Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#1 Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von Naqual » So 11. Aug 2013, 11:51

“Liebet Gott über alles!” ist eine Aufforderung von Jesus, die zentral für ihn war. Die Aufforderung ist so selbstverständlich, dass wir uns überhaupt keine Gedanken darüber machen. Der Boss will über alles geliebt werden. Und als seine Untertanen tun wir sicher gut daran, ihn zu lieben.
Wir sollten jetzt aber eine ketzerische Frage stellen: Wie müsste Gott sein, dass dies kein Problem für uns ist, ihn über alles zu lieben? Irgendwie scheint uns das ja manchmal nicht so recht zu gelingen.
Schauen wir uns die Gottes-Vorstellung, die die Kirchen im christlichen Abendland vermitteln. Für meinen Eindruck wird da Gott nämlich nicht so beschrieben, dass man ihn sofort total ins Herz schließen könnte:

Wir sollen einen Gott lieben, der von gegenwärtig 9 Mrd. Menschen 7 Milliarden in eine qualvolle ewige Verdammnis schicken würde, weil sie nicht an Jesus Christus glauben. Von vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden in der Menschheitsgeschichte ganz zu schweigen. Da sind die meisten Funktionäre in politischen Parteien durchaus ein wenig großzügiger im Umgang mit der politischen Konkurrenz.

Wir sollen einen Gott lieben, der von uns verlangt, an eine historische Ereignissabfolge zu glauben (die historische Person Jesu, sein Tod und Auferstehung, seinen stellv. Opfertod für die Sünden), die 2000 Jahre zurückliegt, im märchenbewanderten Orient über Jahrhunderte weitererzählt wurde, obwohl wir schon im Alltag belogen werden bei Sachen die Tage zurückliegen?
Diese Lehre beinhaltet jedoch zusätzlich ein bestimmtes Gottesbild. Hier wird ein Gott gelehrt, für den – wie bei einem weltlichen Fürsten in der Antike – Rache und Strafe für Fehlverhalten obligatorisch ist und den begnadeten Dienern entsprechend gute Entlohnung widerfährt.
Nicht etwa der edle Gedanke gestaltet hier die Gottesvorstellung, sondern teils despotische Fürsten vergangener Zeiten werden nur mit enormer Kraft versehen, um sich einen Gott vorstellen zu können. Ein Gottesbild als Abklatsch ganz irdischer Mächtiger, nur noch mächtiger. Als wenn das dann damit besser würde.

Versuchen wir, uns ein Bild von diesem „Gott” zu machen, der jemanden brutal zu Tode gefoltert wissen will (und sei es eine irdische Inkarnation seiner selbst), um den Delinquenten und Himmelanwärtern deren Fehler verzeihen zu können. Was für ein Gottesbild haben wir, würden wir glauben, dass dieser „Gott“ für einige Jahrzehnte Fehlverhalten (oder gelegentlich liebloses Verhalten) in unserem irdischen Dasein uns mit ewiger Hölle und Qualen straft. Also unvorstellbare Qualen, die Trillionen von Jahren nicht enden werden, nach der kirchlichen Vorstellung sogar nie.
Gleichzeitig fordert dann dieser „Gott“ von uns etwas, das er selbst laut kirchlicher Lehre nicht vermag: wir mögen unseren Nächsten lieben, sogar unsere Feinde. Wir sollen vergeben und nicht vergelten.

Meist unbemerkt im Denken des Christentums wird hier ein diffuses und widersprüchliches Gottesbild gelehrt. So vorgestellt ist „Gott“ jedoch schwer von ganzem Herzen zu lieben.
Einerseits wird er als die selbstlose Liebe dargestellt, der im äußersten Fall sich selbst für die geliebten Menschen opfert. Anderseits wird er als „bedrohlicher Charakter“ dargestellt, der den ultimativen Schrecken mit endloser Qual den Glaubenden vor Augen führt. Obwohl man gerade die Liebe nicht mit Gewalt erzwingen kann, sondern allenfalls äußerliche Anpassung gegen innere Widerstände.

