Errettung? Vor was eigentlich?

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Demian
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#51 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Demian » Mi 22. Mai 2013, 22:16

Ein ewiger, traumloser Schlaf, wäre eine echte Erlösung. Das ist für mich kein Kritikpunkt am Atheismus. Frei nach Epikur: wo ich bin, ist der Tod nicht; und wo der Tod ist, bin ich nicht mehr. In einer Welt, in der die Gewalt oft so übermächtig erscheint, ist der Glaube, an eine allumfassenden Liebe, lebensbejahend. Denn erst dann kann ich, angesichts der eigenen Sterblichkeit, wirklich frei sein. Nicht die Mörder und Betrüger, die über Leichen gehen, behalten das letzte Wort, sondern die Liebe eines ewigen Du, dass uns meint und will. Warum sollte ich in dieser Welt nicht selbst ein Betrüger werden, mich der Logik der Gewalt unterwerfen, wenn man damit doch sichtlich Erfolg hat? Warum sollte ich moralisch sein, wenn es doch oft so hinderlich ist? Da setzt Jesus an: weil die Liebe schon immer Recht hatte.

Kingdom hat geschrieben:
Demian hat geschrieben: das viel größere Problem sind die Konsequenzen im Hier und Jetzt.
Wenn es im hier und jetzt nicht klappt, ist es tragisch, tragischer wäre es für die Ewigkeit. Wer mit Krieg, Armut, Hunger, [...]

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Josi
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#52 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Josi » Mi 22. Mai 2013, 23:25

Magdalena61 hat geschrieben:
Josi hat geschrieben:Epikur

In diesem Sinne möchte ich hoffen, dass über die hier gestellte Frage ein wenig tiefgründiger nachgedacht wird.
Mal einige bescheidene Fragen--- sie beziehen sich auf deine Gewohnheiten der Informationsbeschaffung: Kaufst du deine Tageszeitung eigentlich gebraucht? So einen oder zwei Tage später kommt sie dich doch sicher um einiges kostengünstiger. :angel:
Oder bist du vielleicht Nutznießer eines Lesezirkels? In so einem dürfen die neuesten Nachrichten erst dann, wenn sie "dran" sind.
Seit dem 1. Januar 2002 zahlt man in Deutschland (offiziell) mit dem Euro. :D :mrgreen: Nicht mehr mit Reichstalern oder mit Dukaten...
LG
Wieso? Wenns nach dir ginge, würden wir heute noch mit Schekel bezahlen. Oder nicht? :lol:

LG, Josi ;)

Übrigens: Dein Wolfspelz steht dir gut. :thumbup:
Wer propagiert, es sei nicht schlimm wenn Menschen - einschließlich Kinder - getötet werden, da sie bei Gott weiter leben würden, gehört selbst auf der Stelle mit der Begründung getötet: "DIES SEI AUCH DIR GEGÖNNT!!!"

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Magdalena61
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#53 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Magdalena61 » Mi 22. Mai 2013, 23:51

Josi hat geschrieben:Wieso? Wenns nach dir ginge, würden wir heute noch mit Schekel bezahlen. Oder nicht? :lol:
Schekel? Klingt nach Israel.
Hm, was ich sagen wollte... war eigentlich: Der Herr Epikur... konnte das Evangelium nicht kennen, da er 271 oder 270 v. Chr. gestorben ist. Dass er sich mit dem Gott und der Theologie eines kleinen und relativ unbekannten ehemaligen Nomadenvolkes befasste ist kaum anzunehmen- oder ist etwas anderes bekannt?
Was ihm zur Verfügung stand an "Göttern"- und deren Unzulänglichkeiten- das hätte mich auch nicht überzeugt.
In diesem Sinne akzeptierte er die Volksgötter der olympischen Religion und deren Kult, nahm ihnen aber alle diejenigen Eigenschaften, die mit seiner Lehre unvereinbar waren, und entfernte damit auch alle entsprechenden Vorstellungen und Erwartungen aus dem Kult. Quelle
Von daher sind seine Haltung, sein Denken in Bezug auf das "Göttliche" nachvollziehbar.

