Der gefälschte Paulus

R.F.
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#61 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von R.F. » Sa 29. Aug 2015, 13:01

Magdalena61 hat geschrieben: - - -
Petrus warnt davor, dass man die Paulus-Schriften kaum verstehen kann und es würde zur Verdammnis führen. Das ist schon eine sehr herbe Kritik an Paulus von einem Mann der ersten Stunde, aber auch an jenen, die die Schriften des Paulus verdrehen.
2. Petr. 3,16 verstehe ich etwas anders.
Offenbar war Paulus von Petrus voll akzeptiert.

Wenn man mit der "Erwartung" liest: Paulus eiferte nicht gegen das Gesetz (des Mose) prinzipiell, sondern gegen damit in Zusammenhang stehende falsche bzw. überflüssig gewordene Traditionen, gegen eine Religion der "Werkgerechtigkeit ohne Buße -metanoia-",

dann passt es.
LG
Richtig. Man kann es anders nicht sehen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Marcion

Zitat aus obigem Link:

Marcion ist der erste Theologe, der systematisch einen Unterschied definierte zwischen einem guten Gott der Liebe des Neuen Testamentes, wie er von Jesus als Vater verkündigt wurde, und einem bösen Gott des Alten Testamentes, der für Schöpfung, Gesetz und Gericht verantwortlich sei. Infolgedessen weist Marcion das gesamte Alte Testament zurück, da es einen Demiurgen beschreibe, den er, ähnlich wie in der Gnosis, als bösen Gott auffasst, vor allem aber als einen Gott des Gesetzes.

Wie zu Paulus Zeit scheinen auch die so genannten Kirchenväter und insbesondere heutige Theologen zum Lesen der Schrift nicht fähig. In den meisten Fällen ist aber weniger mangelnde Intelligenz als vielmehr die dem Menschen eigene Abneigung gegen göttliche Gesetze die Grundlage ihrer Kritik.

Apostelgeschichte 2,38 (Luther):

Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes.

Was genau wollte Petrus den Hörern sagen? Er machte ihnen bewusst, dass sie in Wirklichkeit ein gesetzeskonformes Leben nicht führten, daher ein jeder ein ordentlich Schuld-Konto angesammelt hatte. Dieses ausgleichen konnte nur das Selbstopfer des biblischen Messias. Die Hörer verstanden damals offenbar noch, was mit Umkehr (Buße) gemeint war.

Wenn ich mir die Schriften eines Wellhausen oder eines Bultmann vergegenwärtige, stellt sich mir die Frage nach den wirklichen Gründen für deren breite Akzeptanz nicht. Unterschlagen Politiker aus eigennützigen Erwägungen Argumente, sieht man dieser Menschenklasse dies wegen ihres eh schon schlechten Rufes noch nach. Doch sollte man diese selbstverständlich auch verantwortungslose Nachsicht nicht auch noch Gegnern der Schrift gewähren.

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#62 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von Naqual » Mo 31. Aug 2015, 08:03

Magdalena61 hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Marcion hat den ersten neutestamentlichen Kanon aufgestellt, der vor allem 10 Paulusbriefe enthielt. Das hat dann später die Kirche ja in großen Teilen übernommen (zumindest alle Paulusbriefe, die Marcion in den Kanon aufgenommen hatte).
Marcion war ein Gläubiger, o.k.- Und als solcher hatte er sicher auch brauchbare Früchte vorzuweisen.
Aber sein Ansinnen, das AT gänzlich zu verwerfen mit der Begründung, der Gott des AT sei nicht identisch mit dem Gott des NT und sich aus den, in der Gemeinde kursierenden Schriftstücken nur diejenigen heraus zu suchen, die seine Theologie bestätigten bzw. diese Texte auch noch zu verändern und alles rauszustreichen, das ihm nicht gefiel-- das ist schon heftig.
Marcion war kein Jude und ich nehme an, er sah nun gar nicht ein, warum die neue Religion sich noch groß auf das damalige Judentum stützen sollte.
Man muss ansonsten auch einfach sehen, dass die damals eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Schriften gehabt hatten und jede Auswahl durchaus gewisse Gründe gehabt hat.