Geht man vom NT aus, so muss man beachten, dass die “ewige Verdammnis” und die Hölle in heutigen Sinne gar nicht vorkommt. Es handelt sich um einen Begriff, der erst viel später in das sich entwickelnde Christentum eingeführt wurde. Im griechischen Text stehen sechs verschiedene Begriffe, die mit einem Wort „Hölle“ übersetzt werden. Petrus spricht in einem seiner Briefe (2. Petr. 2,4) z.B. sogar von „Tartaros“ (wird immer einfach mit Hölle übersetzt). Tartaros ist aber die finsterste und schrecklichste Kammer in den Schattenreichen der griechischen Mythologie. Gestalten wie Tityos, Ixion, die Danaiden, Sisyhpos und Tantalos als Sohn des Zeus wurden hiermit bestraft.
Es gibt nur Sinn, den Begriff hier als bildhaftes Symbol für einen schrecklichen Abgrund zu verstehen, einen Vergleich.
Das Wort “Ewigkeit” ist eine recht freie, dogmatisch geprägte Übersetzung, da im griechischen Urtext allenfalls von “Äon” die Rede ist, also “einem Zeitalter”. Der Begriff sagt NICHTS darüber aus, ob ein Zeitalter ein Ende hat oder unendlich ist. Im antiken Sprachgebrauch wurde er auch für Regierungszeiten von Herrschern verwendet, die gerade mal 6 Jahre dauerten.
Selbst Formulierungen wie „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Äon zu Äon) bedeuten durch die Verdoppelung nicht die zeitliche Unendlichkeit. „Von Äon zu Äon“ kann man sich nur vorstellen, wenn man sich bei dieser Formulierung ein Äon endlich vorstellt.
Sachlich neutral kann man nur feststellen, dass man beide Bedeutungen hineininterpretieren kann. Die Endlichkeit wie die Unendlichkeit. Und kirchliche Dogmatiker nahmen mit aller Selbstverständlichkeit bekanntermaßen die Unendlichkeit.
Übersehen wird dabei folgende Implikation: Ein gerechter und barmherziger Gott würde endliche Sünde mit unendlicher Qual und endlosem Elend beantworten. Es gibt keinen Sinn mehr bei kritischer Betrachtung.

Etwas vereinfacht gesagt antworten die Dogmatiker der offiziellen Seite, dass Gott zwei Seiten hat: er kann ein zürnender Gott sein und ein liebender. Aber eigentlich möchte er uns bei sich haben, und freut sich, wenn wir uns ihm öffnen. Als veranschaulichendes Beispiel dient der menschliche Vater, der seinen Sohn liebt, aber auch sauer auf das gelegentlich missratene Früchtchen sein kann.
Nur: welcher irdischer Vater oder Mutter würde im Garten ein Lagerfeuer anzünden und seine Kinder immer damit bedrohen, bei Missachtung von Anweisungen sie da hineinzuwerfen? Oder dass der Vater erst befriedigt ist und seinen Zorn in den Griff kriegt, wenn der ältere Bruder des Delinquenten verbrannt wird?
Warum nicht die unvorstellbar tiefe Liebe Gottes unkompromittiert belassen: Gott ist ein Gott der Liebe, aber in liebende Verantwortung erzieht er den Menschen zum Guten und das kann Unangenehmes sehr wohl beinhalten. Dann kann aber die Barmherigkeit Gottes nicht aus der Unendlichkeit Gottes genommen werden und zeitlich begrenzt werden.

