Roland hat geschrieben:M.a.W. die Autoren schrieben das NT vor der Tempelzerstörung. Fast alle dürften zur Zeit des jüdischen Krieges gar nicht mehr gelebt haben.
Das ist dein Ausbau der Legende.
Wie ich gesagt habe musst du aber hierzu die historischen Szenen
durch die Legende entwerfen.
Das Problem dabei ist aber nunmal, dass es bereits um das Jahr 0 herum zu einer neuen Bewegung innerhalb des Judentums gekommen ist und zwar durch exakt die beiden Anlässe, die auch im "Neuen Testament" genannt werden.
Das Auftauchenden "Ich aber sage Euch"-Experten, die den "richtigen Umgang mit den Regeln" vermitteln wollten ist bei "Flavius Josephus" ohne den Verdacht einer religiösen Verklärung vorhanden.
Wie ich gesagt habe nennt er die Anlässe, das Motiv, die Gruppen, den Verlauf, den Krieg, das apokalyptische Verhalten, die Zerstörung des Tempels, die Vertreibung.
Auch wenn dort eine gehörige Portion römische Propaganda enthalten sein mag, ist dies ein Umfang, wie ihn ein Mensch mit Aufzeichnungsabsicht hinterlassen würde.
Beim "Neuen Testament", also den Texten "des Christentums" fehlt vieles davon.
Selbst wenn du unterstellen möchtest, dass die "Autoren" der Texte vor dem Krieg gestorben sind, ist nicht geklärt, weshalb diese Leute in der behaupteten aktiven Zeit nicht den Detailumfang erreichen, die "Flavius Josephus" in der Rückschau im Jahr 76 n.Chr. erreicht hat.
Und es ist nicht erklärt,
weshalb es keine "Jesus-christlichen" Texte zum Verhalten der Jesus-Anhänger im Krieg und direkt danach gibt.
Des Weiteren müsste es den Autoren bereits zu ihren Vorkriegs-Lebzeiten aufgefallen sein, dass sie ihre Konzepte weitestgehend mit den anderen Messias-Anhängern teilten und sie hätten eine schriftliche Abgrenzung hinterlassen müssen, zumal die Abgrenzung das einzige
Argument gegenüber ROM gewesen wäre um nicht zu den gewalttätigen Fanatikern zu zählen.
Das Fehlen dieser Informationen setzt sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte "des Christentums" fort, so als ob es eine klare Alleinstellung gäbe. Du selbst argumentierst genauso.
Nun war aber die gesamte "Zeloten"-Bewegung (gegründet nach der "Volkszählung") daraufhin ausgerichtet, dass eine Korrektur hin zu den "richtigen Regeln" angestrebt wird - also genau das, was der "Jesus"-Figur unterstellt wird.
Es liegt also derselbe Startpunkt vor (quasi dasselbe "Geburtsdatum") und dasselbe Konzept.
Lediglich der Aggressionsgehalt ist unterschiedlich - so zumindest lautet die Botschaft "des Christentums" (was jedoch an einigen Aussagen der "Jesus"-Figur durchaus wieder fraglich erscheint).
Das Alleinstehungsmerkmal kann also lediglich das Werk eines "Designs" sein, denn es entspricht
nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.
Die Auswirkung dieser Verdrehung ist bereits in der Bezeichnung "die Christen" ersichtlich, denn der Begriff kann lediglich als "Messias-Anhänger" gedeutet werden.
Die einzelnen Gruppen haben selbstverständlich (wie man an deiner Reaktion sieht) ihre Wunschfigur für "die richtige" gehalten, was aber nichts daran ändert, dass es mehr als eine Gruppe gab.
Dadurch wird die Bezeichnung "Christen" aber lediglich zu einer Sammelbezeichnung, nicht zum Name einer Richtung - es wäre selbst aus damaliger Sicht Unsinn gewesen, wenn sich eine Gruppe als "die Christen" bezeichnet hätte.