Jesus selbst berief sich doch oft genug auf "die Schriften" und zitierte daraus, Paulus auch. Es ist verständlich, dass die Kirche hier ein Veto einlegte und eine Gegendarstellung formulierte.
Die Gnostiker hatten auch nicht ALLES als verkehrt empfunden was im AT stand. Dass Jesus im jüdischen Raum lebend, jüdische Schriften zitierte war nur folgerichtig. Und er hat die Juden im NT immer wieder aufs Schärfste kritisiert, zumindest alle bekannten Strömungen der damaligen Zeit wie Pharisäer und Saduzäer.
Ein Beispiel, WIE anders viele Gnostiker das NT bzw. Paulus lassen: Wenn letzterer von den Juden oder dem Volk Israel schrieb, dann interpretiereten sie "Juden" als die "Unerlösten". Da kommt dann quer durch das NT (aber in sich schlüssig) etwas ganz anderes bei heraus.

Es wird sich wohl so zugetragen haben wie mit der Lehre der anderen Apostel auch: Paulus hatte "Jünger" (Schüler). Timotheus war einer davon. Die Schüler des Paulus werden wohl gewußt haben, was ihr Mentor geschrieben hatte und wie das zu verstehen war und gaben ihr Wissen wiederum an ihre Jünger weiter. -- Abschriften/ Vervielfältigungen biblischer Texte kursierten ja wahrhaftig mehr als genügend, da werden von den Paulusbriefen auch welche dabei gewesen sein.
Schon. Nur 200-300 Jahre später war es nicht mehr so recht nachzuvollziehen von wem nun eigentlich was tatsächlich kam. Jede Seite hatte das Problem eine Auswahl treffen zu müssen ohne diese Zeitzeugen zur Verfügung zu haben und ohne eine klare Kette des Weitertragens vorweisen zu können. (Selbst die "Erbfolge" des Petrus ist zumindest für über 100 Jahre eher ein Mythos, statt historische belegt. Da gibt es für Historiker schon einige Ungereimtheiten)


In manchen Dingen kann man die Widersprüchlichkeit diskutieren: der Jakobusbrief und die Offenbarung des Johannes sind m.E. streckenweise nicht kompatibel zu Paulus.
Was passt denn nicht?
Sind die Diskrepanzen nicht eher eine Folge einer streckenweise schwankenden oder sogar verkehrten Theologie?
Paulus vertrat die Ansicht, dass der Glaube selig mache, Jakobus vertrat die Ansicht Glaube und Werke.
Paulus meinte zwar, dass der Glaube sich auch in Werken äußert, letztere aber nicht selig machen. Für Jakobus war das anders.

Es ist auch kein Zufall, wenn ein Martin Luther diese beiden Schriften am liebsten aus dem Kanon verbannt hätte.
Vielleicht hatte er ein Trauma.
Das könnte sogar sein: das gleiche Trauma wie Paulus: die Belastung durch Schuld. Beide hatten hiermit massiv zu kömpfen.
Da hat man von Natur aus mehr Vorliebe für die Richtung, dass die Werke nicht heilsentscheidend sind.
Übrigens ist hier auch ein massiver Unterschied zum Judentum: für die waren die Werke entscheidend (nicht weil sie meinten perfekt sein zu können oder zu müssen). Der Glaube war "nur" die Ursache der Werke. Aber es ging um letztere. Der Jude betet tendenziell darum, dass seine guten Werke mehr sein mögen, wie seine schlechten. Die Aussage "wenn Du von den Werken her nicht vollkommen bist, dann bist Du verdammt" kannten die nicht.

Das andere Extrem ist ebenso ungesund:
Wer den- allerdings sehr dynamischen- Gott des AT zu einem ungefährlichen Schoßhündchen umbauen will wird schuldig. Denn er predigt eine diffuse Gnade ohne Gerechtigkeit. Ich finde NICHT, dass man Paulus so auslegen kann oder darf.
z.B.: Offb 20,12 Und ich sah die Toten, Groß und Klein, stehen vor dem Thron, und Bücher wurden aufgetan. Und ein andres Buch wurde aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach ihren Werken.
Das klingt nunmal ganz anders wie bei Paulus, da hat Luther schon recht.

Petrus warnt davor, dass man die Paulus-Schriften kaum verstehen kann und es würde zur Verdammnis führen. Das ist schon eine sehr herbe Kritik an Paulus von einem Mann der ersten Stunde, aber auch an jenen, die die Schriften des Paulus verdrehen.
2. Petr. 3,16 verstehe ich etwas anders.
Offenbar war Paulus von Petrus voll akzeptiert.
Mir ist jetzt gerade schleierhaft wie Du zu diesem Schluss kommst aus den Texten.

