Debatte, Diskussion und Dialog

Leben in einer christlich geprägten Gesellschaft
Ehe & Familie, Partnerschaft & Sexualität, Abtreibung, Homosexualität
erbreich
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#1 Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von erbreich » Mo 20. Jan 2020, 12:21

Hallo zusammen

Debatten und Diskussionen erlebe ich hier im Forum jede Menge, oft auch bis hin zu reiner Polemik. Was meines Erachtens vielerorts zu kurz kommt, ist der echte Dialog. Diesen Mangel sehe ich als eine Gefahr für jede Gemeinschaft, sei es in Familie und Partnerschaft oder in den vielen Formen grösserer Gemeinschaften (wie eben auch der Forumsgemeinschaft hier) bis hin zur Gemeinschaft der Menschen auf unserem Planeten. Erlebt dir das auch so? Und wenn ja, was denkt ihr, wie können wir über blosses debattieren und diskutieren hinaus kommen und zum echten Dialog finden? Oder findet ihr, Debatte und Diskussion seien genug, den Dialog brauche es nicht?

Hier eine bildliche Darstellung der Unterscheidung der drei Gespächsebenen, die ich ganz gut finde:

Bild
Hier zu weiteren Erklärungen des Dargestellten. 

Ich würde es sehr begrüssen, wenn sich hier im Forum eine starke Bewegung finden liesse - vielleicht ist sie ja da und ich habe sie nur noch nicht entdeckt - die sich über das Alleinedenken und das Monologisieren (in Debatte und Diskussion) erheben und zum Gemeinsamdenken (im empathischen und generativen Dialog) finden könnte.

Begriffe und deren Bedeutung sind meines Erachtens keine objektiven Wirklichkeiten sondern eine Frage der Übereinkunft zwischen Menschen. Der Prozess des Findens der Begriffe und des immer wieder neu (also nicht dogmatisch einmal für immer) Übereinkommens über deren Bedeutungen ist ein äusserst kreativer Akt und erschliesst immer wieder neue Möglichkeiten für ein gelingendes Zusammenleben. 

Ich freue mich auf eure Beiträge!

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lovetrail
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#2 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von lovetrail » Mo 20. Jan 2020, 12:34

Hallo!

Das wäre natürlich zu begrüßen, wobei es aber mE schon auch

1. einen gewissen eigenen Standort (zumindest als Erprobungsthese) und

2. einen Willen zur Wahrheitsfindung braucht

damit ein Dialog sinnvoll ist.

Ich sehe oft in dem allgemeinen Bemühen um Toleranz und Verständnis zuwenig eigenen Standpunkt und zuwenig Willen auf eine Wahrheit zu kommen.

Und so endet das Ganze dann in einem relativistischem Misch-Masch, wo eigentlich kaum noch etwas von Bedeutung ist.

Ehrlich gesagt, empfinde ich auch deine (Nicht-)Position so, erbreich.

LG
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

erbreich
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#3 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von erbreich » Mo 20. Jan 2020, 13:12

Hallo lovetrail

Zum eigenen Standort kommt mir eine Begebenheit in den Sinn:
Carlo Lischetti (in Bern einigermassen bekannt) verkaufte einstmals auf dem Markt "Standpunkte" für Leute, die noch keinen hatten.
Das waren weisse Scheiben, auf den stand: "Standpunkt". Da konnte man dann draufstehen. 

Meine Frage: Bin ich nun gezwungen, in jedem Gespräch denselben Standort einzunehmen oder ist es möglich je nach Gesprächskontext und Inhalt unterschiedliche Standorte einzunehmen? Nämlich einen, dem Gespräch und dem Thema möglichst angemessenen?

Mit dem Willen zur Wahrheit wird es noch problematischer und da zeigt sich, was ich als Notwendigkeit der Begriffsfindung und Bedeutungsklärung meine:

Ich verstehe unter "Wahrheit" kein absolutes und fix benennbares Ding, sondern den dynamischen Fluss des Lebens und Erlebens und der "Wille zur Wahrheit" demnach als die Suche nach dem jeweils angemessensten mir zugänglichen "Standort", den ich im gegebenen Kontext darin einnehmen kann. 

