Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

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SilverBullet
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#131 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von SilverBullet » So 6. Dez 2020, 10:32

Ruth hat geschrieben: Meine Fragen an Euch:

Was bedeutet für dich dein Leben JETZT und was tust du, um es möglichst sinnvoll zu leben ?

Sehnst du dich auch nach Unendlichkeit eines (besseren) Lebens?

Denkst du, das Leben ist begrenzt auf das Diesseits … oder hoffst du auf ein Leben im Jenseits, und wie würde das aussehen ?

Was prägt dein Leben im Diesseits, und gibt ihm den Sinn, wofür es sich, deiner Meinung nach, zu leben lohnt?
Als Nicht-Gläubiger, der noch nicht einmal mit "Geist" etwas anfangen kann, sich also voll und ganz als Körper sieht, scheine ich vor einer desaströsen Situation zu stehen.

Einen Sinn über den Tod hinaus gibt es nicht.
Es gibt noch nicht einmal den Sinn, berühmt (nicht vergessen) zu werden, denn was soll das bringen, wenn sich andere Körper mit Zusammenhängen aus meinem Leben beschäftigen.

Das Hier und Jetzt, mein Leben, "Ich als Ganzes" bin nur eine Reaktionsausprägung innerhalb einer Welt, die insgesamt wohl nur irgendeine "Energie-Formation" ist (und es damit zu einer vergänglichen "Raum/Zeit" kommt).
Alles vollständig wertlos, Null Sinn, egal wo man ansetzt, nichts und wieder nichts.

Als "Farbe" würde man hier Dunkelgrau oder eher Pechschwarz vergeben und Missionierungsbegeisterte sehen in mir bestimmt das ideale Opfer für "Sinn- und Überlebensargumente".

"Oh mann, geht's mir schlecht!" :-)
=> Nö, das kann ich nicht, das passt nicht.

Man kann sich sicherlich in diese Endlichkeits-Sinn-Aspekte hineinsteigern, aber es ist schlicht nicht angebracht, denn ich bin Reaktion und ich kann nichts anderes machen.
Egal wie mein Leben läuft, ich werde mich "immer" mit etwas beschäftigen und ich werde "immer" nach etwas suchen, womit ich mich als nächstes beschäftige.

In diesem Zusammenhang ist mir die Legende rund um den Tod von "Archimedes" eine Art "Vorbild".
Ich sehe ihn, wie er in seinem Zimmer sitzt und an einem mathematischen Problem arbeitet, vielleicht weil er etwas bauen möchte und eine Lösung benötigt, um mechanische Funktionalität herzustellen.
Die Stadt drumherum wird schon lange von Römern belagert, als irgendwann ein plündernder Soldat ins Zimmer kommt und Archimedes ihm direkt zu verstehen gibt "stör mich nicht" (Motto: "es geht gerade nicht" :-)), worauf der Soldat das Genie erschlägt.

Den Slogan "Ich bin gerade mit etwas beschäftigt, lasst mich in Ruhe mit eurer Endlichkeit" sehe ich als das Wesen eines reagierenden menschlichen Körpers an.
Das ist das Ideal, das ist quasi "meine Aufgabe".
So habe ich angefangen (für ein kleines Kind ist die ganze Welt spannend und es vergisst sich selbst dabei), so soll mein Leben verlaufen und "das Ende" braucht darin nie eine Rolle zu spielen.
Das ist kein "Kopf in den Sand stecken", denn mein Ende wird kommen, aber wenn es läuft, wie geplant, werde ich "keine Zeit dafür haben" :-)

Ruth
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#132 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von Ruth » So 6. Dez 2020, 12:31

SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 10:32
Das Hier und Jetzt, mein Leben, "Ich als Ganzes" bin nur eine Reaktionsausprägung innerhalb einer Welt, die insgesamt wohl nur irgendeine "Energie-Formation" ist (und es damit zu einer vergänglichen "Raum/Zeit" kommt).
SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 10:32
So habe ich angefangen (für ein kleines Kind ist die ganze Welt spannend und es vergisst sich selbst dabei), so soll mein Leben verlaufen und "das Ende" braucht darin nie eine Rolle zu spielen.
Das Hier und Jetzt verändert sich (normalerweise) im Laufe des Lebens. Und zwar mit der Umwelt, die mich umgibt. Das, was man als Kind wahrgenommen hat und darauf reagiert hat, ist etwas vollkommen anderes, als das, was einem Jugendlichen/Heranwachsenden/Erwachsenen 30/40/50 usw ... jährigen prägt und zur Reaktion animiert. Alles das entsteht aber auf dem, was in der Kindheit das Leben der Familie oder der Gemeinschaft, in der man aufgewachsen ist, verankert wurde.