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#63 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von Magdalena61 » Mo 7. Sep 2015, 00:57

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#64 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von Magdalena61 » Mo 7. Sep 2015, 01:59

Naqual hat geschrieben:Marcion war kein Jude und ich nehme an, er sah nun gar nicht ein, warum die neue Religion sich noch groß auf das damalige Judentum stützen sollte.
Auf dieser Seite hier steht das anders. Sie schreiben, Marcion kam "aus einer jüdischen Familie deren männliche Mitglieder durch Generationen Rabbiner waren".

Angenommen, es stimmt-- dann könnte man verstehen, warum Marcion sich von der durch seinen Vater vermittelten "Drohbotschaft" distanzierte und, wie Luther und Paulus.... die "andere Seite" betonte.
Man muss ansonsten auch einfach sehen, dass die damals eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Schriften gehabt hatten und jede Auswahl durchaus gewisse Gründe gehabt hat.
Ja, schon.
Wenn ich von heute auf damals schließe, dann gab es eine Grüppchenbildung ("ich gehöre zu Apollos...") mit der Setzung von Schwerpunkten und der Bildung theologischer Traditionen.

Auch die "originalen" Apostel und Jünger missionierten und gewannen Anhänger. Von Paulus wissen wir, dass er mit rivalisierenden "Judenmachern" zu kämpfen hatte und vor Spaltungen warnte.
Petrus schrieb an Brüder, ebenfalls Johannes, Judas und Jakobus.

Ich vermute, es gab noch viel mehr "authentische" Schriftstücke, die leider nicht erhalten sind. Die Empfänger der Briefe kannten die Schreiber teilweise persönlich. Da bin ich schon zuversichtlich bezüglich der Sortierung und der Bewahrung/ Überlieferung relevanter Texte.

Warum z.B. der Brief des Barnabas nicht in den Kanon aufgenommen wurde, leuchtet mir ein. Er ist nicht schlecht, er ist teilweise sogar recht deftig, und die dahinter stehende Absicht war sicherlich eine Gute. Aber insgesamt passt er wirklich nicht zu den anderen Briefen des NT.
Schon. Nur 200-300 Jahre später war es nicht mehr so recht nachzuvollziehen von wem nun eigentlich was tatsächlich kam.
Marcion lebte aber früher.
Jede Seite hatte das Problem eine Auswahl treffen zu müssen ohne diese Zeitzeugen zur Verfügung zu haben und ohne eine klare Kette des Weitertragens vorweisen zu können.
Wenn man sich mit den verschiedenen Strömungen im Christentum befasst und jemand fragt: "Was muß ich tun, um gerettet zu werden?" muß man sortieren, was heilsnotwendig ist. Meines Wissens wird Joh. 3,16 von allen christlichen Kirchen akzeptiert. Um diesen Punkt herum ranken sich dann konfessionsspezifische Zusätze bzw. Betonungen, wobei manchmal leider Nebensächlichkeiten zur Hauptsache erhoben und Spaltungen/ theologische Endloskämpfe provoziert werden.

Wenn wir heute in dieser Weise analysieren können-- warum hätten die das früher nicht können sollen?
(Selbst die "Erbfolge" des Petrus ist zumindest für über 100 Jahre eher ein Mythos, statt historische belegt. Da gibt es für Historiker schon einige Ungereimtheiten)
Eine lückenlose Buchführung gibt es halt nicht.
Paulus vertrat die Ansicht, dass der Glaube selig mache, Jakobus vertrat die Ansicht Glaube und Werke.
Paulus meinte zwar, dass der Glaube sich auch in Werken äußert, letztere aber nicht selig machen. Für Jakobus war das anders.
Wenn ich das Kapitel lese, finde ich eine deutliche Warnung vor Lippenbekenntnissen ohne Konsequenzen= ein "Glaubensbekenntnis als Freifahrtsschein für Gesetzlosigkeit". Aber Paulus hat Ähnliches geschrieben wie Jakobus, und zwar in Röm. 2,25.

