Thaddaeus hat geschrieben: ↑So 1. Dez 2019, 01:46
Ja, genau das ist am Ende die alles entscheidende Frage, - oder etwa nicht?
Wie ist diese unsterbliche Seele zu denken?
Ich behaupte nicht zu wissen, was die Seele ist. Und die Meinungen divergieren so stark, im Westen von res cogitans bis pneuma (und wenn man sich noch Asien etc. anschaut, dann wird es endgültig kompliziert), dass der kleinste gemeinsame Nenner mindestens nur “ein immaterielles Prinzip” von Menschen ist. Man kann daher nur pragmatisch herangehen und eine Auffassung der Seele abliefern, die plausibel gemacht werden kann und konsistent ist, und zu diesen Auffassungen wenigstens einigermaßen passt (d. h. “immateriell” erklärt).
Fangen wir mit der unbestreitbaren Tatsache an, dass wir in der “Welt des ewigen Wandels” leben: Wenn ein Positron und Elektron kollabieren und dabei zwei Photonen entstehen, dann wurden Positron und Elektron vernichtet. Etwas hat überdauert, was sich transformierte, was wir in diesem Kontext “Materie”* nennen wollen. Was verschwunden ist, sind die beiden “substantiellen Formen”: das, was das Positron zum Positron und das Elektron zum Elektron machte (die reale Entsprechung der Allgemeinbegriffe “Positron”, “Elektron”). Die unsterbliche Seele wäre in diesem Sinne die “substantielle Form” des Menschen; sie ist zumindest frei vom ewigen Wandel, wenn sie auch losgelöst von “Materie” existieren kann.
Diese Immaterialität der Seele lässt sich dadurch erkennen, dass der menschliche Intellekt “Formen” rein (d. h. in allgemeingültiger und eindeutig bestimmter Weise) “aufnehmen” kann. Eine “Form” ist präsent ohne dass sie durch ein konkretes Einzelding instantiiert werden muss.
Wenn wir an eine Kugel denken, dann ist uns das Konzept einer Kugel präsent; während materiell eine Kugel nur instantiiert als konkretes Objekt (z. B. eine bestimmte Bowlingkugel) und mit gewissen Mängeln vorkommen kann. Kein materielles Objekt ist dazu fähig “Formen” rein zu repräsentieren.
Ich skizziere das hier nur extrem verkürzt. Die Behandlung der beiden Gegenargumente, die einem sofort in den Sinn kommen, nämlich
- dass nur weil die Seele immaterielles enthalten kann, sie selbst nicht unbedingt immateriell sein muss
- dass man hier mit der Bowlingkugel nur ein sehr simples Beispiel gewählt hat, aber nicht mal annähernd einen wirklichen Beweis. Und dass durchaus eindeutig materielle Dinge “Formen” rein repräsentieren können (z. B. mit einem 3D-Programm ein Computer das Konzept der Kugel realisiert)
bräuchte deutlich mehr Text. Es geht ja hier nur darum, was die Seele sein soll.
Auch wenn die Seele den höchsten Teil des Menschen darstellt, sehe ich im Gegensatz zu Spice keinen Grund, warum das Gedächtnis ein immaterieller Aspekt sein sollte. Ich kenne jedenfalls kein Argument dafür.
Thaddaeus hat geschrieben: ↑So 1. Dez 2019, 01:46
Ja ja, aber das ist doch alles ein bisschen shi shi und sha sha und hier und da und überhaupt.
Was passt dir denn genau an dem Gegenargument zu “Seelen-Schubs-Verursachung verletzt Energiesatz” nicht?
Aber ganz am Ende kommt unweigerlich die Frage: ist die Seele nun physikalisch oder mythisch zu verstehen?
Sie ist immateriell und mythisch zu verstehen.
Und jeder, der die Seele physikalisch versteht als etwas, das sehen und hören und wandern kann ist Materialist. Das ist die Tatsache, die niemand sehen will.
Im Zweifel nehme ich da immer an, dass das nur eine poetische Ausdrucksweise ist. Außer es geht explizit anderes hervor, wie bei closs und seinem “Gott ist wahr”.
Und versteht man sie symbolisch: als die Seele, die symbolisch wandert, um sich zu vervollständigen, dann begreift man sie wirklich. Was hieran ist so schwierig zu verstehen?
Schwierig zu verstehen ist, was die Seele dann noch in Religionen verloren hat. Oder was für eine Art Religion noch möglich wäre. Und das assoziiert man doch mit dem Wort “Seele”.
Wenn man dieses spirituelle Minimal-Fundament auflöst, d. h. meint, dass es entweder keine immaterielle Seele gibt oder kein Göttliches**, dann mag vielleicht noch ein verwirrter Intellektueller wie Drewermann von der Berechtigung “der Religion” daherreden, aber er betreibt im Grunde nur ein Spiel mit Worten.
Eugen Drewermann hat geschrieben:Die Naturwissenschaften erklären die Fragen nach dem Warum im Sinne der Kausalursachen. Religion sollte herausfinden, was es bedeutet, dass wir Menschen sind.
Wer Religion so umdefiniert, der hat’s aufgegeben. Ich finde das einfach nur lächerlich. Mal Klartext gesprochen, können Philosophie, Psychologie und die Künste problemlos die Aufgabe “herauszufinden, was es bedeutet, dass wir Menschen sind” übernehmen.
Natürlich ist die Seele auch ein Begriff aus mythischen Traditionen. D. h. dass er dazu verwendet wird um in Mythen Gefühle und Sinngehalte zu transportieren, was ein sehr wichtiger Aspekt ist. Aber ohne wenigstens offen zu sein, dass es die Seele auch im spirituell-metaphysischen Sinne gibt, ist sie nichts weiter als ein Symbol. Ein Symbol, das im Rahmen eines naturalistischen Weltbild das meiste an Kraft eingebüßt haben dürfte.
* auch wenn es sich um eine “abstrakte Materie” handelt. Ein Photon würde auch wieder aus “substanzieller Form” und “Materie” bestehen obwohl es nicht materiell im herkömmlichen Sinne ist, da die Zusammensetzung normaler makroskopische Objekte natürlich keine Photonen enthält
** damit das passt, lege ich die Begriffe sehr weit aus. Für den Buddhismus, der radikal von den üblichen Religionen abweicht, würde ich z.B. sagen, dass deren Geistesstrom citta-santāna eine Art “Seele” darstellt und ihr Gesetz des Karma “das Göttliche”.