Ist Glaube/Religion Privatsache?

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SilverBullet
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#31 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von SilverBullet » Sa 29. Aug 2020, 15:00

Ruth hat geschrieben:Ich denke, das Problem liegt hier in der Bezeichnung "Quelle".
Wenn ich mir jetzt gerade im Kopf ein Bild vorstelle, dann "sehe" ich Gott am Anfang (unbegreifbar), ähnlich wie ein unendliches Meer. Aus diesem unendlichen Meer quillt ein Wasserfall, den ich als "Quelle" bezeichne. Das Unbegreifbare erzeugt etwas begreifbares, aus dem dann mehrere Flussstraßen (menschliche Handlungen) entstehen, die kontrollierbar sind.
Wieder hast du deine Spontan Haltung deutlich hinter dir gelassen, denn jetzt soll es um "ähnlich unendliches Meer" und "Wasserfall" gehen.

Wichtig wäre aber genau der Übergang, den du noch einmal mit "das Unbegreifbare erzeugt etwas begreifbares" ausdrücken möchtest.
Hierfür benötigst du jedoch eine Überblicksposition, die du nicht haben kannst. D.h. dir fehlt sowohl "das Unbegreifbare" als auch der "Erzeugungsvorgang".

Wohin möchtest du aber auf dieser Basis deine Anbetungshaltung gerichtet wissen können?
Du kannst kein Ziel haben und das Wort "Gott" drückt genau dies aus: du möchtest etwas anbeten, suchst aber nach der Richtung.
Damit komme ich wieder zu dem Punkt, dass das Wort "Gott" lediglich eine Frage darstellt: "wer oder was soll es sein?".

Ruth hat geschrieben:Wohin ICH diese Haltung richten möchte, ist nicht unklar, sondern für mich klar: sie richtet sich an Gott.
"Gott" ist aber nur eine Frage (siehe oben) und kein Objekt.

Möchte ein "Gläubiger" nun so tun, als sei es ein Objekt, dann ist dies reine Privatsache, denn
eine derartige "Allgemeingültigkeit" kann nur mit Macht durchgesetzt werden (-> es ist ja kein Objekt).

Damit würde gelten: Glaube/Religion ist Privatsache und jeglicher Übergang in den öffentlichen Raum ist ein Machtmissbrauch bzw. die Anbahnung eines derartigen Machtmissbrauchs.

Ruth hat geschrieben:Gott ist davon aber nicht abhängig, um das zu beurteilen. Bei Gott geht es darum, worauf das Herz gerichtet ist, und wie aufrichtig ist. Und zwar im positiven wie im negativen Sinn.
Das Wort "Gott" drückt deine Richtungssuche aus, es geht um eine Frage.

Ruth hat geschrieben:Es kann also eine Gemeinschaft total geordnet und vorbildlich ablaufen, vor den Augen der Menschen, und das Herz Einzelner ganz weit weg davon sein, überhaupt Gott anbeten zu wollen.
Ich nehme diesen Gemeinschaften ohne Probleme ab, dass sie "das Anbeten" super organisieren möchten, aber da das Wort "Gott" hierbei wie ein Objekt eingesetzt wird und eigentlich eine Frage ist, entsorgen diese Organisationen von vornherein ihren Sinn.

Ruth hat geschrieben:Aber Gott beurteilt das Herz. Ebenso umgekehrt
Das mit "dem Herz" ist ägyptisch und macht auch nicht viel Sinn.

Fällt dir auf, dass du jetzt "das Unbegreifbare" (das du ja eigentlich suchen müsstest) schon wieder handeln lässt?
Du lässt das Objekt, das eigentlich eine Frage ist, entsprechend deinem Wunsch nach Sinnhaftigkeit deiner Anbetungsrolle handeln.

