Geboren um zu sterben...

SilverBullet
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#21 Re: Geboren um zu sterben...

Beitrag von SilverBullet » Mo 7. Dez 2020, 10:14

SamuelB hat geschrieben:Der Gedanke, dass dieses Kind irgendwann ja mal sterben wird, hat mich nach der Geburt in eine heftige Depression gestürzt. Anstatt mich mit dem neuen Leben zu beschäftigen und mich zu freuen, habe ich mich leidenschaftlich, über Monate, mit dem Tod befasst. Plötzlich habe ich keinen Sinn mehr in irgendwas erkennen können.
Das hört sich dramatisch an und ich hoffe, dass du etwas Unterstützung erhalten hast, wobei natürlich klar ist, dass die eigentliche Kraft, der Lebenswille, letztlich wieder aus dir selbst kommen muss.

Da es in deiner Antwort auch um Geschichten und Mythen geht, könnte ich mir vorstellen, dass du genau darin einen Halt gefunden hast.
Nicht in der Form, dass du die Erzählungen 1:1 für "so tatsächlich gewesen" hältst, sondern, dass das Zustandekommen der Geschichten die eigentliche Bedeutung enthält.
Du schreibst es ja auch explizit, dass du die Erfahrung von Menschen entdeckst, die Ähnliches vor sich hatten.

Das hört sich eigentlich ziemlich gut an - nö, es ist sogar sehr gut.

Im Grunde bin ich in einer ähnlichen Sinnlosigkeits-Situation. "Geist" ist für mich ein inhaltsleeres Wort und ich sehe mich selbst "nur" als Körper, wodurch im Grunde sogar dieser gesamte Erfahrungsschatz anderer Menschen wegfällt - die Märchen, die Mythen, die Religionen sind hübsch, aber treffen nicht "meinen Kern" und sie können ihn nicht treffen.
Ich stehe quasi mit leeren Händen da und in einem anderen Thread habe ich meinen Umgang damit, etwas skizziert:
da ich mich selbst als Reaktion verstehe, ordne ich die Beschäftigung mit meiner bzw. der Endlichkeit als unnötig ein. Ich würde meine Reaktionsfähigkeit, also mein eigentliches Wesen, regelrecht blockieren, wenn ich alles unter dem Gesichtspunkt des Nicht-Reagierens verwalten würde. Ich vermute mal, dass dies ein wenig in deiner Niedergeschlagenheit der Fall war.
Für mich habe ich demnach keine Antwort auf die Sinnfrage gefunden, sondern nur eine Haltung, sodass die Funktion der Reaktion aufrecht gehalten wird.

Wenn ich deinem Beispiel folge und den Thread "Geboren um zu sterben" unter dem Gesichtspunkt der Sinnfrage angehe, dann fällt mir dazu etwas in der realen Welt ein, also fern von Erzählungen, Mythen, Religionen:
die Bildung des Universums, des Lebens, der Evolution und letztlich auch unser tägliches Lernen, ist insgesamt ein eigenartiger Vorgang.
Gläubige formen daraus ein Argument und werfen Nicht-Gläubigen vor, sie würden nur auf Zufall setzen (und ein "Gott" als Schöpfer, samt "Geist" sei hier doch viel besser) - du kennst das bestimmt.
"Zufall" ist kein gutes Wort, denn es suggeriert so ein wenig, dass aus dem Nichts etwas "aufploppt" - "zack ist es da" - und es soll einfach "immer das Richtige" da sein.

Ich habe da einen anderen Ansatz (klar, was sonst :-)):
Materie ist kein statisches Gebilde, sondern dynamisch, es ist eher Ablauf/Reaktion. In unserem Verständnis bräuchte es hierzu eine "Substanz", aber je weiter wir im Detail erforschen, desto mehr löst sich der Substanzbegriff auf und irgendwie geht es nur noch um "Energiefluktuationen".

