Alles Teufelszeug? III

closs
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#971 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mo 1. Aug 2016, 22:55

Münek hat geschrieben:Doch - mit der akribisch-professionellen historisch-kritischen Textauslegung geht es.
Du überschätzt die HKM extrem. Sie kann Einzelfragen gut beantworten, ist aber trotzdem eng gestrickt.

Münek hat geschrieben:Metzinger hat seine Überzeugung außerordentlich gut begründet.
Man kann alles gut begründen, wenn eine Weltanschauung dahinter steht - das führt nicht weiter.

Münek hat geschrieben:Die Dogmen als nicht hinterfragbare absolute Wahrheiten stehen doch nicht unter einem Erkenntnis-Vorbehalt.
Doch - sie gelten auch, wenn sie nicht erkannt werden. - Im übrigen sind auch Dogmen entwickelbar - ein echter Dogmatiker hier auf dem Forum würde ein ganz anderes Bild zeichnen, als es vulgär von säkularer Seite gerne gezeichnet wird. - Im Grunde ist Dogma heute ein reiner Kampf-Begriff auf BILD-Niveau geworden.

Münek hat geschrieben:Welchen und wessen Erkenntnisstand?
Individuell. - Du überlegst Dir, was Du glaubst, zum jetzigen Zeitpunkt zum Thema x zu wissen, und vertraust erst mal drauf, dass dies nicht nur Schwachsinn ist ("Glaubensentscheid"). - Deshalb kannst Du darauf aufbauen und im Aufbau Deinen Wissenstand erweitern und auch korrigieren - und das immer wieder neu ("Hermeneutischer Zirkel").

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Münek
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#972 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 2. Aug 2016, 01:38

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Doch - mit der akribisch-professionellen historisch-kritischen Textauslegung geht es.
Du überschätzt die HKM extrem. Sie kann Einzelfragen gut beantworten, ist aber trotzdem eng gestrickt.

Nö - Du unterschätzt die HKM extrem.

Um mir ein zutreffendes Bild zu machen, reicht es mir, dass in der Feststellung der Nicht-Historizität der Geburts- und Kindheitsgeschichten bei den Exegeten Einigkeit besteht.


Sie sind die Experten, deren sachkundigem Urteil ich vertraue.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Metzinger hat seine Überzeugung außerordentlich gut begründet.
Man kann alles gut begründen, wenn eine Weltanschauung dahinter steht.
Welche "Weltanschauung" muss man denn haben, um Metzingers Überzeugung zu teilen?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Dogmen als nicht hinterfragbare absolute Wahrheiten stehen doch nicht unter einem Erkenntnis-Vorbehalt.
Doch - sie gelten auch, wenn sie nicht erkannt werden. - Im übrigen sind auch Dogmen entwickelbar.
Sie dürfen als ewig-gültige Wahrheiten NICHT in Frage gestellt werden. Sonst wird die Mutter Kirche sehr, sehr ungnädig
und unbarmherzig.


Ach ja: Ausgangspunkt unserer Diskussion war Deine Behauptung, die RKK mache nur "unter Vorbehalt" Aussagen zu Jesus. Das
halte ich für ausgeschlossen. Darum wiederhole ich meine Frage: Welchem Vorbehalt unterstellt sie sich?

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#973 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 2. Aug 2016, 01:57

Münek hat geschrieben:Welche "Weltanschauung" muss man denn haben, um Metzingers Überzeugung zu teilen?
Materialistischer Rationalismus.

Münek hat geschrieben:die RKK mache nur "unter Vorbehalt" Aussagen zu Jesus
Unter den Vorbehalt der eigenen Wahrnehmung. - Auch bei der RKK weiss man, dass Wahrnehmung immer in Differenz ist zur Realität.

