, ist das unbenommen - aber trotzdem muss der Unterschied zwischen Status Quo und Status Quo Ante erklärt werden - denn dieser bleibt bestehen. - Oder man sagt: "Wir können diesen Unterschied nicht erklären - die wissenschaftliche Methodik gibt das nicht her". - Auch gut. - Aber man darf nicht sagen: "Die bilden sich das alles ein und waren vorher gesund, weil wir es uns wissenschaftlich nicht anders erklären können".
Warum denn nicht? Ist das sakrosankt? Wenn vernünftig begründet werden kann, dass der Inhalt der Empfindungen nicht durch systematischer aufgesetzte Beobachtungen nachvollzogen werden können, niemand, auch nicht die Betroffenen, Fehler aufzeigen können, dann lässt sich vernünftig begründet durchaus der Inhalt dieser Empfindungen in Frage stellen. Ich betone nochmal: VERNÜNFTIG BEGRÜNDET in Frage stellen. Da hilft es doch dann nicht, mit Berufung auf eine Wirklicheit, die in ihrer Ausprägung nicht näher spezifiziert werden kann, auf die wahre Richtigkeit der Empfindungsinhalte zu pochen.
Letzten Endes sagst Du ja nichts anderes, als dass "vernünftige Begründung" Humbug ist.
closs: "Vernünftige Begründung endet an der Wirklichkeit. Ich weiß nur nicht, was Wirklichkeit ist. Aber wenn mir was nicht passt, dann sage ich, "Halt Leute, nicht die vernünftige Begründung, sondern "die" Wirklichkeit zählt. Damit bin ich dann fein raus und brauche mir meine schönen Vorstellungen auch nicht madig machen zu lassen."
Naturwissenschaftler: "Vernünftige Begründung ist vernünftige Begründung. Eine vernünftige Begründung kann sich allerdings unter Umständen in der Zukunft als nicht mehr vernünftig heraus stellen. Die Widerlegung einer alten Theorie und noch mehr eine neue -- diesmal andere -- vernünftige Begründung stellt den wissenschaftlichen Fortschritt dar."
closs hat geschrieben:Mit anderen Worten: Man darf Probleme der Wissenschaft nicht zu Lasten der Betroffenen auslegen (zu denen übrigens auch der HP-Arzt gehört). - Genau dieser Eindruck wird hier (mit Ausnahme Anton) erweckt. - Das geht nicht.
Und weil ich darauf bestehe, dass das nicht so geht, wird mir Vergesslichkeit, Unwissenschaftlichkeit und sonstwas vorgeworfen - dabei will ich nur dem, was der Fall ist, im Zweifelsfall den Vorrang vor dem geben, was die Wissenschaft diesbezüglich an Erkenntnis machbar machen kann. - Das eine "ist", das andere ist methodischer Versuch zum "Ist" hin. - Kategorial zwei völlig unterschiedliche Paar Stiefel.
Die Vorwürfe sind berechtigt. Berechtigt, weil Du zwar mit dem, "was der Fall ist", argumentierst, aber uns jeden "kritischen Nachweis" , "was der Fall ist", schuldig bleibst. Vielleicht würde es klarer werden, wenn wir das Thema HP durch "Besuche von und Entführungen durch Aliens" ersetzen würden.
Frage: Was ist da anders?
Wir können es systematisch nicht nachvollziehen, die 3 geforderten Qualitäten an wissenschaftliche Beobachtungen können nicht eingehalten werden, das Modell der Besuche durch Außerirdische und dessen Einfluss auf die menschliche Kultur als auch auf den Menschen als physisches Lebewesen ist nicht konsistent mit dem Wissen anderer wissenschaftlicher Disziplinen. Was soll Wissenschaft, was sollen Anton und die anderen im Forum jetzt dazu sagen? Sollen sie sich den kategorischen Imperativ des closs zu eigen machen?
closs hat geschrieben:Mit anderen Worten: Man darf Probleme der Wissenschaft nicht zu Lasten der Betroffenen auslegen [..]
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.