Idee:
Was, wenn in der Materie selbst ("Energiefluktuation"), also in der Realität ein grundsätzliches Bestreben vorhanden ist, Reaktions-Möglichkeiten auszufüllen?
Stell dir das mal vor, in der Wirklichkeit könnte es eine Grundlage geben, neue Reaktionsausprägungen zu finden.

Was bedeutet es nun, dass du als Mutter, neues Leben auf die Welt, in die Realität, bringst?
=> Du startest damit das Ausfüllen eines Wirklichkeitsbereiches. Deine Kinder stellen neue Reaktionen dar.
Die Wirklichkeit verändert und entwickelt sich - du bist der Knotenpunkt dafür.
Wir als Menschen haben alle die Aufgabe zu reagieren, uns darin zu entwickeln, aber du als Frau und Mutter hast sogar für einen Fortbestand gesorgt.

=> auf dieser Basis erfüllen wir alle (allein durch das Leben selbst) einen Sinn, aber der Sinn, den du erreicht hast, ist grandios.

Anthros

#22 Re: Geboren um zu sterben...

Beitrag von Anthros » Mo 7. Dez 2020, 11:19

SilverBullet hat geschrieben:
Mo 7. Dez 2020, 10:14
Was, wenn in der Materie selbst ("Energiefluktuation"), also in der Realität ein grundsätzliches Bestreben vorhanden ist, Reaktions-Möglichkeiten auszufüllen?
Stellt man sich einen Erdklumpen vor, so wird er aus sich nichts entstehen lassen können. Materie ist für sich allein genommen tod.

 
SilverBullet hat geschrieben:
Mo 7. Dez 2020, 10:14
Was bedeutet es nun, dass du als Mutter, neues Leben auf die Welt, in die Realität, bringst?
=> Du startest damit das Ausfüllen eines Wirklichkeitsbereiches. Deine Kinder stellen neue Reaktionen dar.
Die Wirklichkeit verändert und entwickelt sich - du bist der Knotenpunkt dafür.
Wir als Menschen haben alle die Aufgabe zu reagieren, uns darin zu entwickeln, aber du als Frau und Mutter hast sogar für einen Fortbestand gesorgt.
Schrecklich solche Vorstellungen. Sie alle versuchen einen Sinn in der bloßen Generationenfolge zu sehen und "Wirkung" wird wie bei anderen die "Erlösung" zu einem Hilfskonstrukt, nicht aber darin, das Individuum zu fördern. Die Furcht einer Mutter, ihrem Kind Leiden durch Geburt zur Welt zu verursachen und dass es eines Tages sterben würde, kann ihr zur Herausforderung werden, solches und den bloßen Generationenkult zu überwinden und den Menschen mit seinem Leben und Tod übergeordnet zu betrachten.

SilverBullet
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#23 Re: Geboren um zu sterben...

Beitrag von SilverBullet » Mo 7. Dez 2020, 12:15

Anthros hat geschrieben:Schrecklich solche Vorstellungen.
Nun, zumindest möchte ich "SamuelB" gegenüber keine schreckliche Position einnehmen - nichts liegt mir ferner.
Sollte mir das nicht gelungen sein, tut es mir sehr leid.
Mit meiner Ansicht "nur" Körper zu sein, bin ich gegenüber dem "Farbenreichtum von Religionen" sicherlich sehr reduziert in meinen Möglichkeiten und vielleicht wirkt dies dann "schrecklich" (zumindest war es wohl bei dir so).

Anthros hat geschrieben:Materie ist für sich allein genommen tod.
Wir müssen das nicht weiter vertiefen, ich sehe jedenfalls eine enorme Dynamik in Materie und an "Existenz" kommen wir letztlich nur über Wechselwirkung heran, wodurch ein gutes Stück an Einblick fehlt. Die Ansicht "Materie ist tot" darfst du gerne haben, aber ob das sinnvoll ist, ist nicht geklärt.
Hier ein Link, der dir aus philosophischer Richtung einige Andeutungen vermitteln könnte.