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sven23
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#974 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Di 2. Aug 2016, 08:48

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:die RKK mache nur "unter Vorbehalt" Aussagen zu Jesus
Unter den Vorbehalt der eigenen Wahrnehmung. - Auch bei der RKK weiss man, dass Wahrnehmung immer in Differenz ist zur Realität.
Was man ja sehr schön anhand des Dogmenapparates sehen kann? :lol:
Von "Vorbehalten" ist da nichts zu sehen, genau so wenig wie bei Ratziner, der auf der Historizität der Bibel beharrt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#975 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 2. Aug 2016, 09:01

sven23 hat geschrieben:Was man ja sehr schön anhand des Dogmenapparates sehen kann?
Jeder zieht sein Ding durch - im besseren Fall mit Intelligenz. - Insofern unterscheiden sich Ratzinger und Metzinger weder qualitativ noch quantitativ.

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sven23
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#976 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Di 2. Aug 2016, 09:08

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was man ja sehr schön anhand des Dogmenapparates sehen kann?
Jeder zieht sein Ding durch - im besseren Fall mit Intelligenz. - Insofern unterscheiden sich Ratzinger und Metzinger weder qualitativ noch quantitativ.
Na,na, da willst du aber Ratzinger ganz schön aufwerten. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#977 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Di 2. Aug 2016, 09:53

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:und die will ihnen die Forschung auch gar nicht streitig machen.
Solange Du meinst, es gäbe "die Forschung" auf der einen Seite und die "glaubensdogamtische Abteilung" auf der anderen Seite, hast Du ein Problem, selbst wenn Du es nicht kennst. - Es stehen sich hier historisch-kritische und systematische Wissenschaften gegenüber, die zwei ganz unterschiedliche Ansätze haben.
Eben, weil die Ansätze völlig unterschiedlich sind, ist die Glaubensogmatik in der historischen Jesusforschung nicht zu gebrauchen. Sollte inzwischen allseits angekommen sein. :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie geht die kanonische Exegese denn mit Widerprüchen um, wenn sie von der Irrtumsfreiheit der Schrift ausgeht?
Da sehe ich ebenfalls ein Problem - da hat sie eventuell ein Problem. - "Eventuell" deshalb, weil ich noch nicht ausreichend weiß, wie sie das meint (üblicherweise NICHT so, wie es hineion-lanciert wird). - Wie auch immer: Wenn sie da Probleme hat, hat sie sich dieses Ei selber gelegt.
Und genau da liegt das Problem, denn es wird ja von den Kanonikern noch nicht mal als Problem thematisiert, bzw. reflektiert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur wenn man eine Ethik vertritt, die auf kurze Zeit angelegt ist.
Nein - wenn man davon ausgeht, dass das Menschenleben auf Erden endlich ist.
Für diese Erkenntnis bedarf es weder Theologie noch Philosophie. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Als langfristiges Gesellschaftsmodell taugt die Ethik Jesu nicht.
Es ist nicht als Geschäftsmodell für Erfolg im Dasein gemeint.
Für die Anhänger des Wohlstandsevangeliums ist es sogar ein Geschäftsmodell. Aber das verkennt natürlich völlig die Lehre Jesu, die Besitzlosigkeit in den Vordergrund stellte. Das ist natürlich für eine Gesellschaft kein tragfähiges Modell, weshalb auch in den nachfolgenden 2000 Jahren kein noch so christliches Land diesem Modell gefolgt ist. Besitzlosigkeit und Verteufelung des Strebens nach irdischen Gütern macht nur Sinn, wenn man das nahe Ende der Welt erwartet, also die unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft. In diesem Kontext machen die Aussagen Jesu wieder Sinn, denn dann wird irdische Daseinsvorsorge in der Tat obsolet.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kerygma besagt, dass manche Theologen meinen, auch ein unhistorischer, mythologischer Jesus oder ein literarisch fiktiver Jesus könne doch noch irgendwie die Gläubigen als Gottes Wort ansprechen.
Das christliche Kerygma, das für die ganze Welt bestimmt ist, besteht aus der „Proklamation von Kreuz und Auferstehung Jesu“ (wik) - also das Hinaus-Predigen einer geistigen Wahrheit, die in Jesus historisch ist. - Das Kerygma von Kubitza (stellvertretend für Glaubensgenossen) besteht aus der Proklamation des Materialismus und des Atheismus.
Du hast des Pudels Kern gar nicht begriffen.
Kubitza kritisiert doch gerade diejenigen Theologen, die die Flucht in Kerygma antreten, nachdem ihnen die mit historisch-kritischer Methode ermittelten Ergebnisse bekannt sind.



closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und mit der Verwirrungsmethode der Heiligen Schrift hat das die letzten 2000 Jahre auch wunderbar funktioniert.
Hat es tatsächlich - aber nie mehrheitlich.
Ich würde sagen: gerade mehrheitlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Obwohl sie Gottes Rechtsforderung erkennen, dass, die solches tun, des Todes würdig sind, üben sie es nicht allein aus, sondern haben auch Wohlgefallen an denen, die es tun".
Da bin ich auch anderer Meinung (wenn Paulus es so gemeint hat, wie es hier rüberkommt). - Aus meiner Sicht ist Erkenntnis Gnade, die zu ihrer Zeit zu jedem findet. - Auch ein Textverfasser wie Paulus hat erst nach und nach (und bis zu seinem Tod sicherlich nicht vollständig) den NT-Paradigmenwechsel in allen Konsequenzen verstanden.
Fakt ist aber, dass Paulus hier die Legitmation zur Verfolgung liefert und so wurde es dann auch in der Praxis umgesetzt. Der Paradigmenwechsel bestand wohl darin, dass sich die Agression besonders gegen die Religion richtete, der Jesus angehörte, die aber nicht bereit war, sich der neuen Sekte anzuschließen.


closs hat geschrieben: Auch die Texteverfasser haben gekämpft, als sie geschrieben haben - und waren Menschen. - Insofern lädt das Postulat der "göttlichen Inspiriertheit" zu einem Fehlverständnis ein, wiewohl ich diesen Begriff auf ziemlich komplizierte Weise auf Anhieb verstanden habe.
Ja, ja, der closs war schon immer anders als die anderen. Wahrscheinlich ein Auserwählter. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ausgrenzung von Gruppen ist ein Zeichen von psychischer Unreife, auch heute noch oft zu beobachten.
Wenn Du Dich heute in eine Gruppe von Welt-Pianisten und Opern-Sängern setzt, wirst Du dort eventuell geduldet, aber inhaltlich (nicht menschlich) selbstverständlich ausgegrenzt. - Das ist unumgänglich.
Closs, der große Berufsrelativierer ist wieder unterwegs. :roll:
Es geht hier nicht um Opernbesuche, sondern um Verfolgung und Ausgrenzung Andersgläubiger oder Ungläubiger, für die die Bibel die Legitimation liefert. Verhängnisvollstes Beispiel ist der christliche Antijudaismus, der im nazionalsozialistischen Antisemitismus seinen vorläufigen, katastrophalen Höhepunkt fand. Auch hier hat die frühe Kirche - unter Berufung auf die Bibel - "Großartiges" geleistet. :sick:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#978 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 2. Aug 2016, 10:12

sven23 hat geschrieben:ist die Glaubensogmatik in der historischen Jesusforschung nicht zu gebrauchen
Das will doch keiner. Es geht darum, dass sich die historische Jesus-Forschung nicht umgekehrt in die systematische Theologie einmischt.

sven23 hat geschrieben:denn es wird ja von den Kanonikern noch nicht mal als Problem thematisiert, bzw. reflektiert.
Das weiß ich nicht - jedenfalls klingen Gespräche mit Kirchen-Theologen dazu weit differenzierter, als es hier dargestellt wird.

sven23 hat geschrieben:Für diese Erkenntnis bedarf es weder Theologie noch Philosophie.
Aber die Schlussfolgerungen daraus können unterschiedlich sein: Der eine schließt daraus "Raff-raff", der andere orientiert sich mehr am Danach.