Aber eben auf seine Zeit und die ihn umgebende Kultur bezogen. Die "allgemeinen" Feststellungen sind interessant und, wie ich finde, teilweise echt bemerkenswert.
Epikurs Ethiklehre zielt im Kern auf Erhöhung und Verstetigung der Lebensfreude durch den Genuss eines jeden Tages, womöglich jeden Augenblicks, wie es das Motto des Horaz: carpe diem (nutze den Tag) besagt. Dazu gilt es, alle Beeinträchtigungen des Seelenfriedens zu vermeiden bzw. zu überwinden, die aus Begierden, Furcht und Schmerz erwachsen können. Die Lust am Leben stetig auszukosten, macht die Kunst des epikureischen Weisen aus. Quelle
Das ist universal... das sagen alle Religionen... und sie versuchen, Wege aufzuzeigen, wie man dahin kommen kann.

Wenn Epikur mit Paulus bekannt geworden wäre... vielleicht hätte er dann der Nachwelt andere Erkenntnisse hinterlassen.(?)
Josi hat geschrieben:Übrigens: Dein Wolfspelz steht dir gut. :thumbup:
:shock: Haare im Gesicht sind nicht gerade das, wovon Frauen träumen.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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Kingdom
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#54 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Kingdom » Do 23. Mai 2013, 21:19

Demian hat geschrieben:Ein ewiger, traumloser Schlaf, wäre eine echte Erlösung. Das ist für mich kein Kritikpunkt am Atheismus. Frei nach Epikur: wo ich bin, ist der Tod nicht; und wo der Tod ist, bin ich nicht mehr. In einer Welt, in der die Gewalt oft so übermächtig erscheint, ist der Glaube, an eine allumfassenden Liebe, lebensbejahend. Denn erst dann kann ich, angesichts der eigenen Sterblichkeit, wirklich frei sein. Nicht die Mörder und Betrüger, die über Leichen gehen, behalten das letzte Wort, sondern die Liebe eines ewigen Du, dass uns meint und will. Warum sollte ich in dieser Welt nicht selbst ein Betrüger werden, mich der Logik der Gewalt unterwerfen, wenn man damit doch sichtlich Erfolg hat? Warum sollte ich moralisch sein, wenn es doch oft so hinderlich ist? Da setzt Jesus an: weil die Liebe schon immer Recht hatte.

Kingdom hat geschrieben:
Demian hat geschrieben: das viel größere Problem sind die Konsequenzen im Hier und Jetzt.
Wenn es im hier und jetzt nicht klappt, ist es tragisch, tragischer wäre es für die Ewigkeit. Wer mit Krieg, Armut, Hunger, [...]

Im hier und jetzt nehmen wir wahr, wenn es zuviel wird, so bemühen wir die Lust das wir es nicht so wahrnehmen, was wir eigentlich wahrnehmen sollten aber auch die Philosophie, gibt uns keine Garantie, das wir es in Ewigkeit, nicht mehr wahrnehmen werden.

Erst wenn wir frei sind, um wahr zu nehmen, werden wir erkennen, das ein zum Leben erschaffenes Wesen, nur im Leben die wahre Bestimmung finden kann und nie im Tod. Wer dieses Leben findet, für den wird der Tod nie eine Alternative sein.

Ist es aber nicht der Tod, der uns darin hindert, das Leben zu finden? Keine Wahrnehmung für das Leben, für die Liebe; dafür aber eine grosse Wahrnehmung für alles, was uns noch mehr tötet?


LG Kingdom

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#55 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Josi » Fr 24. Mai 2013, 00:02

Magdalena61 hat geschrieben:Wenn Epikur mit Paulus bekannt geworden wäre...
... dann hätte Epikur sicher vor Ekel Nietzsches Empfehlung vorweggenommen, beim lesen des NT Handschuhe anzuziehen.