Ich gehe mal davon aus, dass das Thema "Endlichkeit des Lebens" keines war, welches in deiner Kindheit vorkam (?) Oder vielleicht kam es vor, aber war eben ein Prozess, der zum Leben einfach dazugehört, und deine Familie redete nicht darüber (?)

Ich hatte da ganz andere Themen, die meine Kindheit prägten. Geboren wurde ich knapp 6 Jahre nach Kriegsende. Der vergangene Krieg + die Angst vor einem weiteren Krieg, war ein aktuelles Thema in der Familie. "Gott und die Bibel" waren eines der festgelegten Grundsätze des Lebens überhaupt. Wobei der Fokus des Lebens immer auf das Jenseits nach dem irdischen Leben gerichtet war: das wirkliche Leben kommt erst, nachdem man sich in diesem Leben bewährt und seinen eigenen Weg dafür geprägt hat. Man konnte in diesem schnöden Erdenleben bestenfalls "Schätze sammeln", für das "Konto im Jenseits", indem man Gebote, Dogmen und sonstige Vorgaben Gottes (alles, was in der Bibel steht, und wie es von den "Vätern" ausgelegt wurde) befolgte.

Mein Leben wurde mit ständigem Blick auf das Jenseits aufgebaut. Auf diese eigene "Realität" war meine Reaktion auf das, was sie beinhaltete, zu schauen, dass man dieses Leben so gut und sinnvoll (für das Jenseits vorgesorgt) wie möglich herum kriegt. Geschichten und Beschreibungen vom "Himmel" prägten meine Träume und Visionen für die Zukunft.

Ich weiß nicht sicher, wann jemand, dessen Fokus nicht von Kindheit an auf das Jenseits gerichtet ist, mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert werden kann, so dass er/sie darüber nachdenkt und in das eigene Bewusstsein einbezieht. Aber ich denke mal, das passiert besonders dann, wenn ein geliebter wichtiger Mensch (unverhofft) stirbt, welcher einem nahe gestanden hat. Oder auch, wenn jemand selbst mal an den Rand des Lebens und dem Tod stand. In Berichten über solch eine Nah-Tod-Erfahrung heißt es oft: "von da an lebe ich bewusster" ... was immer das für den Einzelnen bedeutet. Ich denke, das Bewusstsein hat durch diese Erfahrungen auch die Endlichkeit des Lebens realisiert.

SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 10:32

Man kann sich sicherlich in diese Endlichkeits-Sinn-Aspekte hineinsteigern, aber es ist schlicht nicht angebracht, denn ich bin Reaktion und ich kann nichts anderes machen.

Auch solche Aspekte können Reaktion sein, wie schon oben beschrieben. Da muss man sich dann gar nicht hineinsteigern, es ist in dem Moment die gefühlte Realität ... oder so ähnlich.
SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 10:32
Egal wie mein Leben läuft, ich werde mich "immer" mit etwas beschäftigen und ich werde "immer" nach etwas suchen, womit ich mich als nächstes beschäftige.
So ähnlich hat es schon jemand in der Reformationszeit der Kirche ausgedrückt .
Quelle
Also geht das auch, mit Blick auf die Endlichkeit.

SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 10:32
Den Slogan "Ich bin gerade mit etwas beschäftigt, lasst mich in Ruhe mit eurer Endlichkeit" sehe ich als das Wesen eines reagierenden menschlichen Körpers an.
Das ist das Ideal, das ist quasi "meine Aufgabe".
So habe ich angefangen (für ein kleines Kind ist die ganze Welt spannend und es vergisst sich selbst dabei), so soll mein Leben verlaufen und "das Ende" braucht darin nie eine Rolle zu spielen.
Das ist kein "Kopf in den Sand stecken", denn mein Ende wird kommen, aber wenn es läuft, wie geplant, werde ich "keine Zeit dafür haben
Ich denke, es muss beides kein "Kopf in den Sand stecken" sein. Man kann mit dem Bewusstsein mit der Endlichkeit, sowie auch ohne dieses, mit offenen Augen und bewusst in dieser Welt leben. Beide Möglichkeiten, mit der Endlichkeit umzugehen, kann Reaktion und Offenheit für die Realität zeigen. Eben dann, wenn man trotz der Erfahrungen oder fehlenden Erfahrungen sein Leben bewusst lebt, und aktiv dafür sorgt, dass die kleine Welt im eigenen Umwelt ein wenig besser wird ... oder sich mindestens darum bemüht.

