Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

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sven23
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#21 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von sven23 » Fr 10. Apr 2020, 17:21

Ruth hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 13:34
Wie es auch dir bekannt sein sollte, ist die Bibel eine Zusammenstellung verschiedenster Berichte von den unterschiedlichsten Autoren, aus unterschiedlichen Gegenden.
Da rennst du bei mir offene Türen ein. Das betone ich doch schon seit ewigen Zeiten. Die Kanonisierung der Bibel war der untaugliche Versuch, etwas zusammen zu zwängen, was nicht zusammen gehört. Die Ergebnisse sind entsprechend.


Ruth hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 13:34
Jeder hat so berichtet, wie er die Berichte oder das Geschehen selbst wahrgenommen hat. Woher die Einzelnen ihre Vorlage hatten, ist dabei nur unzureichend bekannt. Sie schrieben nieder, was für sie Bedeutung hatte, und wie diese Bedeutung auf sie selbst wirkte.
Alle Schreiber waren keine Augen- und Ohrenzeugen, also keine Begleiter von Jesus. Alles basiert auf mündlicher Überlieferung, Hörensagen und Legendenbildung a la stiller Post, meist Jahrzente nach dem Tod des Wanderpredigers aufgeschrieben. Was dabei rauskommen kann, ist hinlänglich bekannt.


Ruth hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 13:34
Und das mit der Erde, woraus manche Leser interpretieren, dass sie als Scheibe verstanden wurde, ist auch nur Interpretation von Lesern, Jahrhunderte nachdem diese Worte aufgeschrieben wurden.  Die Schreiber der Palmsonntag-Geschichte haben ganz sicher mit dieser Aussage rein überhaupt nichts zu tun.
Das war ja nur ein Vergleich, um deutlich zu machen, dass mehrere Schreiber nicht weniger glaubwürdig sind als ein einzelner. Warum hat man denn die 56 anderen Evangelien über Bord geworfen?
 
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sven23
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#22 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von sven23 » Fr 10. Apr 2020, 17:27

Helmuth hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 13:01
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 10:58
Ganz so einfach ist es nicht. Wir wissen nicht, on Jesus, wie in den Evangelien geschildert, eingezogen ist, wir wissen aber auch nicht, mit welcher Absicht dies geschah, wenn geschehen. Auch wissen wir nicht, ob es ein Tatsachenbericht ist.
Sag, welcher Glauben ist das um Atheisten eine solch nebulose Antwort zu geben? Was gäbe es daran nichts zu wissen? Wenn man das nicht weiß, dann weiß man auch nicht, ob es sich tatsächlich um Jesus von Nazareth gehandelt hatte, den man ca. eine Woche danach für die Sünde der Welt gekreuzigt hatte.
Der angebliche Sühnetod ist eine posthume Erfindung eines gewissen Paulus. Insofern bist du Anhänger des Paulinismus.

Helmuth hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 13:01
Also ehrlich, welcher Glaube soll das sein?
Ein Glaube, der ehrlicher ist als einer, der vorgibt, alles zu wissen.

Helmuth hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 13:01
Selbstverständlich ist Jesus in Jerusalem eingezogen, selbstverständlich erfüllte er damit die Prohpezeiung Sacharjas, selbstverständlich war es auch ein prophetisches Zeichen, wie er eines Tages als großer König der Sadt Jerusalem mit den Heiligen dort einmarschieren wird und diese Welt dann richten wird. Zuvor richtete die Welt ihn, dann dreht Gott den Spieß um.
Da solltest du dich mal mit den Forschungsergebnissen vertraut machen. Selbstverständlich ist daran so gut wie gar nichts.
Das einzige, was wir so gut wie sicher wissen, ist, dass Jesus geboren wurde und hingerichtet wurde. Dazwischen findet viel posthume Legendenbildung statt.
 
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#23 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von sven23 » Fr 10. Apr 2020, 20:26

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 10:58
sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 08:19
Der "trimphale" Einzug in Jerusalem ist sicher allein dieser alten Prophezeiung geschuldet, um den Messiasanspruch zu legitimieren.
Dieses Vorgehen der Schreiber zieht sich wie ein roter Faden durch die Evangelien.
Deshalb ist die Erkenntnis der Forschung so wichtig: die Textgattung "Evangelium" wurde nicht erfunden, um historische Tatsachenberichte zu verfassen, sondern Glaubensschriften, manche sagen sogar Glaubenspropagandaschriften.