Es ist auch kein Zufall, wenn ein Martin Luther diese beiden Schriften am liebsten aus dem Kanon verbannt hätte.
Vielleicht hatte er ein Trauma.
Das könnte sogar sein: das gleiche Trauma wie Paulus: die Belastung durch Schuld. Beide hatten hiermit massiv zu kämpfen.
Hm.... ja, das könnte so sein.
Luther war ein Augustinermönch. Ein Katholik (ZJ oder Nachkomme sonstiger entschiedener, strenggläubiger Freikirchler), der das Evangelium (noch) nicht begriffen hat ist wie ein Jude, der das Gesetz halten muß, aus Angst vor Strafe, oder wie ein Muslim, der befürchten muß, nicht genügend gute Taten getan zu haben und verdammt zu werden. Seine Beziehung zu Gott wird von Unsicherheit und Angst dominiert. Weil er nie wissen kann, ob sein Gott ihn nun akzeptiert oder nicht.

Wer aus einem System der Angst und Unfreiheit kommt, der muß es erst einmal lernen, mit der Freiheit richtig umzugehen.
Übrigens ist hier auch ein massiver Unterschied zum Judentum: für die waren die Werke entscheidend (nicht weil sie meinten perfekt sein zu können oder zu müssen). Der Glaube war "nur" die Ursache der Werke.
Aber so ist das bei den Christen doch auch. (?)
Der Jude betet tendenziell darum, dass seine guten Werke mehr sein mögen, wie seine schlechten. Die Aussage "wenn Du von den Werken her nicht vollkommen bist, dann bist Du verdammt" kannten die nicht.
Auch im AT wurde man durch Glauben, in der Bedeutung von "Vertrauen, Hingabe, Treue" gerecht, das wußten die Israeliten vermutlich. Wenn sie es anders machten und einen Kuhhandel inszenierten, in der Absicht, Gott mit einigen Gemüseopfern der Marke "Kain" abzuspeisen und Ihn sozusagen zu bestechen, damit Er Ruhe gab und trotzdem segnete... dann gab's Zoff. - Wie in 1. Kön. 18.
Offenbar war Paulus von Petrus voll akzeptiert.
Mir ist jetzt gerade schleierhaft wie Du zu diesem Schluss kommst aus den Texten.
Die beiden kannten sich doch. Obwohl es Differenzen gegeben hatte, wobei Paulus möglicherweise nicht sonderlich höflich zu Petrus gewesen war, erwähnte Petrus, der "Oberapostel", der Augenzeuge Jesu... den einsamen Streiter und Quereinsteiger Paulus in positiver Weise: "Unser geliebter Bruder".... und demonstrierte geistliche Übereinstimmung mit ihm, trotzdem er konstatierte, manches in den Briefen des Paulus sei schwer zu verstehen.

Na ja.... die Petrusbriefe finde ich jetzt eigentlich auch nicht leichter... :silent:
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#65 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von Naqual » Mo 7. Sep 2015, 08:26

Magdalena61 hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Marcion war kein Jude und ich nehme an, er sah nun gar nicht ein, warum die neue Religion sich noch groß auf das damalige Judentum stützen sollte.
Auf dieser Seite hier steht das anders. Sie schreiben, Marcion kam "aus einer jüdischen Familie deren männliche Mitglieder durch Generationen Rabbiner waren".
Ups. Hatte mich hier vertan. Danke für die Korrektur.


Ich vermute, es gab noch viel mehr "authentische" Schriftstücke, die leider nicht erhalten sind.
Naja, alles was nicht in ihren Glauben passte wurde vernichtet. "authentisch" heißt erst einmal: "was mir in den theologischen Kram passt".

Die Empfänger der Briefe kannten die Schreiber teilweise persönlich. Da bin ich schon zuversichtlich bezüglich der Sortierung und der Bewahrung/ Überlieferung relevanter Texte.
Sofern der Brief echt ist, kannte der Empfänger den Schreiber immer persönlich. Oder, wenn eine ganze Gemeinde angeschrieben it, wenigstens einige dieser.
Das Problem ist nur, man muss davon ausgehen, dass es viele solcher Schriften gab, die nicht in den Kanon aufgenommen wurden. Alle die nicht aufgenommen wurden, wurden ja vernichtet. Anscheinend, damit es später keine größeren Diskussionen gibt.