Aus heutiger Sicht soll es aber schon der Name einer von einer dieser Gruppen ausgegangenen Religionsrichtung sein und sämtliches Vorkommen der Bezeichnung "Christen" (in alten Texten) wird fleissig unter der Alleinstehungsbehauptung vereinnahmt.
Dass diese Vereinnahmung problematisch ist, sieht man an den behauptetet "Christenverfolgungen", denn die Verfolgten werden (von römischer Seite) als üble und gefährliche Zeitgenossen angesehen.
Dies ist eine Einschätzung, die auf Basis des von "Flavius Jospehus" geschilderten apokalyptischen Fanatismus durchaus nachvollziehbar ist, schliesslich hat ROM mehrere Legionen aufgeboten, um den Aufstand der Messias-Anhänger niederzuschlagen.
Sonderbar wird es aber, wenn diese ablehnende Haltung ROMs einer vollkommen friedlichen Bewegung entgegengebracht worden sein soll.
Zum einen fehlen dann die ablehnenden Aussagen bzgl. der von "Flavius Jospehus" genannten Gruppen und zum anderen ist es nicht nachvollziehbar, warum die Macht ROM friedliche Leute verfolgt haben soll, zumal wenn später ROM exakt den Friedensgedanken dieser Leute als Religionsstrategie übernommen hat.
Es ist also vollkommen egal wann du die Autoren des "Neuen Testamentes" leben und sterben lässt -> es fehlen Inhalte in den "christlichen" Texten und es liegt eine eindeutige Verklärung vor.
Roland hat geschrieben:Welche weiteren „Christusse“ sind denn noch namentlich bekannt und warum sollte man sie im NT erwähnen?
Hier
ein Artikel, aus dem du einige andere Namen entnehmen kannst.
Die Liste der alternativen Messias-Anhängerschaft geht wohl bis zum dritten Jüdischen Aufstand/Krieg (ca. 136 n.Chr.) weiter.
Roland hat geschrieben:Es geht im NT durchweg um den auferstandenen Sohn Gottes! Das ist eine so gewaltige Botschaft, dass sich die nähere Erwähnung der Zeloten erübrigt.
Siehst du, jetzt hast du das Motiv für eine nachträgliche Verklärung der tatsächlichen Gegebenheiten:
Die Zeloten, ihr Verhalten, die Auswirkungen, ja sogar der gesamte Krieg, können unter Beibehaltung des (eigentlich gescheiterten) Messias-Konzeptes unter den Tisch fallen.
Wer genau braucht so etwas?
=> Leute (samt ihrer Nachkommen), die vor dem Krieg eine unrühmliche Stellung hatten, im Krieg alles verloren haben, sogar ihre religiösen Grundlagen.
Roland hat geschrieben:Dass irgendwelche unbekannten Sympatisanten der Zeloten, die ja nach der Eroberung Jerusalems durch die Römer kollektiven Suizid begangen haben, sich das alles danach ausgedacht haben sollen, nach dem Motto "…die Gewalt-Strategie war offensichtlich nicht so dolle ->" also erfinden wir mal das Christentum, ist m.E. ziemlich abwegig.
1.
Selbst wenn sich in Jerusalem und Masada alle Anhänger das Leben nahmen, bedeutet dies noch lange nicht, dass ganz Judäa Selbstmord begangen hat.
Der Aufstand ging wohl vor allem von der Landbevölkerung aus. Die Anführer der Gruppen waren eher einfache Leute (Zimmermann, Fischer - aber das kennst du ja bereits).
Das damalige Judäa war wohl durchaus eine bevölkerungsstarke Region, weshalb ROM mehrere Legionen zur Bekämpfung einsetzen musste.
Letztlich möchtest du ja auch für die "Jesus-Christen" ein Überleben des Krieges behaupten - also sollten wir uns darauf einigen, dass da schon einiges der "alten" Grüppchen überlebt haben muss.
