Hexenjagd 2.0

Leben in einer christlich geprägten Gesellschaft
Ehe & Familie, Partnerschaft & Sexualität, Abtreibung, Homosexualität
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sven23
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#1 Hexenjagd 2.0

Beitrag von sven23 » Mi 13. Okt 2021, 06:52

Der Bundesstaat Texas hat das schärfste Abtreibungsgesetz der USA installiert. Der Bundesstaat ruft sogar ausdrücklich dazu auf, Frauen zu denunzieren, die im Verdacht stehen, eine Abtreibung zu planen oder durchgeführt zu haben. 10000 Dollar Strafe drohen diesen Frauen, die dann dem Denunzianten ausgezahlt werden sollen.
Es ist sicher kein Zufall, dass so eine Hexenjagd aus einem Bundesstaat des Bible Belts kommt, den Staaten mit den Superchristen.

https://www.stern.de/gesellschaft/hexen ... 09248.html


Man fühlt sich erinnert an mittelalterliche Hexenjagden, oder Spitzel- und Überwachungsstaaten oder Gilead aus The Handmaid’s Tale.

 
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piscator
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#2 Hexenjagd 2.0

Beitrag von piscator » Mi 13. Okt 2021, 09:22

Der Fanatismus - gleich welcher Art  - scheint eine weltweite Entwicklung zu sein. Ein Mandant, der in der Forschung tätig ist, sagte mir neulich, dass er ohne Gendersprache kaum noch eine wissenschaftliche Arbeit durch bekommt.

Da scheint die Ideologie über der Lesbarkeit zu stehen. Er behillft sich sich momentan, die Arbeiten in Englisch zu veröffentlichen, wo man das Phänomen so nicht kennt. Schade ist das vor allem, weil sich sein Forschungsfeld auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. 

Wird auch hier nicht mehr lange dauern, bis man von Abtreiber:innen spricht  :mrgreen: Und die Verwendung der falschen Bezeichnung schlimmer ist als die Abtreibung selbst.
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#3 Hexenjagd 2.0

Beitrag von piscator » Mi 13. Okt 2021, 14:08

Zur Abwechslung mal etwas Gutmenschliches. Die Künstlerin Demi Lovato (kennt die jemand?) hat sich bitter darüber beklagt, dass Außerirdische hierzulande
Aliens genannt werden. 

Doku über Außerirdische: Lovato: "Bezeichnung Aliens ist beleidigend" - n-tv.de

Ich bin froh, dass das hier jemand mal thematisiert, denn die Vorstellung, dass hier eines Tages Außerirdische landen und sich dann gleich beleidigt fühlen müssen, ist 
doppelplusungut.  :evil:
Demi Lovato hält es für beleidigend, außerirdische Wesen als "Aliens" zu bezeichnen. Der US-Star dreht eine Dokuserie namens "Unidentified", in der "die Wahrheit über Ufo-Phänomene" aufgedeckt werden soll. In einem Interview mit "Pedestrian.tv" sagte Lovato nun: "Ich denke, dass wir aufhören müssen, sie Aliens zu nennen, weil Aliens ein abfälliger Begriff für alles ist."

Die Dame schlägt vor, anstatt von Aliens von ETs zu sprechen. Nun schwirren da draußen sicher nicht nur keine knuddelige Wesen mit Wasserköpfen und Plattfüßen herum sondern eventuell auch Wesen wie die Klingonen aus StarTrek, die als Krieger unterwegs sind und für die wäre die Bezeichnung ET eher nicht angebracht.

Warten wir einfach mal ab ...

 
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SamuelB
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#4 Hexenjagd 2.0

Beitrag von SamuelB » Mi 13. Okt 2021, 15:14

piscator hat geschrieben:
Mi 13. Okt 2021, 14:08
Zur Abwechslung mal etwas Gutmenschliches...
Du bist hier im falschen Thread. Sven geht es um was anderes. Ich bitte um Beachtung.

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sven23
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#5 Hexenjagd 2.0

Beitrag von sven23 » Do 14. Okt 2021, 07:47

Vielleicht sollte die Dame ihren Drogenkonsum etwas einschränken. :lol:
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#6 Hexenjagd 2.0

Beitrag von piscator » Do 14. Okt 2021, 08:40

Das wäre sicher hilfreich.  :D  Auf den ersten Blick wirkt das Ganze komisch, aber man könnte das durchaus auch als Teil eines weltweiten Versuchs sehen, bestimmte Sprachmuster oder Denkweisen salonfähig zu machen.

Auf den ersten Blick haben die neuen Abtreibungsgesetze in Texas mit der Gendersprache in Deutschland und dieser lächerlichen Alienbezeichnung nichts zu tun, aber ein dauerhafter Erfolg würde andere Bestrebungen bestärken.