Wenn man sich mit den verschiedenen Strömungen im Christentum befasst und jemand fragt: "Was muß ich tun, um gerettet zu werden?" muß man sortieren, was heilsnotwendig ist. Meines Wissens wird Joh. 3,16 von allen christlichen Kirchen akzeptiert. Um diesen Punkt herum ranken sich dann konfessionsspezifische Zusätze bzw. Betonungen, wobei manchmal leider Nebensächlichkeiten zur Hauptsache erhoben und Spaltungen/ theologische Endloskämpfe provoziert werden.
Bereits Johannes 3,16 kann sehr unterschiedlich interpretiert werden:
16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Ich gehe davon aus, dass das ursprüngliche Verständnis war:

16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an Gott glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
später wurde dogmatisch daraus:
16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an Jesus glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Der Unterschied ist fundamental.

Gerade der Kern, "die Errettung" ist bereits im NT völlig in der Unschärfe.
Gerettet werde man durch Glauben. Nur: an was muss man (mindestens) glauben? Oder an wen muss man glauben? Was muss der Glaube inwieweit umfassen (z.B. in Bezug auf Werke)? Muss zum Glauben die Taufe kommen? usw. ....
Also die Unterschiede zwischen den Konfessionen machen sich nicht in Nebensächlichkeiten fest.


Wenn wir heute in dieser Weise analysieren können-- warum hätten die das früher nicht können sollen?
Weil wir heute viel mehr Möglichkeiten und Methoden haben als die Leute z.B. im 2. und 3. Jahrhundert.
Teils auch deswegen, weil heute ein Theologe ganz einfach auf alle bekannten Texte zurückgreifen kann. Die frühen Gemeinden (bis zur Kanonisierung und noch lange danach) hatten meist nur einzelne Schriften aus den Anfängen. Aber nie den ganzen Kanon.
Und es gab Hunderte von verschiedenen Gesinnungen bereits in früher Zeit. Das heutige Christentum wurzelt nur in einem dieser Strömungen. Die anderen verschwanden. Das ist aber nicht einfach ein Wink Gottes, sondern lief teils über recht deftige militärische Aktionen (z.B. mit den Gnostikern).

(Selbst die "Erbfolge" des Petrus ist zumindest für über 100 Jahre eher ein Mythos, statt historische belegt. Da gibt es für Historiker schon einige Ungereimtheiten)
Eine lückenlose Buchführung gibt es halt nicht.
Paulus vertrat die Ansicht, dass der Glaube selig mache, Jakobus vertrat die Ansicht Glaube und Werke.
Paulus meinte zwar, dass der Glaube sich auch in Werken äußert, letztere aber nicht selig machen. Für Jakobus war das anders.
Wenn ich das Kapitel lese, finde ich eine deutliche Warnung vor Lippenbekenntnissen ohne Konsequenzen= ein "Glaubensbekenntnis als Freifahrtsschein für Gesetzlosigkeit". Aber Paulus hat Ähnliches geschrieben wie Jakobus, und zwar in Röm. 2,25.
Ja schon, die haben vieles Ähnliche auch geschrieben. Aber der Widerspruch besteht trotzdem.


Übrigens ist hier auch ein massiver Unterschied zum Judentum: für die waren die Werke entscheidend (nicht weil sie meinten perfekt sein zu können oder zu müssen). Der Glaube war "nur" die Ursache der Werke.
Aber so ist das bei den Christen doch auch. (?)
Da hat eine ganz massive Akzentverschiebung stattgefunden.
Im jüdischen Denken steht das im Vordergrund was "greifbar" ist, die Werke. Gerecht ist man insoweit, wie man mit Werken im Sinne Gottes handelt.
Im jüdischen Denken kannst Du aber z.B. die massivsten sündigen Gedanken haben, wenn Du dann trotzdem Dich anders verhältst, zeigt das die Ernsthaftigkeit Deines Glaubens. (Du magst z.B. keine Palästinsenser, Du hasst sie innerlich. Dann spendest Du aber trotzdem als Jude für eine palästinensische Organisation, die Armut lindert)
Im christlichen Denken ist bereits ein sündiger Gedanke eine Sünde.
Wobei man darüber streiten kann, ob man die entsprechenden Stellen mit Jesu Aussagen hierzu, tatsächlich so interpretieren muss.
M.E. nein. Er mockierte sich darüber, dass Leute, die sündiges Verlangen innerlich in ihrem Herzen haben, über andere hochmütig herabschauen.
Das heißt aber noch nicht, dass dieses innerliche Verlangen bereits als Sünde verstanden wurde. Der Mensch ist in seinem Herzen auch sündig veranlagt. Das hieß jetzt aber nicht, das er deswegen auch sündige Taten durchführt. Ganz im Gegenteil: er hat die Wahl.