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#133 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von SilverBullet » So 6. Dez 2020, 17:46

Ruth hat geschrieben:Ich gehe mal davon aus, dass das Thema "Endlichkeit des Lebens" keines war, welches in deiner Kindheit vorkam (?) Oder vielleicht kam es vor, aber war eben ein Prozess, der zum Leben einfach dazugehört, und deine Familie redete nicht darüber (?)
Den ersten "Kontakt" mit dem Sterben (in Kindestagen) hatte ich über Geschichten, Märchen und das Fernsehen und ich habe dann im Alter von ca. 5-6 Jahren mit meiner Mutter über das Sterben gesprochen.
Sie sagte, dass ich mir da noch gar keine Gedanken machen müsse, denn ich habe ja das ganze Leben noch vor mir.
Mich hat es beruhigt und das war es dann auch für viele Jahre.
Der Tod von Verwandten im Familienumfeld hat mich eigentlich gar nicht so sehr dazu gebracht, über mein Ende nachzudenken.

Ruth hat geschrieben:Wobei der Fokus des Lebens immer auf das Jenseits nach dem irdischen Leben gerichtet war: das wirkliche Leben kommt erst, nachdem man sich in diesem Leben bewährt und seinen eigenen Weg dafür geprägt hat. Man konnte in diesem schnöden Erdenleben bestenfalls "Schätze sammeln", für das "Konto im Jenseits", indem man Gebote, Dogmen und sonstige Vorgaben Gottes (alles, was in der Bibel steht, und wie es von den "Vätern" ausgelegt wurde) befolgte.
OK, dein gesamtes Umfeld hat damit eine Denk-Ausrichtung vorgegeben.
Dies war bei mir nicht der Fall.
Bist du heute froh, dass du mit dieser Ausrichtung eine Art "Hoffnungstraining" erfahren hast?

Ruth hat geschrieben:Mein Leben wurde mit ständigem Blick auf das Jenseits aufgebaut. Auf diese eigene "Realität" war meine Reaktion auf das, was sie beinhaltete, zu schauen, dass man dieses Leben so gut und sinnvoll (für das Jenseits vorgesorgt) wie möglich herum kriegt. Geschichten und Beschreibungen vom "Himmel" prägten meine Träume und Visionen für die Zukunft.
Das muss eine sehr intensive Prägung sein.
An so etwas habe ich noch gar nie gedacht.
Hattest du auch Befürchtungen, dass die eine oder andere Handlung von dir die "Eignung" für das Jenseits negativ beeinflusst haben könnte? Es könnte ja im Grunde ein zweischneidiges Schwert sein.

Ruth hat geschrieben:Ich weiß nicht sicher, wann jemand, dessen Fokus nicht von Kindheit an auf das Jenseits gerichtet ist, mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert werden kann, sodass er/sie darüber nachdenkt und in das eigene Bewusstsein einbezieht. Aber ich denke mal, das passiert besonders dann, wenn ein geliebter wichtiger Mensch (unverhofft) stirbt, welcher einem nahe gestanden hat. Oder auch, wenn jemand selbst mal an den Rand des Lebens und dem Tod stand. In Berichten über solch eine Nah-Tod-Erfahrung heißt es oft: "von da an lebe ich bewusster" ... was immer das für den Einzelnen bedeutet. Ich denke, das Bewusstsein hat durch diese Erfahrungen auch die Endlichkeit des Lebens realisiert.
Das ist schwer zu sagen und bestimmt von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Bei mir blitzte es (wie oben gesagt) in ganz frühen Jahren einmal auf.
Aktuell im Arbeitsleben ist es eher eine Planungsangelegenheit, die in Richtung "Absicherung im Alter" geht.

Als ich mich aber für Körper/Gehirn interessierte und eine Art "Rahmenidee" aufstellte, da ist dann schon mal die Frage aufgekommen, was dies für meine Stellung in der Welt, meine Ziele usw. bedeutet.
Interessanterweise habe ich es eher unter dem Aspekt des Loslassens gesehen, sozusagen: das Bewusstsein, dass eigentlich gar kein Sinn da ist, könnte zu einem entspannten Umgang mit alltäglichen Problemen führen.
Bestimmt würde man hier eine Art "Panik" vermuten, aber nichts davon hat sich eingestellt - alles gut.