Anthros hat geschrieben:Sie alle versuchen einen Sinn in der bloßen Generationenfolge zu sehen und "Wirkung" wird wie bei anderen die "Erlösung" zu einem Hilfskonstrukt, nicht aber darin, das Individuum zu fördern.
Klar, auf "Reinkarnation" kann ich es nicht abgesehen haben, da ich ja weder weiss, was "Seele" noch was "Geist" sein soll.

Anthros hat geschrieben:Die Furcht einer Mutter, ihrem Kind Leiden durch Geburt zur Welt zu verursachen und dass es eines Tages sterben würde, kann ihr zur Herausforderung werden, solches und den bloßen Generationenkult zu überwinden und den Menschen mit seinem Leben und Tod übergeordnet zu betrachten.
Bestimmt ist das so, aber ginge es dann nicht vielmehr nur um einen Ausweg aus der Fragestellung, als um das Vorfinden eines wirklichen Sinn-Zusammenhanges, also einer wirklichen Antwort?

Maryam
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#24 Re: Geboren um zu sterben...

Beitrag von Maryam » Do 10. Dez 2020, 01:21

M.N. hat geschrieben:
So 6. Dez 2020, 02:18

„Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.“

Zitat: Bibel, Mose 1. Mose 1,31

Also dass Gott Mensch, Tier und Pflanzenwelt mit Samen ausgestattet hat finde ich genial. Auch die Bewässerungstechnik ist " wohldurchdacht" und die Jahreszeitenwechsel faszinieren mich immer wieder aufs Neue...
M.N hat geschrieben: Ja, Ja, der Tod und Leid kam laut der Bibel angeblich vom Sündenfall.
Glaubt Ihr dass?

Die biblische Geschichte von Adam und Eva -die ja nur vom Baum der Erkenntnis von gut und böse assen- als folgenschweren "Sündenfall" zu bezeichnen wodurch die gesamte Menschheit mit Sünde behaftet geboren worde sei, also angeblich Wurzel allen Übels um den Erdball, war meines Erachtens rein zur kirchenseitigen Gewinnoptimierung so den Gläubigen indoktrinirrt worden.(Ablassbriefe )

Dass man in evangelikalen Kreisen noch immer am antichristlichen Erbsündendogma festhält, ist mir ein Rätsel wie auch an Trinität und Sühneopfertoddogma.

Leid sehe ich als Folge der dem unsichtbaren Schöpfer ins Handwerk pfuschenden unsichtbaren zerstörerischen Macht.

Leid gründet oft auf negativen Gedanken, Erfahrungen, Mangel an Zuwendungen/Wertschätzung, als auch seelischen und oder körperlichen Verletzungen...mitunter Wechsel von Opfer- zu Täterrolle. Psychosomatische Leiden fussen ja auf falsche Lebenseinstellungen, krankmachenden Gedanken.

Geboren werden und sterben -bezogen auf den Körper- ist doch eine Selbstverständlichkeit. Insbesondere die Organe zeigen mitunter, mehr oder weniger auf, worin die Beziehung zu Gott noch gestört ist, Wer kennt nicht Ausdrücke wie bei langandauerndem Hass,Wut, dass einem die Galle hochgekommen sei. Oder starke Rückenschmerzen, ohne Überbeanspruchung sondern weil man extrem nachtragend, unversöhnlich bleibt.
M.N hat geschrieben:
Sollte es einen Gott geben, findet Ihr dass Gott diese Welt wirklich sehr gut gemacht hat? Oder vollkommen versagt hat?

Die weisheitsvolle, schöpferische Macht, die alles so wunderbar erschaffen hat, auch unseren Verdauungsapparat (was mich auch immer wieder fasziniert) hat alles tip top in die Wege geleitet. Gut erdacht und gemacht, finde ich.

Lg Maryam
God is good, Devil is evil

Doch es gibt ja nicht nur die gute Macht, sondern auch die Böse. Jakobus nannte das durch Jesus verbreitete Gottverständnis Vater des Lichts von dem alle guten Gaben kommen.Das Gegenteil davon ist demzufolge der Vater der Finsternis der nur Böses im Sinn hat, gegen das Gute kämpft.

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