Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

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sven23
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#1 Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Sa 11. Jul 2015, 17:49

Es bleibt nicht viel übrig, weder von AT noch von NT, wenn man dem evangelischen Theologien Gerd Lüdemann folgen will.
Auch die Verbindung von AT und NT hält er für konstruiert und historisch nicht haltbar.
http://www.fr-online.de/kultur/philolog ... 81314.html

Zitate daraus:
"Der Gebrauch des Alten Testaments durch das Neue Testament ist historisch widerlegt, denn die alttestamentlichen Verfasser hatten an keiner Stelle die Personen und Geschehnisse im Blick, die ihnen die neutestamentlichen Autoren zuschreiben."

"Kein Buch des Mose stammt von Mose, kein Psalm Davids von David, kein Spruch Salomos von Salomo, keine Vision Daniels von Daniel, die allerwenigsten Prophetenworte von den Propheten, unter deren Namen die Bücher überliefert sind."

"So viel steht jedenfalls fest: Es gab keinen Exodus aus Ägypten, keine Sinaioffenbarung, keine Zehn Gebote, Abraham und Mose sind bloße Namen, Jericho wurde nie erobert, der Pentateuch, die sogenannten fünf Bücher Mose, wurde erst im 5. vorchristlichen Jahrhundert zusammengestellt. Weil sie wahr sind, kann man diese Sätze nicht oft genug wiederholen, denn fast 2000 Jahre lang haben Kirchenfunktionäre – zur Erhaltung ihrer Macht – nicht selten das glatte Gegenteil gepredigt"

Was bleibt übrig am Ende des Tages?
Ich fürchte, nicht viel.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Martinus
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#2 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Martinus » Sa 11. Jul 2015, 22:05

sven23 hat geschrieben:
Was bleibt übrig am Ende des Tages?
Ich fürchte, nicht viel.

Historisch kritisch betrachtet: nix, war halt nur ne längere orientalische Märchenstunde. Moses Märchenbuch :wave:
Angelas Zeugen wissen was!

2Lena
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#3 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von 2Lena » Sa 11. Jul 2015, 22:51

Lüdemann zitiert aus Zeitung: "Der Gebrauch des Alten Testaments durch das Neue Testament ist historisch widerlegt, denn die alttestamentlichen Verfasser hatten an keiner Stelle die Personen und Geschehnisse im Blick, die ihnen die neutestamentlichen Autoren zuschreiben."
Stöhn ... das kommt davon, ...
da an den Universitäten die *Auslegung (noch) nicht gelehrt wird. Somit erklären leider viele Prof. die Bibel für verkehrt, überholt und die Kirchenlehre - ebenso. Es geschieht bei viel Irreführung und mächtigen Beschuldigungen.

"Lüdemann: So viel steht jedenfalls fest: Es gab keinen Exodus aus Ägypten, keine Sinaioffenbarung, keine Zehn Gebote, Abraham und Mose sind bloße Namen, Jericho wurde nie erobert, der Pentateuch, die sogenannten fünf Bücher Mose, wurde erst im 5. vorchristlichen Jahrhundert zusammengestellt.
Mit zuviel oder zu wenig über die Lehre ... ist Schieflage da. Beim Zuwenig werden die Gläubigen bei solchen Reden erschüttert. Sie bekamen den groben, aber richtigen Überblick, aber keinen Zusammenhang im Detail. Anders herum ist nichts ausreichend in der Lehre - und der Zusammenbruch in Sicht, ohne Aufbau. Es stimmt, dass Hebräisch als Lautschrift im 5. Jahrhundert vor Chr. entstand. Die Lehre ist Jahrtausende alt. Abraham und Mose sind nicht allein Namen. Es gibt Gesetze. Drei Stränge gehören mindestens gleich über die *Auslegung erschlossen. Dann erst wird die Historik verstanden und etwas über die Allgemeinbildung.

closs
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#4 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 00:12

sven23 hat geschrieben:Was bleibt übrig am Ende des Tages? Ich fürchte, nicht viel.
Da muss ich wirklich mal 2Lena zustimmen - allerdings in anderen Worten, die da lauten:

Es ist scheißegal, ob Mose die Bücher Mose geschrieben hat (behauptet das jemand?) oder die Israeliten aus Ägypten ausgewandert sind. - Nicht dass ich es ausschließe - ich sage nur, dass es wurscht ist.

Geistige Dinge sind nur in Chiffren vermittelbar - diese Chiffren können historischer Natur sein (auch Historie ist Chiffre) oder dichterischer Natur sein - es ist egal.

