#1 Verheißung-Erfüllung?
Verfasst: Mo 21. Dez 2015, 13:44
Gerne wird das Alte Testament vom Christentum als Verheißung des Christentums und das Neue Testament als die Erfüllung der Verheißung vereinnahmt. Ist das aber wirklich so und ist mal wieder viel Wunschdenken im Spiel?
"Unter der Glaubensprämisse, dass ein gescheiterter und schändlich hingerichteter Wanderprediger
der verheißene Messias gewesen sei, wurde die Mitte des Alten Testaments, die bisher der Gott
Jahwe und der Bund mit seinem Volk Israel gewesen ist, verschoben und Christus auch zur Mitte des
Alten Testaments erklärt. Christologie nun überall.
.........
Die Präsenz Jesu schon im Alten Testament wurde zur fixen Idee der Theologie vom ersten Jahrhundert
bis in unsere Zeit. Exegetisch völliger Unsinn, aber dogmatisch unverzichtbar; wir werden dies noch an
vielen anderen Stellen beobachten können."
Kubitza, Der Dogmenwahn
Man versuchte also von Anfang an, eine Verbindung herzustellen, da man ja die Wuzel, das Judentum, nicht völlig über Bord werfen konnte. Schließlich waren Jesus, seine Jünger und auch Paulus allesamt Juden.
"Das Neue Testament war aus Sicht der Christen dem Alten natürlich überlegen. Die Christen
vereinnahmten das Alte Testament und interpretierten es vom Neuen her. So wurde das Verhältnis AT
zu NT oft nach dem Schema Verheißung – Erfüllung verstanden. Was im AT (nur) angekündigt wurde;
im NT habe es sich erfüllt. Dabei wurden nicht nur die späten und spärlichen Messias-Weissagungen
auf Jesus hin gedeutet, sondern auch bisher gar nicht als messianisch verstandene Stellen des AT
messianisch vereinnahmt. Am bekanntesten erfolgte dies bei den Gottesknechtsliedern bei Jesaja, vor
allem Jes 53. Ein Knecht Jahwes leidet stellvertretend bis zum Tode, und wird doch ewig leben.
Diese Stelle wurde im Judentum eindeutig nicht messianisch gedeutet. Und auch für die ersten
Christen spielte sie offenbar keine Rolle. Dann aber wurde sie quasi „entdeckt“ und auf Jesus
bezogen. Angesichts der Menge der alttestamentlichen Texte lassen sich, wie schon gesagt, immer
irgendwelche Anklänge zu allem Möglichen finden. Doch Joseph Ratzinger spricht raunend hier von
wartenden Worten oder herrenlosen Bibelworten, deren tieferer Sinn sich erst Späteren voll
erschließe.162 Auch die Jungfrauengeburt in Jes 7,14, die eindeutig auf einem schlichten
Übersetzungsfehler beruht, will er so verstanden wissen.
Natürlich ist eine solche Vorgehensweise völlig unwissenschaftlich. Sie besteht aus einem
Zirkelschluss, sie setzt die Bedeutung dessen, was sie erweisen will, schon voraus. Doch dieses
Vorgehen ist Usus bei der Verteidigung und Interpretation Heiliger Schriften und wird uns ebenfalls
noch beschäftigen. Und keine Rede ist natürlich von den vielen „Weissagungen“ des AT, die definitiv
nicht eingetroffen sind. Vom Neuen Testament und der mit bislang 2000 Jahren geringfügig
verzögerten Wiederkehr des Herrn gar nicht zu reden."
Kubitza, Der Dogmenwahn
farbliche Hervorhebung von mir.
Man spürt, daß die Brücke, die vom AT zum NT gebaut werden soll, eine ziemlich wackelige Konstruktion ist.
"Unter der Glaubensprämisse, dass ein gescheiterter und schändlich hingerichteter Wanderprediger
der verheißene Messias gewesen sei, wurde die Mitte des Alten Testaments, die bisher der Gott
Jahwe und der Bund mit seinem Volk Israel gewesen ist, verschoben und Christus auch zur Mitte des
Alten Testaments erklärt. Christologie nun überall.
.........
Die Präsenz Jesu schon im Alten Testament wurde zur fixen Idee der Theologie vom ersten Jahrhundert
bis in unsere Zeit. Exegetisch völliger Unsinn, aber dogmatisch unverzichtbar; wir werden dies noch an
vielen anderen Stellen beobachten können."
Kubitza, Der Dogmenwahn
Man versuchte also von Anfang an, eine Verbindung herzustellen, da man ja die Wuzel, das Judentum, nicht völlig über Bord werfen konnte. Schließlich waren Jesus, seine Jünger und auch Paulus allesamt Juden.
"Das Neue Testament war aus Sicht der Christen dem Alten natürlich überlegen. Die Christen
vereinnahmten das Alte Testament und interpretierten es vom Neuen her. So wurde das Verhältnis AT
zu NT oft nach dem Schema Verheißung – Erfüllung verstanden. Was im AT (nur) angekündigt wurde;
im NT habe es sich erfüllt. Dabei wurden nicht nur die späten und spärlichen Messias-Weissagungen
auf Jesus hin gedeutet, sondern auch bisher gar nicht als messianisch verstandene Stellen des AT
messianisch vereinnahmt. Am bekanntesten erfolgte dies bei den Gottesknechtsliedern bei Jesaja, vor
allem Jes 53. Ein Knecht Jahwes leidet stellvertretend bis zum Tode, und wird doch ewig leben.
Diese Stelle wurde im Judentum eindeutig nicht messianisch gedeutet. Und auch für die ersten
Christen spielte sie offenbar keine Rolle. Dann aber wurde sie quasi „entdeckt“ und auf Jesus
bezogen. Angesichts der Menge der alttestamentlichen Texte lassen sich, wie schon gesagt, immer
irgendwelche Anklänge zu allem Möglichen finden. Doch Joseph Ratzinger spricht raunend hier von
wartenden Worten oder herrenlosen Bibelworten, deren tieferer Sinn sich erst Späteren voll
erschließe.162 Auch die Jungfrauengeburt in Jes 7,14, die eindeutig auf einem schlichten
Übersetzungsfehler beruht, will er so verstanden wissen.
Natürlich ist eine solche Vorgehensweise völlig unwissenschaftlich. Sie besteht aus einem
Zirkelschluss, sie setzt die Bedeutung dessen, was sie erweisen will, schon voraus. Doch dieses
Vorgehen ist Usus bei der Verteidigung und Interpretation Heiliger Schriften und wird uns ebenfalls
noch beschäftigen. Und keine Rede ist natürlich von den vielen „Weissagungen“ des AT, die definitiv
nicht eingetroffen sind. Vom Neuen Testament und der mit bislang 2000 Jahren geringfügig
verzögerten Wiederkehr des Herrn gar nicht zu reden."
Kubitza, Der Dogmenwahn
farbliche Hervorhebung von mir.
Man spürt, daß die Brücke, die vom AT zum NT gebaut werden soll, eine ziemlich wackelige Konstruktion ist.