Das sehe ich nicht als einen relativistischen Misch-Masch wie du, sondern als dynamisches Eingehen auf ein dynamisches Leben und das sehe ich durchaus als bedeutungsvoll an. Deshalb ist das meine Position (oder Nicht-Position, wie du das bezeichnest). Und wer mich näher kennenlernt, lernt auch meinen "Standort" kennen, nicht als einen statischen, sondern als einen flexiblen. 

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#4 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von lovetrail » Mo 20. Jan 2020, 13:27

Hallo erbreich!
erbreich hat geschrieben:
Mo 20. Jan 2020, 13:12

Carlo Lischetti (in Bern einigermassen bekannt) verkaufte einstmals auf dem Markt "Standpunkte" für Leute, die noch keinen hatten.
Das waren weisse Scheiben, auf den stand: "Standpunkt". Da konnte man dann draufstehen. 
Kaufen würde ich ihn nicht ;-) Aber versuchen mir klar zu werden, wo ich stehe, bzw von wo ich aus losgehen kann (wenn das deiner dynamischen Sichtweise entgegenkommt)
Meine Frage: Bin ich nun gezwungen, in jedem Gespräch denselben Standort einzunehmen oder ist es möglich je nach Gesprächskontext und Inhalt unterschiedliche Standorte einzunehmen? Nämlich einen, dem Gespräch und dem Thema möglichst angemessenen?
Naja, zwingen tut dich eh keiner, aber es würde der Gesprächskultur dienen, wenn die einzelnen Standpunkte und Sichtweisen eines Menschen ein konsistentes Gefüge ergeben.
Und es wäre wohl für einen selbst auch besser, wenn man eine gewisse Ordnung und Struktur in seine Vorstellungen und Positionen bringt.


Mit dem Willen zur Wahrheit wird es noch problematischer und da zeigt sich, was ich als Notwendigkeit der Begriffsfindung und Bedeutungsklärung meine:

Ich verstehe unter "Wahrheit" kein absolutes und fix benennbares Ding, sondern den dynamischen Fluss des Lebens und Erlebens und der "Wille zur Wahrheit" demnach als die Suche nach dem jeweils angemessensten mir zugänglichen "Standort", den ich im gegebenen Kontext darin einnehmen kann. 
Ok, solange du ihn dann auch einnimmst, soll es mir recht sein. Aber ich fürchte dass du dich darauf nicht einlässt. Bzw dass es dir lieber ist, immer alles offen zu lassen.

Das sehe ich nicht als einen relativistischen Misch-Masch wie du, sondern als dynamisches Eingehen auf ein dynamisches Leben und das sehe ich durchaus als bedeutungsvoll an. Deshalb ist das meine Position (oder Nicht-Position, wie du das bezeichnest). Und wer mich näher kennenlernt, lernt auch meinen "Standort" kennen, nicht als einen statischen, sondern als einen flexiblen. 
Hm, grundsätzlich bin ich ja für eine gewisse Flexibilität im Denken aber es braucht eben auch Kontur. Wer nur flexibel ist, der biegt sich bald hierhin, bald dorthin.

Oder christlich gewendet: Folgt man nun Jesus nach, oder folgt man ihm nicht nach? Wie flexibel ist diese Frage im Grunde? Die konkrete Nachfolge kann durchaus flexibel beantwortet werden, aber auf die grundsätzliche Aufforderung sehe ich nur die Auswahlmöglichkeit "ja" oder "nein". Ein "Jein" reicht wohl nicht aus um vor Gott Wohlgefallen zu bekommen.

LG
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

Ruth
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#5 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von Ruth » Mo 20. Jan 2020, 14:05

Ich persönlich suche auch am liebsten und in erster Linie einen Dialog. Der darf aber aus unterschiedlichen Richtungen kommen und auch so bleiben.

Der Ausgangspunkt ist für mich zunächst einmal, das zu beschreiben, was mich dazu bewegt, auf ein Thema zu reagieren - also einen Bezugspunkt zum Thema oder direkt zum Beitrag dessen, worauf ich reagiere.
Oder, wenn ich ein Thema selbst eröffne, mitzuteilen, wie das Thema entstanden ist, damit die Leser einen Bezugspunkt finden können, wenn sie nicht selbst einen haben.

Ebenso wünsche ich mir von meinen Geprächspartnern, dass sie zunächst einmal meinen Ausgangspunkt wirklich wahrnehmen, bevor sie ihren Kommentar dazu schreiben. 

