Tyrion hat geschrieben:Der Glaube an einen Gott kann Halt geben, aber nur ein Mensch mit Selbstvertrauen kann m. E. auch richtig glauben.
Hm, eine vielleicht harte These. Und was ist "richtig Glauben"? Oder begründest du die These darauf, wer "richtig glaubt", wird schonm durch den Glauben an sich selbstbewusst?
Nein, ein selbstbewusster Mensch hinterfragt, sichert sich ab und läuft keiner Illusion hinterher, so als wenn er Drogen nehmen würde. Er belügt sich nicht selbst oder andere. Auch verlangt er nicht, dass andere ihm folgen, nur um sich selbst sicherer zu fühlen durch diese Bestätigung anderer. Ein gläubiger Mensch wird das Bedürfnis haben, andere seine Wahrheit zu erzählen, aber bedrängen macht nicht gläubig, hat bei mir nie funktioniert. Glauben heißt nicht betreutes Denken, sondern sich freiwillig wegen der anderen Menschen und Gott für ihn entscheiden zu können. Sonst macht doch das ganze Thema um Jesus keinen Sinn.
Der Begriff "bibeltreuer Christ" steht für mich für diese Form des christlichen Extremistentums. Vielleicht irre ich da, aber für mich waren das eben Menschen, die die Bibel wortwörtlich glauben.
Wer die Zusammenhänge in der Bibel begreift, Nächstenliebe nicht nur auf die Familie ausweitet, an Jesus glaubt und einen Weg praktiziert, der ein Zusammenleben erleichtert, ohne dauernd zu ermahnen, hat mehr verstanden als ein Mensch, der sich an der Bibel festsaugt. Der Mahnende erkennt seine Fehler selten, sagt aber, er wüsste sie, ohne weiter darauf einzugehen. Andere abzuwerten und sich selbst zu erhöhen, ist pure Heuchelei.
Man braucht etwas, was für das Unerklärliche steht. Dazu gehört auch, sich zu erklären, was nach dem Tod kommt, da man sich als etwas Lebendiges ja das "Nichts" nicht vorstellen kann. Man kann sich den Tod nicht klarmachen, nicht visualisieren und man hat vielleicht Angst davor, nicht mehr zu sein. Also erfindet man sich einen Gott, dem man all das anhängen kann ("der weiß, was dann kommt"; "er ist der, der allem Sinn gibt, auch wenn man selbst diesen nicht versteht"; "Gottes Wege sind unergründlich" usw.)
Ich verstehe deine Position absolut, aber ich sehe es dennoch anders. Der Tod kürzt mein Leben ab, ohne dass ich darauf Einfluss habe, und ich werde nie bereit sein. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass andere sich damit abfinden können. Mir kommt es eher vor, als wenn andere sich bezüglich des Todes selbst belügen, damit sie heute ihrem Leben Sinn geben können.
Kann irgendein Mensch Gott lieben? Man kann ihn weder greifen, noch fühlen, noch spüren. Man bildet ihn sich ein. Kann man sich in einen imaginären Freund real verlieben?
Und haben Christen nicht zugleich einen Heidenrespekt vor diesem Gott, da Christen ja auch an das letzte Gericht denken? Wie kann ich einen Richter, der darüber entscheidet, ob man für Ewigkeiten gefoltert wird, lieben? Stockholm-Syndrom passt da besser.
Nein, ich behaupte, den christlichen Gott kann man nicht lieben. Dafür schwingt in ihm zu viel Gewalt und zu viel "ich bin euer Richter" mit. Wer die Bibel liest, wird gottesfürchtig. Aber aufrichtig lieben - einen Mörder und Verbrecher? Schwierig. Stockholmsyndrom eben, wie gesagt

Vielleicht sollte man es anders sehen. Ein Schöpfer schenkt uns Leben, und wir versuchen, dies wert zu schätzen. Dann lässt er uns machen, wie wir wollen und bevormundet uns nicht. Ja, ich weiß, hat die Kirche immer getan. Aber die Kirche ist bei weitem nicht Gott.