Münek hat geschrieben:Das ist natürlich KEINE methodische Vorgabe.
Wieso denn das? - Wenn eine Methodik sagt "So machen wir es" IST das eine Vorgabe.
Münek hat geschrieben: Die historisch-kritische Exegese als wissenschaftliche Diziplin äußert sich EINFACH NICHT zu geglaubten oder behaupteten Eingriffen übernatürlicher Mächte in die Weltgeschichte. Sie begegnet in den Quellen einem Menschen der Zeitgeschichte.
Das ist doch in Ordnung. - Aber das heißt, dass es dann eine Rezeptions-Disziplin ist: "Wie wird Jesus bei unserer MEthodik von denen gesehen, die ihn rezipieren?". - Das heißt damit AUCH: "Uns geht es gar nicht primär darum, was Jesus gemeint und gedacht hat".
Münek hat geschrieben:die HKM soll sich NICHT zur Existenz oder Nichtexistenz Gottes aus ihrer wissenschaftlichen Sicht äußern. Das meint die Bibelkommission mit "apriori-frei". Meines Wissens hat sich die historisch-kritische Exegese IMMER an diese selbstverständliche Vorgabe gehalten.
Nein - wenn die HKE in ihren Vertretern davon schwadroniert, dass Jesus eine Naherwartung (in Deinem Sinne) HATTE, ist das nicht apriorifrei.
Davon abgesehen muss man auch differenzieren, was Ratzinger mit "apriorifrei" meint. - Er meint damit NICHT, dass die HKE keine methodischen Vorgaben habe (natürlich hat sie die - geht ja gar nicht anders), sondern dass die HKE nicht im Sinne dieser oder jener Religion interpretiert.
Münek hat geschrieben:Die Exegeten sind lediglich gehalten, das für den Bibelleser verständlich zu machen, was der Textverfasser zum Ausdruck bringen wollte.
Also eine Rezeptions-Disziplin aus Sicht historisch-kritischer Vorgaben - das ist ok. -- Diese Sicht gilt dann als unverzichtbar für das Verständnis - aber sie IST nicht das Verständnis.
Münek hat geschrieben:Zumindest hat er den blutigen Sühnetod Jesu zu recht als "primitive Mythologie" abgekanzelt.
Zumindestens ist das sein Glaube - ob das "zu Recht" sein Glaube ist, kann nur die Wirklichkeit entscheiden und nicht wir.
Münek hat geschrieben:Wie sollte das "Nicht-interpretieren" gehen? Exegese = Auslegung = Interpretation biblischer Texte = die Aufgabe der Exegese. Entschuldige bitte: Die Jungs an den theologischen Fakultäten machen NICHTS anderes als Bibeltexte auszulegen.
OK - dann muss man "Interpretieren" differenzieren. - Dabei würde ich unterscheiden zwischen folgenden kategorial unterschiedlichen Arten der Interpreation:
1) "Paulus wundert sich an Stelle x, dass das von Jesus bald angekündigte Gottesreich nicht da sei. - Man kann dies so auslegen, dass Paulus glaubte, Jesus habe mit 'nahem Gottesreich' gemeint, dass dieses als irdisches, äußeres Reich käme, also Pilati Sitz bald von Gott persönlich besetzt werden würde". - Das ist eine aus meiner Sicht folgerichtige und - im Sinne von Ratzinger - apriorifreie Auslegung, die sich auf den Textverfasser bezieht (und der ich - nebenbei - sogar zustimmen kann).
2) "Paulus wundert sich an Stelle x, dass das von Jesus bald angekündigte Gottesreich nicht da sei. - Man kann dies so auslegen, dass Jesus eben dieses im Verständnis Pauli verkündet hatte und auch selbst so gemeint hat - Jesus hatte also in diesem Sinne eine Naherwartung". - Das ist keine Auslegung im apriorifreien Sinne, weil sie sich auf eine Person (Jesus) bezieht, die ja entweder nur Mensch oder auch Gott ist. - Da nun aber die HKE keine Aussagen über diese Frage macht, weil sie auslegungs-mäßig unterhalb durchfliegt, kann sie auch nicht über Jesu Denken befinden.