Ruth hat geschrieben:DASS es diese Extreme gibt, dessen bin ich mir ziemlich sicher.
Du wünscht dir, dass es Extreme sind, aber es geht einheitlich immer nur um deine Anbetungsrolle, die du nirgendwo hinrichten kannst.

Ruth hat geschrieben:Und dabei vertraue ich darauf, dass da, wo die Herzen der Leser darauf bedacht sind, die Einigkeit in Gott selbst zu finden, diese Schwelle überwunden werden kann, und manche wissen, wovon ich rede.
Eine Frage wie ein Objekt zu behandeln und hierzu auf Einigkeit der Leser zu hoffen, ist quasi der Versuch aus der Privatsache eine öffentliche Sache zu machen und das ist nicht sinnvoll.

Schau dir den Beitrag von "Helmuth" an - entdeckst du dort nicht auch "einen Hauch" von Dominanz in Richtung von "die Gemeinschaft legt die Anbetungshaltung fest und 'Gott' soll jetzt keine Frage mehr sein"?

Vorsicht vor denen, die eine Frage wie ein Objekt behandeln und dies gemeinschaftlich regeln wollen...

Ruth
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#32 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von Ruth » Sa 29. Aug 2020, 15:20

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 15:00
Wohin möchtest du aber auf dieser Basis deine Anbetungshaltung gerichtet wissen können?
Du kannst kein Ziel haben und das Wort "Gott" drückt genau dies aus: du möchtest etwas anbeten, suchst aber nach der Richtung.
Damit komme ich wieder zu dem Punkt, dass das Wort "Gott" lediglich eine Frage darstellt: "wer oder was soll es sein?".

Ich fürchte, ich verstehe DICH nicht wirklich.
Ich denke, wohin ICH meine Anbetungshaltung wenden möchte, weiß ich. Ich kann es wahrscheinlich nur nicht verständlich ausdrücken, so dass du mich verstehst.

Wichtig war mir in dem Fall eigentlich nur, dass jeder, der Glaubensdinge verallgemeinern möchte, als "Gottes Botschaft", sich darüber klar sein sollte, dass Gott nicht begreifbar ist, und Menschen ihn nur in Facetten von Spuren wahrnehmen können. Darum KANN eigentlich kein Mensch irgendwelche Vorgaben als "Gottes Wort" darstellen. Es geht nur über die Erkenntnis, dass das, was man verkündigt, die eigene Wahrnehmung ist, welche durch die Gemeinschaft mit Gott entstanden ist. Und deshalb ist es immer begrenzt und kann fehlerhaft sein.

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#33 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von Tree of life » Sa 29. Aug 2020, 15:25

Ruth hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 15:20
Ich fürchte, ich verstehe DICH nicht wirklich.
Ich auch nicht :)
Vor allem, was er meint mit: Gott ist eine Frage
 

Ruth
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#34 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von Ruth » Sa 29. Aug 2020, 15:27

Tree of life hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 15:25
Ruth hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 15:20
Ich fürchte, ich verstehe DICH nicht wirklich.
Ich auch nicht :)
Vor allem, was er meint mit: Gott ist eine Frage
 

:D okay, dann bin ich nicht allein mit meinem Unverständnis ... danke 🙋

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SamuelB
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#35 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von SamuelB » Sa 29. Aug 2020, 15:59

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 15:00
Damit komme ich wieder zu dem Punkt, dass das Wort "Gott" lediglich eine Frage darstellt: "wer oder was soll es sein?".
Die muss jeder selbst beantworten, womit wir bei dem Punkt sind, dass Glaube Privatangelegenheit ist. Gott ist der, der über einen herrscht, dessen (moralischen) Werten man nachfolgt und ggf über die eigenen stellt, vor dem man sich rechtfertigt, der Macht hat über das Gewissen (->Schuldgefühle). Ich sehe "Gott" daher nicht als eine Art Wesen, sondern als eine Rolle und Funktion mir gegenüber. Es macht schon Sinn, sich deine genannte Frage ab und zu mal zu stellen. Wem laufe ich hinterher und passt das wirklich zu meinen eigenen Überzeugungen? Es gibt im Judentum (und Christentum) den Erzengel Michael, dessen Name vor dem Hintergrund eine interessante Bedeutung hat.
Unter Vorbehalt, vllt missverstehe ich dich genauso wie die beiden anderen Damen. 👽