Man erkennt dies auch daran, dass es nach dem Fall Jerusalems bis ca. 136 n.Chr. noch zu zwei weiteren Aufständen gekommen ist (136 n.Chr. war immer noch ein Messias-Kandidat unterwegs)
2.
Wie man an Deutschland sieht, ist das apokalyptische Verhalten einer Generation durchaus in der Lage vom Schockzustand zu einem komplett gegenteiligen Entwurf zu führen.
Bereits in der zweiten Nachkriegsgeneration kommt es zu einem umfassenden Ausschluss der "alten Einstellungen" (in Bezug auf Gewalt!).
Deutschland ist hierbei noch nicht einmal derart untergegangen wie Judäa, denn die Deutschen durften weiterhin wie gewohnt in Deutschland samt ihrer Kultur leben.
Wenn der jüdische Krieg ca. um das Jahr 74 n.Chr. zu Ende war, dann wären vermutlich nur 20 Jahre notwendig gewesen, dass sich in ersten Teilen eine komplette Umkehr mit totaler Ablehnung ergeben hat (es gab daneben auf jeden Fall weitere Aufständige -> zwei eigene Aufstandkonflikte bis ca. 136 n.Chr.).
Zudem darf man nicht vergessen, dass die negative römische Haltung, den fanatischen Messias-Anhängern gegenüber (du hast selbst Beispiele zu dieser Haltung gebracht), zu einer Art "Versteckspiel" führen musste - immerhin waren dies Aufständige, Mörder und letztlich sogar Kriegsfeinde.
Das Entstehen von Alternativ-Messias-Legenden (samt Verschweigen der tatsächlichen Zeloten-Details) könnte ein willkommener Selbstschutz gewesen sein, der sich in den kommenden Generationen als "Realität" durchgesetzt hat.
Nach relativ kurzer Zeit sind andere Geschichten im Umlauf und die Zeloten-Nachkommen schauen auf die Zeloten wie auf vollständig aussenstehende Gruppen (vermutlich fehlten bereits hier Detailinformationen, weil sie schlicht nicht weitergegeben wurden).
Wenn man sich die Katakomben ROMs anschaut, dann werden erste frühchristliche Symbole wohl erst ab 180 n.Chr. festgestellt (also gegen Ende des 2. Jahrhunderts).
Laut deiner Legende soll es in ROM aber schon lange davor "Jesus-Christen" gegeben haben und diese sollen auch verfolgt worden sein, so dass die Katakomben eigentlich schon viel früher Symbole aufweisen müssten - Fehlanzeige.
Auch dies deutet darauf hin, dass
später etwas entstanden ist und dass die Legende eine Verklärung ist.
Die Figur "Paulus" enthält einen Übergang von einem Eiferer ("Zelot") zu einem "Friedens"-Anhänger bei gleichzeitiger Stränge. Der Übergang soll über eine "Vision" stattgefunden haben.
Dies hat wohl eher symbolischen Charakter, der verdeutlicht, dass die "Zeloten"-Überzeugung in etwas Neues überführt wurde und zwar nicht sofort und flächendeckend, sondern "sich ausbreitend".
Die Einordnung dieses Vorganges als "vor dem Krieg" geschieht allein auf Basis irgendwelcher Legendendetails, die man im Nachhinein als "verlässliche Zeitangaben" deutet.
Tatsächlich ist es aber sehr leicht, den Vorgang mit irgendwelchen Geschichtsdaten zu verbinden, so dass die Vergangenheit "günstig" wirkt.
Es gibt
keine Quelle in der irgendjemandem friedliche Messias-Anhänger aufgefallen wären und es gibt auch keine Quelle aus der hervorgeht, dass sich friedliche Messias-Anhänger um eine Differenzierung in der Behandlung ROMs bemüht hätten - Motto: "wir sind nicht die Feinde ROMs, das sind nur die anderen".
Diese dritte Partei ("Jesus-Urchristentum") wird lediglich aus späterer Zeit heraus behauptet und ist ein völliges Phantom, wenn man die Geschehnisse aus Texten von Nicht-Anhängern betrachtet.