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Thaddaeus
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#501 Re: Gedankenexperimente zum Körper-Geist-Problem

Beitrag von Thaddaeus » So 25. Aug 2019, 16:52

JackSparrow hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:41
Thaddaeus hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 12:31
Was wird passieren, wenn Mary aus ihrem schwarzweißen Raum gelassen wird oder wenn man ihr einen Farbfernseher gibt? Wird sie etwas lernen oder nicht?
Praktisch wird Mary komplett farbenblind sein und keinerlei Unterschied feststellen, da sich die fürs Farbensehen zuständigen Nervenbahnen bei ihr nie entwickeln konnten.
Dann stelle dir einfach vor, die nötigen funktionstüchtigen Nervenbahnen seien durch eine Operation transplantiert worden.

Gedankenexperimente sind in der Regel kontrafaktisch. Das ist aber unerheblich, denn es geht um die konstruierten Ausgangsbedingungen und welche (zwingenden oder vermeintlichen) Konsequenzen die haben. Wie es zu diesen Ausgangsbedingungen kommt, ist irrelevant.

Die Frage ist also, ob Mary etwas Neues lernt, dadurch das sie plötzlich Farbqualia empfindet? Oder lernt sie über die physikalischen, optischen, neurophysiologischen und medizinischen Tatsachen hinaus, also über ihre lückenlos perfekten, theoretischen Kenntnisse über Farben hinaus, nichts Neues mehr?

JackSparrow hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:41
Hypothetisch ist die Frage unvollständig, da verschiedene Arten von Langzeitgedächtnis unterschieden werden müssen. Weiteres semantisches Faktenwissen übers Farbensehen kann sich die allwissende Mary selbstverständlich nicht aneignen.
Auch hier darfst du dir alles vorstellen, was du willst, wie Mary an ihre perfekten Kenntnisse kommt. Langzeitgedächtnis-Chips z.B., die sie nichts vergessen lassen o.ä.


JackSparrow hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:41
Niemand kann angeben, worin der Unterschied besteht.
Es gibt aber natürlich einen Unterschied.
Soweit das vorherrschende Dogma.
Du bist jetzt beim Sumpfwesen.
Nein, kein Dogma.
Der Unterschied liegt laut Gedankenexperiment darin, dass das komplett aus neuen Atomen und Molekülen erschaffene Sumpfwesen in keinerlei kausalen Zusammenhang mit dem durch den Blitz zerstörten Menschen steht. Das heißt: das Sumpfwesen ist zwar eine atomar- und molekular-identische Kopie des pulverisierten Menschen, aber dadurch, dass es bis zu diesem Zeitpunk niemals irgendetwas erkannt hat, kann es logischerweise auch nichts WIEDER-erkennen. Worauf bezieht sich also sein "Wieder-Erkennen" und seine Sprache: worauf beziehen sich die Laute, die es ausstößt und sich wie Worte anhören? Sind es Worte?
Wie kann das Sumpfwesen die Freunde des Menschen wieder-erkennen (wenn es die doch niemals in der Vergangenheit getroffen hat)? Die neuronalen Strukutren sind da, denn sie sind ja kopiert; aber welchen Bezug haben diese Strukturen zur Wirklichkeit? Müssen unsere neuronalen Strukturen womöglich solche kausalen Verbindungen zur Wirklchkeit aufweisen, damit wir die Personen sein können, die wir sind und vor allem, damit wir etwas wissen (und eben wieder-erkennen) können?

Ich finde, dass sind ziemlich spannende Fragen ...

JackSparrow hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:41
Beispielsweise empfindet ein philosophischer Zombie, der mit einem spitzen Gegenstand gestoßen wird, keinen Schmerz, er verhält sich aber genau so, als ob er Schmerzen empfände.
Und das Dogma verbietet es, solches Verhalten als eine Empfindung zu bezeichnen.
Es ist kein Dogma zu fragen, ob Schmerzen zu empfinden einfach nur bedeutet, ein ganz bestimmtes (Schmerz-)Verhalten an den Tag zu legen. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein stimmt dem übrigens zu (wie auch radikale Behavioristen).