Oft wird im Forum nur auf ein Stichwort reagiert. Ich gestehe allerdings, dass ich es auch manchmal so mache.
So kann dann aber eine Beschreibung auf das Wort "Blau" ganz unterschiedlich reagiert werden. Die einen denken dabei an den Himmel, andere an das Meer, wieder andere an den Zustand, wenn man zu viel Alk getrunken hat oder auf eine Blume oder Blaubeeren.

Ich denke, wenn man wirklich eine Unterhaltung und Austausch erleben will, muss man auf sein Gegenüber achten, ihm zuhören und zumindest darauf so eingehen, dass dieser den Zusammenhang zu dem Kommentar darauf erkennt. 

Eigentlich muss man nicht einer Meinung sein, wenn man einmütig miteinander kommuniziert. Man sollte nur den Gesprächspartner auf Augenhöhe, als mindestens gleichwertig sehen, wie man sich selbst und die eigene Meinung einschätzt und selbst geschätzt werden möchte. 

Ich persönlich sehe das Problem in diesem Forum hauptsächlich in dem letzten Punkt. Oft wird jemand, der eine abweichende Meinung zu einem Thema hat, wo die Überzahl gleichförmig denken, abwertend behandelt und überheblich kommentiert. Im Grunde hat man hier kaum eine Chance, wenn man kein dickes Fell hat, und trotzdem gerne seine Meinung mitteilen möchte. Charakterstärke sehe ich aber hauptsächlich darin, wenn man Andersdenkende so stehen lassen kann, wie sie denken - und trotzdem seine eigene Meinung darstellen kann, ohne von oben herab zu agieren.

Ich-Botschaften, statt Du-Botschaften können hilfreich dabei sein, einander mit Wertschätzung zu begegnen. Es ist etwas anderes, wenn ich sage: "ich denke da anders als du", anstatt: " so wie du denkst, ist es falsch" ... beides kann dann nebeneinander stehen bleiben, ohne dass jemand abgewertet wurde.


 

Punch
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#6 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von Punch » Mo 20. Jan 2020, 15:03

Ruth hat geschrieben:
Mo 20. Jan 2020, 14:05


Ich persönlich sehe das Problem in diesem Forum hauptsächlich in dem letzten Punkt. Oft wird jemand, der eine abweichende Meinung zu einem Thema hat, wo die Überzahl gleichförmig denken, abwertend behandelt und überheblich kommentiert. Im Grunde hat man hier kaum eine Chance, wenn man kein dickes Fell hat, und trotzdem gerne seine Meinung mitteilen möchte. Charakterstärke sehe ich aber hauptsächlich darin, wenn man Andersdenkende so stehen lassen kann, wie sie denken - und trotzdem seine eigene Meinung darstellen kann, ohne von oben herab zu agieren.

Ich-Botschaften, statt Du-Botschaften können hilfreich dabei sein, einander mit Wertschätzung zu begegnen. Es ist etwas anderes, wenn ich sage: "ich denke da anders als du", anstatt: " so wie du denkst, ist es falsch" ... beides kann dann nebeneinander stehen bleiben, ohne dass jemand abgewertet wurde.

Ich persönlich sehe das Problem 1. in der Wahrnehmungsfähigkeit jedes einzelnden Individiums, 2. Im Wo, es sind schon Welten von Unterschieden, ob ich nun in einem weltanschaulichen Internetforum mit Menschen anderen Glaubens oder anderer Weltanschauung diskutiere, oder im realen Leben mit den Diskutanten an einem runden Tisch sitze, oder in einer privaten Umgebung, oder sagen wir in oder an einer Universität.

Zu Punkt 1, den ich jetzt nur oberflächlich "Berühren" kann, sonst artet das hier zu einem längeren Essay aus:

Wir alle nehmen unsrere unendlich komplexe Umwelt unterschiedlich wahr, nicht nur im Sehen, Hören und Schmecken, oder im Tastsinn, auch in den Berührungen und unseren Schmerzen, selbst in den haptischen Wahrnehmungen. In den Weltanschauungen oder den verschiendensten Glaubensformen wird das dann noch diffizieler, noch komplizierter und vor allen Dingen und darum diskutieren wir hier - noch heikler und das wohl auch in einer unabsehbaren psychologischen Vielschichtigkeit des seienden Menschen selbst.
Und diese so unterschiedlichen Wahrnehmungsvorgänge, diese vervielfältigen sich zunehmend noch einmal in unseren subjektiven und auch objektiven Wahrnehmungen unserer Empfindungen, hier gegenüber gewisser Thematiken, gewisser Vorlieben und auch Abneigungen die wir oft schlecht vor uns verleugnen können.

