Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

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Queequeg
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#1 Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 09:54

Eigentlich eine Frage, die mich schon lange untreibt:

ist es moralisch oder ethisch gerechtfertigt, das religiöse Schrifttum einer anderen Religion sich Untertan zu machen und diese, also die Tora, im Sinne der christlichen Theologie zu annektieren und damit den jüdischen Glauben, im weitesten Sinne, dem christlichen Glauben zu unterwerfen?

Ist es gerechtfertigt, aus der christlichen Theologie des Neuen Testaments heraus, die jüdische Religion als "Gottesfern", als Irrglaube, als falscher Glaube zu postulieren? Ist es gerechtfertigt, eine ganze Weltreligion für die Neutestamentlichen Theologie zu vereinnahmen und somit diese Religion in sich selbst zu entwerten und letztendlich zu demütigen?

Ist aus dieser Neutestamentlichen Theologie heraus, die Jahrhunderte andauernde Verfolgungen, die Hetze, die Pogrome, die jüdischen Ghettos (lange vor dem Faschismus) auch die Tötung der "Mörder Christus", ist hier also auch und unbedingt die Wurzel und das Fundament für den Holocaust zu suchen?

2Lena
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#2 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von 2Lena » Fr 17. Jul 2015, 13:48

Queequeg hat geschrieben: die Tora, im Sinne der christlichen Theologie zu annektieren und damit den jüdischen Glauben, im weitesten Sinne, dem christlichen Glauben zu unterwerfen?
Bitte setz nicht im Irgendwo deine Behauptung ab ...
Die Jesiden z.B. glauben, dass sie die älteste Religionsgemeinschaft seien. Siehst du ihre Geschichte von Adam, dazu die der Vorzeit, so haben die Juden die Lehre "gestohlen", bzw. Zweige davon in Ägypten weiter entwickelt. Die Jesiden kennen die Lehren ähnlich wie sie im Christentum vorkommen.

Das Christentum nahm die Deutungshoheit, da im Judentum mit den Beschneidungsriten, Opfergesetzen, Speisevorschriften und dergleichen - nur die Äußerlichkeiten, nicht aber mehr der hohe Wert der Liebeslehren herauskam.

Deine weiteren Fragen sind zu verzwickt und vielseitig, um sie bei der Mittagshitze zu beantworten. Das geht auch nicht nach ein Liter Wasser...

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Queequeg
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#3 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 15:04

2Lena hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben: die Tora, im Sinne der christlichen Theologie zu annektieren und damit den jüdischen Glauben, im weitesten Sinne, dem christlichen Glauben zu unterwerfen?
Bitte setz nicht im Irgendwo deine Behauptung ab ...
Die Jesiden z.B. glauben, dass sie die älteste Religionsgemeinschaft seien. Siehst du ihre Geschichte von Adam, dazu die der Vorzeit, so haben die Juden die Lehre "gestohlen", bzw. Zweige davon in Ägypten weiter entwickelt. Die Jesiden kennen die Lehren ähnlich wie sie im Christentum vorkommen.

Das Christentum nahm die Deutungshoheit, da im Judentum mit den Beschneidungsriten, Opfergesetzen, Speisevorschriften und dergleichen - nur die Äußerlichkeiten, nicht aber mehr der hohe Wert der Liebeslehren herauskam.

Deine weiteren Fragen sind zu verzwickt und vielseitig, um sie bei der Mittagshitze zu beantworten. Das geht auch nicht nach ein Liter Wasser...

Du hast auch noch nicht einmal im Ansatz begriffen, worum es überhaupt geht, oder?

Es geht hier um die schon wahnwitzige Frechheit des Christentums, unter anderem und zum Beispiel, die Juden permanent und mit Chuzpe dazu zu bringen, Jesus als ihren Erlöser anzuerkennen (ich hoffe du kennst "deinen" Paulus), obwohl Jesus niemals und absolut nicht der Messias ist, es nicht sein kann.

Was sagt denn nun Gott selbst, im Alten Testament, welche Vorgaben der Messias zu erfüllen hat?