 

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#36 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von SilverBullet » Sa 29. Aug 2020, 18:21

Ruth hat geschrieben:Ich denke, wohin ICH meine Anbetungshaltung wenden möchte, weiß ich.
Nun, du "definierst" das "Ziel" über deinen Wunsch nach deiner Anbetungsrolle, wobei du selbstständig mit "unbegreifbar" zu dem Schluss kommst, dass du eigentlich keine wirkliche Richtung vorliegen hast.

Du entwirfst, kennst nur deinen Part in der gewünschten "Gegenüber-Situation" und machst dir vor, dass dies bereits als Richtung ausreichen würde.

Ruth hat geschrieben:Wichtig war mir in dem Fall eigentlich nur, dass jeder, der Glaubensdinge verallgemeinern möchte, als "Gottes Botschaft", sich darüber klar sein sollte, dass Gott nicht begreifbar ist, und Menschen ihn nur in Facetten von Spuren wahrnehmen können.
Siehst du, im Grunde stellst du deine Richtungslosigkeit offen vor (was ich gut finde), machst dir aber im nächsten Schritt gleich wieder etwas vor.

Ruth hat geschrieben:Darum KANN eigentlich kein Mensch irgendwelche Vorgaben als "Gottes Wort" darstellen.
Richtig, das ist kompletter Unsinn, weil so ein Mensch immer nur sein Design für sein gewünschtes Rollenspiel vermittelt.

Die antiken Texte, die mannigfaltig "übersetzt" wurden, sind genau so ein Design.

Ruth hat geschrieben:Es geht nur über die Erkenntnis, dass das, was man verkündigt, die eigene Wahrnehmung ist, welche durch die Gemeinschaft mit Gott entstanden ist.
Naja, es ist eher keine "Wahrnehmung einer Gemeinschaft", sondern das Design einer Rolle, die zu einem,
dem persönlichen Wunsch entsprechenden, Gegenüber passen würde.

Wie ein Schauspieler führt der "Gläubige" "seinen Part" auf und wechselt von der Suche nach einer Antwort auf die Frage "Gott" zu der Situation, dass er eine Antwort gefunden hat (diese wünscht sich der "Gläubige" ja so sehr).

Wenn es darum gehen soll, dass man einfach vergisst, dass man erst noch nach einer Antwort suchen muss, dann sind religiöse Gemeinschaften natürlich "spitze" - aber es ist halt nur eine Illusion...

---

Tree of life hat geschrieben:Vor allem, was er meint mit: Gott ist eine Frage
Ist "Gott" für dich ein wildes Tier, ein Sturm, Luft, ein Mann in den Wolken?

"Gott" ist keine Objekt- und auch keine Jobbeschreibung, sondern es ein Wort mit dem du deine Unterwüfigkeit, deine "Kleinheit" einem Gegenüber zum Ausdruck bringen möchtest.
Dein Part ist also schon einmal elementar wichtig, aber er reicht natürlich nicht aus.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wirst du in einem Gespräch über deine Antwort auf die Frage "Gott", zu Abstraktheiten, Unmöglichkeiten und vollständiger Entsorgung ("unbegreifbar") wechseln - nur das Design für deine Rolle wirst du immer ganz konkret halten wollen.

Eine ehrliche "Gläubigen"-Antwort auf die Frage "Gott" würde ich in folgender Aussage sehen:
"Gott wäre das, was zu meinem Entwurf einer Anbetungshaltung passen würde"

---

SamuelB hat geschrieben:Die muss jeder selbst beantworten
Naja, ich würde sagen nur der "muss" sie beantworten, der den Wunsch nach einer Anbetungsrolle hat (was auch immer die Motivation/Ursache für diesen Wunsch ist).