Ganz so einfach ist es nicht. Wir wissen nicht, on Jesus, wie in den Evangelien geschildert, eingezogen ist, wir wissen aber auch nicht, mit welcher Absicht dies geschah, wenn geschehen.
Die Absicht der Schreiber ist eindeutig. Sie brauchten eine Legitimation für einen messianischen Jesus, und die bestand in der nachträglichen Erfüllung einer alten Prophetie.


AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 10:58
Auch wissen wir nicht, ob es ein Tatsachenbericht ist. Was man aber weiß, ist, dass Handlungen, die in den Evangelien geschildert werden, sehr nahe an der Realität der damaligen Zeit waren, z.B. das Verhör Jesu und die Überlieferung an Pilatus, entsprach zu 100% dem damaligen Rechtssystem.
Nicht ganz. Die Hinrichtung am Kreuz spricht für eine Verurteilung durch die Römer, denn ihnen oblag als Besatzungsmacht die Gerichtsbarkeit. Ein Anhörung von dem Synhedrium entsprach nicht den Gepflogenheiten, ganz zu schweigen von Widersprüchen über Ort und Zeitpunkt des Verhörs.
Auch ist ein Verhör durch Pilatus persönlich eher unwahrscheinlich. Er hat in seiner Amtszeit Tausende kreuzigen lassen. Warum sollte er sich mit einem unbekannten Wanderprediger aus eine unbedeutenden Provinz abgeben? Die persönliche Audienz bei Pilatus ist wohl eher aus dramaturgischen Gründen hinzugefügt worden. Auch, um die Schuld in Richtung der Juden abzuwälzen.

Doch nur Markus und Matthäus legen überhaupt einen Prozess nahe, bei Lukas und
Johannes wird eher nur ein Verhör vor dem Hohen Rat geschildert, bei Johannes zudem
nur ein Verhör im Privathaus des Hohepriesters. Bei Lukas findet die
Synhedriumssitzung am Morgen statt, bei Johannes das Verhör vor dem HohepriesterKaiphas nachts.
Die Verwirrung ist komplett. So sicher es auch ist, dass Jesus unter Pontius Pilatus am
Kreuz starb, so nebulös und widersprüchlich sind die Berichte der Evangelisten darüber.
Als sie schriftlich fixiert wurden, hatten die Erzählungen zu Jesu Passion offenbar schon
eine lange und intensive mündliche Tradition mit mehreren Traditionssträngen und
ausgeschmückt mit viel alttestamentlichem Gut hinter sich. Die Evangelisten selbst
haben dann noch ihren Teil beigetragen, mit dem frustrierenden Ergebnis, dass man
heute über das bloße Dass des Todes Jesu hinaus fast nichts Sicheres mehr zu den
Umständen sagen kann. Bis zur historischen Unkenntlichkeit sind gerade die
Passionsgeschichten immer wieder umgebaut worden, ....

Kubitza, Der Jesuswahn

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 10:58
Ich würde es dabei belassen: eine Glaubensschrift, aber eine sehr schöne Schrift, literarisch von hoher Qualität,
Aber nicht vergleichbar mit antiker Hochliteratur. Man ordnet die biblischen Schriften eher religiöser Kleinliteratur zu.
 
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#24 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von AlTheKingBundy » Fr 10. Apr 2020, 20:56

sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
Die Absicht der Schreiber ist eindeutig. Sie brauchten eine Legitimation für einen messianischen Jesus, und die bestand in der nachträglichen Erfüllung einer alten Prophetie.

Möglich. Aber merkst Du, dass Du nun eine Vermutung zu Wissen machst? Du gebrauchst nicht einmal den Konjunktiv.

sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 10:58
Auch wissen wir nicht, ob es ein Tatsachenbericht ist. Was man aber weiß, ist, dass Handlungen, die in den Evangelien geschildert werden, sehr nahe an der Realität der damaligen Zeit waren, z.B. das Verhör Jesu und die Überlieferung an Pilatus, entsprach zu 100% dem damaligen Rechtssystem.
Nicht ganz. Die Hinrichtung am Kreuz spricht für eine Verurteilung durch die Römer, denn ihnen oblag als Besatzungsmacht die Gerichtsbarkeit.

Das meinte ich doch.

sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
Auch ist ein Verhör durch Pilatus persönlich eher unwahrscheinlich.

