Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

closs
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#21 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 14:16

Pluto hat geschrieben:Im Fall der hk-Methode sind eben die Erkenntnisse belegbar
Aber doch nur im Rahmen des eigenen Modells - des eigenen Sandkastens. - Diese "Wenn - dann"-Konstellation ist doch anerkannt - aber das sagt doch nichts über deren Sinnhaftigkeit aus.

Pluto hat geschrieben:Wenn das so ist, warum bemüht man sich den Rest zu interpretieren, und ihn nicht einfach als antiken Mythos stehen lässt?
Meine Rede. - Denn so wird mehr Schaden als Nutzen angerichtet.

Je mehr ich Bibel-Diskussionen beobachte, desto mehr bin ich der Meinung, dass es Phantom-Diskussionen aus Unkenntnis sind - da hat 2Lena irgendwo schon recht.

Andererseits stehen in der Bibel unendlich viele geistige Weisheiten, die man vermitteln sollte - aber eben nicht historisch. - Und trotzdem ist Historisches dabei. - Hierin kann die hkM einen Beitrag leisten, aber nicht in die Substanz hinein.

Pluto hat geschrieben:aber ich sehe nicht wie man den Mangel an Glaube, als "Indoktrination" bezeichnen kann
Das sehe ich ebenfalls nicht - das ist auch nicht das Problem.

Das Problem ist, dass der freiheitliche Rahmen mit Indoktrinationen vollgeproft wird und die Leute dann doch wieder indoktriniert sind. - Mit "freiem Willen" kann man solche Indoktrinationen nicht in den Griff bekommen, weil man sie gar nicht erkennt. - Das haben die Menschen im Mittelalter auch nicht - nur dass damals die Indoktrinierungen von der Kirche kamen.

Pluto hat geschrieben:Das alte Paradigma der Kirchen war, "Du wirst dran Glauben, oder du wirst "dran glauben".
Da hat sich nicht so viel geändert - ein Ex-DDRler hat mal gemeint "Seit wir Demokratie haben, sage ich nichts mehr" - und aus den Pegida-Protestlern kam eine Stimme, die sagte: "Wir haben 25 Jahre Honecker gehabt - wir brauchen das nicht nochmal mit der westlichen Presse".

closs
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#22 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 14:21

Pluto hat geschrieben:Das wäre dann richtig, wenn die Fundamental-Theologie ein überprüfbares Modell vorlegen könnte
Eigentlich fängt es bereits innerhalb der hkM an: Man müsste nur das mannigfach BELEGBARE Motiv des Nicht-Verstehens ("Sie haben Ohren und hören nicht") in den Mittelpunkt rücken und schon würde die hkM zum Ergebnis kommen müssen, dass die Texte, die eine äußere Naherwartung nahlegen, nicht maßstäblich für Tatsachen-Aussagen sind. - Also bereits INNERHALB der hkM klemmt es gewaltig.

Was Fundamental-Theologie angeht: Das ist ein ganz anderes Terrain, das nicht oder kaum mit hkM-Ergebnissen interferieren dürfte. - Dass dies trotzdem der Fall zu sein schein, hat mit zweierlei Dinge zu tun:

1) Die Fundamental-Theologie ist noch zu historisch orientiert.
2) Die hkM dilettiert in geistigen Fragen rum.

Beides sind Grenz-Überschreitungen des eigenen Terrains.

Pluto
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#23 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » So 12. Jul 2015, 14:33

closs hat geschrieben:Also bereits INNERHALB der hkM klemmt es gewaltig.
Dafür vermag ich keinerlei Hinweise zu erkennen. Zumindest nicht so lange, wie man sich an die Methodik hält.
Was genau bemängelst du an ihr?

closs hat geschrieben:Was Fundamental-Theologie angeht: Das ist ein ganz anderes Terrain, das nicht oder kaum mit hkM-Ergebnissen interferieren dürfte.
Aha...!? — wirklich?

Eine echte Methodik kann ich in der fundamentalen Theologie nicht erkennen; es sei denn, man wollte ein dogmatisch geprägtes Festhalten an "ge-offenbarte" Geschehnisse für Methodik halten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#24 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 15:06

Pluto hat geschrieben:Was genau bemängelst du an ihr?
Anscheinend verfährt man nach dem Motto:

a)
"Wir haben nur diese Texte, also nehmen wir sie zum Maßstab. Somit ist das, was drinsteht, als zutreffend zu setzen. - Wenn also drinsteht, Jesus habe seine zeitnahe Wiederkunft gepredigt, kalibrieren wir alles andere danach. - Also hat Jesus WIRKLICH seine zeitnahe Wiederkunft gepredigt".

b)
"Inneres Gottesreich ist in der naturalistischen Welt nicht vorgesehen, also können wir nur ein äußeres Gottesreich zum Gegenstand der Untersuchung machen. - Und somit kann die Text-Aussage 'nahes Gottesreich' nur äußerlich (auf Wolken und mit Pauken und Trompeten) gemeint sein.

Mit diesen Prämissen a) und b) engt man die Ergebnisoffenheit einer vorurteilfreien Untersuchung derart ein, dass da fast nichts mehr an Spielraum übrig bleibt.

