sven23 hat geschrieben:Läßt sich dieser Widerspruch überaupt befriedigend lösen?
Zunächst wäre zu klären, ob es überhaupt ein Widerspruch ist.
Die Idee des sogenannten "freien Willens" sagt ja nicht mehr, als dass der Wille frei ist - man kann also frei wollen. So kann man frei wollen, ein Känguruh zu sein - keiner hindert einen. - Das heisst: Ob ein eigener "freier Wille" zur Erfüllung des Gewollten führt, ist nicht Aufgabe des "freien Willens".
sven23 hat geschrieben:daß es eine göttiche Fügung gibt, Gott also das Schicksal der Menschen vorherbestimmt und aktiv beeinflußt.
"Fügung" ist nicht "Manipulation". - "Fügung" bedeutet dagegen, dass alles, was passiert, so gestaltet wird, dass am Ende das herauskommt, was herauskommen soll.
"Vorherbestimmt" ist auch missverständlich: Versteht man Gott als
überzeitliche Instanz (imo geht es nicht anders), bestimmt er nichts "voraus", sondern darüber - das heisst: In der Überzeitlichkeit liegt alles Geschehen in der Zeit von Alpha bis Omega "gleichzeitig" vor. - Und dieses "Alles" ist tatsächlich "aktiv beeinflusst" - allerdings nicht im Wissen des Menschen, der sich mit seinem tatsächlich (!) "freien Willen" abmüht. - Im Griechischen gibt es dafür ansatzweise den Begriff des "Kairos".
"Kairos" ist, wenn zwei oder mehrere Umstände, die NICHT kausal verknüft sind, zu EINEM Zeitpunkt x zusammenkommen - die junge Frau will Begonien gießen, fällt herunter und direkt in die Arme eines jungen Mannes, der gerade im Streit mit seiner Mutter sein Haus verlassen hat. - Im Volksmund und in den Naturwissenschaften nennt man das "echten Zufall" - und das zu Recht. - Im Zusammenhang mit "Fügung" GIBT es jedoch keinen Zufall, weil Gottes Fügung nicht Bestandteil des Daseins ist, sondern "nur" hineinwirkt.
sven23 hat geschrieben: zum anderen tritt Gott als Verursacher von Leid auf
Das tut er (indirekt) sowie so - wer Allmacht hat, kann Leid verhindern. - Also gibt es einen Grund dafür, dass Gott es NICHT verhindert.
sven23 hat geschrieben: Die sich daraus ableitende Prädestinationslehre ist auch theologisch umstritten.
Zu Recht. - Das hat aber damit zu tun, dass sie nicht ganz zu kapieren scheint (bzw. es nicht kapieren will), was Fügung ist. - Hier zwei Zitate aus wiki, die unter dem Stichwort "Prädestination" gebracht werden:
„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.“
– Epheser 1,3–6 LUT
„Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.“
– Römer 8,28–30 LUT
Hier wird ausschließlich gesagt, dass Menschen begnadet sein können, eine besondere Rolle in der Heilsgeschichte wahrzunehmen - also Routine. - Das ist schon seit Mose so - alle wurden berufen, also prä-destiniert.
Das gilt auch im Alltag: Allein die Unterschiedlichkeit genetischer Anlagen ist Prädestination - weil diese Anlagen mit-entscheiden, was einer später einmal wird - oder in Worten Goethes:
Urworte, orphisch
ΔΑΙΜΩÎ, Dämon
Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen,
Die Sonne stand zum Gruße der Planeten,
Bist alsobald und fort und fort gediehen
Nach dem Gesetz, wonach du angetreten.
So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen,
So sagten schon Sibyllen, so Propheten;
Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt
Geprägte Form, die lebend sich entwickelt.
Es scheint also so, dass es vollkommen unterschiedliche Auffassungen gibt, was "Fügung" überhaupt "ist". - Was ist für Dich Fügung? - Hast Du Beispiele?