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Flavius
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#66 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von Flavius » Mo 7. Sep 2015, 09:40

Magda+Naqual hat geschrieben:Paulus vertrat die Ansicht, dass der Glaube selig mache, Jakobus vertrat die Ansicht Glaube und Werke.
Paulus meinte zwar, dass der Glaube sich auch in Werken äußert, letztere aber nicht selig machen. Für Jakobus war das anders.
Wenn ich das Kapitel lese, finde ich eine deutliche Warnung vor Lippenbekenntnissen ohne Konsequenzen= ein "Glaubensbekenntnis als Freifahrtsschein für Gesetzlosigkeit".

Glauben erkennt man auch oder letztlich an Taten. ("An Ihren WERKEN sollt ihr sie erkennen", "Glaube ohne (begleitende) Werke ist tot" !!). War der Schwenk zu "Aus-Glauben-allein" eine korrigierende "Gegen-Reaktion" auf die zu große, übermäßige Betonung der Werke ("Werke-Religion") der Juden? .. Viel zu viel - kaum Jemanden mehr Nützendes- kam aus erstarrten, abgehobenen (den Menschen entfremdet), teils auch sehr selbstgerechten Mündern von Hohen-Priestern (u. Gelehrten). Letztlich steckt(e) da auch "religöser Stolz" mit drin. Ich weiss mehr, bin besser, bin klüger etc.-Stolz wurde schon oft zum Fallstrick für Manchen. Schleichend u. zur Gewohnheit geworden wurde das damals aber "gegen Himmel stinkend". -- So wandte sich ursprünglich Gut-Gemeintes (Sinnvolle Gesetze u. Vorschriften) zum Teil u. nach u, nach gegen das Volk. (Erstarrt; so auch öfters ungerecht bis unsinnig). Die übermäßige, extreme Gesetzesmäßigkeit führte zu viel Unsinnigem (sogar mit einigem richtig gehend hartem "wider-den-Menschen" (und so dann auch gegen Gottes Gesinnung). - - - Wurde mit dem "Glaube-allein-macht-selig" vielleicht versucht, einen dringend nötiger Kontra-Punkt zu setzen. Dem Misstand (der zu großen u. oft harten Betonung der Juden auf Gesetze) Einhalt zu bieten. Gottes Mühlen arbeiten langsam, aber die liebevolle u. befreiende Korrektur kam. - - - "Menschen, die GUTEN WILLENS sind, werden das Himmelreich schauen" betont mehr das ernsthafte Bemühen, nicht so das perfekte Einhalten (was zu herzloser Selbstherrlichkeit, Härte u. einem gewissem Stolz führen kann). Sie sieht mehr d[b]ie Herzenshaltung an[/b]... - - Also nicht Perfektionismus u. "i-Tüpfelei", sondern "auch-Gnade-zählt"; auch ein Barmherzigkeit-walten-lassen. Letztlich war keiner imstande, die (teils menschengemachten) Vorschriften u. Lasten alle ganz zu erfüllen .. Das neue Gesetz (Jesus) übertrug dem Einzelnen mehr Eigen-Verantwortung!! - - - Freier, aber auch verantwortungsbewusster, sollte der Mensch von nun entscheiden u. handeln (können) ! - .

Vieles ist seitdem erreicht worden. Viele Fehler (u. Machtspiele etc) wiederholten sich.
Insgesamt gibt es eine gewisse Hoffnung für ein Gelingen - auf ein Heranreifen von verantwortungsbewusst handelnden Menschen. (Jeder trägt seinen kleinen Teil zum Gelingen oder dem Gegenteil bei).
Dogmen - aller couleur- sind oft sehr hinderlich. (nach Feuerbach).