Ich mache jetzt hier erst einmal einen Strich, sonst ende ich noch bei sekundären Hirnrindenfeldern, verschiedenartigen Transformationen und modalen Rezeptorpotenzialen. Aber vielleicht können wir uns sekundär schon darauf einigen, das wir alle, grundsätzlich alle nur Menschen als ein Produkt unserer tausenfältig erlebten und erfahrenen Umwelt sind, die oft unerschiedlicher nicht sein kann.
Wobei dieses Forum, nur dieses Forum allein niemals letztendlich Beispielgebend sein kann oder sollte, auch kein Honigtopf thematisch weltanschaulicher Befindlichkeiten und deutungshoheitlicher Ansprüche, und es sollte auch nicht in privaten Fehden ausarten,  und damit ist schon ein unendliches Thema abgesteckt.

Traugott
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#7 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von Traugott » Mo 20. Jan 2020, 16:48

Ich glaube an Gott, kann ich nicht diskutieren.
Ich glaube der Bibel, wie soll ich das diskutieren, totaler Blödsinn. Ich mag Nüsse, lasst uns darüber diskutieren. Da sind so viele Grenzen in einer Kommunikation gesetzt- unterm Strich kann man gar nicht diskutieren, wir sind alle unversöhnt. Es ist Krieg, Leute.
wer aber die Wahrheit tut...

Punch
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#8 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von Punch » Mo 20. Jan 2020, 17:10

Traugott hat geschrieben:
Mo 20. Jan 2020, 16:48
Ich glaube an Gott, kann ich nicht diskutieren.
Ich glaube der Bibel, wie soll ich das diskutieren, totaler Blödsinn. Ich mag Nüsse, lasst uns darüber diskutieren. Da sind so viele Grenzen in einer Kommunikation gesetzt- unterm Strich kann man gar nicht diskutieren, wir sind alle unversöhnt. Es ist Krieg, Leute.

Es mag dein Krieg sein, durchaus, aber es ist immer -  dein Krieg, als Frucht deiner subjektiven Meinung, verabsolutiert in den Grenzen deiner Erfahrungswerte. Wären wir Menschen immer nur im Krieg, ob nun im Krieg der Köpfe, oder der Religionen und der Weltanschauungen, die Menschheit stünde heute nicht da, wo sie heute steht. Wenn es auch vom Faustkeil bis zum Flug in den Weltraum ein langer, oft auch blutiger und auch steiniger Weg war.

Ich sehe die Zukunft des oder der Menschen, trotz aller Probleme und dem nicht Abwägbaren, in einem friedlichen Miteinander und einem stetigen Voranschreiten. Und ob  nun Christ, oder Angehörige anderer Religionen, oder Atheist, Agnostiker, Freidenker oder wie sich das auch immer nennt, 
welcher geistig normale Mensch würde sich einen Krieg wünschen, ob nun als und wie immer,  als sinnloses Gemetzel auf  realen Schlachtfeldern, oder in den Köpfen der Menschen.

 

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#9 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von lovetrail » Mo 20. Jan 2020, 17:24

Punch hat geschrieben:
Mo 20. Jan 2020, 17:10

Ich sehe die Zukunft des oder der Menschen, trotz aller Probleme und dem nicht Abwägbaren, in einem friedlichen Miteinander und einem stetigen Voranschreiten.

Das (Voranschreiten) halte ich für eine dieser Illusionen die sich der "gottbefreite" Mensch vormacht, um nicht durchzudrehen.
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

Lena
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#10 Re: Debatte, Diskussion und Dialog

Beitrag von Lena » Mo 20. Jan 2020, 17:27

Man muss sich hald schon ziemlich gern haben um richtig miteinander reden zu können. Halt. Das meine ich. Anderen genügt es lange und gründlich sich in ein Thema zu vertiefen, auch ohne vom Herz her was zu fühlen....
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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