SamuelB hat geschrieben:womit wir bei dem Punkt sind, dass Glaube Privatangelegenheit ist.
Genau das sage ich auch - da sind wir uns einig.

SamuelB hat geschrieben:Gott ist der, der über einen herrscht, dessen (moralischen) Werten man nachfolgt und ggf über die eigenen stellt, vor dem man sich rechtfertigt, der Macht hat über das Gewissen (->Schuldgefühle).
Aha, also eine Art "Akteur", ein "Wesen", dem du dich unterordnen müsstest/möchtest.

SamuelB hat geschrieben:Ich sehe "Gott" daher nicht als eine Art Wesen, sondern als eine Rolle und Funktion mir gegenüber.
Aha, also eine Art "Handlung eines Akteurs, ohne Akteur", die du gerne anbeten möchtest, ja vielleicht sogar anbeten müsstest, weil du dir "gering" vorkommen möchtest.

Dir fällt bestimmt auf, dass du versuchst, deinen "Glaubenswunsch" in Abstraktheiten zu retten. Abstraktheiten, die nie und nirgendwo alleine vorkommen und somit auf keinen Fall die von dir gewünschte zentrale Bedeutung haben können.

Mir fällt aber durchaus positiv auf, wenn "Gläubige" ihren Antwortversuch zumindest zentral durch eine Relation zu sich selbst charakterisieren, was du mit "mir gegenüber" getan hast.

SamuelB hat geschrieben:Es macht schon Sinn, sich deine genannte Frage ab und zu mal zu stellen.
Mach dir klar, dass, wenn du das Wort "Gott" auf "unbegreifbar" umleitest, du nie mit dem Stellen der Frage und dem Verständnis "Gott"=Frage aufhören solltest.
Ein Aufhören (mit "unbegreifbar" als "Antwort") bedeutet, dass dich dein Wunsch nach einem "Gegenüber" einfach die entsprechende Rolle spielen lässt.
Damit wird ein "Gläubiger" natürlich anfällig, gegenüber all den Gemeinschaften, die solche Rollen entwerfen und als "absolut richtig" verkaufen - verkauft wird eine Illussion...

Ruth
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#37 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von Ruth » Sa 29. Aug 2020, 20:00

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 18:21
Ruth hat geschrieben:Ich denke, wohin ICH meine Anbetungshaltung wenden möchte, weiß ich.
Nun, du "definierst" das "Ziel" über deinen Wunsch nach deiner Anbetungsrolle, wobei du selbstständig mit "unbegreifbar" zu dem Schluss kommst, dass du eigentlich keine wirkliche Richtung vorliegen hast.

Ich habe gar nicht den Wunsch nach einer Anbetungsrolle, sondern denke, dass ich gar keine Rolle spielen muss, um Gott zu finden. Weil Gott mir erfahrungsgemäß schon da entgegenkommt, wo ich mich auf den Weg mache, ihn zu suchen. Ich muss keine Rolle spielen, sondern darf so zu ihm kommen, wie ich bin.

Du entwirfst, kennst nur deinen Part in der gewünschten "Gegenüber-Situation" und machst dir vor, dass dies bereits als Richtung ausreichen würde.

Ausreichen - wofür?
Du gehst, im Zusammenhang mit meinen (angeblichen) Zielen, von ganz falscher Voraussetzung aus.
Ich lebe mit Gott. Da muss ich nichts mehr entwerfen und keine bestimmte Richtung anpeilen. Ich rede mit Gott und gehe los ... wohl wissend (aus Erfahrungen) dass Gott schon längst auf dem Weg ist, mir entgegen zu kommen.