sven23 hat geschrieben:Für die Anhänger des Wohlstandsevangeliums ist es sogar ein Geschäftsmodell. Aber das verkennt natürlich völlig die Lehre Jesu, die Besitzlosigkeit in den Vordergrund stellte.
Da sind wir uns einig. Aus meiner Sicht ist das Wohlstandsevangelium alttestamentarisch geprägt.

sven23 hat geschrieben: Besitzlosigkeit und Verteufelung des Strebens nach irdischen Gütern macht nur Sinn, wenn man das nahe Ende der Welt erwartet, also die unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft.
Nein - eigentlich ist es gemeint im Sinne der Endlichkeit des menschlichen Lebens (Totenhemden haben keine Taschen).

sven23 hat geschrieben:Kubitza kritisiert doch gerade diejenigen Theologen, die die Flucht in Kerygma antreten
Das ist schon bekannt.

sven23 hat geschrieben:nachdem ihnen die mit historisch-kritischer Methode ermittelten Ergebnisse bekannt sind
Die aber in ihrer kerygmatisch-erhöhten Interpretation gar nicht als Eingriff ins eigene Kerygma anerkannt werden.

sven23 hat geschrieben:Ich würde sagen: gerade mehrheitlich.
Ich habe den Kontext anderes in Erinnerung - deshalb zur Klärung:

In einer Minderheit wurde das NT/Jesus in allen Zeiten verstanden - emotional sogar vermutlich mehr als nur die Minderheit. - Ansonsten gab es immer viel Verwirrung - mit einem gewissen Höhepunkt zu unserern Zeiten.

sven23 hat geschrieben:Es geht hier nicht um Opernbesuche, sondern um Verfolgung und Ausgrenzung Andersgläubiger oder Ungläubiger, für die die Bibel die Legitimation liefert.
Wenn man sie so interpretiert - vergiss nicht, dass es auch Röm. 2,14 gibt.

Richtig ist, dass es nie an Kräften gefehlt hat, das NT gegen Jesus und für eigene Interessen zu interpretieren. Das ist Heilsgeschichte.

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#979 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 2. Aug 2016, 10:57

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was man ja sehr schön anhand des Dogmenapparates sehen kann?
Jeder zieht sein Ding durch - im besseren Fall mit Intelligenz. - Insofern unterscheiden sich Ratzinger und Metzinger weder qualitativ noch quantitativ.
Im schlechteren Fall mit Offenbarungs- und Wunderglauben. 8-)

Da sehe ich schon einen gewaltigen qualitativen Unterschied zwischen dem Dogmatiker Ratzinger und dem Philosophen Metzinger. Letzterer schrieb in seinem Aufsatz "Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit" (Unterstreichungen von mir):


"In seiner höchsten Form führt der Wille zur Wahrhaftigkeit dazu, dass man sich selbst eingestehen kann, dass es keinerlei empirische Belege für die Existenz Gottes gibt, und dass über viertausend Jahre der Philosophiegeschichte kein überzeugendes Argument für die Existenz Got-
tes
hervorgebracht haben.

Er erlaubt es uns, die von der Evolution fest in uns eingebaute Suche nach emotialer Sicherheit und guten Gefühlen loszulassen und der Tat-
sache ins Auge zu schauen, dass wir radikal sterbliche Wesen sind, die zu systematischen Formen der Selbsttäuschung neigen. Wahrhaftig-
keit uns selbst gegenüber erlaubt es, das Wahnhafte und die systematische Endlichkeitsverleugnung in unserem Selbstmodell zu entdecken."

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#980 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 2. Aug 2016, 11:15

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:die RKK mache nur "unter Vorbehalt" Aussagen zu Jesus
Unter den Vorbehalt der eigenen Wahrnehmung. - Auch bei der RKK weiss man, dass Wahrnehmung immer in Differenz ist zur Realität.
Nein - völlig daneben. Die RKK kennt keinen "Vorbehalt der eigenen Wahrnehmung". Für sie IST der Gott der Bibel DIE Realität schlechthin..

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