Alles Teufelszeug? VI

Pluto
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#91 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » Mi 3. Mai 2017, 16:48

Zeus hat geschrieben:@closs
Unbelegte Behauptungen sind keine Nachweise. Tautologien sind keine Argumente. Geschwurbel sind keine Begründungen. Formale Logik ersetzt weder Plausibilitäten noch Evidenzen. Setzungen und Glaubensvorstellungen erschaffen keine Realitäten. Hermeneutiken machen falsche Prämissen nicht richtig.
Unser lieber closs macht ein paar Tage verdienten Urlaub.
Ob ihm die Ohren rot werden, ab deiner Kritik? :lol:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#92 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 6. Mai 2017, 19:00

sven23 hat geschrieben:Trotzdem haben Glaubensbekenntnisse in der Wissenschaft nichts verloren.
Die HKM IST ein Glaubensbekenntnis.

sven23 hat geschrieben:Und Theologie als Ganzes kann eben keine Wissenschaft sein. Sei so gut und begreife das endlich.
DU solltest begreifen, dass dies eine reine Definitionsfrage von "Wissenschaft" ist (wie x-mal erklärt). - Nach DEINER Definition von Wissenschaft
a) ist Theologie nur zum Teil eine Wissenschaft.
b) ist Wissenschaft kein Mittel der Wahl zum Verständnis geistiger Texte.

Damit kann ich leben. - Kannst Du mit b) leben? - Wenn ja, sind wir uns einig.

sven23 hat geschrieben:Nie waren die Informationsmöglichkeiten günstiger als heute. Man muss nur den Arsch hochkriegen.
Dieser Satz könnte auch von mir sein - das Problem: Du verkennst, dass dieser Satz an die anthropozentrisch-schein-aufgeklärte Fraktion geht.

sven23 hat geschrieben:Solche laienhaften Termini verwendet er gar nicht.
Er unterscheidet wörtlich (Theißen/Merz S.5f):
""Wissenschaft sagt nicht : „Das ist unser Ergebnis", sondern: „Das ist unser Ergebnis aufgrund bestimmter Methoden". ... Wissenschaft weiß ... , daß ihre Resultate vergänglicher sind als die Probleme, auf die sie eine Antwort zu geben versucht. Da s gilt auc h für die Jesusforschung. Trotz der ungeheuren Fülle von Meinungen und Positionen kehren einige Grundprobleme immer wieder. Si e bilden Konstanten. Daher ist unsere Darstellung
problemorientiert. Schon aus Gründen der Durchsichtigkeit und Klarheit sagen wir aber jeweils, wo auf dem Stand unseres Wissens und Irrens die Lösungen liegen könnten".
- Und irgendwo steht auch was über hermeneutische Ausgangspunkte der HKM.

Wie auch immer: Wenn Du das laienhaft findest, besprich es selber mit Theißen. - Verstehst Du eigentlich, was er damit sagt?

sven23 hat geschrieben:Das ist eben nicht selbstverständlich, sonst würde er nicht noch mal expilizit darauf hinweisen.
Er sagt damit: Methodisch/hermeneutisch arbeite ich "so" <das ist in unserem Kontext die wichtige Aussage!!!> - und selbstverständlich kann es sich bei diesen methodischen/hermeneutischen Voraus-Setzungen nur auf den momentanen Quellenstand beziehen <logisch - aber der Vollständigkeit halber natürlich richtig>.

sven23 hat geschrieben:Die Methodik ist das Qualitätssiegel in der historischen Forschung.
Was die Verfahrens-Zertifizierung angeht, ist das richtig. - Aber es sagt nicht unbedingt etwas Verbindliches über das aus, "was wirklich in Bezug auf Jesus war". - Noch mal einen Teil des obigen Zitats ohne die Auslassung "...":
"Wissenschaft sagt nicht „Das ist unser Ergebnis", sondern: „Das ist unser Ergebnis aufgrund bestimmter Methoden". Der Weg, auf dem sie zu ihrem Ziel gelangt, ist ihr genauso wichtig wie das Ziel - oft sogar noc h wichtiger." - Verstehst Du?