Nun, ein Jeder sagt es mir von sich, er wisse nur von sich selbst, was Schmerzen seien! - Angenommen, es hätte Jeder eine Schachtel, darin wäre etwas, was wir ”Käfer” nennen. Niemand kann je in die Schachtel des Andern schaun; und Jeder sagt, er wisse nur vom Anblick seines Käfers, was ein Käfer ist. - Da könnte es ja sein, dass jeder ein anderes Ding in seiner Schachtel hätte. Ja, man könnte sich vorstellen, dass sich ein solches Ding fortwährend veränderte. Aber wenn nun das Wort ”Käfer” dieser Leute doch einen Gebrauch hätte? - So wäre er nicht der der Bezeichnung eines Dings. Das Ding in der Schachtel gehört überhaupt nicht zum Sprachspiel; auch nicht einmal als ein Etwas: denn die Schachtel könnte auch leer sein. - Nein, durch dieses Ding in der Schachtel kann gekürzt werden; es hebt sich weg, was immer es ist. (Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, S.293)
Trotzdem hätten jedoch die meisten von uns wohl erhebliche Probleme damit, dem Roboterhund Aibo echte Freude zuzuschreiben, wenn er mit dem Schwanz wedelt.

Bild
[Quelle: https://encrypted-tbn0.gstatic.com/imag ... 4aQWQcfV-H]
Zuletzt geändert von Thaddaeus am So 25. Aug 2019, 17:14, insgesamt 2-mal geändert.

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#502 Marys Zimmer

Beitrag von Thaddaeus » So 25. Aug 2019, 17:05

JackSparrow hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:41
Thaddaeus hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 12:31
Was wird passieren, wenn Mary aus ihrem schwarzweißen Raum gelassen wird oder wenn man ihr einen Farbfernseher gibt? Wird sie etwas lernen oder nicht?
Praktisch wird Mary komplett farbenblind sein und keinerlei Unterschied feststellen, da sich die fürs Farbensehen zuständigen Nervenbahnen bei ihr nie entwickeln konnten.
Hier Marys Room, damit man sich eine klarere Vorstellung davon machen kann ... Vorne links am Mikroskop sehen wir übrigens Mary höchstpersönlich :D Man beachte, dass unter der Tomate auf dem rechten Monitor wenigstens "RED" steht, wenn sie schon nicht weiß, was RED bedeutet ... oder weiß sie es?!? :idea:

Bild
[Quelle: http://www.philosopher.eu/wp-content/up ... ysRoom.jpg]

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#503 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von Andreas » So 25. Aug 2019, 17:38


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#504 Re: Gedankenexperimente zum Körper-Geist-Problem

Beitrag von Thaddaeus » So 25. Aug 2019, 20:49

Thaddaeus hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 16:52
Trotzdem hätten jedoch die meisten von uns wohl erhebliche Probleme damit, dem Roboterhund Aibo echte Freude zuzuschreiben, wenn er mit dem Schwanz wedelt.

Bild
[Quelle: https://encrypted-tbn0.gstatic.com/imag ... 4aQWQcfV-H]
Nun denken wir: "Klar, der Roboterhund Aibo sieht ja nun auch wirklich aus, wie ein Roboterhund. Selbstverständlich empfindet der nichts. Das Schwanzwedeln ist ja nur einprogrammiert. Das hat mit Freude nun wirklich nichts zu tun."

Aber was, wenn der Roboterhund Aibo in Wirklichkeit der rechte Hund auf dem Bild ist ... Sind wir dann immer noch so sicher? :shock:


Und danke Andreas für die kleine wissenschaftliche Einführung in die Welt der Farben und Wellenlängen!

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Andreas
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#505 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von Andreas » So 25. Aug 2019, 22:17

Thaddaeus hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 20:49
Und danke Andreas für die kleine wissenschaftliche Einführung in die Welt der Farben und Wellenlängen!
Für das Gedankenexperiment "Marys Room" erschienen mir, die im von mir verlinkten Video ab 6:24 bis zum Ende beschriebenen Phänomene betreffs menschlicher Sprachentwicklung und Farbwahrnehmung der Farbe Blau (besonders verblüffend am Beispiel des Himbastammes in Namibia) interessant zu sein.

closs
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#506 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von closs » Mo 26. Aug 2019, 00:01