Unerkannt in der Wahrnehmung der kirchlichen Lehren bleibt auch, dass es sich um eine Art von Unversöhnlichkeitslehre handelt. Wer im Leben versagt hat, hätte nach seinem Tod nie mehr die Chance der Hölle zu entrinnen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Lehre auch Wirkungen auf die Gestaltung unserer westlichen Zivilisation hatte, sogar ganz wesentliche. Wirkungen, in der die Vertreter dieses Gottes (letzterer als Monster strukturiert, aber als Liebe benannt) selbst zu Dämonen wurden, die ihre Lehre eines liebenden Gottes kontrastierten.
Ein heute allgemein anerkannter Fehltritt in der Geschichte der christlichen Kirche(n) war sicher die Inquisition bis hin zu Verbrennungen von vermeintlichen Hexen.
Wir sollten aber nicht einfach kopfschüttelnd auf die Praktiken einer lang vergangen Zeit sehen. Denn in subtilerer Form wirkt dieses Denken heute noch nach.
Im Beispiel der Inquisition müssen wir uns vor Augen halten, dass aus der Sicht der damaligen Akteure ihr Tun ein Akt der Nächstenliebe und Fürsorge im Auftrag ihres Gottes war. Es ist für uns ein schauriges Kapitel, aber diese Leute verbrannten Menschen aus den besten Absichten heraus. Absichten, deren Grundlage in einem bestimmten Gottesverständnis lag, das auch heute noch offiziell gelehrt wird.
Man versetze sich in einen Dominikaner-Mönch der für die Umsetzung der Inquisition verantwortlich war. Ein Mann, der sein Leben Gott geschenkt hat. Oftmals sicherlich auch mit tiefster Hingabe und gewachsener Überzeugung. Für diesen dürfte sich das Ganze so dargestellt haben: Das Schlimmste, was einem Menschen widerfahren kann, ist die ewige Verdammnis mit seinen Leiden. Wenn jemand andere Gläubige vom rechten dogmatischen Weg abbringt, so überstellt er sie diesem ewigen Schmerz. Das gilt es mit allen Mitteln zu verhindern. In unserer heutigen Sprache: die Vermeidung der Hölle ist mehr wert als ein Menschenleben. Und entsprechend handelte unser Priester so makaber wie dies auch ist, absolut rational und nachvollziehbar. Leider - bei aller Tragik hierbei. In der inneren Logik der kirchlichen Gottesvorstellung kann man dies selbst heute nicht entkräften. Dass die Kirchen Aufklärung und Humanismus lange Zeit bekämpft hatten, liegt in solchen archaischen Gottesvorstellungen begründet. Heute sind wir in einer eigenartigen Situation, die humanistischen Werte werden im christlichen Kulturkreis als völlig selbstverständlich christlich gesehen. Die innere Widersprüchlichkeit wird gar nicht mehr erfasst (insbesondere bei biblischen Auslegungen, die Glaubenzeugnisse aus der Antike möglichst wörtlich interpretieren).

Meinem Eindruck nach ist das Christentum auf die Sünde fixiert, nicht auf die Liebe (Gottes), die durch uns zu wirken vermag. Es bringt allerdings wenig sich auf das Falsche übermäßig zu konzentrieren. Ziel ist das Gute. Und dieses kann uns, wenn wir es plastisch vor Augen haben, Kraft geben für unseren eigenen Weg.
Sehen wir es in einer Kategorie der Gott-Mensch-Beziehung: Gott läßt uns die freie Wahl bei ihm zu sein oder nicht. Und wie nah mit allen Konsequenzen. Zu leben oder spirituell tot zu sein (wobei wir Zweiteres mit uns selbst machen, nicht er). Er setzt uns auch nicht zeitlich unter Druck: wir können jederzeit zu ihm und sei es in einem späteren Leben. Gott ist kein Erbsenzähler mit einzelnen schlechten Taten und dogmatisch nicht korrekter Ausrichtung der nach Aufsummierung entsprechend verdammt. Seine Frage wird sein: Was ist Dein Sein (als Totalität von Gefühlen, Denken, Wollen und Handeln, usw.). Bist Du ein Wesen der Liebe wie ich auch? Schön, dass Du bei mir bist. Und wenn nicht: wenn Du willst, komm näher zu mir! Offen gesagt: Ich finde dies total beglückend!

ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#2 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von ThomasM » So 11. Aug 2013, 12:16

Hallo Naqual

Problemstellung und Darstellung der Widersprüchlichkeit der Gottesbilder sind dir meines Erachtens gut gelungen.