Würde Epikur sich heutzutage zu Wort melden können, dann würde er mit großer Wahrscheinlichkeit sagen: "Menschen, die meine Überlegungen richtig verstanden haben, sind sicher nicht selten, wie z. B. Carl Sagan, um nur einen dieser Menschen zu nennen."

Magdalena61 hat geschrieben:
Josi hat geschrieben:Übrigens: Dein Wolfspelz steht dir gut. :thumbup:

:shock: Haare im Gesicht sind nicht gerade das, wovon Frauen träumen.
Zumindest nicht offiziell.

LG, Josi ;)
Wer propagiert, es sei nicht schlimm wenn Menschen - einschließlich Kinder - getötet werden, da sie bei Gott weiter leben würden, gehört selbst auf der Stelle mit der Begründung getötet: "DIES SEI AUCH DIR GEGÖNNT!!!"

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#56 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Demian » Fr 24. Mai 2013, 01:18

Wir wissen natürlich nicht, was Epikur heute denken würde ... aber gerade Nietzsche ist kein gutes Beispiel. Es lässt sich leicht bei Nietzsche ein atheistisch-prophetischer Geist aufzeigen; aber er war es aus Empörung gegenüber einer oberflächlichen Religiosität. Sein ganzes Werk kann man als einen Versuch verstehen, das Prophetische im Menschen - losgelöst von der Religion - zu retten. Ihn einseitig für eine "gottloses" Weltbild zu vereinnahmen, wäre, in meinen Augen, gerade nicht in seinem Sinn, denn gerade diesen Vereinseitigungen wollte er sich zeitlebens widersetzen. Mit Sicherheit könnte ich mich heute mit ihm, bei einem guten Wein und einer Wagner-Aufführung ( :mrgreen: ), besser über Gott und die Welt unterhalten, als mit diversen Christen, die Glauben als einen Vorwand verstehen, nicht mehr selbstständig denken zu müssen.

Nietzsche sagte ja auch im Antichrist über Jesus: Man könnte, mit einiger Toleranz im Ausdruck, Jesus einen "freien Geist" nennen - er macht sich aus allem Festen nichts: das Wort tötet, alles, was fest ist, tötet. Der Begriff der Erfahrung "Leben", wie er sie allein kennt, widerstrebt bei ihm jeder Art Wort, Formel, Gesetz, Glaube, Dogma. Er redet bloß vom Innersten: "Leben" oder "Wahrheit" oder "Licht" ist sein Wort für das Innerste, - alles übrige, die ganze Realität, die ganze Natur, die Sprache selbst, hat für ihn bloß den Wert eines Zeichens, eines Gleichnisses. Oder: Dieser "frohe Botschafter" starb wie er lebte, wie er lehrte - nicht um "die Menschen zu erlösen", sondern um zu zeigen, wie man zu leben hat.

Josi hat geschrieben:
Magdalena61 hat geschrieben:Wenn Epikur mit Paulus bekannt geworden wäre...
... dann hätte Epikur sicher vor Ekel Nietzsches Empfehlung vorweggenommen, beim lesen des NT Handschuhe anzuziehen.
Zuletzt geändert von Demian am Fr 24. Mai 2013, 06:15, insgesamt 1-mal geändert.

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#57 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Josi » Fr 24. Mai 2013, 03:11

Demian hat geschrieben:Es lässt sich leicht bei Nietzsche ein atheistisch-prophetischer Geist aufzeigen; aber er war es aus Empörung gegenüber einer oberflächlichen Religiosität. [...]
Mit Sicherheit könnte ich mich heute mit ihm, bei einem guten Wein und einer Wagner Aufführung ( :mrgreen: ), besser über Gott und die Welt unterhalten, [...]
Nietzsche sagte ja auch im Antichrist über Jesus: [...]
Zwei Sätze zurück nennt Nietzsche Jesus einen Anti-Realisten.
Wahrscheinlich würde Nietzsche mit dir auch keinen Wein trinken wollen, denn was zu viel ist, ist nun mal zu viel - das erträgt man auch mit dem denkbar besten Wein nicht mehr.