Nun denn:

1. Er muß jüdisch sein. (Deuteronomium 17,15, Numeri 24,17)

2. Er muß dem Stamm Judah angehören (Genesis 49,10) und ein direkter männlicher Nachkomme (Sohn nach Sohn) von König David (1. Chronik 17,11, Psalm 89,29-38; Jeremia 33,17; 2. Samuel 7,12-16) und König Salomon sein. (1. Chronik 22,10; 2. Chronik 7,18)

3. Er muß das jüdische Volk aus dem Exil versammeln und nach Israel zurückbringen. (Jesaja 27,12-13; Jesaja 11,12)

4. Er muß den Jüdischen Tempel in Jerusalem wieder aufbauen. (Micah 4,1)

5. Er muß den Weltfrieden bringen. (Jesaja 2,4; Jesaja 11,6; Micah 4,3)


6. Er muß die ganze Welt beeinflussen, den einen Gott anzuerkennen und ihm zu dienen. (Jesaja 11,9; Jesaja 40,5; Zephania 3,9)

Wird nur eine nur eine einzige von diesen Vorgaben, von Gott gegeben nicht erfüllt, dann sind die Kriterien und Vorgaben für den Messias nicht erfüllt und Jesus kann der Messias, der Erlöser oder wie auch immer man es benennen mag eindeutig nicht sein.

Das du dich und nebenbei, zum Christentum als dem Vorläufer und der Wurzel des Holocaust eindeutig nicht geäußert hast, das war vorauszusehen, das liegt in der Natur der Sache, hier bleibt des Vogels Straußens Kopf im Sand des willentlichen Wegesehens, Weghörens und des Schweigens, woraus man ersehen kann, das die drei Affen auch immer wieder im Christentums anzutreffen sind:

mi-zaru, kika-zaru, iwa-zaru!

Euch soll aufgeholfen werden.

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#4 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 15:14

Beginnen wir dann mit den Ursachen des Holocaust im Christentum und fangen gleich frisch und frei bei Martin Luhter an:

"Ein solche verzweifeltes durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist´s um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen. Das ist nichts anderes. Da ist kein menschliches Herz gegen uns Heiden. Solches lernen sie von ihren Rabbinern in den Teufelsnestern ihrer Schulen."
((Der achte und letzte aller Bücher und Schriften des teuren seligen Mans Gottes, Doctoris Martini Lutheri, Tomos 8, Jena 1562, S. 95))

und weiter:

"Wenn du siehst oder denkst an einen Juden, so sprich bei dir selbst also: Siehe, das Maul, das ich da sehe, hat alle Sonnabend mein lieben Herrn Jesum ... verflucht, vermaledeit und verspeist, dazu gebetet und geflucht vor Gott, dass ich, mein Weib und Kind und alle Christen erstochen und aufs jämmerlichste untergegangen wären. Er wollte es selber gerne tun, und, wo er könnte, unsere Güter besitzen ... Ich sollte mit einem solchen verteufelten Maul essen, trinken oder reden? So möchte ich aus der Schüssel oder Kannen mich voller Teufel fressen und saufen, so mache ich mich gewiss damit teilhaftig aller Teufel, die in den Juden wohnen."
(Martin Luther, zit. nach: Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, Freiburg 1938, S. 11)

und hier natürlich:

"Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams!"
(Tischreden Nr. 1795, zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, Freiburg 1938, S. 14)

auch das hier soll nicht vergessen sein:

Martin Luther fasst sein Anliegen der Judenverfolgung folgendermaßen zusammen: "Unseren Oberherren, so Juden unter sich haben, wünsche ich und bitte, dass sie eine scharfe Barmherzigkeit wollten gegen diese elenden Leute üben, wie droben gesagt, obs doch etwas (wiewohl es misslich ist) helfen wollte. Wie das die treuen Ärzte tun, wenn das heilige Feuer in die Beine gekommen ist, fahren sie mit Unbarmherzigkeit und schneiden, sägen, brennen Fleisch, Adern, Bein und Mark ab. Also tue man hier auch, verbrenne ihre Synagogen, verbiete alles, was ich droben erzählt habe, zwinge sie zur Arbeit und gehe mit ihnen um nach aller Unbarmherzigkeit wie Mose tat in der Wüste und schlug dreitausend tot, dass nicht der ganze Haufen verderben musste."