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:31
Thaddaeus hat geschrieben: ↑
Sa 24. Aug 2019, 19:10
Als Ideologe - und nichts anderes ist er letztlich - glaubt Closs ,
Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:31
:lol: :lol:
Ja, das trifft es auf den Punkt. Wunderbar, Vielen Dank.
Ihr könnt Euch 100 Mal gegenseitig als Claquere inszenieren: Es ändert nichts daran, dass Ihr die Welt erst anfangt zu denken, nachdem die Frage undiskutiert übergangen wird, ob der Mensch Teil einer meta-anthropozentrischen Vernunft ist oder ob die Welt nach menschlicher Vernunft funzt - Ihr steigt einfach mit Letzterem ein. ---- Das ist aus meiner Sicht philosophisch nicht erste Liga.

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Es ist nicht aufgelöst in dem Sinne, dass es nach deinen Ausführungen kein rationales Argument gibt einen rationaler Mensch vom Radikalskeptizismus abzubringen.
NAtürlich gibt es das AUCH - es ist eine Frage der Gesinnungs-Hermeneutik, mit der man ran geht (s.o.).

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Deine Meta-Theorie verfügt über mehrere Komponenten, an die du (deine eigenen Standards angelegt) halt glaubst. Nämlich 1. dass es was gibt “was wirklich ist”, 2. dass das von unseren Überzeugungen unabhängig ist und 3. dass der epistemologische Foundationalismus, d. h. dass es unmittelbar als wahr einsichtige Grundprämissen gibt, falsch ist.
Bis auf 3. würde ich Dir zustimmen - wobei es zunächst irrelevant ist, ob ich das "glaube" - relevant ist, dass diese Theorie wahr sein könnte. - Ich behaupte doch nicht, dass ich da anders wäre als Ihr.

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Hier tust du aber so als ob der hermeneutische Zirkel ein Test wäre, die Güte einer Theorie/Weltbild zu untersuchen.
Das ist überinterpretiert. - Gemeint ist damit, dass bspw. der Ansatz "Jesus ist auferstanden" auf Grund vernünftiger Voraussetzungen weit nachhaltiger hermeneutisch untersucht werden kann als "Claymore ist auferstanden" (oder Pumuckl).

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Du bist ja leider so extrem unwissend, dass schon ein 12-minütiges YouTube-Video all deinen Unfug richtig stellen kann (das muss man erstmal hinbekommen!).
Sorry - da spricht aus Dir der belesene Fleißling ohne geistigen Horizont. - Ich widerspreche Dir nicht, dass es Ansätze gibt, die mich schlecht aussehen lassen (das ging Paulus auf dem Areopag ebenfalls so) - aber halte es einfach vorsichtshalber für möglich, dass mein Ansatz Hand und Fuß hat, nur dass er halt nicht in die heute gängigen Denkweisen hineinpasst.

Nebenbei: Was ich hier im Forum gelernt habe, ist, wie ungeheuer unterschiedlich geistige Formatierungen sein können - man spürt richtig, wie eine "Zeit/Kultur A" ihr Gegenstück "Zeit/Kuktur B" nicht verstehen kann - eigentliches ein gefundenes Fressen für Neuropsychologen. - Ausdrücken ist hier zu betonen, dass dies keine qualitative Aussage in puncto Intelligenz oder intellektueller Brillanz ist - das gibt es überall.

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Die Rechtfertigung einer Theorie liegt in ihrer Kohärenz.
Wenn ich Dich recht verstehe: Ja. ---- Das ist übrigens exakt das, was ich Dir und Thaddäus ausdrücklich zugestehe - darin liegen unsere Unterschiede nicht. - Anders formuliert könnte man von hermeneutischen Vorannahmen sprechen (bewusst oder unbewusst) - ein Beispiel:

In einem Zitat bringt Thaddäus die Aussage, dass jedes lebende Wesen ein "Bewusstsein" habe. - Das kann man nur dann sagen, wenn man vorher "Bewusstsein" so definiert hat, dass dieser Satz """wahr""" sein kann - das gehört volens nolens zu den Vorannahmen. - Und schon hat man seine Kohärenz.