Ich bitte das nicht als dunkle Machenschaften irgendwelcher dunkler Mächte sehen, sondern als unorganisierte Erscheinung,  die sich über die sozialen Medien verbreitet.

Allen diesen Bestrebungen ist aus meiner Sicht ein rückständiges Gesellschaftbild, insbesondere ein reaktionäres Frauenbild eigen, das letztendlich auf Kosten der Freiheit aller geht.

Die ständige Betonung des weiblichen in der Genderdebatte führt nicht dazu, dass Frauen gleicher gestellt werden als bisher, sondern dass Geschlechter auf bestimmte Normen und Muster festgeschrieben werden.

Siehe Afghanistan, da schaut die Weltgemeinschaft tatenlos zu, wie sämtliche Frauen eines ganzen Volkes von Latschen tragenden Fanatikern entrichtet werden. Was in Afghanistan passiert, passiert hier jeden Tag in kleinem Stil. Ich habe noch nie gehört, dass ein deutscher Politiker den hier lebenden Muslima gesagt hat, dass sie hier auch ohne spezielle Kleidung ihre Religion ungehindert ausüben können, von Politikerinnen schon gar nicht.

Wird den den Frauen dann noch die Verfügung über ihren Körper wie in Texas genommen, nimmt das eine ungute Entwicklung an. Und da stecken nicht nur die Männer dahinter, ein Teil der Frauen sieht das leider auch so.
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Naqual
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#7 Hexenjagd 2.0

Beitrag von Naqual » Fr 15. Okt 2021, 18:35

sven23 hat geschrieben:
Mi 13. Okt 2021, 06:52
Der Bundesstaat Texas hat das schärfste Abtreibungsgesetz der USA installiert. Der Bundesstaat ruft sogar ausdrücklich dazu auf, Frauen zu denunzieren, die im Verdacht stehen, eine Abtreibung zu planen oder durchgeführt zu haben. 10000 Dollar Strafe drohen diesen Frauen, die dann dem Denunzianten ausgezahlt werden sollen.
Es ist sicher kein Zufall, dass so eine Hexenjagd aus einem Bundesstaat des Bible Belts kommt, den Staaten mit den Superchristen.

Man fühlt sich erinnert an mittelalterliche Hexenjagden, oder Spitzel- und Überwachungsstaaten oder Gilead aus The Handmaid’s Tale.

Das hat mich auch sehr betroffen gemacht. Diese extreme Aggressivität bei der selbst Vergewaltigungsopfer meist nicht mehr rechtzeitig abtreiben können. Dabei ist die Entscheidung der Frau abzutreiben - selbst ohne staatlichen Schikanenzirkus - für die allermeisten Frauen eine ganz unangenehme Entscheidung, die sie Zeit ihres Lebens begleiten wird. Es ist interessant, dass über mögliche Hilfestellungen für Frauen, überhaupt nicht groß diskutiert wird. Und das ist das Kaltschnäuzige etlicher Moralapostel (auch viele Christen sind entsetzt über das Aktuelle in Texas, auch dort). Es geht nur um die Durchsetzung der eigenen religiösen Vorstellungen. Und diese Aggressivität (5-stellige Denunzierungssumme) hebt die Verantwortlichen auf eine Stufe mit vielen fanatischen Taliban in Afganistan. Da führt man erst einen Krieg, weil man selbst die höheren moralischen Werte hat und demonstriert dann gleich wieder soweit ist es bei uns auch nicht her. Und völlig blödsinnig wird es, wenn nach 20 Jahren Krieg gegen die Taliban nun die EU MIlliardenhilfen auflegt, die letztlich das menschenverachtende System stabilisieren, auch wenn man es kurzfristig (!) mit Humanität begründen kann. Die schlimmen langfristigen Folgen überwiegen jedoch. HUmanitären HIlfen kann man nur als klare Deals und Verträge auflegen, die bestimmte humanitäre Standards sicherstellen. Aber da tut der Westen sich hart mit. Es wird ja auch akzeptiert, dass gegen Staaten in der UN nicht wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte geklagt werden, wenn diese Staaten die Sharia anwenden (mit Verstümmelungen als Strafmaß).
Und ja, Texas hat die Todesstrafe für Delinquenten und zahlenmäßig auch die meisten Vollstreckungen in den USA. Wenn ich einen Mörder anzeige erhalte ich aber die 10.000 Dollar nicht. Mein Verständnis ist da doch recht begrenzt.

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sven23
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#8 Hexenjagd 2.0

Beitrag von sven23 » Sa 16. Okt 2021, 07:05

Naqual hat geschrieben:
Fr 15. Okt 2021, 18:35
Und diese Aggressivität (5-stellige Denunzierungssumme) hebt die Verantwortlichen auf eine Stufe mit vielen fanatischen Taliban in Afganistan. Da führt man erst einen Krieg, weil man selbst die höheren moralischen Werte hat und demonstriert dann gleich wieder soweit ist es bei uns auch nicht her.
Und was ist, wenn Frauen aus ärmeren Schichten die Summe nicht aufbringen können? Dann droht wohl eine Gefängnisstrafe mit allen negativen Folgen für die Biografie der jeweiligen Person.