Quellen noch einmal aufgelistet:
Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, Freiburg 1938
Von den Jüden und ihren Lügen von M. Luther, 1542, als Volksausgabe herausgegeben von H. L. Parisius, München o. J.;
Der achte und letzte aller Bücher und Schriften des teuren seligen Mans Gottes, Doctoris Martini Lutheri vom 42. Jahr an (= Tomos 8); zit. nach: Hans-Jürgen Böhm
Die Lehre M. Luthers - ein Mythos zerbricht, S.205-233; Eigenverlag, Postfach 53, 91284 Neuhaus)

Der Philosoph Karl Jaspers stellt 1962 fest: "Ratschläge gegen die Juden hat Hitler genau ausgeführt"
(Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, München 1962, S. 90)

Adolf Hitler selbst rechtfertigt in einem Gespräch mit Bischof Hermann Wilhelm Berning von Osnabrück vom 26.4.1933 die Judenverfolgung damit, "dass er gegen die Juden nichts anderes tue als das, was die Kirche in 1500 Jahren gegen sie getan habe"
(zit. nach Friedrich Heer, Gottes erste Liebe, Berlin 1981, S. 406).

Fortsetzung folgt

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#5 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 15:31

Machen wir weiter, mit der Beweisführung für das Hand in Hand gehen des Christentums und der Barbarei der Faschisten, beginnen wir um die 20er bis 30er Jahre und arbeiten uns dann weiter vor:

Zu den Antisemiten zählen auch die meisten evangelischen Pfarrer, die durch ihr Amt, ihr Ansehen und ihren Anspruch, mit "Gott" in Verbindung zu stehen, einen entscheidenden Beitrag für den Durchbruch des Antisemitismus leisten. In den evangelischen Kirchengemeinden werden "Judenvorträge" veranstaltet, so am 4.2.1921 in München-St. Matthäus, der evangelischen Hauptkirche der Stadt. Das Thema dort: Der Christ und der Antisemitismus. Einer der beiden Gemeindepfarrer bekennt sich offen zum Antisemitismus, der andere, der spätere Münchner Dekan D. Friedrich Langenfaß, stellt ebenfalls antisemitische Thesen auf. Er sagt: "Denn mit zunehmender Bitterkeit machte unser Volk seine Beobachtungen, im Feld und daheim, an den jüdischen Mitbürgern ... in diesen Kreisen sah man kaum einen, der wie die ehrlichen Deutschen unterernährt war"

und weiter:

Der evangelische Pfarrer Friedrich Wilhelm Auer aus der bayerischen Landeskirche veröffentlicht die antisemitische Studie Das jüdische Problem. Darin ruft der Pfarrer öffentlich zum Boykott jüdischer Geschäfte auf.
( nach Clemens Vollnhals, Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945-1949, München 1989, S. 123).

Dazu angemerkt - Zwölf Jahre später, 1933, organisiert die NSDAP - von der evangelischen Kirche unterstützt - einen landesweiten Boykott gegen jüdische Geschäfte. 1942 will Pfarrer Auer die Nazis sogar dazu bewegen, die Endlösung der Judenvernichtung landesweit in einer Nacht zu vollziehen, wenn im Krieg die alliierten Angriffe auf Deutschland nicht aufhören

fahren wir fort:

August 1921 - In Ankündigungen zum Sonntag der "Judenmission" tauchen in evangelischen Zeitungen ab 1921 Begriffe auf wie "Fremdkörper im Volksleben" oder Forderungen, den Antisemitismus zu "fördern". Ino Arndt schreibt in ihrer Doktorarbeit zu diesem Thema:
"Es muss als äußerst bedenklich erscheinen, dass die These vom ´berechtigten Antisemitismus` oder vom ´biblisch ausgewiesenen Antisemitismus` gerade in Verbindung mit der Judenmission in evangelischen Sonntagszeitungen aufgestellt wird, denn der Einfluss dieser These auf die Leserschaft kann nicht gering eingeschätzt werden"
(Arndt, a.a.O., S. 214)

Hitler im Jahre 1924:
"Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn"
(zit. nach Juden-Christen-Deutsche 1, a.a.O., S. 61)

Das Jahr 1924 - In seinem Buch Mein Kampf erklärt Adolf Hitler, die sich auf Martin Luther berufende Los-von-Rom-Bewegung um die Jahrhundertwende sei ein "schwerer politischer Fehler" gewesen (zit. nach Brigitte Hamann, a.a.O., S. 357), auch wenn er Luther ansonsten weiter bewundert. Hitler sucht als römisch-katholischer Staatsmann aber gezielt auch das Bündnis mit dem Vatikan.