janosch
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#67 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von janosch » Di 29. Sep 2015, 22:29

sven23 hat geschrieben:Der evangelische Theologe Hermann Detering glaubt, daß Jesus und auch der Apostel Paulus rein mythologische Figuren sind. Detering gehört der Radikalkritik an und vertritt eine Minderheitenposition.
http://www.focus.de/kultur/leben/religi ... 52723.html
Die Quellenlage bei Paulus ist noch dünner als bei Jesus selbst. Neben den biblischen Schriften gibt es keine außerbiblischen Quellen über Paulus. Keinem Geschichtsschreiber war er auch nur eine Silbe wert, obwohl man ihn als Begründer des Christentums bezeichnen könnte.
Paulus bestreitet ca. 1/3 des Neuen Testaments, wohlgemerkt als Jemand, der Jesus nie begegnet ist. Die Echtheit der Paulusbriefe ist umstritten. So werden z. b. der Hebräerbrief, der Titusbrief und die Briefe an Timotheus sogar von manchen katholischen Theologen in Zweifel gezogen.

"Doch auch an der Echtheit dieser verbliebenen Briefe sind schon im 18. Jahrhundert Zweifel aufgetaucht. Warum etwa schreibt Paulus an die römische Gemeinde einen langen Brief, wenn er anschließend gleich selbst nach Rom reist? Warum wendet er sich an das Bergvolk der Galater in so komplizierten Worten, dass ihn dort bestimmt keiner verstanden hat? Warum spielt er zwischen 50 und 60 schon auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 an? Und warum tauchen die Briefe erst im 2. Jahrhundert auf? Weshalb erwähnt ihn sonst nur die Apostelgeschichte und keine andere zeitgenössische Quelle, wenn er angeblich doch so eine überragende Persönlichkeit war?"
http://www.glauben-und-wissen.de/M29.htm
Hallo,
Oh man...na sowas? Seit wann braucht das Wort Gottes forensische Beweise?
Denkst du, wenn irgendein Schmarn, außer biblischer Lektüre, als einen Gegenbeweis erbringst, dann schwächst du damit die "Bibel" oder Glauben an Gott? Du erreichst sogar das Gegenteil, Menschen glauben nocht mehr. Wenn in der Bibel angebliche Widersprüche hochgestapelt sind...das das steigert die Neugier und die Warscheinlichkeit, dass es wahr ist, solange das nicht bewiesen ist...dass es Gott nicht gibt.

Kannst du das beweisen, dass Paulus was flasches gesagt hat oder es einen FALSCHEN Paulus gab? Sagt man auch, dass es "Gerüchte" sind, nicht nur Gerüchte...den Rest muß man sowieso glauben. ;) Ich kann im Neuen Testament dutzend eindeutige Widersprüche finden...sogar ich habe keinen Menschensohn Jesus gesehen oder etwa hast du welche?

Hey man, ich will das nicht beweisen oder wer will das beweisen, dass Glaube nicht Glaube ist? Du solltest das bewesen, dass nicht ein "Glaube" existiert...zB. "EIN Jesus MENSCH" Kannst du beweisen, dass es ihn gab? Ich nicht. Und wie willst du beweisen, dass Paulus falsch lag, damit bestätigst du, dass Paulus exitiert, sonst kannst du nicht fälschen... :o Vorsicht, je mehr du gegen "GOTT" Beweise suchst, desto mehr beweist du, dass es ihn gibt. Hier wäre die beste Lösung eindeutig die Ignoranz... Aber gerade bei den Atheisten und Agnostiker fehlt das. Wie gut, sonst wäre diese Welt schon am "Ende..." Dann würde es dieses Forum nicht geben. Gott ist ein guter Geschäftsmann, er schlägt von jedem ein Profit! :thumbup: Nur hasst er das Töten von Ungläubigen, (heute nennt man das "seinen Nächsten") das schadet seinem Geschäft, damit gewinnt nur der Teufel. :thumbdown:
lg janosch

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#68 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von sven23 » Sa 9. Apr 2016, 16:53

Bei Paulus wird ja oft der Verdacht geäußert, dass er Epileptiker gewesen sein könnte. Dieses Krankheitsbild könnte in der Tat für überschwengliche Religiösität verantwortlich sein. Die Medizin kennt auch Epilepsie in Verbindung mit Halluzinationen.