Naqual hat geschrieben:
Fr 15. Okt 2021, 18:35
Wenn ich einen Mörder anzeige erhalte ich aber die 10.000 Dollar nicht. Mein Verständnis ist da doch recht begrenzt.
War es bei den europäischen Hexenprozessen nicht auch so, dass die Denunzianten an der Verteilung des Besitzes der verurteilten Person beteiligt wurden? So schuf man ein Anreizsystem für Denunziation. Besonders lukrativ war es dann auch, eine wohlhabende Person zu denunzieren.
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Naqual
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#9 Hexenjagd 2.0

Beitrag von Naqual » Sa 16. Okt 2021, 10:45

Die eigentliche Themen, die abstrakt dahinter stehen sind: 
anderen die eigenen Moralvorstellungen aufdrängen und das als völlig okay zu empfinden, selbst wenn man von den anderen Moralvorstellungen selbst gar nicht beinträchtigt ist.
Und dann der methodische Irrglaube (der faktisch widerlegt ist), man könne mit härteren Strafen besser entgegensteuern. Je härter desto effizienter sei es.

Grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt, dass Moralvorstellungen erst dann gesellschaftlich bekämpft gehören, wenn sie andere schädigen.
Beispiel: wenn zwei Leute gleichen Geschlechts sich lieben, geht das die Justiz nichts an, weil dies Unbeteiligte nicht in ihren Rechten beeinträchtigt.
Moralvorstellungen, die verfolgt werden: da müssten die entsprechenden Vorstellungen der Verfolgenden überprüfbar sein und nicht einfach Glaubensssache.
z.B. wenn in der Bibel steht, dass Onan des Todes ist, weil er seinen Samen in den Wüstensand gespritzt hat statt es da hineinzubringen, wo es fruchtbarer aufgehoben ist. Naja, da kann man sogar beweisen, dass der Verbot der Onanie (oder die rein moralische Ächtung durch andere) psychischen Schaden bis hin zu neurotischem Verhalten fördern kann.
Bei der Abtreibungsdebate tue ich mich schwerer. Weil auch das Recht des ungeborenen Kindes im Raum steht. Da ist ganz schwer abzuwägen mit rein rationalen Argumenten und die Diskussion wird genau an diesem Punkt emotional schnell (und oft bewusst) aufgeladen. Die erste Entscheidung hierzu sollte aber die betroffene Frau haben. Und hier kann man die Debatte nicht allgemeingültig führen. Es gibt Frauen, die kämen mit dem Austragen des Kindes nicht klar und würden sich selbst langfristig schädigen, bei anderen sieht es anders aus. Aber als Unbetroffener kann man dies nicht beurteilen.

 

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#10 Hexenjagd 2.0

Beitrag von sven23 » Sa 16. Okt 2021, 11:50

Naqual hat geschrieben:
Sa 16. Okt 2021, 10:45
Die eigentliche Themen, die abstrakt dahinter stehen sind: 
anderen die eigenen Moralvorstellungen aufdrängen und das als völlig okay zu empfinden, selbst wenn man von den anderen Moralvorstellungen selbst gar nicht beinträchtigt ist.
Und dann der methodische Irrglaube (der faktisch widerlegt ist), man könne mit härteren Strafen besser entgegensteuern. Je härter desto effizienter sei es.
Vor allem schafft man mit strengeren Gesetzen noch mehr Häftlinge, aber vielleicht ist das auch so gewollt. Es gibt ja schon privat betriebene Gefängnisse, den den zuständigen Bundesstaat verklagt haben, weil er ihnen nicht die zugesicherte Anzahl an Häftlingen überstellt hat. Obwohl die USA ja eigentlich genügend Häftlinge haben, nämlich mehr als China und Russland zusammen.

https://www.handelsblatt.com/politik/international/usa-und-die-privaten-haftanstalten-das-lukrative-geschaeft-mit-dem-knast/14429394.html

Naqual hat geschrieben:
Sa 16. Okt 2021, 10:45
Bei der Abtreibungsdebate tue ich mich schwerer. Weil auch das Recht des ungeborenen Kindes im Raum steht.
Ich bin auch kein Freund von Abtreibung als Ersatz für Empfängnisverhütung.
Der Einsatz für das ungeborene Leben seitens der religiösen Fundamentalisten wäre aber weitaus glaubwürdiger, wenn man sich mit gleicher Vehemenz für die Rechte der geborenen Kinder einsetzen würde.
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