sven23 hat geschrieben:Wenn man glaubt, einen Text besser zu verstehen als der Textverfasser, dann hat man den Knall nicht gehört.
Schlicht falsch. - JEDER Historiker weiß, dass man danach schlauer ist, als als Zeitzeuge. - Dazu muss man kein Theologe sein.

sven23 hat geschrieben:Wieso legst du die Aussage Jesu dem Volk in den Mund? Merkst du nicht, wie du dir selbst ins Knie schießt?
Nee - Du hast es wieder mal nicht verstanden: Wenn man die (irrige) Volks-Rezeption der Zeit "Wir erwarten eine nahe physikalische Erlösung" gleichsetzt mit Jesu Meinung, braucht man sich nicht zu wundern, wenn man zum Schluss kommt, dass Jesus eine Naherwartung hatte. :lol:

Zeus hat geschrieben:Unbelegte Behauptungen sind keine Nachweise. Tautologien sind keine Argumente. Geschwurbel sind keine Begründungen. Formale Logik ersetzt weder Plausibilitäten noch Evidenzen. Setzungen und Glaubensvorstellungen erschaffen keine Realitäten. Hermeneutiken machen falsche Prämissen nicht richtig.
Jeder Teilsatz ist richtig. :)

.

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#93 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 7. Mai 2017, 09:37

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Trotzdem haben Glaubensbekenntnisse in der Wissenschaft nichts verloren.
Die HKM IST ein Glaubensbekenntnis.
Nein, sie ist eine Methodik.
Glaubensbekenntnisse sind der Theologie vorbehalten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und Theologie als Ganzes kann eben keine Wissenschaft sein. Sei so gut und begreife das endlich.
DU solltest begreifen, dass dies eine reine Definitionsfrage von "Wissenschaft" ist (wie x-mal erklärt). - Nach DEINER Definition von Wissenschaft
a) ist Theologie nur zum Teil eine Wissenschaft.
Richtig.

closs hat geschrieben: b) ist Wissenschaft kein Mittel der Wahl zum Verständnis geistiger Texte.
Damit kann ich leben. - Kannst Du mit b) leben? - Wenn ja, sind wir uns einig.
Nur dann, wenn man "Verständnis" gleichsetzt mit dran glauben.
Ich "verstehe" zum Beispiel, dass closs an Homöopathie glaubt. Trotzdem muss ich selber nicht daran glauben, obwohl ich seinen Aberglauben "verstehe".