Und bitte, man wird nicht gleich zum "wie auch immer gearteten" Propheten, nur weil man sich zu einer religionsfanatischen und somit sensationell starrsinnigen Verhaltenstendenz äußert.
So verstanden, müsste jeder ein Prophet sein, der ansagt, dass auch zukünftige Unbelehrbare unbelehrbar sind.

LG, Josi :chapeau:
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#58 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Demian » Fr 24. Mai 2013, 05:03

Was ist denn "zu viel" ... und wer entscheidet das? ;) Ich halte nichts davon, diesen großen Freidenker in irgendeiner Weise zu vereinnahmen. Er war ein Atheist ... aber er war viel mehr, als ein Atheist. So auch etwa Ludwig Wittgenstein. Prophetisch war seine Sprache, die Musik darin, die starke Betonung des Dionysischen, die Ablehnung von systematischen Lehren, zugunsten eines universalen Denkens als l'art pour l'art. So gesehen können wir Nietzsche zu den großen "gottlosen Mystikern" rechnen. Man kann ihn so beschreiben. Nietzsche ist eine derart ambivalente Figur, dass es mit einer solchen Definition aber nicht getan sein kann. Das Prophetische ist eben ein möglicher Aspekt/ eine Neigung seines Denkens.

Josi hat geschrieben: Wahrscheinlich würde Nietzsche mit dir auch keinen Wein trinken wollen, denn was zu viel ist, ist nun mal zu viel - das erträgt man auch mit dem denkbar besten Wein nicht mehr. Und bitte, man wird nicht gleich zum "wie auch immer gearteten" Propheten, nur weil man sich zu einer religionsfanatischen und somit sensationell starrsinnigen Verhaltenstendenz äußert.

Mit den Unbelehrbaren meinte Nietzsche aber die Bildungsphilister jeder Art. "Diese Macht, diese Gattung von Menschen will ich bei Namen nennen — es sind die Bildungsphilister. Das Wort Philister ist bekanntlich dem Studentenleben entnommen und bezeichnet in seinem weiteren, doch ganz populären Sinne den Gegensatz des Musensohnes, des Künstlers, des echten Kulturmenschen. Der Bildungsphilister aber — unterscheidet sich von der allgemeinen Idee der Gattung "Philister" durch Einen Aberglauben: er wähnt selber Musensohn und Kulturmensch zu sein."

So verstanden, müsste jeder ein Prophet sein, der ansagt, dass auch zukünftige Unbelehrbare unbelehrbar sind.

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#59 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Josi » Fr 24. Mai 2013, 06:56

Demian hat geschrieben:Was ist denn "zu viel" ... und wer entscheidet das?
Nietzsche, könnte er sich zu deiner angebotenen Plauderei bei einem guten Wein und einer Wagner Aufführung äußern, zumal wenn jemand zu seiner Person meint:
Demian hat geschrieben:Ich halte nichts davon, diesen großen Freidenker in irgendeiner Weise zu vereinnahmen.
Warum tust Du es dann mit religiösen Sprachklängen wie z. B.
Demian hat geschrieben:Ihn einseitig für eine "gottloses" Weltbild zu vereinnahmen, wäre, in meinen Augen, gerade nicht in seinem Sinn, [...]
?
Oder auch auf folgende Weise:
Demian hat geschrieben:Es lässt sich leicht bei Nietzsche ein atheistisch-prophetischer Geist aufzeigen; aber er war es aus Empörung gegenüber einer oberflächlichen Religiosität.
Nietzsche war also bloß ein Gegner einer oberflächlichen Religiösität?
Was heißt das im Umkehrschluss? Etwa, dass Nietzsche ein Befürworter tiefgründiger Religiösität gewesen sei?
(Sag mal, Du bist nicht zufällig ein an Gott glaubender "Sozialwissenschaftler". Oder?)