Im Jahr 1933 wird Hitler der katholischen Kirche in einem "Konkordat" umfangreiche Privilegien gewähren (und führt u. a. die bis heute erhobene Kirchensteuer ein) und damit die römisch-katholische Kirche im evangelisch geprägten Deutschland in einer Weise aufwerten, die gar nicht hoch genug einzuschätzen ist (der protestantische Reichskanzler Graf Otto von Bismarck hatte ca. 60 Jahre zuvor noch Privilegien für die katholische Kirche gestrichen). Umgekehrt ist der Vatikan der erste Staat, der Nazi-Deutschland anerkennt. Papst Pius XII., dessen Seligsprechung seit einiger Zeit vorbereitet wird, wird später zum Holocaust schweigen.

Um das hier niemals zu vergessen:

29.3.1924 - Konkordat zwischen seiner Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Staate Bayern (http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/cont ... Kirche.pdf) - Kardinal Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., schloss das erste Vatikan-Konkordat im 20. Jahrhundert ab, das der Kirche die Fortsetzung der staatlichen Subventionen und Privilegien sicherte. Der Vatikan wählte dazu als ersten "Partner" den Freistaat Bayern, obwohl die Weimarer Reichsverfassung von 1919 auch in Bayern gültige ist. Darin wird unter anderem die "Ablösung" = Beendigung der Staatszahlungen an die Kirche gefordert, was bis heute [2014] nicht erfolgte. Das in diesem Sinne verfassungswidrigen Konkordat sicherte sich dem Vatikan beispielsweise den konfessionell-katholischen Religionsunterricht an Staatschulen auf Staatskosten. Es folgten die Konkordate mit Preußen (1929) und Baden (1932). "Pacellis Verhandlungspartner, selbst wenn sie ihm wie im Fall Bayern sehr gewogen waren, waren zum Teil schockiert, mit welcher Unverfrorenheit und Kaltschnäuzigkeit der römische Diplomat Maximalforderungen aufstellte und im Einzelfall sogar vor regelrechten Erpressungen nicht zurückschreckte. So stellte er im Fall des Bayern-Konkordats zwar eine Unterstützung des Vatikans für die Interessen des Deutschen Reiches in Aussicht, und zwar bei der Frage der Bistumsgrenzen in den vom deutschen Reich abgetrennten Flächen wie dem Saarland. Doch er fügte unmissverständlich hinzu, dies werde nur dann eintreten, wenn Bayern zuvor in der Frage der schulischen Erziehung die Forderungen des Vatikans erfüllen würde."
(Matthias Holzbauer, Der unselige Papst, Marktheidenfeld 2012, S. 79)

Fortsetzung folgt

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Queequeg
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#6 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 15:42

Komme wir zur Mitte der 20er Jahre und sehen, wie nach und nach die Christen dem Faschismus die Füsse küsste:

Walter Berlin, Vorsitzender der Nürnberger Ortsgruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, schreibt: "Eines der betrüblichsten Zeichen ist es, dass selbst jüngere evangelische Geistliche sich den Predigern des Judenhasses anschließen.
(Peter Zinke, An allem ist Alljuda schuld. Antisemitismus während der Weimarer Republik in Franken, Nürnberg 2009, zit. nach Evangelisches Sonntagsblatt Nr. 45, 8.11.2009)

Im Jahre 1927: Das überregionale evangelische Wochenblatt Licht und Leben möchte, dass es eine gesellschaftliche Sitte gibt, durch die verhindert wird, dass deutsche "Arier" bei Juden kaufen.

Ein Jahr zuvor schrieb Licht und Leben bereits von der "wohlbegründeten Abneigung der Völker" gegen die Juden, die "geachtet" werden müsse. Die in Elberfeld (ab 1929: Wuppertal-Elberfeld) erscheinende Zeitung (Auflage: 18.000) wird von Pastor Joseph Gauger, Inspektor der Evangelischen Gesellschaft für Deutschland, herausgegeben.
(zit. nach Arndt, a.a.O., S. 214.216)