"Dazu auch der Bericht einer abtrünnigen Nonne, die Epileptikerin war:

"Je mehr ich über die Religionsgeschichte lernte, desto mehr wurde mein früheres Unbehagen bestätigt. Die Lehren, die ich als Kind fraglos akzeptiert hatte, waren tatsächlich Menschenwerk, über einen langen Zeitraum hinweg konstruiert. Die Wissenschaft hatte den Schöpfergott offenbar abgeschafft, und Theologen hatten bewiesen, dass Jesus nie behauptet hatte, göttlich zu sein. Als Epileptikerin hatte ich blitzartige Visionen, von denen ich wusste, dass sie ein bloßer neurologischer Defekt waren: Waren die Visionen und Ekstasen der Heiligen auch nur Produkt einer Gehirnzuckung? Gott kam mir zunehmend als Abweichung vor - etwas, über das die Menschheit hinausgewachsen war..."
(Karen Armstrong "A History of God" Vintage Books, London 1999, S. 3)"
Quelle: Glauben&Wissen

"Ein eindrückliches Beispiel einer Epileptikerin mit religiösen Visionen war Jeanne d’Arc. Seit dem Alter von 13 Jahren hatte sie Attacken von Ekstase mit Lichtblitzen, Stimmenhören und Engelsvisionen, hervorgerufen durch das Geläut von Kirchenglocken. Jeanne d’Arc hatte dabei das Gefühl, dass „die Geheimnisse des Universums sich ihr erschliessen würden.“ Vieles weist darauf hin, dass diese
Wahrnehmungen auf eine musikogene Temporallappenepilepsie, also epileptische Anfälle mit Entstehung im Schläfenlappen, hervorgerufen durch Musik, mit ekstatischer Aura zurückzuführen sind.

Kürzlich hat eine Studie der Universität von Udine 88 Patienten mit Hirntumoren untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass diejenigen 34 Patienten, welche einen Tumor in einem bestimmten Bereich des linken unteren Scheitellappen oder des rechten Gyrus angularis hatten, nach der Entfernung des Tumors sowie direkt angrenzenden Hirngewebes viel häufiger Selbst-Transzendenz erlebten. Sie fühlten
sich so intensiv verbunden mit anderen Menschen und der Umgebung, dass die Grenzen zwischen Selbst und Mitmensch, ja selbst die Grenzen zur Natur, aufgehoben schienen. Diese Leute hatten nach der Operation eine stärkere Neigung, an Wunder oder übernatürliche Phänomene zu glauben.
Bei den 54 Kontrollpatienten, welche Tumore in anderen Hirnregionen hatten, konnte diese Veränderung nicht festgestellt werden."

Maja Strasser, Fachärztin für Neurologie
(farbliche Hervorhebung von mir)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Pluto
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#69 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von Pluto » Sa 9. Apr 2016, 19:55

sven23 hat geschrieben:Kürzlich hat eine Studie der Universität von Udine 88 Patienten mit Hirntumoren untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass diejenigen 34 Patienten, welche einen Tumor in einem bestimmten Bereich des linken unteren Scheitellappen oder des rechten Gyrus angularis hatten, nach der Entfernung des Tumors sowie direkt angrenzenden Hirngewebes viel häufiger Selbst-Transzendenz erlebten. Sie fühlten
sich so intensiv verbunden mit anderen Menschen und der Umgebung, dass die Grenzen zwischen Selbst und Mitmensch, ja selbst die Grenzen zur Natur, aufgehoben schienen. Diese Leute hatten nach der Operation eine stärkere Neigung, an Wunder oder übernatürliche Phänomene zu glauben.
Bei den 54 Kontrollpatienten, welche Tumore in anderen Hirnregionen hatten, konnte diese Veränderung nicht festgestellt werden."

Maja Strasser, Fachärztin für Neurologie
(farbliche Hervorhebung von mir)
Von ähnlichen Fällen habe ich auch schon gehört. Da das Gehirn durch die OP verletzt war, war das normale "ICH-Bewusstsein" gestört.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

2Lena
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#70 Re: Der gefälschte Paulus

Beitrag von 2Lena » So 10. Apr 2016, 09:11

Sven23 hat geschrieben:Jeanne d’Arc hatte dabei das Gefühl, dass „die Geheimnisse des Universums sich ihr erschliessen würden.“ Vieles weist darauf hin, dass diese Wahrnehmungen auf eine musikogene Temporallappenepilepsie, also epileptische Anfälle mit Entstehung im Schläfenlappen, hervorgerufen durch Musik, mit ekstatischer Aura zurückzuführen sind.
Fragt sich nur, ob die "krank" war, oder ob Wissenschaftlern der "Saft" solcher Erfahrungen bisher gefehlt hat!

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