Ruth hat geschrieben:Auch solche Aspekte können Reaktion sein, wie schon oben beschrieben. Da muss man sich dann gar nicht hineinsteigern, es ist in dem Moment die gefühlte Realität ... oder so ähnlich.
Ja, man kann durchaus gewisse Phasen durchmachen, aber keiner kann sich vorstellen, wie es ist "nicht mehr zu sein" und es ist nicht sinnvoll, dass man dies im Leben enorm betont.
Eine religiöse Haltung, die einem Menschen eine Zuversicht für später ermöglicht, führt im Grunde auch dazu, dass sich dieser Mensch dann wieder anderen Inhalten zuwendet.
Es mag von Gläubigen immer wieder in gewissen Intervallen abgehandelt werden, aber den Alltag stehen sie bestimmt auch so durch, als ob es keine Rolle spielen würde.

Ruth hat geschrieben:So ähnlich hat es schon jemand in der Reformationszeit der Kirche ausgedrückt...
Ja genau, so ähnlich ist es, wobei Luther bestimmt "nur den Weltuntergang" aber nicht den Untergang der Lebewesen ("Seelen") im Sinn hatte - letztlich war er Christ.
Er macht quasi weiter, während ich aufhöre.

Ruth hat geschrieben:Ich denke, es muss beides kein "Kopf in den Sand stecken" sein. Man kann mit dem Bewusstsein mit der Endlichkeit, sowie auch ohne dieses, mit offenen Augen und bewusst in dieser Welt leben. Beide Möglichkeiten, mit der Endlichkeit umzugehen, kann Reaktion und Offenheit für die Realität zeigen.
Nicht falsch verstehen, mein Slogan "Ich bin gerade mit etwas beschäftigt, lasst mich in Ruhe mit eurer Endlichkeit" war in Analogie zu Archimedes Haltung formuliert, ich meinte nicht dich oder andere User.
Ich freue mich eher sehr, dass wir darüber reden können.

Im Grunde akzeptiere ich meine Endlichkeit, indem mir klar ist, dass es dazu kommen wird und ich mich für einen Umgang damit entschieden habe.
Ein Umgang, der mich blockieren würde, indem ich jede weitere Handlung unter dem Gesichtspunkt "bringt sowieso nichts" einordne, ist nicht sinnvoll und genau hier sage ich sogar "das kann ich gar nicht, ist nicht meine Aufgabe".

Ruth
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#134 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von Ruth » Mo 7. Dez 2020, 11:50

SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 17:46
OK, dein gesamtes Umfeld hat damit eine Denk-Ausrichtung vorgegeben.
Dies war bei mir nicht der Fall.
Bist du heute froh, dass du mit dieser Ausrichtung eine Art "Hoffnungstraining" erfahren hast?
Die ersten etwa 20 Jahre meines Lebens habe ich die Botschaft nicht als "Hoffnung" wahrgenommen. Sie hat mich eher in eine anhaltende Angst versetzt, irgendwie auf den falschen Weg zu gelangen, und dann von Gott verworfen zu werden.
SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 17:46
Hattest du auch Befürchtungen, dass die eine oder andere Handlung von dir die "Eignung" für das Jenseits negativ beeinflusst haben könnte? Es könnte ja im Grunde ein zweischneidiges Schwert sein.

Genau solche Befürchtungen haben mich quasi am Anfang "getrieben", zu glauben, wie es mir als "richtig" vorgegeben wurde.
SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 17:46
Interessanterweise habe ich es eher unter dem Aspekt des Loslassens gesehen, sozusagen: das Bewusstsein, dass eigentlich gar kein Sinn da ist, könnte zu einem entspannten Umgang mit alltäglichen Problemen führen.

Das Thema "Loslassen" war für mich auch ein Punkt, der für mich Schlüsselerlebnis wurde. Allerdings erst viel später in meinem Leben. Ich habe entdeckt, dass sich mit dem Loslassen fast alle (meine) Probleme lösen könnten ... zumindest aber erleichternd wirken können.

SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 17:46
Eine religiöse Haltung, die einem Menschen eine Zuversicht für später ermöglicht, führt im Grunde auch dazu, dass sich dieser Mensch dann wieder anderen Inhalten zuwendet.
Zwangsläufig ist das idR so. Wobei es trotzdem sein kann, dass der Gedanke an das Jenseits und der Weg dorthin, dominieren kann. Das geschieht, wenn man so erzogen wird, wie ich es erlebt habe. In allen meinen Aktionen war ich immer NUR zukunftsorientiert unterwegs. Manchmal sogar so, dass ich viele kleine Dinge des Alltags kaum wahrgenommen habe, und erst im Rückblick erkannt habe. Ich habe es später oft so beschrieben, dass ich mich oft selbst überholt habe.
SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 17:46
Ja genau, so ähnlich ist es, wobei Luther bestimmt "nur den Weltuntergang" aber nicht den Untergang der Lebewesen ("Seelen") im Sinn hatte - letztlich war er Christ.
Er macht quasi weiter, während ich aufhöre.

Und trotzdem sehe ich darin Gemeinsamkeiten. Du sagst: es hat eigentlich keinen Sinn, weil es irgendwann sowieso vorbei ist und ich vergessen werde ... darum lebe ich einfach für den Augenblick. Der Christ sagt, das Erdenleben hat keinen eigenen Sinn, außer dass als Phase der Entscheidung, wo man nach dem Tod landen wird. Das Christenleben macht dann in dem Moment deshalb doch ein bisschen Sinn, wenn man sich richtig entscheidet. Aber sonst sehen beide in diesem endlichen Leben keinen wirklichen Sinn.
SilverBullet hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 17:46
Nicht falsch verstehen, mein Slogan "Ich bin gerade mit etwas beschäftigt, lasst mich in Ruhe mit eurer Endlichkeit" war in Analogie zu Archimedes Haltung formuliert, ich meinte nicht dich oder andere User.
Ich freue mich eher sehr, dass wir darüber reden können.
Ich denke, ich habe verstanden, was du damit sagen wolltest.
Mir gefällt unser Austausch hier auch sehr, und hilft mir, manches auch mal von einer anderen Perspektive zu betrachten und überdenken, als ich gewohnt bin. :smilielight:

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#135 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von SilverBullet » Mo 7. Dez 2020, 13:22

Ruth hat geschrieben:Die ersten etwa 20 Jahre meines Lebens habe ich die Botschaft nicht als "Hoffnung" wahrgenommen. Sie hat mich eher in eine anhaltende Angst versetzt, irgendwie auf den falschen Weg zu gelangen, und dann von Gott verworfen zu werden.
...
Genau solche Befürchtungen haben mich quasi am Anfang "getrieben", zu glauben, wie es mir als "richtig" vorgegeben wurde.
Du kanntest damit fast ausschliesslich nur die religiöse Haltung und diese hat dich belastet.
Ich wette, wir hätten uns damals nicht so austauschen können (mal abgesehen, dass ich ganz anders gewesen wäre :-)).

Ruth hat geschrieben:Das Thema "Loslassen" war für mich auch ein Punkt, der für mich Schlüsselerlebnis wurde. Allerdings erst viel später in meinem Leben. Ich habe entdeckt, dass sich mit dem Loslassen fast alle (meine) Probleme lösen könnten ... zumindest aber erleichternd wirken können.
Du hast also innerhalb deiner religiösen Einstellung durch das Loslassen (vermutlich von textuellen Festlegungen) eine sinnvolle Veränderung erreicht - das ist schon sehr schön und kann bestimmt anderen ein Vorbild sein.
Die Richtung eines Angst- und Belastungsabbaus würde ich im Sinne der "Jesus"-Botschaft als korrekt ansehen.

Ruth hat geschrieben:In allen meinen Aktionen war ich immer NUR zukunftsorientiert unterwegs. Manchmal sogar so, dass ich viele kleine Dinge des Alltags kaum wahrgenommen habe, und erst im Rückblick erkannt habe. Ich habe es später oft so beschrieben, dass ich mich oft selbst überholt habe.
Bestimmt wolltest du jede Sekunde optimal für die spätere Zeit nutzen.
Hast du dabei Beschäftigungen/Neigungen/Interessen "übersprungen", die dir eigentlich in diesem Moment gefallen hätten? War dies der Charakter des "Überholens"?

Ruth hat geschrieben:Und trotzdem sehe ich darin Gemeinsamkeiten.
Ja richtig, den "weltlichen Auftritt" sehen ein Christ und ich letztlich als eher sinnlos an, wobei es der Christ als Werkzeug versteht, während es für mich "das Ganze" ist und ich mehr auf die darin fortgesetzte Reaktion setze.

Aber wie gesagt, meine bewusste Entscheidung ist es, nicht unter dem ständigen Zusammenhang einer Sinnlosigkeit zu agieren, weil es ja funktional nun wirklich keinen Sinn macht.