Schade übrigens, dass Du die Anmerkung "Das ist mir zu einfach" gelöscht hast, denn Du selbst hattest ja im Threat >Karl Popper: Alles ist nur Vermutung< auf Ockhams Rasiermesser hingewiesen.
Warum also lässt Du Nietzsche nicht das bleiben, was er tatsächlich war, nämlich ein Gegner jeglicher Religiösität, der zudem Leute, die nur zu gerne alles Mögliche in einem uneindeutig definierten Sinne vermystifizieren, nicht ausstehen konnte.

"Prophetisch war seine Sprachweise..." - Wo holt man sich so eine Deutung her?
Und was bitte willst Du mit Wittgenstein, der doch meinte, Philosophie sei ein Kampf gegen die Verhexung (Vermystifizierung) unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache (Philosophischen Untersuchungen - 1953).

Solltest Du in irgendeiner Weise religiös-mystisch orientiert sein, dann halte bitte Leute wie Nietzsche, Wittgenstein und andere Rationalisten da raus.
OK?

LG, Josi
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#60 Re: Errettung? Vor was eigentlich?

Beitrag von Demian » Fr 24. Mai 2013, 09:09

Mit prophetisch meine ich, dass Nietzsches Philosophie noch als „große Erzählung“ erscheint, noch einen weltverändernden Pathos in sich trägt, wie er für die neuzeitliche Philosophie eher untypisch ist. Er dachte in großen Bildern und Träumen … und suchte sie auch immer wieder. Er sprach zum Beispiel davon, dass die dreifache Grenze fallen solle, die Grenze nach innen, die Grenze zum Andern und die Grenze zur Natur, was er als die „große Versöhnung im Fest des Daseins“ beschrieb, als „ekstatische“ Art, mit sich selbst befreundet zu sein. Dahingehend ähnelt er vielen Mystikern, die sich freilich auch nur unzureichend in irgendein Schema einordnen lassen. Ich sehe kein Problem darin, ihn mit Lao-Tzi, Meister Eckhart, Buddha oder Gershom Sholem in Verbindung zu bringen.

Josi hat geschrieben: Nietzsche war also bloß ein Gegner einer oberflächlichen Religiösität?
Was heißt das im Umkehrschluss? Etwa, dass Nietzsche ein Befürworter tiefgründiger Religiösität gewesen sei?

Von Nietzsche und Wittgenstein lasse ich mich anregen ... das ist alles. :) Für mich gilt, wie es Ernst Bloch in seiner Schrift Atheismus im Christentum in Worte fasste: Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, nur ein guter Christ kann ein Atheist sein. In dieser Paradoxie betrachte ich die Welt, weil sie eben diese vielen Perspektiven beinhaltet. Eindeutiges, Mehrdeutiges, Undeutliches ... das alles geht ineinander über. Scheinbare Eindeutigkeit ist eine Illusion.

Warum also lässt Du Nietzsche nicht das bleiben, was er tatsächlich war, nämlich ein Gegner jeglicher Religiösität, der zudem Leute, die nur zu gerne alles Mögliche in einem uneindeutig definierten Sinne vermystifizieren, nicht ausstehen konnte.
"Prophetisch war seine Sprachweise..." - Wo holt man sich so eine Deutung her?
Und was bitte willst Du mit Wittgenstein, der doch meinte, Philosophie sei ein Kampf gegen die Verhexung (Vermystifizierung) unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache (Philosophischen Untersuchungen - 1953).


Ich habe keine Lehre, für die ich sie verbiegen müsste ... ich lese sie ... und ja, ich lese ebenso religiöse und "mystische" Literatur. Das sind für mich eben verschiedene Betrachtungen der Wirklichkeit. Da ich mich nicht nur für eine, sondern für alle, also die ganze Wirklichkeit interessiere, beschäftige ich mich auch damit. Angewandter Agnostizismus. ;)
Deinen sehr negativen Religions- und Mystikbegriff verstehe ich also nur bedingt. Wobei ich dazu sagen muss: ich interessiere mich vordergründig für Religionswissenschaft.

Solltest Du in irgendeiner Weise religiös-mystisch orientiert sein, dann halte bitte Leute wie Nietzsche, Wittgenstein und andere Rationalisten da raus.
OK?

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