Aber am Ende geschieht die Abrundung, der Schwenk zu deiner Ansicht zu schnell. Sie ist zu wenig begründet, sie setzt sich nicht damit auseinander, woher die oben genannten Widersprüchlichkeiten kommen und sie ist zu wenig selbstkritisch.

Denn deine Antwort ist ja gut und schön, sie ist aber eben auch nur eine von vielen. Keine Bestrafung, keine Gerechtigkeit, keine Sühne für Fehlverhalten, nur Liebe und Glück. Eigentlich das typische Konzept der Allversöhnung mit allen Folgen, wie z.B. dass die Gnade billig wird. Letztlich addierst du zu den widersprüchlichen Gottesbildern nur ein weiteres dazu. Du verstärkst das Problem, statt einen Versuch zu unternehmen, es zu lösen.

Vielleicht willst du ja auch die Widersprüchlichkeit nicht lösen, vielleicht willst du nur dein Gottesbild propagieren und hervorheben. Dann hätte es aber der Einleitung nicht in der Breite bedurft, dann wäre es besser gewesen, direkt zum Thema zu kommen und dieses breiter auszudifferenzieren.

Viele Grüße
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#3 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von Naqual » So 11. Aug 2013, 17:51

Hi Thomas,
ThomasM hat geschrieben: Aber am Ende geschieht die Abrundung, der Schwenk zu deiner Ansicht zu schnell. Sie ist zu wenig begründet, sie setzt sich nicht damit auseinander, woher die oben genannten Widersprüchlichkeiten kommen und sie ist zu wenig selbstkritisch.
Um meine religiöse Meinung ging es mir dabei gar nicht. Sonst wäre der Aufsatz sehr lang. Da wir hier im Unterform Bibelkritik sind, ging es mir um Kritik an dieser bzw. die heute üblichen Deutungsarten biblischer Aussagen (m.E. wurde die Bibel mit erheblichen dogmatischen Neuinterpretationen entstellt, wenn ich die Bibel auch nicht für Gottes Wort halte. Sie enthält aber AUCH sehr viel religiöse Weisheit, zumindest soweit ich es bislang erfasst habe).

Denn deine Antwort ist ja gut und schön, sie ist aber eben auch nur eine von vielen. Keine Bestrafung, keine Gerechtigkeit, keine Sühne für Fehlverhalten, nur Liebe und Glück. Eigentlich das typische Konzept der Allversöhnung mit allen Folgen, wie z.B. dass die Gnade billig wird. Letztlich addierst du zu den widersprüchlichen Gottesbildern nur ein weiteres dazu. Du verstärkst das Problem, statt einen Versuch zu unternehmen, es zu lösen.
In Deiner Darstellung finde ich mich nur so gar nicht wieder.
Natürlich gibt es "Bestrafung", teils sogar recht herb und nicht nur Liebe und Glück. Aber nicht die Spur als Vergelten sondern als Richten im Sinne von Zurecht-Richten (richtig-machen). Unsere Fehler sind Folge unseres So-Seins. Und dies bedarf Änderungen an uns selbst. So fällt unser Tun auf uns zurück, früher oder später. Dies dient aber unserem seelischen Vorwärtskommen, unserer Selbständerung. Dies ist ein sehr langsamer Entwicklungsprozess. "Billige Gnade" wäre für mich der Glaube, dass man seine Schuld auf einen anderen abwälzen kann. Und das hat auch mit Gerechtigkeit nichts zu tun, Unschuldige für sich büßen zu lassen.
"Was man sät, wird man ernten". Entweder mal lernt daraus oder nicht. Das ist die "freie" Wahl. Oder man trägt weiter die Folgen eigenen Tuns und sei es in einem späteren Leben. Gott lässt einen "nicht hängen". Und genau deswegen fällt unser Tun auf uns zurück, wenn Du so willst "erzieherisch". Sühne gibt es m.E. nur als Umkehr von der Lieblosigkeit zu einem liebevollerem Leben. Und das ist, solange man nicht liebevoll IST, eine schmerzhafte Sache.