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nie waren die Informationsmöglichkeiten günstiger als heute. Man muss nur den Arsch hochkriegen.
Dieser Satz könnte auch von mir sein - das Problem: Du verkennst, dass dieser Satz an die anthropozentrisch-schein-aufgeklärte Fraktion geht.
Der Satz geht vor allem an diejenigen, die aus ideologischen Gründen nichts von den Forschungsergebnissen wissen wollen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist eben nicht selbstverständlich, sonst würde er nicht noch mal expilizit darauf hinweisen.
Er sagt damit: Methodisch/hermeneutisch arbeite ich "so" <das ist in unserem Kontext die wichtige Aussage!!!> - und selbstverständlich kann es sich bei diesen methodischen/hermeneutischen Voraus-Setzungen nur auf den momentanen Quellenstand beziehen <logisch - aber der Vollständigkeit halber natürlich richtig>.
Natürlich legt Theißen die Methodik offen. Und er macht auch keinen Hehl daraus, dass die historisch-kritische Methode in der historischen Jesusforschung alternativlos ist. Das wird aber wohl niemanden überraschen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Methodik ist das Qualitätssiegel in der historischen Forschung.
Was die Verfahrens-Zertifizierung angeht, ist das richtig. - Aber es sagt nicht unbedingt etwas Verbindliches über das aus, "was wirklich in Bezug auf Jesus war". - Noch mal einen Teil des obigen Zitats ohne die Auslassung "...":
"Wissenschaft sagt nicht „Das ist unser Ergebnis", sondern: „Das ist unser Ergebnis aufgrund bestimmter Methoden". Der Weg, auf dem sie zu ihrem Ziel gelangt, ist ihr genauso wichtig wie das Ziel - oft sogar noc h wichtiger." - Verstehst Du?
Natürlich verstehe ich, dass die historisch-kritische Methode unverzichtbar ist. Deshalb habe ich diese Passage doch selbst schon mal zitiert.
Theißen veranschaulicht die Methodik an Beispielen und nachvollziehbaren Methodenschritten.
Wie jeder Wissenschaftler weiß auch Theißen, dass all unser Wissen nur vorläufiges Wissen sein kann. In der historischen Forschung kommt man damit aber wesentlich weiter als mit Glaubensbekenntnissen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man glaubt, einen Text besser zu verstehen als der Textverfasser, dann hat man den Knall nicht gehört.
Schlicht falsch. - JEDER Historiker weiß, dass man danach schlauer ist, als als Zeitzeuge. - Dazu muss man kein Theologe sein.
Kein Text wird ohne eine Absicht geschrieben. Diese Absicht (Intention) des Schreibers gilt es hermeneutisch zu erfassen. Ob sich der Verfasser geirrt hat oder nicht spielt dabei zunächst mal keine Rolle.
Kanonik interessiert sich nicht für die ursprüngliche Intention des Verfassers, sondern für die "Rezeption" späterer Generationen. Damit befindet sie sich diametral entgegengesetzt zur historisch-kritischen Methode.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wieso legst du die Aussage Jesu dem Volk in den Mund? Merkst du nicht, wie du dir selbst ins Knie schießt?
Nee - Du hast es wieder mal nicht verstanden: Wenn man die (irrige) Volks-Rezeption der Zeit "Wir erwarten eine nahe physikalische Erlösung" gleichsetzt mit Jesu Meinung, braucht man sich nicht zu wundern, wenn man zum Schluss kommt, dass Jesus eine Naherwartung hatte. :lol:
.
Dann hast du Theißen immer noch nicht verstanden, denn seine Aussage ist klipp und klar.

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Und hierbei handelt es ich keineswegs um eine exotische Einzelmeinung, sondern dies spiegelt den breiten Konsens der historischen Jesusforschung wieder.

Hier übrigens noch ein interessanter Videobeitrag, der gestern im TV lief.



Selbst eine Vertreterin für systematische Theologie gibt unumwunden zu, dass der historische Jesus nicht identisch ist mit dem "geglaubten und verkündeten" Jesus der Kirche.
Und damit befindet sie sich in Übereinstimmung mit den Forschungsergebnissen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#94 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 7. Mai 2017, 10:28

sven23 hat geschrieben:Nein, sie ist eine Methodik.Glaubensbekenntnisse sind der Theologie vorbehalten.
Natürlich ist es eine Methodik, die jedoch den Rang eines "Glaubensentscheids" für eine darauf aufbauende Untersuchung hat: "Wir untersuchen so, als sei unsere Methodik maßstäblich für die Beantwortung unserer Fragen".

sven23 hat geschrieben:Nur dann, wenn man "Verständnis" gleichsetzt mit dran glauben.
Nein - es ist mehr. - Die meisten Beiträge agnostischerseits analysieren etwas ihnen Fremdes, lassen aber nicht erkennen, dass sie es verinnerlicht verstanden hätten - also WIRKLICH verstanden hätten.

sven23 hat geschrieben:Ich "verstehe" zum Beispiel, dass closs an Homöopathie glaubt. Trotzdem muss ich selber nicht daran glauben, obwohl ich seinen Aberglauben "verstehe".
Davon abgesehen, dass ich nicht einmal selber wüsste, ob ich an Homöopathie glaube (ich verstehe lediglich, dass die standard-wissenschaftlichen Argumente dagegen nicht ausreichen), kann ich Dir folgen: Du kannst etwas Dir Fremdes intellektuell nachvollziehen.