Parallel zur Stimmungsmache gegen die jüdischen Mitbürger wird in der Kirche auch die spätere Vernichtung der Behinderten vorbereitet. So erscheint 1927 z. B. das Buch Gesetzliche Unfruchtbarmachung Geisteskranker, ein römisch-katholisches "Standardwerk", so zumindest die Beurteilung der "Vereinigung katholischer Seelsorger an deutschen Heil- und Pflegeanstalten". Das Werk stammt von dem Moraltheologen Dr. Joseph Mayer vom Institut für Caritaswissenschaften in Freiburg (Imprimatur (= kirchliche Druckerlaubnis) vom 15.2.1927). Darin warnt Dr. Mayer u. a. vor der Sexualität Behinderter und schreibt:
"Erblich belastete Geisteskranke befinden sich in ihrem Triebleben auf der Stufe unvernünftiger Tiere"

Und an anderer Stelle schreibt Dr. Mayer in seinem römisch-katholischen "Standardwerk": "Wenn darum ein Mensch der ganzen Gemeinschaft gefährlich ist und sie durch irgendein Vergehen zu verderben droht, dann ist es löblich und heilsam, ihn zu töten, damit das Gemeinwohl gerettet wird."

Nachbemerkung dazu: 13 Jahre später, im Jahr 1940, setzen die Nationalsozialisten dann diese kirchliche Forderung in die Tat um. Dem Morden voraus ging die Zwangssterilisation. Zwar spricht sich der Vatikan im Jahr 1930 offiziell gegen die Zwangssterilisation Behinderter aus (anders als die evangelische Kirche in der Treysaer Erklärung), doch kooperieren auch die katholischen Einrichtungen in Deutschland später bei der Sterilisation und nachfolgenden Ermordung mit den staatlichen Stellen und gestehen dem Staat hier z. B. "Notwehr" zu - etwa in dem Sinne, in dem es der Theologe Dr. Joseph Mayer 1927 angedacht hatte.

Fortsetzung folgt

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sven23
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#7 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 16:00

Queequeg hat geschrieben:Eigentlich eine Frage, die mich schon lange untreibt:
ist es moralisch oder ethisch gerechtfertigt, das religiöse Schrifttum einer anderen Religion sich Untertan zu machen und diese, also die Tora, im Sinne der christlichen Theologie zu annektieren und damit den jüdischen Glauben, im weitesten Sinne, dem christlichen Glauben zu unterwerfen?
Das ist eine der großen Irrationialitäten. Eine sich neu formierende Religion bemächtigt sich einer vorhandenen alten Religion, die sie quasi als Steinbruch für ihre eigene benutzt, sagt aber gleichzeitig, daß diese alte Relgion auf dem einem Irrweg ist, wenn sie nicht den Messias als Gottes Sohn anerkennt.
Wird die neue Religion anfangs noch verfolgt und bekämpft, wird sie- als sie die Macht dazu hat- vom Verfolgten zum Verfolger.
Der Bruch mit dem Judentum wurde schon durch Paulus vollzogen und die Judenfeindlichkeit in den folgenden 2000 Jahren kräftig kultiviert. Luther ist ein besonders übles Beispiel für Antisemitismus, nicht umsonst beruft sich Hitler auf ihn.
"In solch einem Krieg ist es christlich und ein Werk der Liebe, die Feinde getrost zu würgen, zu rauben, zu brennen und alles zu tun, was schädlich ist, bis man sie überwinde. Ob es wohl nicht so scheint, dass Würgen und Rauben ein Werk der Liebe ist, weshalb ein Einfältiger denkt, es sei kein christliches Werk und zieme nicht einem Christen zu tun: so ist es doch in Wahrheit auch ein Werk der Liebe".
(Martin Luther über 'Heilige Kriege')

Die Kirche hat den Boden bereitet, auf dem der Holocaust vollendet wurde.
Insgesamt eines der vielen dunklen Kapitel der christlichen Kirche.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#8 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 16:36