Nicht unbedingt. Rechtsprechung wurde sehr wohl der jüdischen Führungsschicht überlassen, nur nicht Todesurteile. Die Römer waren interessiert an einem Funktionieren in ihrem Sinne, deswegen gab es eine enge Zusammenarbeit mit der jüdischen Elite und Zugeständnisse. Der hohe Rat hätte niemals Jesus aburteilen und töten dürfen. Todesurteile vielen schon in den primären Kompetenzbereich von Pilatus.

sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
Die persönliche Audienz bei Pilatus ist wohl eher aus dramaturgischen Gründen hinzugefügt worden. Auch, um die Schuld in Richtung der Juden abzuwälzen.

Dann wäre eine direkte Exekution durch die Juden wirksamer gewesen. nein, es entspricht den damaligen Verhältnissen, meine Einschätzung: mit großer Wahrscheinlichkeit authentisch.

sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
...
Kubitza, Der Jesuswahn

Ich hoffe, das ist nicht Deine einzige Bezugsquelle biblischer Interpretation.

sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 10:58
Ich würde es dabei belassen: eine Glaubensschrift, aber eine sehr schöne Schrift, literarisch von hoher Qualität,
Aber nicht vergleichbar mit antiker Hochliteratur. Man ordnet die biblischen Schriften eher religiöser Kleinliteratur zu.

Das sehe ich anders (und nicht nur ich z.B. auch nicht-religiös.fanatische Bibelforscher)
Beste Grüße, Al

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#25 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von sven23 » Sa 11. Apr 2020, 07:43

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:56
sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
Die Absicht der Schreiber ist eindeutig. Sie brauchten eine Legitimation für einen messianischen Jesus, und die bestand in der nachträglichen Erfüllung einer alten Prophetie.

Möglich. Aber merkst Du, dass Du nun eine Vermutung zu Wissen machst? Du gebrauchst nicht einmal den Konjunktiv.
Im Grunde steht das gesamte NT unter einem Konjunktiv, außer Geburt und Tod.
Wie Gerd Theißen betont, kann Wissenschaft hier nicht einfach sagen: so war es, sondern so könnte es (auf Basis der Quellen) gewesen sein.
Das muss man sich immer vor Augen halten, insofern stimme ich dir hier zu.



AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:56
sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
Auch ist ein Verhör durch Pilatus persönlich eher unwahrscheinlich.

Nicht unbedingt. Rechtsprechung wurde sehr wohl der jüdischen Führungsschicht überlassen, nur nicht Todesurteile. Die Römer waren interessiert an einem Funktionieren in ihrem Sinne, deswegen gab es eine enge Zusammenarbeit mit der jüdischen Elite und Zugeständnisse. Der hohe Rat hätte niemals Jesus aburteilen und töten dürfen. Todesurteile vielen schon in den primären Kompetenzbereich von Pilatus.
Richtig, dafür war Pilatus zuständig. Aber soll man wirklich glauben, dass er die Tausende, die er in seiner Amtszeit hat kreuzigen lassen, alle persönlich gekannt und verhört hat. Mit Aufrührern wurde kurzer Prozess gemacht.
Auch gilt die Traumsequenz seiner Frau als nachtägliche literarische Ausschmückung. Das hat die Kirche aber nicht davon abgehalten, sie als Christin und Heilige zu verehren. (Auch mit späteren Fälschungen)


AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:56
sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
...
Kubitza, Der Jesuswahn
Ich hoffe, das ist nicht Deine einzige Bezugsquelle biblischer Interpretation.
Natürlich nicht, aber er faßt die Forschungsergebnisse wunderbar komprimiert zusammen.
Im Zitat zeigt er ja nur die Widersprüche in den Berichten auf, die ja nun mal vorhanden sind.


AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:56
sven23 hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 20:26
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Fr 10. Apr 2020, 10:58
Ich würde es dabei belassen: eine Glaubensschrift, aber eine sehr schöne Schrift, literarisch von hoher Qualität,
Aber nicht vergleichbar mit antiker Hochliteratur. Man ordnet die biblischen Schriften eher religiöser Kleinliteratur zu.