Nur: Das ist nicht "wirklich verstehen", sondern allenfalls analysieren, nachvollziehen - so wie ein forensischer Psychologe "versteht", warum ein Massenmörder den Trieb zum Töten hat. - Für sich selbst "wirklich verstehen" tut er nicht - dazu müsste er selbst zum Messer greifen.

sven23 hat geschrieben:Der Satz geht vor allem an diejenigen, die aus ideologischen Gründen nichts von den Forschungsergebnissen wissen wollen.
Es gibt hier zwei ideologische Seiten:
1) Christen, die plump die Bibel auslegen.
2) Agnostiker, die plump Methodik mit Realität verwechseln.
Stecke beide in einen Sack und haue drauf: Du wirst immer den richtigen treffen. :lol:

sven23 hat geschrieben:Natürlich legt Theißen die Methodik offen.
Richtig - aber er sagt ebenfalls, was Methodik kann und was nicht.

sven23 hat geschrieben:Und er macht auch keinen Hehl daraus, dass die historisch-kritische Methode in der historischen Jesusforschung alternativlos ist.
Hier ist zu klären, ob er einen Unterschied zwischen "historischem" und "wirklichen" Jesus macht. - Darüber äußert er sich meines Wissens nicht.

sven23 hat geschrieben:Natürlich verstehe ich, dass die historisch-kritische Methode unverzichtbar ist. D
Genau so sieht es Ratzinger auch.

sven23 hat geschrieben:Wie jeder Wissenschaftler weiß auch Theißen, dass all unser Wissen nur vorläufiges Wissen sein kann.
Das sowieso - aber das ist hier nicht das Thema. - Das Thema ist hier, dass Theißen ausdrücklich darauf hinweist, dass der einmal eingeschlagene Weg einer Untersuchung per hermeneutischen Ansatz ("MEthodik") diszipliniert durchzuziehen ist - die MEthodik selbst also ÜBER dem Ergebnis steht.

Mit anderen Worten (hier Theißen in den Mund gelegt):
"Ich entscheide mich aus guten Gründen für die HKM, weil mir meine hermeneutische Ausgangsposition sagt, dass dies ein erfolgversprechender Ansatz ist. Jetzt ziehe ich diesen Ansatz aber auch durch im Sinne von 'Wer ist Jesus WIRKLICH, wenn mein hermeneutischer Ansatz der richtige ist'."

Anders gesagt: Wie Lindemann & Co könnte auch Theißen sagen: "Würde ich einen anderen hermeneutischen Ansatz wählen. könnte ich ein ganz anderes Bild davon haben, wer Jesus in seiner Zeit und seinem Denken war, also historisch, war". - Das ist das, was Du "Schizophrenie" nennst, aber nichts anderes ist als die Folge unterschiedlicher Hermeneutiken.

Das, was Du etwas oberflächlich "wissenschaftlich" nennst, nützt da nix. - Denn es bezieht sich rein auf die Verfahrensart einer Hermeneutik - und Du ziehst halt die HKM als Verfahrensart vor - was absolut nachvollziehbar ist, weil die HKM ja wichtig und gut ist. - Aber sie ist NICHT Gewähr dafür, dass der Jesus, der dabei rauskommt, der historisch authentische ist - da kann die Kanonik am Ende näher dran sein. - "Kann" (muss nicht).

Mit anderen Worten: Wir müssen nach wie vor unterscheiden zwischen "historischem Jesus" (das, was er wirklich war, dachte und meinte) und "historisch-kritischem Jesus" (das, was sich aus der HKM diesbezüglich ergibt).

sven23 hat geschrieben:Kanonik interessiert sich nicht für die ursprüngliche Intention des Verfassers, sondern für die "Rezeption" späterer Generationen. Damit befindet sie sich diametral entgegengesetzt zur historisch-kritischen Methode.
Du hast diesen Satz nicht verstanden. - Er sagt: "Kanonik ist in der Tat diamtral zur HKM, weil die HKM den Verfasser als Original versteht und die Kanonik Jesus als Original versteht".

