Zu den Aussagen, welche auf eine
Naherwartung in den Evangelien hinweisen, gibt es auch zwei weitere
Aussagen-Reihen, welche auf
Verzögerung und
Ungewissheit hindeuten.
In den synoptischen Evangelien sind drei verschiedene Aussagen-Reihen in Bezug auf das Kommen des Reiches Gottes zu finden: Erstens Hinweise auf eine rasche Wiederkehr Jesu, zweitens Hinweise auf ein Verzögern dieser Wiederkehr, und drittens die Betonung einer Ungewissheit des Zeitpunktes dafür.
Meiner Meinung nach spricht das NT eher für eine
plötzliche Widerkunft Christi, als für eine
baldige.
Lk 17:24 beschreibt ein
plötzliches Erscheinen des Menschensohnes. Ein plötzliches Ereignis muss nicht notwenigerweise
bald erfolgen.
Lk 17:26f. u.
Lk 17:34f. beschreiben Situationen, in denen die Menschen sich der
ParousÃa (Gegenwart) nicht bewusst sein werden und daher völlig von den Erreignissen überrollt werden (wie beim unerwarteten Einbruch eines Diebes).
Auf die Ermahnung in
Mk 8:38 folgt die hier bereits besprochende Verklärung/Umwandlung Jesu, welche zumindest drei Jüngern eine Schau gewährte, die sie sonst zu ihren Lebzeiten nicht gehabt hätten.
Innertextlich sind die jesuanischen Verheißungen "verschränkt" mit seinen Warnungen vor den Römern (jüdischer Krieg 66-73 n. Chr. und insbesondere der Vernichtung Jerusalems und des Tempels im Jahre 70 n. Chr.).
Vor diesem HIntergrund verstehe ich auch die jesuanischen Ermahnungen zur Wachsamkeit in seinen Endzeitreden, wie in
Mk 13:28-29. Hier mag die Frage aufkommen, warum die Jünger denn Wachsam sein sollten, wenn der Menschensohn zu ihren Lebzeiten gar nicht wiederkommen sollte.
Sicher war Wachsamkeit für sie in den kommenden Dekaden sehr wichtig, da ihnen sehr schwierige Zeiten bevorstanden. Laut Eusebius von Cäsarea diente die Stadt Pella (Jordanien) der Urchristengemeinde in Jerusalem als Zufluchsort. Die Wachsamkeit, welche ihnen die Apostel aufgrund von Jesu Ermahnung vermutlich eingeschärft hatten, wirkte sich wahrscheinlich günstig aus, so dass sie aus Jerusalem und die Umgegend flohen, als sich ihnen nach den Abzug von Cestius Gallus die Gelegenheit bot.
Zitat von
Eusebius:
"Gehet hin und lehret alle Völker in meinem Namen!" zur Predigt des Evangeliums zu allen Völkern hinausgezogen waren, als endlich die Kirchengemeinde in Jerusalem in einer Offenbarung, die ihren Führern geworden war, die Weissagung erhalten hatte,
noch vor dem Kriege die Stadt zu verlassen und sich in einer Stadt Peräas, namens Pella, niederzulassen, ...
Doch danach wurde die Stadt vom Feldherrn Titus belagert und es gab kein Entkommen mehr.
Nach meinem Verständnis wirkte Jesus Wunderzeichen, die auf seine künftige messianische Königsherrschaft hinwiesen. Dies trifft insbesondere auf
Mk. 3:27,
Mat. 12:28 und
Luk 11:20 zu
Luk. 10:18 scheint mir eine Parallele zu
Off 12:7-9 zu sein.
Die "Ernte" in
Mk 4:26-29 deutet auf einen längeren Zeitraum hin. Deutlicher wird dies aus dem Matthäusevangelium. Hierzu ein Zitat aus den oben verlinkten Wikipedia-Artikel:
Auch das Gleichnis vom Unkraut im Acker, das man, gemeinsam mit dem Weizen, wachsen lassen und nicht vorzeitig ausreißen soll, lässt an einen längeren Zeitraum denken (13,24–30),