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 18:21
Ruth hat geschrieben:Wichtig war mir in dem Fall eigentlich nur, dass jeder, der Glaubensdinge verallgemeinern möchte, als "Gottes Botschaft", sich darüber klar sein sollte, dass Gott nicht begreifbar ist, und Menschen ihn nur in Facetten von Spuren wahrnehmen können.
Siehst du, im Grunde stellst du deine Richtungslosigkeit offen vor (was ich gut finde), machst dir aber im nächsten Schritt gleich wieder etwas vor.

Ich mache mir nichts vor, wenn ich mir bewusst bin, dass ich Gott nicht begreifen kann. Möglicherweise benutze ich Worte, die du anders deutest, als ich sie anwende.
Spuren sehe ich in solchen Dingen, die ich erfahre, auf meinem Weg mit Gott. Da wo ich Antworten auf meine Fragen finde, oder Hilfe bei einem Problem, welches ich Gott vorgelegt habe.
Natürlich sehe ich keine Fußspuren und höre keine Stimmen, oder sehe keine wundersamen Gestalten. Und trotzdem erlebe ich Antworten auf meine Fragen und Bestätigung seiner Nähe, in Situationen, wo ich nach einem Weg suche. Und im Rückblick nach einem längeren Weg, mit vielen Schritten erkenne ich Gottes Eingreifen und unsichtbare Führung.

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 18:21
Ruth hat geschrieben:Darum KANN eigentlich kein Mensch irgendwelche Vorgaben als "Gottes Wort" darstellen.
Richtig, das ist kompletter Unsinn, weil so ein Mensch immer nur sein Design für sein gewünschtes Rollenspiel vermittelt.

Die antiken Texte, die mannigfaltig "übersetzt" wurden, sind genau so ein Design.

Pure Texte sind für mich ohnehin nicht ansprechend. Es sei denn, sie geschehen genau in einer passenden Situation, die Antwort auf existenzielle Fragen gibt.
Für mich ist "Gottes Wort", was mir in dem passenden Moment eine hilfreiche Botschaft vermittelt, die etwas bewegen kann. In dem Moment ist sie für mich Gottes Wort. Es muss nicht die gleiche Botschaft für einen Mitmenschen haben. Weil der Text erst durch die Botschaft, welche trifft, lebendig wird.



SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 18:21
Ruth hat geschrieben:Es geht nur über die Erkenntnis, dass das, was man verkündigt, die eigene Wahrnehmung ist, welche durch die Gemeinschaft mit Gott entstanden ist.
Naja, es ist eher keine "Wahrnehmung einer Gemeinschaft", sondern das Design einer Rolle, die zu einem,
dem persönlichen Wunsch entsprechenden, Gegenüber passen würde.

Wie ein Schauspieler führt der "Gläubige" "seinen Part" auf und wechselt von der Suche nach einer Antwort auf die Frage "Gott" zu der Situation, dass er eine Antwort gefunden hat (diese wünscht sich der "Gläubige" ja so sehr).

Wenn es darum gehen soll, dass man einfach vergisst, dass man erst noch nach einer Antwort suchen muss, dann sind religiöse Gemeinschaften natürlich "spitze" - aber es ist halt nur eine Illusion...

Ich brauche keine Gemeinschaften, um in einer Beziehung zu Gott zu leben. Für mich bedeutet das ganz simpel , dass ich damit rechne, dass Gott IMMER da ist, in meinem Leben. Egal wo ich bin und was ich gerade tue. Darum rede ich auch meistens über alles mit ihm. Und ich erfahre Antworten.
Ja, auch indem ich suche.
Du nennst es "Illusion". Na und? Die Illusionen, welche ich erfahre, schenken mir Leben, Antworten, Nähe und Liebe, zeigen mir Wege, die ich sonst nicht finde.
Mehr brauche ich nicht. Rollenspiele sind dabei überflüssig.