Ruth hat geschrieben:Mir gefällt unser Austausch hier auch sehr, und hilft mir, manches auch mal von einer anderen Perspektive zu betrachten und überdenken, als ich gewohnt bin.
Sehr schön - was würdest du sagen, ist meine Haltung etwas kurios? :-)

Im Grunde gibt es das ja durchaus, dass Menschen nur dieses eine Leben vermuten und sich darauf konzentrieren.
Bei mir kommt bestimmt noch dazu, dass das Wort "Geist" und damit auch ein gewisses Weltbild wegfällt.
In einem anderen Thread wurde es gerade angesprochen, dass dies "schrecklich/erschreckend" wirkt.

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#136 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von Ruth » Mo 7. Dez 2020, 14:33

SilverBullet hat geschrieben:
Mo 7. Dez 2020, 13:22
Ich wette, wir hätten uns damals nicht so austauschen können (mal abgesehen, dass ich ganz anders gewesen wäre :)).

Wahrscheinlich überhaupt nicht. Weil ich mich nicht auf "Gegner" (Ungläubige) eingelassen hätte, auf welche Art auch immer.
Vielleicht aber auch nur so, dass ich versucht hätte, dich zu missionieren ... keine Ahnung.

SilverBullet hat geschrieben:
Mo 7. Dez 2020, 13:22
Bestimmt wolltest du jede Sekunde optimal für die spätere Zeit nutzen.
Hast du dabei Beschäftigungen/Neigungen/Interessen "übersprungen", die dir eigentlich in diesem Moment gefallen hätten? War dies der Charakter des "Überholens"?


Ich denke, ich bin eher fast NUR Neigungen und Interessen gefolgt, da ich einerseits meine Gefühle zugelassen habe. Aber eben nur innerhalb der Grenzen, die mir gesetzt wurden. Es gab so vieles, was in der damaligen Gemeinde, wozu meine Familie gehörte bis ich 19 Jahre alt war, verboten war. Die "Welt" galt es zu meiden ... außer man missioniert sie. Tanzen, Kino, Kirmes, Fernsehen ... u.v.m. war einfach tabu, überhaupt daran zu denken. So waren meine Interessen und Neigungen innerhalb der engen Grenzen gefangen. Wenn sie doch mal über das Maß hinaus schwappten, wurde es heimlich in Träumen und anschauen aus der Ferne umgesetzt. Ich hatte das so verinnerlicht, dass ich mich schrecklich fühlte, wenn ich mal zufällig in einen Bereich geraten bin, der Merkmale von "Welt" enthielt.
Als ich 19 Jahre alt war, wechselte meine gesamte Familie (Eltern und 6 Kinder) in eine etwas freiere Konfessionsgemeinschaft. Das alte Muster hat mich aber noch lange danach begleitet.
SilverBullet hat geschrieben:
Mo 7. Dez 2020, 13:22
was würdest du sagen, ist meine Haltung etwas kurios?

Nein, überhaupt nicht ... eher erkenne ich immer mehr, wie kurios so manche christliche Thesen und Dogmen sind, welche ich früher auch vertreten habe.

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#137 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von SilverBullet » Di 8. Dez 2020, 12:27

Ruth hat geschrieben:Wahrscheinlich überhaupt nicht. Weil ich mich nicht auf "Gegner" (Ungläubige) eingelassen hätte, auf welche Art auch immer.
Vielleicht aber auch nur so, dass ich versucht hätte, dich zu missionieren ... keine Ahnung.
Nun, ich wäre damals jedenfalls gut beraten gewesen "1x Intensivmissionierung für 1 Person" zu bestellen.
Das wäre ganz freundlich abgelaufen und es hätte mich interessiert, wie und was du denkst und irgendwann hättest du gemerkt,
dass du als Mensch von Grund auf ehrlich bestaunt wirst...

Ruth hat geschrieben:Ich denke, ich bin eher fast NUR Neigungen und Interessen gefolgt, da ich einerseits meine Gefühle zugelassen habe.
Meine Einschätzung geht heute auch in die Richtung, dass du die Gültigkeit, die Wertigkeit von religiösen Zusammenhängen über die Qualität der Gefühle herausfindest.

Ruth hat geschrieben:Es gab so vieles, was in der damaligen Gemeinde, wozu meine Familie gehörte bis ich 19 Jahre alt war, verboten war. Die "Welt" galt es zu meiden ... außer man missioniert sie. Tanzen, Kino, Kirmes, Fernsehen ... u.v.m. war einfach tabu, überhaupt daran zu denken.
Ich lebe(te) auch nicht sonderlich aufgeregt, aber zumindest Fernsehen hatte ich.
Insgesamt hört sich deine damalige Welt ein wenig nach den "Amish People" an.