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Du drückst dich um das Wort “wahr”. “Authentisch” ist ja schön und gut – aber bedeutet das, dass die Theorie auch wahrscheinlicher “ontisch wahr” ist?
Sie kommt in die engere Auswahl. - Qualitativ sagt das noch nichts aus, weil man erst die Nolens-volens-Vorannahmen abklappern müsste, unter denen ein hermeneutischer Zirkel/Spirale dreht. - Und das ist halt oft Glaubenssache und nicht falsifizierbar.

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Der Punkt ist, dass deine eigene Meta-Theorie nach deinen eigenen Standards offensichtlich nur “methodisch wahr” ist.
Ja - das gilt für alles. - Mehr kann der Mensch nicht. - Auch ich kann nicht wissen, ob die Welt und meine Vorstellung und meine Denken und Gott ganz einfach verrückt sind - das kann NIEMAND. - Also MUSS man irgendwann glauben, um überhaupt weitermachen zu können - wobei wir wieder bei (nicht nur) meinem Descartes-Verständnis wären.

Eines sollte man vielleicht korrigieren: "Methodisch" gilt hier nur für wissenschaftliche oder wissenschafts-ähnliche Systeme - übergeordnet müsste es wohl heißen: Der Mensch kann immer nur unter Bedingungen, also sozusagen "innerbetrieblich" "wissen" - also im Allgemeinverständnis des Wortes GAR nichts wissen. - Sokrates hatte da schon recht (das war doch Sokrates, oder?).

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Sicher hört es sich z. B. sehr ekzentrisch an, dass sich das Universum unseren Überzeugungen unterwerfen sollte. Aber na und? Das hat dich doch noch nie gestört.
Doch - gerade das.

Claymore hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 14:36
Nach dieser idealistischen Meta-Theorie wäre eine Theorie falsch, wenn sich nicht kohärent ist.
Prinzipiell ja, aber da könnten wir Unterschiedliches meinen. - Denn WER entscheidet, was kohärent ist? --- Thaddäus würde sagen "die Logik" - ja, ok. ---- Aber Logik ist ein Nichts, wenn man ihr nichts unterlegt - und "man" ist "wir". - WIR entscheiden also, welche Theorien nach welchen Unterlegungen kohärent sind - und da hilft die Logik - aber das ist doch am Ende der Sache - vorher kommt die Frage nach den Unterlegungen selbst.

Mit anderen Worten: Es könnte Kohärenzen geben, von denen wir keine Ahnung haben, weil sie unsere Verständnisbilder überfordern. - Insofern: Universal würde ich Deiner obigen Aussage zustimmen, anthropoznetrisch nur mit Vorbehalt.

JackSparrow
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#507 Re: Gedankenexperimente zum Körper-Geist-Problem

Beitrag von JackSparrow » Mo 26. Aug 2019, 10:30

Thaddaeus hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 16:52
Die Frage ist also, ob Mary etwas Neues lernt, dadurch das sie plötzlich Farbqualia empfindet?
Ich glaube nicht an Qualia. Ich glaube an Aktionspotenziale und assoziative kortikale Areale.

Mary besitzt Faktenwissen. Sie trainierte ihr semantisches Gedächtnis. Mary besitzt keine Verknüpfung zwischen den Zäpfchen in ihrer Retina und ihrem limbischen System. Ihr fehlt ein episodisches Gedächtnis sowie ein emotionales Gedächtnis. Jemand müsste Mary beibringen, dass sie gerade diese oder jene Farbe betrachtet, und jemand müsste ihr währenddessen ein paar positive oder negative Emotionen liefern.

Der Unterschied liegt laut Gedankenexperiment darin, dass das komplett aus neuen Atomen und Molekülen erschaffene Sumpfwesen in keinerlei kausalen Zusammenhang mit dem durch den Blitz zerstörten Menschen steht.
Auch beim realen Menschen werden ständig Atome und Moleküle ausgetauscht. Beim Sumpfwesen ging das lediglich etwas schneller als gewöhnlich. Der kausale Zusammenhang ist ein rein hypothetisches Konstrukt.

Wie kann das Sumpfwesen die Freunde des Menschen wieder-erkennen (wenn es die doch niemals in der Vergangenheit getroffen hat)? Die neuronalen Strukutren sind da, denn sie sind ja kopiert; aber welchen Bezug haben diese Strukturen zur Wirklichkeit?
Die neuronalen Strukturen sind da, das Gedächtnis ist intakt und es spielen sich im Sumpfwesen die gleichen Prozesse ab wie im Original. Wüsstest du nicht dass es sich um ein Sumpfwesen handelt, hättest du kein Problem mit dem Wort "wiedererkennen".