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SamuelB
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#38 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von SamuelB » Sa 29. Aug 2020, 20:50

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 18:21
Aha, also eine Art "Handlung eines Akteurs, ohne Akteur", die du gerne anbeten möchtest, ja vielleicht sogar anbeten müsstest, weil du dir "gering" vorkommen möchtest.
Genau, "Gott" zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er höher gewertet wird. Das Müssen ist eine Folge davon.
SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 18:21
Dir fällt bestimmt auf, dass du versuchst, deinen "Glaubenswunsch" in Abstraktheiten zu retten. Abstraktheiten, die nie und nirgendwo alleine vorkommen und somit auf keinen Fall die von dir gewünschte zentrale Bedeutung haben können.
Ohne den Anbeter gibt es keinen Gott. Er befindet sich durch ihn/mit ihm in dieser Position und kann entfernt werden; wobei sich das praktisch als schwierig gestaltet. Konkreter wollte ich nicht werden, weil nicht alle denselben Gott haben, daher zentrale Bedeutung mMn nur subjektiv.
SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 18:21
Mach dir klar, dass, wenn du das Wort "Gott" auf "unbegreifbar" umleitest, du nie mit dem Stellen der Frage und dem Verständnis "Gott"=Frage aufhören solltest.
Mit dieser Frage beschäftige ich mich seit Jahren und anscheinend bin ich nicht allein. Wer ist Gott? Unbegreifbar finde ich es nicht. Damit eng verbunden ist die Frage, wer ich bin. Ein paar Götter konnte ich identifizieren und loswerden. Das ist natürlich auch eine Privatangelegenheit.
SilverBullet hat geschrieben:
Sa 29. Aug 2020, 18:21
Damit wird ein "Gläubiger" natürlich anfällig, gegenüber all den Gemeinschaften, die solche Rollen entwerfen und als "absolut richtig" verkaufen - verkauft wird eine Illussion...
Solche Gemeinschaften besetzen dann selbst diese Rolle. Wenn man keine Vorstellung von "Gott" hat und die Frage nicht stellt, merkt man das nicht.
 

JackSparrow
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#39 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von JackSparrow » So 30. Aug 2020, 00:06

SamuelB hat geschrieben:
Fr 28. Aug 2020, 18:08
Ich werde bei nächster Gelegenheit Angehörige anderer Säugetierarten fragen, ob sie Glaube und Religion für eine private Angelegenheit halten. 🤔Wie denkst du denn darüber?
Worüber? Ich denke jeder deiner menschlichen Artgenossen wird dir auf Nachfrage bestätigen, dass er Glaube und Religion für seine private Angelegenheit hält.

Möglicherweise sollten wir also zuerst evaluieren, wann eine Angelegenheit objektiv als "privat" zu betrachten ist und ob Menschen denn tatsächlich alle Ursachen und Abläufe benennen können (oder wollen), durch die ihr jeweiliger Glaube letztlich zustande kam.

Wem laufe ich hinterher und passt das wirklich zu meinen eigenen Überzeugungen?
Wenn ich ihm hinterherlaufe, muss es wohl zu meinen eigenen Überzeugungen passen. Vielleicht hab ich nur Probleme, meine Überzeugungen in Worte zu fassen?


Ziska hat geschrieben:
Fr 28. Aug 2020, 11:22
Oder hat Gott das Recht zu entscheiden wie er angebetet werden möchte?
Jeder hat das Recht zu entscheiden, wie er angebetet werden möchte. In unserem Land herrscht Meinungsfreiheit und Vertragsfreiheit. Wenn du deine Mitmenschen gut bezahlst, werden sie deinem Wunsch vielleicht sogar nachkommen.

Ziska hat geschrieben:
Fr 28. Aug 2020, 11:22
Wie soll man reagieren, wenn man festgestellt hat,
dass der bis jetzt ausgeübte Glaube mit Gottes Ansicht nicht übereinstimmt?
Man sollte sofort allen Mitmenschen erzählen, dass man jetzt was Neues glaubt und dass man diesen neuen Glauben für die Ansicht eines Gottes hält.