Das einzige, was nicht egal ist, ist: Wird hier Geist/Gott deutlich macht? - Und was ist daraus für den Menschen erkennbar?

sven23 hat geschrieben:Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?
Ein Kratzen an der Oberfläche.

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sven23
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#5 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 05:12

Martinus hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Was bleibt übrig am Ende des Tages?
Ich fürchte, nicht viel.

Historisch kritisch betrachtet: nix, war halt nur ne längere orientalische Märchenstunde. Moses Märchenbuch :wave:
Ja, kann man so sagen. :thumbup:
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sven23
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#6 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 05:22

closs hat geschrieben: Es ist scheißegal, ob Mose die Bücher Mose geschrieben hat (behauptet das jemand?) oder die Israeliten aus Ägypten ausgewandert sind. - Nicht dass ich es ausschließe - ich sage nur, dass es wurscht ist.
Es ist nur egal, wenn man glaubentechnische Scheuklappen an hat.

closs hat geschrieben: Geistige Dinge sind nur in Chiffren vermittelbar - diese Chiffren können historischer Natur sein (auch Historie ist Chiffre) oder dichterischer Natur sein - es ist egal.
Bei der Bibel ist Dichtung und Wahrheit bunt vermischt.

closs hat geschrieben: Das einzige, was nicht egal ist, ist: Wird hier Geist/Gott deutlich macht? - Und was ist daraus für den Menschen erkennbar?
Wohl eher nicht.

sven23 hat geschrieben:Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?
Ein Kratzen an der Oberfläche.[/quote]
Wenn der schöne Chiffrenlack mal abgekratzt wird, kommt darunter der morsche Rost zum Vorschein.

Wenn man natürlich nicht an der Wahrheit interessiert ist aus ideologischen Gründen, wird man immer den bunten Lack bewundern. Mag sein, daß sich viele mit der Oberfläche begnügen, die HKM ist es zum Glück nicht.
Lüdemann spricht es deutlich an und stimmt hier Conzelmann zu:
" Im Interesse klarer Kommunikation sollten Kirche und akademische Theologie diese sichere wissenschaftliche Erkenntnis den christlichen Gemeinden und der Öffentlichkeit ebenso unzweideutig mitteilen, wie das Naturwissenschaftler hinsichtlich der Widerlegung des Ptolemäischen Weltbildes getan haben"

Das wird bis heute nicht gemacht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#7 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » So 12. Jul 2015, 11:07

sven23 hat geschrieben:Es ist nur egal, wenn man glaubentechnische Scheuklappen an hat.
Es scheint schwer verständlich zu sein: Die historische Textkritik ist a) in sich spannend und wichtig sowie b) von einer gewissen Relevanz für theologische Fragen. - Aber sie ist kein THEOLOGISCHES Handwerkszeug.

Das hat nichts mit Scheuklappen zu tun. - Mal ein anderes Beispiel: Ein Schriftsetzer (das gab es früher mal) hat viel mit Sprache zu tun und ist wichtig - aber er ist deshalb nicht relevant für einen Schriftsteller. - Wenn man das sagt, hat dies nichts mit Scheuklappen zu tun.

sven23 hat geschrieben:Bei der Bibel ist Dichtung und Wahrheit bunt vermischt.
Historie und Dichtung sind bunt vermischt - ja. - Das Gegensatzpaar "Dichtung und Wahrheit" ist aber irreführend, denn auch Dichtung kann wahr sein. - Wenn Goethe gewusst hätte, was die Welt aus seinem Buchtitel "Dichtung und Wahrheit" macht, hätte er es wahrscheinlich gelassen.

sven23 hat geschrieben:Wenn der schöne Chiffrenlack mal abgekratzt wird, kommt darunter der morsche Rost zum Vorschein.
Das ist ein übler Kategoriefehler (siehe "Schriftsetzer und Schriftsteller"). - Wenn Verfechter der historischen Textkritik meinen, über theologische Substanz zu entscheiden, ist das so, als würden Schriftsetzer den Literaturnobelpreis vergeben.

sven23 hat geschrieben:" Im Interesse klarer Kommunikation sollten Kirche und akademische Theologie diese sichere wissenschaftliche Erkenntnis den christlichen Gemeinden und der Öffentlichkeit ebenso unzweideutig mitteilen, wie das Naturwissenschaftler hinsichtlich der Widerlegung des Ptolemäischen Weltbildes getan haben"
Da bin ich tatsächlich anderer Meinung - allerdings bin ich auch anderer Meinung als die Kirchen.