sven23 hat geschrieben:Kein Text wird ohne eine Absicht geschrieben. Diese Absicht (Intention) des Schreibers gilt es hermeneutisch zu erfassen. Ob sich der Verfasser geirrt hat oder nicht spielt dabei zunächst mal keine Rolle.
Genau das ist der Ansatz der HKM: Die Verfasser-Intention in dessen Verständnis.

sven23 hat geschrieben:Dann hast du Theißen immer noch nicht verstanden, denn seine Aussage ist klipp und klar. „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Doch, habe ich: Das ist eine Aussage auf Basis seiner hermeneutischen Methodik-Disziplin - mehr nicht. - Ob Jesus WIRKLICH eine Naherwartung hatte, ist damit nicht geklärt. Es ist lediglich geklärt, dass dies Jesu Haltung historisch gewesen ist, wenn die HKM-Hermeneutik der authentische Ansatz zu Jesu historischer Wirklichkeit ist.

sven23 hat geschrieben:Selbst eine Vertreterin für systematische Theologie gibt unumwunden zu, dass der historische Jesus nicht identisch ist mit dem "geglaubten und verkündeten" Jesus der Kirche.
Der "geglaubte und verkündigte Jesus" ist eine hermeneutisch weiterentwickelte Version des historischen Jesus - und damit nicht sind beide natürlich auf Offenbarungs-Ebene NICHT identisch. - Entscheidend ist, ob die hermeneutische Weiterentwicklung des Jesus-Bildes AUTHENTISCH ist mit dem historischen Jesus.

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#95 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 7. Mai 2017, 11:22

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, sie ist eine Methodik.Glaubensbekenntnisse sind der Theologie vorbehalten.
Natürlich ist es eine Methodik, die jedoch den Rang eines "Glaubensentscheids" für eine darauf aufbauende Untersuchung hat: "Wir untersuchen so, als sei unsere Methodik maßstäblich für die Beantwortung unserer Fragen".
Und es wird dich überraschen: in der historischen Forschung ist sie maßstäblich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur dann, wenn man "Verständnis" gleichsetzt mit dran glauben.
Nein - es ist mehr. - Die meisten Beiträge agnostischerseits analysieren etwas ihnen Fremdes, lassen aber nicht erkennen, dass sie es verinnerlicht verstanden hätten - also WIRKLICH verstanden hätten.
Nur, wenn man verstehen mit goutieren gleichsetzt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich "verstehe" zum Beispiel, dass closs an Homöopathie glaubt. Trotzdem muss ich selber nicht daran glauben, obwohl ich seinen Aberglauben "verstehe".
Davon abgesehen, dass ich nicht einmal selber wüsste, ob ich an Homöopathie glaube (ich verstehe lediglich, dass die standard-wissenschaftlichen Argumente dagegen nicht ausreichen), kann ich Dir folgen: Du kannst etwas Dir Fremdes intellektuell nachvollziehen.
Das stimmt überhaupt nicht. Die Wissenschaft ist doch gar nicht in der Verlegenheit, ein Erklärungsmodell für die Unwirksamkeit der Homöopathie liefern zu müssen. Die Studienlage ist eindeutig.