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#40 Re: Ist Glaube/Religion Privatsache?

Beitrag von SilverBullet » So 30. Aug 2020, 10:00

Ruth hat geschrieben:Ich habe gar nicht den Wunsch nach einer Anbetungsrolle, sondern denke, dass ich gar keine Rolle spielen muss, um Gott zu finden. Weil Gott mir erfahrungsgemäß schon da entgegenkommt, wo ich mich auf den Weg mache, ihn zu suchen. Ich muss keine Rolle spielen, sondern darf so zu ihm kommen, wie ich bin.
Ah, ich glaube wir siedeln die Anbetungsrolle eines "Gläubigen" unterschiedlich an:
1.
Du gehst von einer Situation aus, in der Du einem "Gott"(?) gegenüberstehst und "diesen" auf dich aufmerksam machen möchtest.
Hierzu sagst du, dass du keine Rolle spielen musst.
2.
Ich sage, dass die Anbetungsrolle eines "Gläubigen" bereits darin besteht, dass er von der Gegenüber-Situation zu einem grösseren "Etwas"(?) ausgeht.

Ich gehe (auch) nicht davon aus, dass "Gläubige" in ihrer Anbetungsrolle nocheinmal irgendeine Rolle spielen, sondern dass sie sich den Status "Gläubiger", also den allerersten Schritt, durch das Einnehmen einer Anbetungsrolle geben.
=> Dass du das Wort "Gott" überhaupt als sinnvollen Anteil deines Lebens betrachtest, basiert auf deiner Anbetungsrolle.

Ruth hat geschrieben:Ich lebe mit Gott. Da muss ich nichts mehr entwerfen und keine bestimmte Richtung anpeilen.
Der erste Satz verdeutlicht die Anbetungsrolle.

Für den Privatbereich gibt es dafür noch nicht einmal ein "das darfst du machen", sondern ich sage: mach es einfach und gut ist es.

Die Problematik beginnt im Grunde erst, wenn es den Privatbereich verlässt und "Gläubige" sich abstimmen.

Ruth hat geschrieben:Spuren sehe ich in solchen Dingen, die ich erfahre, auf meinem Weg mit Gott. Da wo ich Antworten auf meine Fragen finde, oder Hilfe bei einem Problem, welches ich Gott vorgelegt habe.
Natürlich sehe ich keine Fußspuren und höre keine Stimmen, oder sehe keine wundersamen Gestalten.
Genau, du siehst keine Fussspuren und hörst keine Stimmen, aber irgendwie hast du dennoch den Wunsch "mehr" zu entdecken, was dem Wunsch nach einer Anbetungsrolle entspricht.

Ruth hat geschrieben:Pure Texte sind für mich ohnehin nicht ansprechend.
Gut, denn dieses Zeugs ist regelrecht gefährlich, weil sie die privaten Anbetungsrollen zu normieren versuchen.
Dadurch entsteht "Gleichschaltung in der Abhängigkeit" (es geht ja um eine Anbetungsrolle), wodurch es zu Fremdbestimmung kommt.
Dir ist bestimmt auch schon aufgefallen, dass Gemeinschaften, die solche Texte einsetzen, hübsch hierarchisch organisiert sind (geht ja nicht anders, denn irgendwelche "Fachleute" müssen die Texte ja für die "Nicht-Fachleute" verfassen und andere "Top-Spieler" müssen die "Erkenntnisse" verbreiten und auf Einhaltung achten).

Im Grunde ergibt sich so eine Hierarchie bereits wenn sich zwei "Gläubige" unterhalten und beim einen "funktioniert" die Anbetungsrolle besser als beim anderen.
Hier beginnt es quasi, dass der eine "Gläubige" dem anderen "etwas zu sagen hat".
Das ist schon nicht mehr der Privatbereich und kann sich mit der Zeit in alle denkbaren Übertreibungen (gerne auch neue Texte) aufschwingen.