sven23 hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Eigentlich eine Frage, die mich schon lange untreibt:
ist es moralisch oder ethisch gerechtfertigt, das religiöse Schrifttum einer anderen Religion sich Untertan zu machen und diese, also die Tora, im Sinne der christlichen Theologie zu annektieren und damit den jüdischen Glauben, im weitesten Sinne, dem christlichen Glauben zu unterwerfen?
Das ist eine der großen Irrationialitäten. Eine sich neu formierende Religion bemächtigt sich einer vorhandenen alten Religion, die sie quasi als Steinbruch für ihre eigene benutzt, sagt aber gleichzeitig, daß diese alte Relgion auf dem einem Irrweg ist, wenn sie nicht den Messias als Gottes Sohn anerkennt.
Wird die neue Religion anfangs noch verfolgt und bekämpft, wird sie- als sie die Macht dazu hat- vom Verfolgten zum Verfolger.
Der Bruch mit dem Judentum wurde schon durch Paulus vollzogen und die Judenfeindlichkeit in den folgenden 2000 Jahren kräftig kultiviert. Luther ist ein besonders übles Beispiel für Antisemitismus, nicht umsonst beruft sich Hitler auf ihn.
"In solch einem Krieg ist es christlich und ein Werk der Liebe, die Feinde getrost zu würgen, zu rauben, zu brennen und alles zu tun, was schädlich ist, bis man sie überwinde. Ob es wohl nicht so scheint, dass Würgen und Rauben ein Werk der Liebe ist, weshalb ein Einfältiger denkt, es sei kein christliches Werk und zieme nicht einem Christen zu tun: so ist es doch in Wahrheit auch ein Werk der Liebe".
(Martin Luther über 'Heilige Kriege')

Die Kirche hat den Boden bereitet, auf dem der Holocaust vollendet wurde.
Insgesamt eines der vielen dunklen Kapitel der christlichen Kirche.

Vollkommen richtig, Paulus der Juden Verderber und der Juden Verderbnis.

Die Rolle der Kirchen, aus der Geschichte heraus und das seit Jahrhunderten, ist die des Mörders, des Judenschlächters und Judenwürgers, was dann im Holocaust sein schreckliches, uns bis heute eigentlich immer noch unbegreifliches "Finale", fand.

Und die Theologie des Neuen Testaments schaffte für das Abschlachten (der Juden) dann allemal die Grundlage.
Der Judenstern, oder die "besondere Kennzeichnung" der Juden, eine Erfindung des christlichen Mittelalters.
Das Ghetto, ebenso eine "Erfindung" des christlichen Mittelalters und das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Christentums.

Martin Luther, der Held, die strahlende Lichtfigur, einer der größten Antisemiten, die jemals das Licht der Welt erblickten, aber es wird verdrängt, wird nicht zur Kenntnis genommen und wenn doch, dann wird beschwichtigt, wird abgewiegelt, wird gelogen und verborgen, das sich die Balken biegen.

Das Christentum, Jahrhunderte gefüllt mit Mord und Brand, Jahrhunderte der Vernichtung und des Völkermordes, Jahrhunderte des Betrugs und Menschenverachtung, geistige Unterdrückung und jegliche Art des Mordens im Namen des Herrn.

Wie schrieb Nietzsche im Antichristen:

Zum Christentum wird man nicht geboren, man muß dazu nur krank genug sein.

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#9 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 16:49

Wie Gerd Lüdemann sagt, begann die Instrumentalisierung der Jesusfigur schon bei den Schreibern des NT. Es war von Anfang an ihre Absicht, das Judentum zu verteufeln.

"Literaturen Woher kam diese Judenfeindlichkeit?

Lüdemann Sie hängt mit der aggressiven Mission der ersten christlichen Gemeinden zusammen. Wer sich dem Bekenntnis zum neuen Messias nicht anschließen wollte, wurde als ungläubig verteufelt. Und weil die biblischen Texte erst allmählich und über einen längeren Zeitraum entstanden sind, tragen sie die Spuren dieses Missionsprozesses. Zum Beispiel das Gleichnis des Sämanns: Darin sagt Jesus angeblich, nur den Jüngern sei das Geheimnis der Gottesherrschaft gegeben; denen da draußen sei es hingegen nur gegeben, damit sie es sähen, aber nicht verstünden. Der ausdrückliche Sinn dieser Gleichnisrede besteht also darin, Menschen ins Nicht-Verstehen zu führen. Aber warum? Offenbar ging es einer bestimmten Gemeinde hier darum, ihren Misserfolg in der Judenmission zu erklären. Diejenigen, die sich nicht hatten missionieren lassen, werden als Unverständige und unverbesserliche Ungläubige hingestellt. Indem solche Passagen Jesus zugeschrieben wurden, hat es den Anschein, als hätte bereits er die Juden verteufelt. Das ist strategisch clever, hat aber mit der historischen Wahrheit nichts zu tun."