Das sehe ich anders (und nicht nur ich z.B. auch nicht-religiös.fanatische Bibelforscher)
Das darfst du auch. Aber du meinst es wahrscheinlich eher inhaltlich als formal.
Z. B. soll das Markusevangelium ja in einem sehr holprigen Griechisch verfaßt worden sein. Zudem wird hier ein etwas spröder Jesus präsentiert, der noch nicht völlig von Legenden und Mythen übermalt ist. Vermutlich ist es auch deshalb in der Kirche das am wenigsten beliebte Evangelium.
 
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#26 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von AlTheKingBundy » Sa 11. Apr 2020, 07:52

sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:43
Richtig, dafür war Pilatus zuständig. Aber soll man wirklich glauben, dass er die Tausende, die er in seiner Amtszeit hat kreuzigen lassen, alle persönlich gekannt und verhört hat. Mit Aufrührern wurde kurzer Prozess gemacht.

Mit Sicherheit hat sich Pilatus nicht um jeden Fall persönlich gekümmert, der später am Kreuz hing. Aber hier war es etwas anderes. Vertreter des hohen Rates haben sich persönlich an ihn gewandt. Wenn man denn Markus glauben will, dann ist das "Verhör" vor Teilen des hohen Rats und die Pilatusprozess glaubwürdig.

sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:43
Auch gilt die Traumsequenz seiner Frau als nachtägliche literarische Ausschmückung. Das hat die Kirche aber nicht davon abgehalten, sie als Christin und Heilige zu verehren. (Auch mit späteren Fälschungen)

Das ist natürlich Kirchenquark.

sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:43
Das darfst du auch. Aber du meinst es wahrscheinlich eher inhaltlich als formal.
Z. B. soll das Markusevangelium ja in einem sehr holprigen Griechisch verfaßt worden sein. Zudem wird hier ein etwas spröder Jesus präsentiert, der noch nicht völlig von Legenden und Mythen übermalt ist. Vermutlich ist es auch deshalb in der Kirche das am wenigsten beliebte Evangelium.

Mag sein. Ich bin beinahe betrübt darüber, dass nur Abschriften von Abschriften von Abschriften bekannt sind.
Beste Grüße, Al

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#27 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von sven23 » Sa 11. Apr 2020, 09:29

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:52
sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:43
Richtig, dafür war Pilatus zuständig. Aber soll man wirklich glauben, dass er die Tausende, die er in seiner Amtszeit hat kreuzigen lassen, alle persönlich gekannt und verhört hat. Mit Aufrührern wurde kurzer Prozess gemacht.

Mit Sicherheit hat sich Pilatus nicht um jeden Fall persönlich gekümmert, der später am Kreuz hing. Aber hier war es etwas anderes. Vertreter des hohen Rates haben sich persönlich an ihn gewandt. Wenn man denn Markus glauben will, dann ist das "Verhör" vor Teilen des hohen Rats und die Pilatusprozess glaubwürdig.
Mag ja sein, dass Jesus sich vor weltlichen Autoritäten (verteten durch Pilatus) und religiösen (vertreten durch Kaiphas) verantworten mußte. Den Römern war es sicher egal, ob Aufruhr aus politischen oder religiösen Gründen entstand. Aufruhr bleibt Aufruhr und muss im Keim erstickt werden, das war die Doktrin des Pilatus.
Seltsam ist nur, dass Lukas und Johannes den Prozess vor Pilatus nicht erwähnen.
 
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:52
sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:43
Auch gilt die Traumsequenz seiner Frau als nachtägliche literarische Ausschmückung. Das hat die Kirche aber nicht davon abgehalten, sie als Christin und Heilige zu verehren. (Auch mit späteren Fälschungen)

Das ist natürlich Kirchenquark.
Aber ein Quark, den die NT-Schreiber angerührt haben.
In der Forschung gilt die Traumsequenz als unhistorisch, als eine spätere christliche Einfügung.
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:52
sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:43
Das darfst du auch. Aber du meinst es wahrscheinlich eher inhaltlich als formal.
Z. B. soll das Markusevangelium ja in einem sehr holprigen Griechisch verfaßt worden sein. Zudem wird hier ein etwas spröder Jesus präsentiert, der noch nicht völlig von Legenden und Mythen übermalt ist. Vermutlich ist es auch deshalb in der Kirche das am wenigsten beliebte Evangelium.

Mag sein. Ich bin beinahe betrübt darüber, dass nur Abschriften von Abschriften von Abschriften bekannt sind.
Es ist schon merkwürdig, dass der Codex Sinaiticus erst aus dem 4. Jahrhundert stammt. Wo sind alle Originale und Abschriften verblieben?
Gab es ein Interesse daran, diese verschwinden zu lassen?
 