Christlich gesehen würde man sagen:
a)
Es gibt ein "inneres Gottesreich" durch die Erlösung, die nahe ist (Jesus wird ja kurze Zeit später gekreuzigt).
b)
Es gibt ein "äußeres Gottesreich" im Sinne der Offenbarung (Am Ende der "Weltzeit")

a) und b) haben erst mal nichts miteinander zu tun, werden aber gleichermaßen in der Bibel thematisiert. - Und jetzt kommt der kritische Punkt:

Das alttestamentarisch geprägte Volk hat natürlich auf eine schnelle äußere Lösung gehofft und "das innere Gottesreich" äußerlich interpretiert (Wunsch als Vater des Gedankens). - Jesus wurde als partiell falsch rezipiert - und genau dieses Motiv der falschen Rezeption des Menschen ist biblisch mannigfach belegt.

Und so kann die hkM zu Recht sagen: Es gab im 1. Jh. n.Chr. im Volk eine äußere Naherwartung - eine Aussage, der jeder Theologe schon vor 50 Jahren zugestimmt hat. - Aber es ist historisch-kritisch nicht klärbar, ob die Texte Folge dieser äußeren Naherwartung des Volks waren oder Folge einer äußeren Naherwartung Jesu.

Aber genau letzteres wird behauptet und eben nicht nachgewiesen, weil es nicht nachweisbar ist, wenn man die Verfasser der Texte selber text-kritisch behandelt. - Genau das scheint aber nicht der Fall zu sein, was historisch-kritisch nicht satisfaktionfähig ist (wir reden hier noch gar nicht von Fundamental-Theologie).

Erst mal soweit.

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#25 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Novas » So 12. Jul 2015, 16:11

Pluto hat geschrieben:ein dogmatisch geprägtes Festhalten

Nun...man kann einem Christen schwer vorwerfen, dass er die Bibel nicht nur für ein lustiges Taschenbuch hält... ;)

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#26 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 16:21

closs hat geschrieben: Da hat sich nicht so viel geändert - ein Ex-DDRler hat mal gemeint "Seit wir Demokratie haben, sage ich nichts mehr" - und aus den Pegida-Protestlern kam eine Stimme, die sagte: "Wir haben 25 Jahre Honecker gehabt - wir brauchen das nicht nochmal mit der westlichen Presse".
Das müssen die Ossis eben noch lernen, wie man mit Meinungsvielfalt umgeht. Man muß auch Presse aushalten, die nicht die eigene Meinung wiederspiegelt. Das nennt man Pressefreiheit.
Die Lügenpresse der Pegida ist ein unhaltbarer Mythos.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#27 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 16:24

closs hat geschrieben:Eigentlich fängt es bereits innerhalb der hkM an: Man müsste nur das mannigfach BELEGBARE Motiv des Nicht-Verstehens ("Sie haben Ohren und hören nicht") in den Mittelpunkt rücken und schon würde die hkM zum Ergebnis kommen müssen, dass die Texte, die eine äußere Naherwartung nahlegen, nicht maßstäblich für Tatsachen-Aussagen sind. - Also bereits INNERHALB der hkM klemmt es gewaltig.
Wo wird denn gesagt- im Zuammenhang mit der Naherwarung- daß sie ihn nicht verstanden? Du vermischst alles wild durcheinander und beschwerst dich, daß es die HKM auch nicht so macht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#28 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 16:36

closs hat geschrieben: b)
"Inneres Gottesreich ist in der naturalistischen Welt nicht vorgesehen, also können wir nur ein äußeres Gottesreich zum Gegenstand der Untersuchung machen. - Und somit kann die Text-Aussage 'nahes Gottesreich' nur äußerlich (auf Wolken und mit Pauken und Trompeten) gemeint sein.
Jetzt erzählst du Unsinn. Es wird sehr wohl unterschieden zwischen innerem und äußerem Gottesreich. Spätestens seit Schweitzer wird die Naherwartung auf das äußere bezogen, das habe ich dir schon x-mal gesagt.
Besorg dir endlich Literatur. Wer immer nur im Eigensaft schmort, wird nie über den Tellerrand hinausblicken können.


closs hat geschrieben: Und so kann die hkM zu Recht sagen: Es gab im 1. Jh. n.Chr. im Volk eine äußere Naherwartung - eine Aussage, der jeder Theologe schon vor 50 Jahren zugestimmt hat. - Aber es ist historisch-kritisch nicht klärbar, ob die Texte Folge dieser äußeren Naherwartung des Volks waren oder Folge einer äußeren Naherwartung Jesu.
Gerade weil sich die Naherwartung schon bei Abfassung der Evangelien als falsch erwiesen hat-selbst Paulus hat das im Laufe der Zeit erkannt- hätte man sie gar nicht erwähnen müssen, wenn sie nicht authentisch gewesen wäre. Denn beim Ändern und Fälschen der Texte hatte man von Anfang an keine großen Skrupel.
"Für die Historizität dieser Worte spricht, dass sie sich schon bei Abfassung des ältesten Evangeliums quasi als falsch herausgestellt hatten und überholt waren. Sie hätten schwerlich später erfunden werden können, ihr Niederschlag in den Evangelien ist überhaupt nur zu verstehen, wenn sie die Autorität Jesu haben beanspruchen können."
Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#29 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Novas » So 12. Jul 2015, 16:37

sven23 hat geschrieben:Das müssen die Ossis eben noch lernen, wie man mit Meinungsvielfalt umgeht
Das müssen wir alle lernen.

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#30 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 16:38

Novalis hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das müssen die Ossis eben noch lernen, wie man mit Meinungsvielfalt umgeht
Das müssen wir alle lernen.
Genau. :thumbup:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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