Quelle

Das hat sich im Laufe der Geschichte des Christentum verfestigt.

"Kein Glaubenssatz wurde uneingeschränkter gelehrt - im katholischen Worten unfehlbarer -, als 'die Juden sind verflucht, weil sie Gott getötet haben', eine Beschuldigung, die bis heute nicht offiziell zurückgenommen ist."
(Peter de Rosa, Gottes erste Diener - die dunkle Seite des Pabsttums)
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#10 Re: Die Tora unter der Deutungshoheit des Christentums?

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 16:50

Machen wir weiter, mit der Beweisaufnahme, wie sehr das Christentum daran Anteil hatte, das der Faschismus überhaupt erst ermöglicht wurde.

Das Jahr 1930:

In Berlin wird der evangelische Pfarrersohn und fanatische SA-Chef von Friedrichshain, Horst Wessel, im Zimmer seiner Verlobten, einer ehemaligen Prostituierten, von einem Zuhälter angeschossen - wahrscheinlich wegen privater Konflikte bzw. wegen Konflikten im Rotlicht-Milieu. Wessel verstirbt an den Folgen der Verletzung am 23.2.1930 und wird von Joseph Goebbels zum politischen Märtyrer des Nationalsozialismus aufgebaut. Der Hintergrund: Der Zuhälter war KPD-Mitglied. Ein Lied des Protestanten Horst Wessel ("Die Fahne hoch ...") wird nun zunächst zur Hymne der NSDAP. Doch bald wird dieses so genannte Horst-Wessel-Lied im ganzen Land zu einer Art zweiten Nationalhymne. Es wird später auch von den evangelischen Kirchenchristen unter dem Balkon von Landesbischof Hans Meiser in München gesungen (siehe hier). Die Süddeutsche Zeitung schreibt über das Pfarrhaus-Milieu, dem Horst Wessel entstammt: "Mit seiner unbedingt völkisch-nationalistischen Überzeugung, die auch die Predigten des 1879 geborenen Pastors Dr. Wilhelm Wessel prägten, gehörte der Vater Horst Wessels fraglos zu den geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus, wie Klaus Mann bereits 1939 schrieb"

und weiter geht es:

Sektenerhebung" der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern - Mit einem umfangreichen Fragebogen an die Kirchengemeinden will die evangelisch-lutherische Kirche alle Personen in ihrem Wirkungskreis erfassen, die einer "Sekte" angehören. Dazu werden gerechnet: Baptisten, Zeugen Jehovas, Neuapostolische, Spiritisten, Adventisten, Pfingstler, Neutäufer, Mennoniten, Methodisten, Creglianer, Darbyisten, Hörgerianer, Jerusalemsbrüder, "Vereinigte Brüder in Christo", Irvingianer usw.
(Nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Jahrgang 1967, S. 326).

weiterhin:

Das Deutsche Pfarrerblatt veröffentlicht einen Grundsatzbeitrag über das Verhältnis von NSDAP und Kirche. Der Autor Pfarrer Friedrich Wienecke, erklärt es zu den Aufgaben der Männer der Kirche, in die "Tiefe der nationalsozialistischen Gedankenwelt" zu schauen und sich nicht durch "äußere Schönheitsfehler" wie Härte, Rohheit und Rachsucht abschrecken zu lassen.
Unter der "rauen Schale" keime möglicherweise sogar "das beste Leben, das je aus der alten deutschen Eiche herauswuchs." Pfarrer Wienecke verweist in diesem Zusammenhang auf Hitlers Mein Kampf, wo Hitler den Deutschen die Hochachtung vor den Amtskirchen zur Pflicht macht.

!!!

Die von Gott gewollte Aufgabe für die deutsche Politik sei nach Wienecke die Förderung des "arisch-germanischen Menschen." Die Aufgabe von Theologie und Pfarrerschaft sei es, zu helfen, dass die Nazi-Bewegung nicht verrausche, sondern dass sie, "erfüllt von göttlicher Kraft unserem Volk Gesundung bringe".

bemerkenswert dabei:

Das NSDAP-Blatt Völkischer Beobachter druckt den Artikel aus dem Deutschen Pfarrerblatt wörtlich nach.
(zit. nach Arndt, a.a.O., S. 140-144)

[sic!]

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