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#28 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von AlTheKingBundy » Sa 11. Apr 2020, 09:54

sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 09:29
Den Römern war es sicher egal, ob Aufruhr aus politischen oder religiösen Gründen entstand. Aufruhr bleibt Aufruhr und muss im Keim erstickt werden, das war die Doktrin des Pilatus.

Als Pilatus merkte, dass ein Aufruhr entstand, entschied er sich ja auch für die Kreuzigung. Lieber einer mehr, als einer zu wenig.

sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 09:29
Seltsam ist nur, dass Lukas und Johannes den Prozess vor Pilatus nicht erwähnen.

Lukas, aber sicher doch, wenn auch nicht in derselben Form wie Markus.

sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 09:29
Aber ein Quark, den die NT-Schreiber angerührt haben.
In der Forschung gilt die Traumsequenz als unhistorisch, als eine spätere christliche Einfügung.

Möglich, wahrscheinlich auf Grundlage späteren Judenhasses. Man wollte Pilatus irgendwie freisprechen und den Juden die Schuld anhängen. Schon kurios, weil "die Juden", welche etwas gegen Jesus hatten, war ja nur die Oberschicht, die breite (arme) Masse der Juden folgte ihm ja.

sven23 hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 09:29
AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 07:52
Mag sein. Ich bin beinahe betrübt darüber, dass nur Abschriften von Abschriften von Abschriften bekannt sind.
Es ist schon merkwürdig, dass der Codex Sinaiticus erst aus dem 4. Jahrhundert stammt. Wo sind alle Originale und Abschriften verblieben?
Gab es ein Interesse daran, diese verschwinden zu lassen?

Wahrscheinlich. Es existieren viel ältere Textfunde des AT, lange bevor das NT geschrieben wurde. Schade, schade. Vielleicht gab es NT-Schriften auf aramäisch. Ich hoffe, irgendwann wird irgendwo mal eine sehr altes Evangelium entdeckt.
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#29 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von sven23 » So 12. Apr 2020, 09:06

AlTheKingBundy hat geschrieben:
Sa 11. Apr 2020, 09:54
Möglich, wahrscheinlich auf Grundlage späteren Judenhasses. Man wollte Pilatus irgendwie freisprechen und den Juden die Schuld anhängen. Schon kurios, weil "die Juden", welche etwas gegen Jesus hatten, war ja nur die Oberschicht, die breite (arme) Masse der Juden folgte ihm ja.
Na ja, hier ist wohl auch wieder biblische Übertreibung am Werk. Jesus hatte sicher einige Anhänger in der Provinz, in der er umherzog. In Jerusalem war er sicher ein Nobody, ein unbekannter Hinterwäldler aus einer unbedeutenden Provinz.
Richtig ist wohl, dass er seine Anhänger unter Randgruppen und den Unzufriedenen und zu kurz Gekommenen fand, denen er eine besondere Rolle in der neuen Ordnung in Aussicht stellte. (Die letzten werden die ersten sein...)

Ein anderer Punkt ist der von dir angesprochene Judenhass. Der christliche Antijudaismus ist etwas, was ich nie verstanden habe und ich denke, dass die NT-Schreiber hier einen kapitalen Denkfehler haben.
Wenn es wirklich Gottes Wille und Teil des Heilsplans war, dass Jesus den Opfertod sterben sollte, dann muss man den Juden im allgemeinen und Judas im besonderen dankbar sein für die Erfüllung des göttlichen Willens. Eigentlich sollten Christen den Juden ein Denkmal setzten und sie in ihr tägliches Dankgebet einschließen.







 
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#30 Re: Palmsonntag- historisch begründet oder fromme Legende?

Beitrag von AlTheKingBundy » So 12. Apr 2020, 09:13

sven23 hat geschrieben:
So 12. Apr 2020, 09:06
Wenn es wirklich Gottes Wille und Teil des Heilsplans war, dass Jesus den Opfertod sterben sollte, dann muss man den Juden im allgemeinen und Judas im besonderen dankbar sein für die Erfüllung des göttlichen Willens. Eigentlich sollten Christen den Juden ein Denkmal setzten und sie in ihr tägliches Dankgebet einschließen.

So ist es, ich ärgere Dich mal mit einem Amen. :D
Beste Grüße, Al

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