ThomasM hat geschrieben: ↑Do 28. Feb 2019, 15:08
Hallo Mirjam
Hier genau steckt eine Problematik deines Tuns.
"Problematik" aber doch nur aus Sicht DEINER Theologie. Oder du hast mich missverstanden.
MEINE theologische Auffassung halte ich für logisch sauber. (Ihr dürft das gerne hinterfragen)
ThomasM hat geschrieben: ↑Do 28. Feb 2019, 15:08
Aber warum dann ein Gebet an den Sonnengott?
Der Begriff Sonnengott personalisiert die Sonne, schreibt ihr ein Wesen, eine Fähigkeit zu handeln, Absichten und Ziele zu.
Nicht ganz. Ich personalisiere nicht das physische Objekt "Sonne". Sondern ich verehre eine Gottheit, die sich in und durch die Sonne manifestiert. Re IST nicht die physische Sonne, sondern er ERSCHEINT ALS Sonne. (diese Formulierung ist mit Bedacht gewählt. Die ägyptische Sprache nutzt hier eine Anzahl sehr präziser Vokabeln, wie "Chai"=auftreten/erscheinen, die Präposition "m"=als, die Worte "Cheperu"= Erscheinungsform (wörtl. "erschaffenes"), Tut =Bild. usw.) Selbst in der ältesten Zeit haben die Ägypter niemals geglaubt, dass ein physisches Objekt, wie etwa eine Statue, mit der Gottheit identisch ist. Stets geht es um eine Einwohnung der Gottheit, die unter bestimmten rituellen Umständen und zu bestimmter Zeit von einer Statue, einem heiligen Tier oder eine Naturkraft Besitz ergreift. Im Falle des Sonnengottes Re und des Sterns Sonne ist es zwar eine sehr enge Beziehung, aber Objekt und Gottheit bleiben dennoch getrennte Konzepte.
ThomasM hat geschrieben: ↑Do 28. Feb 2019, 15:08
Das ist ja das Wesen jeder Religion, die Personalisierung eines Wesens, das wir Gott nennen.
Mein Glaube setzt genau daran an, die Existenz einer Persönlichkeit, die die Fähigkeiten hat, den Lauf des Universums und meines Lebens zu beeinflussen, der mich kennt, der mich liebt, der mir Ziele und Aufgaben stellt, der mich unterstützt, der mich hört. Zu einer solchen Persönlichkeit zu beten macht Sinn, denn so ein Gebet wird gehört und eventuell erhört.
Soweit sind wir uns einig, so sehe ich das auch.
ThomasM hat geschrieben: ↑Do 28. Feb 2019, 15:08
Ich kann aber eine solche Persönlichkeit mit nichts Physikalisches identifizieren, denn alle Physik, das ganze Universum, ist das Ergebnis des schöpferischen Handelns dieser Persönlichkeit. Das fordert der Begriff Gott. Gott ist etwas anderes als jedes Objekt in diesem Universum.
1. Was ist dann mit den physischen Manifestationen DEINES Gottes? Ich sage nur Dornbusch, Gewitterwolke, Feuersäule, ganz zu schweigen von der Inkarnation Jesu persönlich??
2. Du definierst, dass "Gott" etwas grundlegend anderes ist als ein physisches Objekt. Da sind wir uns übrigens wieder einig. Aber "Personalisierung" ist deiner Meinung nach in Ordnung? Wenn du schreibst von einer Person, die dich kennt, liebt und unterstützt. Ziehst du damit die transzendente Gottheit nicht auch auf das "niedere" Niveau menschlicher Begrifflichkeit und Beziehung herunter?
Mein Ansatz ist eben: Wenn sich die Gottheiten gnädig dazu herablassen mit uns Menschen in Beziehung zu treten und mit uns im Rahmen unseres begrenzten, menschlichen Verständnisses zu kommunizieren, warum sollten sie sich dann auf Wort und Gebet beschränken? Warum sollten sie nicht auch physische Form nutzen und uns in der und durch die physische Welt begegnen? Denn Bilder sagen uns Menschen doch oft soviel mehr als reine Worte...
ThomasM hat geschrieben: ↑Do 28. Feb 2019, 15:08
Daher kann der Sonnengott kein Gott sein. Eine Sonne wird geboren, sie erstrahlt und stirbt dann. Sie ist den Gesetzen des Universums unterworfen, sie ist geschaffen, nicht Schöpfer. Ein Gebet an die Sonne ist daher in meinen Augen sinnlos.
Noch einmal, der Sonnengott IST nicht die Sonne, er kann die Sonne ALS ERSCHEINUNGSFORM WÄHLEN.
Auch unterscheidet sich meine Gottesvorstellung ein wenig von der deinen, glaube ich. Meine Gottheiten sind den Gesetzen des Universums unterworfen und potentiell durchaus sterblich. Der Schöpfergott, der im Urozean aus sich selbst heraus entstanden ist, könnte eines fernen Tages auch wieder in Nun aufgehen. Das macht die Symbolik der Sonne nur umso passender.
ThomasM hat geschrieben: ↑Do 28. Feb 2019, 15:08
Da Leben - naturwissenschaftlich ausgedrückt - ein Prozess ist, der gegen die Entropie läuft, benötigt man Energie, um Leben zu ermöglichen, und diese Energie liefert die Sonne.
Schön formuliert, und außerdem sehr ägyptisch... Die Sonne liefert die Energie für das Leben, welches seinerseits einen steten Kampf gegen die Entropie darstellt... Setze "ordnende Kraft" für "Kampf gegen Entropie" - diese Ordnungskraft nennen die Ägypter Ma'at.
In den Pyramidentexten werden die Gottheiten Schu und Tefnut mit "Leben" und "Ma'at" gleichgesetzt. Sie sind die ersten und ältesten Kinder des Sonnen- und Schöpfergottes. Ich liebe diese Symbolik - der Schöpfergott, bevor er noch Himmel und Erde erschafft, erzeugt als erstes die dynamische Energie des Lebens und ordnende Kraft der Ma'at
liebe Grüße
Mirjam