Ruth hat geschrieben:Ich brauche keine Gemeinschaften, um in einer Beziehung zu Gott zu leben.
Gut, ich drücke die Daumen, dass du es möglichst konsequent durchziehen kannst.

Leider besteht natürlich eine gewisse Gefahr, dass eine dir vielleicht sehr ähnlich eingestellte Gemeinschaft zu Macht kommt und du durch die Ähnlichkeit verleitest wirst "diesen (nahzu) richtigen Weg" zu unterstützen.
=> "Finger weg" und alles ist gut...

Ruth hat geschrieben:Du nennst es "Illusion". Na und? Die Illusionen, welche ich erfahre, schenken mir Leben, Antworten, Nähe und Liebe, zeigen mir Wege, die ich sonst nicht finde.
Richtig, das Einnehmen von Rollen (was wir vermutlich alle gerne machen) kann eine enorme Dynamik entwickeln -> Motivation.
Sinnvoll ist dies aber nur im Privatbereich.

---

SamuelB hat geschrieben:Genau, "Gott" zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er höher gewertet wird. Das Müssen ist eine Folge davon.
So sehe ich das auch - das "höher werten" bezeichne ich als "die Anbetungsrolle".

Interessant ist deine Formulierung "'Gott' zeichnet sich gerade dadurch aus".
Man kann dies als "das Wort 'Gott' zeichnet sich gerade dadurch aus" verstehen, aber auch als "das 'Gegenüber' zeichnet sich gerade dadurch aus".
Verstehst du den Unterschied?
Im ersten Fall geht es allein vom "Gläubigen" aus, im zweiten Fall soll es eine vorliegende Situation sein und der "Gläubige" reagiert.
Geht es um wilde Tiere oder Naturphänomene, dann liegt in gewisser Weise schon eine Situation vor und wird anschliessend vom "Gläubigen" übertrieben interpretiert.
Durch die Entsorgung des "Gegenübers" in "unbegreifbar/unsichtbar/unerreichbar" bleibt nur noch der "Gläubige" übrig und er startet quasi allein aus seinm Wunsch nach einer Anbetungsrolle heraus.

SamuelB hat geschrieben:Ohne den Anbeter gibt es keinen Gott.
Ja und im Falle von "unbegreifbar/unsichtbar/unerreichbar" gibt es noch nicht einmal "das Gegenüber".

SamuelB hat geschrieben:Mit dieser Frage beschäftige ich mich seit Jahren und anscheinend bin ich nicht allein. Wer ist Gott? Unbegreifbar finde ich es nicht. Damit eng verbunden ist die Frage, wer ich bin.
Ich sage sogar, es konzentriert sich alleinig auf die Frage "wieso will der jeweilige Mensch eine Anbetungsrolle einnehmen".

SamuelB hat geschrieben:Solche Gemeinschaften besetzen dann selbst diese Rolle. Wenn man keine Vorstellung von "Gott" hat und die Frage nicht stellt, merkt man das nicht.
Ich denke "Gläubige" kommen leicht in eine Abhängigkeitsposition zu Gemeinschaften, weil sie sich darin nicht mit dem Übergang zu einer Anbetungsrolle beschäftigen müssen, sondern aus der Einstellung der Anderen eine Art "Sicherheit" ziehen können - Motto: "die Anbetungsrolle ist schon sinnvoll".
=> Verstärkung der Illusion (dann merkt man es quasi tatsächlich nicht)

Verliert der "Gläubige" aber irgendwann seinen Wunsch nach einer Anbetungsrolle (warum auch immer), dann kann so eine Gemeinschaft kaum vernünftig damit umgehen, weil dieser Einzelne die "Sicherheit aus Gemeinschaft" schwächt.

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