Benutzeravatar
Vitella
Beiträge: 1578
Registriert: Mi 2. Okt 2013, 12:18

#4 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von Vitella » Fr 4. Okt 2013, 09:00

Naqual hat geschrieben: Meinem Eindruck nach ist das Christentum auf die Sünde fixiert, nicht auf die Liebe (Gottes),

Hallo,
seh ich auch so....ich finde den ganzen Beitrag gut.
lg vit
Zuletzt geändert von Vitella am Fr 4. Okt 2013, 09:01, insgesamt 1-mal geändert.
  Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus,
der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
1 Petrus 5:10

 

Benutzeravatar
Vitella
Beiträge: 1578
Registriert: Mi 2. Okt 2013, 12:18

#5 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von Vitella » Fr 4. Okt 2013, 09:01

ThomasM hat geschrieben: Keine Bestrafung, keine Gerechtigkeit, keine Sühne für Fehlverhalten, nur Liebe und Glück. Eigentlich das typische Konzept der Allversöhnung mit allen Folgen
Viele Grüße
Thomas

hi,
ich denke, dass es gar nichts anderes geben kann als Allversöhnung, alles andere ist eines liebenden Gottes gar nicht würdig.
lg vit
  Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus,
der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
1 Petrus 5:10

 

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#6 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von closs » Fr 4. Okt 2013, 12:57

Naqual hat geschrieben:Natürlich gibt es "Bestrafung", teils sogar recht herb
Sehe den Thread erst jetzt - war im August am Bodensee. :)

"Bestrafung" sollte man, wie Du es tust, in " " schreiben. Denn es klingt so, als sollten böse Buben gedemütigt werden (ein Wort, das in "normalen" Übersetzungen oft zu finden ist, jedoch bei der Buber-Übersetzung mit "beugen" übertragen wird. - Der Unterschied zwischen beiden Versionen ist, dass im ersten Fall ("demütigen") die Handlung aus Sicht des Menschen (sanktionierend) und im zweiten Fall ("beugen") aus Sicht Gottes (phänomenologisch) gedeutet wird. – Der Unterschied besteht darindarin, dass „sich demütigen“ eine Wertung beinhaltet im Sinne von „klein beigeben“ oder „resignieren“ oder „eine Niederlage zähneknirschend akzeptieren“, während „sich beugen“ wertungsfrei darauf hinweist, dass der Mensch sich einer Kraft, die sich „bewahrheitet“, (gerne) fügt.

Benutzeravatar
kamille
Beiträge: 943
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:15

#7 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von kamille » Sa 5. Okt 2013, 09:47

closs hat geschrieben: dass „sich demütigen“ eine Wertung beinhaltet im Sinne von „klein beigeben“ oder „resignieren“ oder „eine Niederlage zähneknirschend akzeptieren“,
Hallo Closs.
Das mag aus menschlicher Sicht wohl so empfunden werden, aber selbst da stimmt es nicht ganz.
Die geistige und damit wahre Bedeutung von Demut ist eine ganz andere und ich denke, dass du das weißt, oder ?

Jesus sagte von sich, dass er von ganzen Herzen demütig und sanftmütig ist, was nicht bedeutet, dass er dem Willen Gottes kleinbeigab, sondern dass er seine Kraft , die jeden Sünder zermalmen könnte zugunsten der Barmherzigkeit und ihrem hohen Ziel beiseite gab. Was etwas ganz anderes ist als resignieren oder zähneknirschend akzeptieren.

Jemanden demütigen , nach menschlicher Deutung besagt, das man einem sich stark und schlau Glaubenden zeigt, dass er das nicht ist, und das andere ihn auch darin übertreffen können, oder es schon tun.

Auf diese Weise werden Gottes Demütigungen vom Menschen oft empfunden, aber diese Erkenntnis der untersten Ebene wird im günstigen Fall , wenn der Gedemütigte es positiv aufnimmt erhöht werden und zu einer sehr guten Erkenntnis führen, und ihn letztendlich wahrhaft demütig werden lassen.
Jesus Christus spricht:..Siehe, ich bin bei euch alle Tage.....

