Mirjam hat geschrieben: ↑Di 12. Feb 2019, 22:49
In meiner Religion ist das auch so vorgesehen - jeder Mensch ist zur Erkenntnis von Gut und Böse befähigt (und das hat bei uns nichts mit Erbsünde zu tun, das gehört so) und verantwortlich für sein Leben und Handeln. Die Götter wollen nicht, dass wir Böses tun, aber wir haben die Freiheit dazu (
Aus dem Kairener Amunshymnus: "und ich habe nicht befohlen, dass sie Böses tun, sondern ihre Herzen sind es, die nicht auf das hören, was ich gesagt habe")
Göttliche Hilfe und Gnade gibt es als Zugabe, die kann man erflehen und erhoffen wenn wir Menschen allein nicht weiter kommen.
Aber der Kern ist das eigene Handeln (
"tue die Ma'at, damit du auf Erden dauerst",
so die Lehre des Ptahhotep... und eine Vielzahl anderer Texte), und zur Bandbreite des eigenverantwortlichen menschlichen Handelns gehört auch die Magie.
In der Lehre für König Merikare heißt es:
"Wohlversorgt sind die Menschen, das Vieh Gottes
(...) Er hat die Luft geschaffen, damit ihre Nasen leben können,
seine Abbilder sind sie, aus seinem Leibe gekommen.
(...) Für sie schafft er das Licht, und fährt am Himmel um sie zu sehen
Er hat sich Kapellen errichtet zu ihrem Schutz,
und wenn sie nun weinen, so hört er.
Er hat ihnen den Zauber geschaffen,
Waffen, dem Schlag des Unheils zu wehren.
(...) Gott kennt jeden Namen."
Wunderbar gesagt
meiner Ansicht nach, lässt sich Magie in keiner Weise von Religion unterscheiden oder ihr gar entgegensetzen. Denn jedes Gebet, jeder Segensspruch, jedes Ritual fällt bereits unter die Kategorie der magischen Praxis. Das Judentum ist sich dieser magischen Dimension der Religion immer bewusst gewesen. So sagte beispielsweise Gershom Sholem im Hinblick auf die jüdische Mystik:
Jedes Gebet, das mehr ist als reine Anerkennung von Gottes Königtum, also im Grunde schon jedes Gebet, das irgendwie in einem exakteren Sinn auf die Erhörung hofft, bleibt ja jener ewigen Paradoxie unterworfen, daß der Mensch hofft, durch sein Gebet auf Gottes unergründliche Wege einzuwirken. Dieses Paradox, in dessen abgründigen Tiefen das religiöse Gefühl zu Hause ist, hat von jeher die Frage nach dem magischen Charakter des Gebets unabweisbar aufgeworfen.
Beispielhaft für die Magie im Judentum ist die kabbalistische Wortmagie, welche von der Vorstellung ausgeht, dass der Mensch unter dem Einfluss universaler Kräfte steht, die nicht nur ihn beeinflussen, sondern die er auch seinerseits beeinflussen kann, um ein glückliches und erfolgreiches Leben zu leben. Der Mensch ist in dieser Vorstellung kein Sklave Gottes, vielmehr - in Zusammenarbeit mit Gott - ein bewusster Mitschöpfer. Hier ein Beispiel für die Invokation eines Engels ...
Rafael (Raphael)
Heiler Gottes wirst du genannt.
Golden und grün erstrahlt Dein Gewand.
Deine Hilfe versaget nie.
Höre was meine Bitte sei:
Verleih mir der Gaben drei
Weisheit, Heilung und Harmonie.
Komm herbei aus der himmlischen Engelsschar
Amen Amen Amen Selah
qabbalah.de: Engelsgebete / Invokationen
Invokation (lat. invocatio „Hineinrufung“) ist eine Technik der Magie
wir haben auch Grund zu der Annahme, dass Jesus ein Magier war, und wer ihm nachfolgen möchte, demnach ebenfalls den magischen Weg beschreiten kann - oder sogar muss. Leider wird von manchen Christen aus Unwissenheit die Magie fälschlicherweise mit Satanismus gleichgesetzt, aber das entspricht nicht der Wahrheit. Jeder religiöse Mensch kann guten Gewissens Magie praktizieren, solange es keine schwarze Magie ist. Allerdings erwarte ich nicht, dass alle Menschen das verstehen können, denn nicht jeder besitzt die notwendige Reife, um die höheren spirituellen Lehren zu verstehen; und der Mensch ist der Feind dessen, was er nicht versteht, nicht wahr?
Fakt ist, dass Magische Praktiken in allen Kulturkreisen der Vergangenheit und Gegenwart anzutreffen sind. Religion, Magie und Mystik liegen nah beieinander, die Übergänge sind fließend - und wir müssen uns nicht für etwas schämen, was die Menschheit seit Urzeiten begleitet und sich offenbar in der realen Lebenspraxis bewährt hat.