Mit anderen Worten: Sobald die HKE die Textverfasser-Ebene verlässt und sich direkt Jesus zuwendet, muss sie sich mit Fragen beschäftigen, mit denen sie sich gerade NICHT beschäftigen will ("War Jesus nur menschlich oder auch göttlich?").
Münek hat geschrieben:Über welche Mittel verfügen sie, um die Wirklichkeit Jesu wirklich festzustellen?
Die Quellen, deren Rezeptionen und die Befähigung, eine Frage systematisch zu bearbeiten. - Was sie unterscheidet: Sie gehen Jesus nicht über die Bande an ("Was meint Paulus?"), sondern versuchen zu ermitteln, was das Original Jesus gemeint hat, FALLS er auch göttlich war.
Die Spiegelfechtereien über "Die HKE fragt nicht nach menschlich oder göttlich" ändern nichts daran, dass die HKE letztlich eine Bild gibt, das gute Chancen hat, das richtige zu sein, FALLS Jesus nur Mensch war. - Falls Jesus göttlich war, trifft die HKE seine Wirklichkeit NICHT - dafür sind eben die anderen Disziplinen da.
Münek hat geschrieben:Das ist nur über die Quellen erschließbar. Also die ureigenste Aufgabe der historisch-kritischen Bibelauslegung.
Nein - das ist irreführend. - Die HKE hat die Bibel ausschließlich historisch-kritisch auszulegen - und nicht anders (siehe Beispiele oben). - Aufgrund der verfasserorientierten Beschränkung ist da noch viel Platz nach oben, um die Bibel aus Sicht Jesu auszulegen - natürlich mit jeweiligen Vorannahmen:
1) Was hätte Jesus gemeint, wenn er nur Mensch war?
2) Was hätte er gemeint, wenn er auch Gott war?
Wie Du selbst sagst und auch die Kommission/Ratzinger meint, findet die HKE VORHER/DARUNTER statt:
"Was haben die Textverfasser gemeint, wenn man sie in historischer Methodik untersucht?" - Das ist EINE Auslegungsposition und NUR das.
Münek hat geschrieben:Und welche theologische Diziplin kennst Du, die da diesbezüglich Genaueres weiß?
Nicht "Genaueres", sondern anderes. - Nimm die vielen anderen Exegeseformen, die nicht historisch-kritisch, sondern meinetwegen biblisch-kritisch oder kanonisch interpretieren: Sie nehmen die Auslegung der HKE als Grundlage und addieren dazu noch die Annahme, dass Jesus göttlich war - meinetwegen:
1) "Paulus wundert sich an Stelle x, dass das von Jesus bald angekündigte Gottesreich nicht da sei. - Man kann dies so auslegen, dass Paulus glaubte, Jesus habe mit 'nahem Gottesreich' gemeint, dass dieses als irdisches, äußeres Reich käme, also Pilati Sitz bald von Gott persönlich besetzt werden würde". - Das ist HKE-Grundlage, die man übernimmt. - Jetzt geht es aber weiter - bspw. so:
2) "Wie ist dies auszulegen vor dem Hintergrund, dass Jesus ständig sagt "Ihr sprecht nicht meine Sprache"/"Und er wandte sich ab"/"Und sie verstanden ihn nicht", WENN man Jesus historisch als göttlich annimmt?" (Denn OB Jesus nur menschlich war oder auch göttlich, ist ja per HKE nicht ermittelbar, weil man diese Frage ausklammert, wenn man sich nur um die Textverfasser kümmert).
Oder nimm die Kerygmatik. - Selbstverständlich basiert auch die Kerygmatik auf den Quellen, nur dass sie einen anderen Schwerpunkt hat - meinetwegen: "Wie müssen wir heute Jesus verstehen, damit wir das verstehen, was Jesus historisch-wirklich war?".