Angenommen, es hätte Jeder eine Schachtel, darin wäre etwas, was wir ”Käfer” nennen. Niemand kann je in die Schachtel des Andern schaun; und Jeder sagt, er wisse nur vom Anblick seines Käfers, was ein Käfer ist. - Da könnte es ja sein, dass jeder ein anderes Ding in seiner Schachtel hätte. Ja, man könnte sich vorstellen, dass sich ein solches Ding fortwährend veränderte. Aber wenn nun das Wort ”Käfer” dieser Leute doch einen Gebrauch hätte?
Offenbar ist verbale Kommunikation nutzlos, wenn man sich über die Semantik nicht einig ist. In der Realität lernen wir den Unterschied zwischen einem Käfer und einer Hängebrücke als Kleinkind von unseren Eltern, die sich zu diesem Zeitpunkt ja hoffentlich bereits erfolgreich mit ihren Mitmenschen verständigen können.

Leila
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#508 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von Leila » Mo 26. Aug 2019, 11:44

Die Qualia, wie ihr es hier nennt, die raw feels, beschreiben nichts anderes, als das babylonische Sprachenwirrwarr.

Von daher ist die Möglichkeit einer Superintelligenz auf Basis der KI möglich und auch gefährlich, nicht, dass sich der Mensch eines Tages als Mitochondrium erlebte...

closs
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#509 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von closs » Mo 26. Aug 2019, 14:49

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 26. Aug 2019, 10:30
Offenbar ist verbale Kommunikation nutzlos, wenn man sich über die Semantik nicht einig ist.
Das ist in der Regel so.

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Thaddaeus
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#510 Re: Gedankenexperimente zum Körper-Geist-Problem

Beitrag von Thaddaeus » Mo 26. Aug 2019, 19:25

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 26. Aug 2019, 10:30
Thaddaeus hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 16:52
Die Frage ist also, ob Mary etwas Neues lernt, dadurch das sie plötzlich Farbqualia empfindet?
Ich glaube nicht an Qualia. Ich glaube an Aktionspotenziale und assoziative kortikale Areale.
Mag sein, aber es geht nicht darum, an Qualia zu glauben. Wir sind nicht in der Bibelschule. Es geht darum, dass man sie kaum sinnvoll leugnen kann.
Entweder man streitet die Existenz von Qualia ab, dann streitet man ab, Empfindungen, also qualitative Bewusstseinsinhalte zu haben, wie Farben sehen oder Musik empfinden. (Meines Wissens macht das kein Neurowissenschaftler: weder Singer, noch Roth, noch Metzinger, ich lasse mich aber gerne belehren.)

Oder man setzt Qualia (a) als identisch mit "Aktionspotenzialen" bzw. neuronaler Aktivität (b). Sie können aber nicht identisch sein, weil etwas mit etwas anderem nur dann identisch ist, wenn a und b vollständig identische Eigenschaften haben.* Neuronale Aktivität, also das Feuern von Neuronen bzw. elektro-chemisch aktive Nervenbahnen haben jedoch keine identischen Eigenschaften mit Qualia bzw. phänomenalen Bewusstseinsinhalten.

Wenn Licht mit einer spektralen Verteilung auf die Retina trifft, bei der Wellenlängen zwischen 565 und 575 nm dominieren und entsprechende neuronale Aktivität hervorrufen, dann haben weder die Wellenlängen noch die Aktionspotenziale oder elektro-chemische Vorgänge in den Nervenbahnen mit der Farbempfindung gelb zu tun.

* Dies folgt Leibniz' Gesetz, das zwei Aspekte von Identität unterscheidet:
1) Die Ununterscheidbarkeit des Identischen:
a = b → ∀F(Fa ↔ Fb) [= Wenn a und b identisch sind, haben sie alle Eigenschaften gemeinsam.]
2) Die Identität des Ununterscheidbaren:
F(Fa ↔ Fb) → a = b [= Wenn a und b alle Eigenschaften gemeinsam haben, dann sind sie identisch.]

