sven23 hat geschrieben:
Auch wenn das NT aus einer anderen Perspektive geschrieben sein soll, so fügt es sich doch in vielen Punkten an das AT an. Jesus selbst bestätigt dies:
"Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Profeten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen." — «Das Evangelium nach Matthäus 5.17»
Persönliche gedankliche Fragmente hierzu:
Der Sachverhalt als solcher ist nicht synoptisch bestätigt. Also dieser Passus kommt nur bei Matthäus vor, sonst nirgendwo im NT, wenn ich mich richtig erinnere. Zumindest ergibt sich da für mich daraus, dass die frühe Christenheit (zur Zeit als die Schriften des NT entstanden sind) diesem nicht Priorität eingeräumt haben, eher hier einen sekundären Sachverhalt hatten in ihrem Gesamtglaubensgerüst. Matthäus ist der Autor, der noch am nächsten mit dem jüdischen Glauben korrespondiert. Für ihn hatte es eine größere Wichtigkeit.
Weil wir aber nur diesen Kurzabschnitt haben, sind Interpretationen sehr schwierig. Matthäus kann nämlich m.E. der Kuckuck was gemeint haben.
z.B. schlicht, dass Jesus meint "Die Kritik einiger an mir geht fehl. Ich halte mich an das Gesetz, ICH erfülle es"
oder: liebe Zuhörer, meint nicht, ich repräsentiere einen leichten Weg, so dass man das Gesetz einfach beseiteschieben könnte. Für mich (Jesus) ist das Gesetz eigentlich: "Liebe Gott über alles und Deinen Nächsten wie Dich selbst" und "verkaufe alles was Du hast und gib es den Armen". Er könnte dies auf Kritik vorgebracht haben, dass sein "lascher Umgang" mit dem Gesetz nicht einfach Untreue Gott gegenüber ist, sondern eine Korrektur. Aber nicht eine für faule und bequeme Egoisten, da seine Sichtweise sogar mehr erfordert vom einzelnen.
Ich persönlich tendiere zum letzteren. Aber sicheres Wissen gibt es hierzu sicherlich nicht.
So gibt es auch viele konträre Aussagen: neben der Bergpredigt findet man auch einen intoleranten Jesus:
"Er aber antwortete und sprach: Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerottet werden."— «Das Evangelium nach Matthäus 15.13»
Ich persönlich halte dies für einen späteren Einschub "tafferer" Christen nach dem Konzil von Nicea. Denn dieser Satz kommt in keiner Abschrift vor dem 4. Jahrhundert vor.
Kann nachgeprüft werden bei:
http://nttranscripts.uni-muenster.de/An ... +start.anv
oder einen Jesus, der für völlig überzogene Strafen, ganz im Sinne des AT, eintritt:
"Ich aber sage euch, dass jeder, der seinem Bruder […] sagt: Du Narr! der Hoelle des Feuers verfallen sein wird." — «Das Evangelium nach Matthäus 5.22»
Und nirgendwo ist so oft von der Hölle die Rede wie im NT
Okay, hier ist meine Antwort von vorhin nicht möglich, der Satz kommt in einem der ältesten Fragmente überhaupt vor:
dem Magdalenen-Papyrus (P64).
Ich persönlich teile allerdings beim Lesen der Jesu-Worte nicht die Ansicht, dass es Himmel und Hölle im christlichen Sinn überhaupt gibt. "Hölle" ist einfach ein Zustand der schmerzhaften Erfahrung als Folge des eigenen Verhaltens. Und ich sehe dies bereits diesseitig (wenn es sich auch ins Jenseits erstrecken kann). Jesus wird viel zu oft jenseitig analysiert, meist hat er m.E. ganz diesseitige Dinge gemeint. Also man darf beim Begriff der Hölle nicht den standardchristlichen Sinn reinlegen. Und schon kommt etwas anderes bei heraus.
Die Hölle wird verwendet als Bild, nicht als Ort. Ist jedenfalls meine Meinung.
Petrus gebraucht sogar das Wort "Tartaros" im NT (wird von Luther natürlich nur mit Hölle übersetzt). Das ist der tiefe Abschnitt der griechischen (!) Unterwelt, noch unterhalb des Hades, bei dem sozusagen die "Schwerverbrecher" dauerinhaftiert wurden.
Denke nicht, dass Petrus hier die Existenz von Elementen der griechischen Mythologie belegen wollte.
Es war ein Bild, weil dieses im Sprachgebrauch der damaligen Menschen eine Rolle spielte.
Alles in allem muß ich mein früheres Urteil revidieren, als ich noch annahm, das NT sei irgendwie besser als das AT. Wenn man sich näher damit befaßt, ist es das nicht wirklich.
Philosophisch ist das AT stringenter. Im NT kommen schon merklich wesentliche Elemente griechischer Philosophie herein und es wird gemischt (eine Steilvorlage für spätere Exegeten die dem jüdischen Denken nicht nahe genug waren). Das eigentliche Problem sehe ich aber darin, dass man das NT interpretieren müsste ohne die spätchristlichen Dogmen, die dem ganzen einen ganz anderen Sinn und Geist geben. Aus einer Botschaft praktizierter Nächstenliebe wurde ein Ultimatum (Gott und) der Kirche zu gehören oder allezeiten in der Hölle zu schmoren.
So wie heute das NT gelesen wird, kann ich dem nicht viel abgewinnen. M.E. kann man aber noch die ursprüngliche Botschaft herausfinden. Und die finde ich toll!