Ruth hat geschrieben:So waren meine Interessen und Neigungen innerhalb der engen Grenzen gefangen. Wenn sie doch mal über das Maß hinaus schwappten, wurde es heimlich in Träumen und anschauen aus der Ferne umgesetzt. Ich hatte das so verinnerlicht, dass ich mich schrecklich fühlte, wenn ich mal zufällig in einen Bereich geraten bin, der Merkmale von "Welt" enthielt.
Das ist dann schon eine unglaubliche Überwindung und Veränderung, die du hinter dich gebracht hast, denn du hast letztlich das Fundament deiner damaligen Lebensweise verwandelt und das, so sieht es aus, ganz friedlich.

Ruth hat geschrieben:Als ich 19 Jahre alt war, wechselte meine gesamte Familie (Eltern und 6 Kinder) in eine etwas freiere Konfessionsgemeinschaft. Das alte Muster hat mich aber noch lange danach begleitet.
Das bedeutet, die Religionsauflagen ergaben sich eher aus der grösseren Gemeinschaft heraus?
War dies ein Wechsel der Konfession oder "nur" der Wechsel einer lokalen Gruppe dieser Konfession?

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#138 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von Ruth » Di 8. Dez 2020, 15:36

Bald kann man diesen Thread "meine Lebensgeschichte" nennen .... da muss man die Ewigkeit erst wieder suchen gehen ;)
SilverBullet hat geschrieben:
Di 8. Dez 2020, 12:27
Nun, ich wäre damals jedenfalls gut beraten gewesen "1x Intensivmissionierung für 1 Person" zu bestellen.
Das wäre ganz freundlich abgelaufen und es hätte mich interessiert, wie und was du denkst und irgendwann hättest du gemerkt,
dass du als Mensch von Grund auf ehrlich bestaunt wirst...
Vielleicht, wenn wir beide so wären, wie heute. Ansonsten fürchte ich eher, dass ich damals überhaupt nicht wirklich wusste, wie ich missionieren könnte. Außer festgelegte Thesen hatte ich gar nicht wirklich etwas vorzuweisen. Und wahrscheinlich hätte ich ziemlich bald die Flucht ergriffen, wenn du anfangen würdest, nach Hintergründen meines Glaubens zu fragen.
SilverBullet hat geschrieben:
Di 8. Dez 2020, 12:27
Ich lebe(te) auch nicht sonderlich aufgeregt, aber zumindest Fernsehen hatte ich.
Insgesamt hört sich deine damalige Welt ein wenig nach den "Amish People" an.
Ich weiß ja nicht, zu welchen Zeiten du angefangen hast zu leben. Aber es ist natürlich richtig: die damaligen Zeiten und Welten waren völlig anders, als die heutigen. Fast könnte man meinen, es war eine andere Welt, auf die ich zurückschaue.
Die Ähnlichkeit mit den Amish-People könnte schon ziemlich passen. Nur dass die Amishen sich als Volk abgrenzen von der übrigen Welt ... und wir quasi mittendrin wohnten. Da gab es schon Unterschiede. Es muss ja schließlich auch immer was vorhanden sein, was man verbieten kann ... sonst fehlt da wohl auch was ;)
Anfang war bei einer sogenannten "Brüdergemeinde", von denen es mehrere Richtungen gibt. Wir waren bei den "exklusiven Brüdern" ... werden auch "Darbysten" genannt.
Danach ging meine Familie zu den Baptisten, und später habe ich dann verschiedene Freikirchen durchlaufen. Die letzten 10 Jahre vor der Rente bin ich dann noch der evangelischen Landeskirche beigetreten, weil ich dort den Job einer Küsterin (dort im Schwarzwald wurde der Beruf "Mesnerin" bezeichnet ... ist aber dasselbe)

Das ist dann schon eine unglaubliche Überwindung und Veränderung, die du hinter dich gebracht hast, denn du hast letztlich das Fundament deiner damaligen Lebensweise verwandelt und das, so sieht es aus, ganz friedlich.