Das erste dieser beiden Gesetze hat bei der Kritik an der Identitätstheorie (Bewusstsein/Qualia sind identisch mit neuronalen Zuständen) eine entscheidende Rolle gespielt, denn aus ihm ergibt sich ein einfacher Identitätstest: Wenn a irgendeine Eigenschaft hat, die b nicht hat, dann können a und b nicht identisch sein.



JackSparrow hat geschrieben:
Mo 26. Aug 2019, 10:30
Mary besitzt Faktenwissen. Sie trainierte ihr semantisches Gedächtnis. Mary besitzt keine Verknüpfung zwischen den Zäpfchen in ihrer Retina und ihrem limbischen System. Ihr fehlt ein episodisches Gedächtnis sowie ein emotionales Gedächtnis. Jemand müsste Mary beibringen, dass sie gerade diese oder jene Farbe betrachtet, und jemand müsste ihr währenddessen ein paar positive oder negative Emotionen liefern.
Wenn Mary über einen physiologisch funktionierenden Sehsinn verfügt (und das wird im Gedankenexperiment vorausgesetzt), dann muss ihr niemand erklären oder emotional nahebringen, dass sie gelb sieht. Dann sieht sie gelb.

JackSparrow hat geschrieben:
Mo 26. Aug 2019, 10:30
Thaddaeus hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 16:52
Der Unterschied liegt laut Gedankenexperiment darin, dass das komplett aus neuen Atomen und Molekülen erschaffene Sumpfwesen in keinerlei kausalen Zusammenhang mit dem durch den Blitz zerstörten Menschen steht.
Auch beim realen Menschen werden ständig Atome und Moleküle ausgetauscht. Beim Sumpfwesen ging das lediglich etwas schneller als gewöhnlich. Der kausale Zusammenhang ist ein rein hypothetisches Konstrukt.
Ein kausaler Zusammenhang ist kein hypothetisches Konstrukt. Entweder es gibt einen kausalen Zusammenhang oder es gibt keinen. Was daran sollte ein "Konstrukt" sein? Es gibt nur ein so oder so.
Wenn in einer Person sich Zellen erneuern, dann kommen die nicht von irgendwoher - aus dem All oder vom Pub um die Ecke. Und genau das scheint einen entscheidenden Unterschied zum Sumpfwesen auszumachen. Da kommen die Zellen (Atome und Moleküle) nämlich in der Tat von "irgendwo" her, sind aber gerade nicht Bestandteil der körperlichen Person (und eine Person ist nicht allein ihr Körper). Zudem spielt es möglicherweise in der Tat eine Rolle, ob der Zellenaustausch plötzlich erfolgt und alle Zellen betrifft oder ob es im kontinuierlichen Prozess des Alterns einer Person geschieht.


JackSparrow hat geschrieben:
Mo 26. Aug 2019, 10:30
Thaddaeus hat geschrieben:
So 25. Aug 2019, 16:52
Wie kann das Sumpfwesen die Freunde des Menschen wieder-erkennen (wenn es die doch niemals in der Vergangenheit getroffen hat)? Die neuronalen Strukutren sind da, denn sie sind ja kopiert; aber welchen Bezug haben diese Strukturen zur Wirklichkeit?
Die neuronalen Strukturen sind da, das Gedächtnis ist intakt und es spielen sich im Sumpfwesen die gleichen Prozesse ab wie im Original. Wüsstest du nicht dass es sich um ein Sumpfwesen handelt, hättest du kein Problem mit dem Wort "wiedererkennen".
Ich habe kein Problem mit dem Wort "wiedererkennen", sondern ich habe ein Problem damit, dass das plötzlich entstandene Sumpfwesen schlicht und ergreifend nichts WIEDER-erkennen kann, weil es keine Vergangenheit hat, in der es hätte irgendetwas zum ersten Mal erkennen können. Es hat einen bis aufs Atom identischen Körper mit dem pulversierten Menschen. Aber es kann schlicht und einfach nichts WIEDER-erkennen. Das ist ausgeschlossen. Was also geschieht eigentlich, wenn es auf die Freunde des Menschen trifft und diese - zum ersten Mal - sieht, aber angeblich wiedererkennt?

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