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#8 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von Naqual » So 6. Okt 2013, 14:38

Vitella hat geschrieben: seh ich auch so....ich finde den ganzen Beitrag gut.

Danke Vitella!
Du glaubst gar nicht, wieviele Gedanken ich mir zu dem Thema schon gemacht hatte,
und mir im Laufe der Zeit das gewohnte Christentum immer "unheimlicher" wurde.

LG

Benutzeravatar
Naqual
Beiträge: 1932
Registriert: Mi 12. Jun 2013, 19:44

#9 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von Naqual » So 6. Okt 2013, 14:51

Vitella hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Keine Bestrafung, keine Gerechtigkeit, keine Sühne für Fehlverhalten, nur Liebe und Glück. Eigentlich das typische Konzept der Allversöhnung mit allen Folgen
ich denke, dass es gar nichts anderes geben kann als Allversöhnung, alles andere ist eines liebenden Gottes gar nicht würdig.

Den Begriff "Allversöhnung" mag ich nicht so wirklich, es ist eine Standard-Abwehr-Schublade so mancher, die m.E. eine "Unversöhnlichkeits-Theorie" vertreten. Nach letzterer ist Gottes Gnade auf einmal begrenzt, z.B. auf den leiblichen Tod. Wer es bis dahin nicht gepackt hätte, würde auf einmal unendlichen Qualen ausgesetzt nach einem Strafgericht. Damit wird das Gottesbild höchst eigenartig. Wir haben auf einmal eine gedachten Gott, der sinnlos handelt. Denn wem oder was nutzt ein ewiges Quellen irgendwelcher Seelen? Sinn ergibt nur, wenn der einzelne sich zu Gott und seiner Liebe hin verändert. Was derjenige dabei dogmatisch für richtig oder verkehrt hält, ist völlig nebenrangig, außer es hilft ihm bei der Selbstveränderung.
Es ist mir auch unverständlich, wie die Barmherzigkeit Gottes darin bestehen sollte, Sünder mit endlichen Sünden mit unendlicher Strafe zu begegnen. Das hebelt auch jede Vorstellung von Gerechtigkeit aus und sinnentleert diese.

Ich stelle es mir eher so vor, dass die Liebe Gottes wie eine Art Schwerkraft ist, der man sich auf Dauer nicht entziehen kann und sich diese Wahrheit irgendwann (und seien es lange "Äonen" für den einzelnen) durchsetzt. Also letztlich fällt alles auf uns zurück, es ist nur die Frage, wieviel Leid wir selbst verursachen, damit uns dieses dann korrigierend auf den richtigen Weg bringt.

LG

Benutzeravatar
Vitella
Beiträge: 1578
Registriert: Mi 2. Okt 2013, 12:18

#10 Re: Das Gottesbild im Christentum (Aufsatz zur Diskussion)

Beitrag von Vitella » So 6. Okt 2013, 14:59

Naqual hat geschrieben: Du glaubst gar nicht, wie viele Gedanken ich mir zu dem Thema schon gemacht hatte,
und mir im Laufe der Zeit das gewohnte Christentum immer "unheimlicher" wurde.
LG

es ist gar nicht anders möglich als das Christsein und den Gott der Bibel, oder wie er von vielen Christen dargestellt wird, als unheimlich zu empfinden, das da an der ganzen Geschichte so einiges nicht stimmen kann, fällt einem irgendwann einfach auf, spätestens wenn man mit den Auslegungen mal durch ist und es immer noch nicht aufgeht.
Ich denke, der Mensch legt sich alles so zurecht wie er es braucht, er glaubt was er glauben will um sich das vorzumachen was er vormachen muss um sich gut zu fühlen und dies hängt mit den Konditionierungen zusammen die er in der Kindheit abbekommen hat, nur wenige können sich davon befreien und gehen einen eigenen Weg.
  Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus,
der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
1 Petrus 5:10

 

Antworten