Die Kirchen sollte nicht Geschehnisse als historisch darstellen, die nicht historisch sind, da geistige Dinge nicht ihren Ursprung in der Historie haben. - Umgekehrt sollte in den Gemeinden nicht über historisch-kritische Status-Quos berichtet werden, als sei die Gemeinde Vorlesungs-Publikum für historische Dinge. - Hier machen beide Seiten denselben Fehler.

Im übrigen sind die Gemeinden sehr weit weg von dogmatischen Dingen und fast vollständig mit Pastorale/Seelsorge beschäftigt. Ich habe in den letzten 30 Jahren weder in katholischen noch evangelischen Gemeinden ernsthafte fundamental-theologische Diskussionen gehört. - Wenn es mal versucht wurde, war es eine Katastrophe.

Man darf davon ausgehen, dass Diskussionen "historisch-kritisch" contra "fundamental-theologisch" nur auf einer Kampfebene jenseits der Bevölkerung stattfindet - ein geistiger Kulturkampf zwischen Agnostizismus und Spiritualität. Die Demokratisierung solche Kämpfe führt zu tragischem geistigen Kabarett.

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#8 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von R.F. » So 12. Jul 2015, 11:11

sven23 hat geschrieben:Es bleibt nicht viel übrig, weder von AT noch von NT, wenn man dem evangelischen Theologien Gerd Lüdemann folgen will.
Auch die Verbindung von AT und NT hält er für konstruiert und historisch nicht haltbar.
- - -
Sollten diese Gedanken Lüdemanns eigenem Kopf entspringen, muss der Leser sich fragen, warum dieser Kopf nicht imstande ist, Texte im Zusammenhang zu erfassen. Was Lüdemann zeigt, ist eine höchst eindimensionale, geradezu dümmliche Betrachtungsweise biblischer Texte. Er sollte nochmal ganz von vorn anfangen. Und um Himmelswillen mit öffentlichen Äußerungen zurückhaltend sein. Noch besser: Nicht zuletzt im eigenen Interesse der Theologie völlig entsagen. Er kann es nämlich nicht...

Werke wie die Lüdemanns und seiner Gesinnungsgenossen eignen sich vorzüglich dazu, den Blick auf die geschichtliche und aktuelle Realität zu vernebeln. Die Folgen zeigten sich nicht erst mit den Weltkriegen, sondern längst vorher. Hätten diese Theologen nicht mithilfe der “aufgeklärten” Naturalisten derart erfolgreich vorgearbeitet, würde der jetzige niederländische König bei seiner Inthronisations-Rede wohl kaum gesagt haben: “Was die Zukunft bringt, wissen wir nicht.” Im Grunde helfen Äußerungen solcher hochrangigen Persönlichkeiten den Gegner von AT und NT mehr als die Schriften Bultmanns und dessen zahllosen Gleichgesinnten...

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sven23
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#9 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 11:35

R.F. hat geschrieben: Nicht zuletzt im eigenen Interesse der Theologie völlig entsagen. Er kann es nämlich nicht...
.
Ja, Lüdemann ist einer von denen, die über die Beschäftigung mit dem NT ihren christlichen Glauben komplett verloren haben.
Wenn man einmal hinter die Kulissen geschaut hat, ist die Magie eines Zaubertricks dahin.
Manche haben sogar ihre Professur zurückgegeben, was eigentlich nur konsequent ist.
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#10 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2015, 11:42

closs hat geschrieben: Ich habe in den letzten 30 Jahren weder in katholischen noch evangelischen Gemeinden ernsthafte fundamental-theologische Diskussionen gehört. -
Man darf davon ausgehen, dass Diskussionen "historisch-kritisch" contra "fundamental-theologisch" nur auf einer Kampfebene jenseits der Bevölkerung stattfindet -
Logisch, solche Diskussionen meidet die Kirche wie der Teufel das Weihwasser. :lol:
Imo müßten in der Schule/Kirche beide Seiten vorgestellt werden. Dann kann jeder sich selbst ein Bild machen und eine Entscheidung treffen.
Wie schon Schopenhauer richtig sagte:
"Wenn die Welt erst ehrlich genug sein wird, um Kindern vor dem 15. Jahre keinen Religionsunterricht zu erteilen, dann wird etwas von ihr zu hoffen sein."
(Arthur Schopenhauer, 1788-1860)
Aber von der frühkindlichen Indoktrination will die Kirche nicht lassen.
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