Naja ... da gab es schon eine ganze Menge dazwischen an Revolutionen und Unsicherheiten, sowie Abstürze und Orientierungslosigkeit. Nächsten Monat werde ich 70 Jahre alt. Den größten Teil der Umwälzung, der mich zu derjenigen gemacht hat, die ich jetzt bin, ist eigentlich in den letzten 20 Jahren passiert. Wenn man die ersten 20 Jahre meines Lebens abzieht, dann bleiben ungefähr 30 Jahre, in denen ich meine persönliche Evolution des Glaubens erlebte. :D

SilverBullet hat geschrieben:
Di 8. Dez 2020, 12:27
Das bedeutet, die Religionsauflagen ergaben sich eher aus der grösseren Gemeinschaft heraus?
War dies ein Wechsel der Konfession oder "nur" der Wechsel einer lokalen Gruppe dieser Konfession?
Zunächst war es lokal ... mit der ganzen Familie. Da ich kurz nach dem Wechsel zu Hause ausgezogen bin, und seitdem kreuz und quer innerhalb von Deutschland (+2 Jahre Schweiz) umgezogen bin, habe ich mehrere verschiedene Gemeinschaften Live erlebt.
Ich bin in meinem Leben bis heute 20 mal in eine andere Wohnung umgezogen, habe in 11 verschiedenen Wohnorten gewohnt, in 6 verschiedenen Bundesländern Deutschlands, sowie 2 Jahre in der Schweiz.
Du siehst, der Drang nach Veränderung ist auch ein bisschen sowas, wie ein Spleen von mir ... aber ich fand's toll, und es hat natürlich nicht nur meinen Glauben geprägt, sondern besonders auch mich als Mensch.

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#139 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von SilverBullet » Mi 9. Dez 2020, 11:05

Ruth hat geschrieben:Bald kann man diesen Thread "meine Lebensgeschichte" nennen .... da muss man die Ewigkeit erst wieder suchen gehen ;)
Das stimmt, wir sind etwas abgekommen, obwohl, der "gewiefte Handwerker" kann ja aus allem etwas machen - mal sehen :-)

Zunächst einmal, vielen Dank für deine Antwort, ich finde dein Leben sehr interessant und für die kleine Veränderung nächsten Monat bekommst du jetzt einfach schon mal meinen Glückwunsch (du darfst "das Türchen" aber erst aufmachen, wenn es so weit ist).

Ruth hat geschrieben:Du siehst, der Drang nach Veränderung ist auch ein bisschen sowas, wie ein Spleen von mir ... aber ich fand's toll, und es hat natürlich nicht nur meinen Glauben geprägt, sondern besonders auch mich als Mensch.
D.h. du hast die Vergänglichkeit (und den Neuanfang) zu einem Lebenskonzept gemacht.

Das steckt im Grunde auch (ein wenig) in meiner Haltung, denn die aktuelle Beschäftigung wird enden und dann möchte ich darauf achten, dass ein neues Interesse startet usw. usf. bis ich dann am Ende "keine Zeit für das Ende von mir selbst habe".
Bestimmt kann man dies als "mein Fundament" ansehen.

Darüber hinaus habe ich noch den Verdacht, dass ich in den letzten Lebensjahren (da sind wir beide noch weit weg davon) eine immer grössere Toleranz meiner eigenen Vergänglichkeit gegenüber entwickeln werde.
Vielleicht habe ich irgendwann die Einstellung "im Grunde alles gesehen zu haben". Zwar werde ich mir auch dann Beschäftigungen suchen, aber evtl. auf eine enorm entspannte Weise.

Mit der Idee der Ewigkeit, also eines unendlichen Fortsetzens, habe ich mich eigentlich nie wirklich befasst.

Wenn ich mir hierzu religiöse Aussagen anhöre, dann geht es meistens nur um das Erreichen dieser Perspektive, aber wie geht es einem Mensch (oder was davon überdauert) in diesem unendlichen Verlauf, wenn es denn ein Verlauf sein soll?
Angenommen es gäbe gar keine Veränderung mehr, dann würde das nichts mit dem aktuellen "Erdenleben" zu tun haben.
=> Die Idee der "Ewigkeit" scheint mir nicht wirklich ausformuliert zu sein (bestimmt geht das auch gar nicht).

Lena
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#140 Re: Ewigkeit <-> Vergänglichkeit

Beitrag von Lena » Mi 9. Dez 2020, 15:34

1. Kor.  2,9
"Was kein Auge gesehen hat
und kein Ohr gehört hat
und in keines Menschen Herz gekommen ist,
was Gott bereitet hat
denen die ihn lieben."

Nicht ausformuliert
Einfach zu verstehen
Wunderschön 

😃 💚 ❗️
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Antworten