closs hat geschrieben: Nur: Das ist nicht "wirklich verstehen", sondern allenfalls analysieren, nachvollziehen - so wie ein forensischer Psychologe "versteht", warum ein Massenmörder den Trieb zum Töten hat. - Für sich selbst "wirklich verstehen" tut er nicht - dazu müsste er selbst zum Messer greifen.
Deshalb habe ich verstehen in Anführungstriche gesetzt. Es ist nicht gleichzusetzen mit goutieren.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Satz geht vor allem an diejenigen, die aus ideologischen Gründen nichts von den Forschungsergebnissen wissen wollen.
Es gibt hier zwei ideologische Seiten:
1) Christen, die plump die Bibel auslegen.
2) Agnostiker, die plump Methodik mit Realität verwechseln.
Stecke beide in einen Sack und haue drauf: Du wirst immer den richtigen treffen. :lol:
Eine gute Methodik ist immer noch der beste Weg, sich der "Realität" anzunähern. Ideologisches oder glaubensdogmatisches Wunschdenken ist sicher der falsche Weg.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich legt Theißen die Methodik offen.
Richtig - aber er sagt ebenfalls, was Methodik kann und was nicht.
Und weil er weiß, was sie kann sagt er ganz klar:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und er macht auch keinen Hehl daraus, dass die historisch-kritische Methode in der historischen Jesusforschung alternativlos ist.
Hier ist zu klären, ob er einen Unterschied zwischen "historischem" und "wirklichen" Jesus macht. - Darüber äußert er sich meines Wissens nicht.
Weil das eine ziemlich laienhafte Vorstellung wäre.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich verstehe ich, dass die historisch-kritische Methode unverzichtbar ist. D
Genau so sieht es Ratzinger auch.
Nur mit dem Unterschied, dass er bei den Ergebnissen ins geistige Koma fällt. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie jeder Wissenschaftler weiß auch Theißen, dass all unser Wissen nur vorläufiges Wissen sein kann.
Das sowieso - aber das ist hier nicht das Thema. - Das Thema ist hier, dass Theißen ausdrücklich darauf hinweist, dass der einmal eingeschlagene Weg einer Untersuchung per hermeneutischen Ansatz ("MEthodik") diszipliniert durchzuziehen ist - die MEthodik selbst also ÜBER dem Ergebnis steht.
Genauer gesagt: die Methodik darf nicht durch ein ideologische präjudiziertes Wunschergebnis verbogen werden.


closs hat geschrieben: Mit anderen Worten: Wir müssen nach wie vor unterscheiden zwischen "historischem Jesus" (das, was er wirklich war, dachte und meinte) und "historisch-kritischem Jesus" (das, was sich aus der HKM diesbezüglich ergibt).
Wir müssen vor allem unterscheiden zwischen historischem Jesus und dem posthum verklärten und mythologisierten Jesus. Dass beide nicht identisch sind, ist Ergebnis der Forschung und wird auch von vielen systematischen Theologen nicht bestritten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonik interessiert sich nicht für die ursprüngliche Intention des Verfassers, sondern für die "Rezeption" späterer Generationen. Damit befindet sie sich diametral entgegengesetzt zur historisch-kritischen Methode.
Du hast diesen Satz nicht verstanden. - Er sagt: "Kanonik ist in der Tat diamtral zur HKM, weil die HKM den Verfasser als Original versteht und die Kanonik Jesus als Original versteht".
Das ist laienhaft platter Unfug. Es gibt nur die eine Textgrundlage. Hier ist zu unterscheiden zwischen Verfasserintention und späterer Umdeutung und Veränderung der Texte. Genau das macht die Forschung, während Kanonik alleine die spätere Veränderung/Verfälschung favorisiert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kein Text wird ohne eine Absicht geschrieben. Diese Absicht (Intention) des Schreibers gilt es hermeneutisch zu erfassen. Ob sich der Verfasser geirrt hat oder nicht spielt dabei zunächst mal keine Rolle.
Genau das ist der Ansatz der HKM: Die Verfasser-Intention in dessen Verständnis.
Eben, nur so geht es. Du kommst mir vor wie ein Kunsthistoriker, der dem Restaurator vorwirft, Rembrandts Gemälde von alten Firnisschichten befreit zu haben und damit das Original des Künstlers freigelegt hat. Und nur aus dem Grund, weil man sich über Generationen an die dunkle, mystische Malweise gewöhnt hatte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann hast du Theißen immer noch nicht verstanden, denn seine Aussage ist klipp und klar. „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Doch, habe ich: Das ist eine Aussage auf Basis seiner hermeneutischen Methodik-Disziplin - mehr nicht. - Ob Jesus WIRKLICH eine Naherwartung hatte, ist damit nicht geklärt. Es ist lediglich geklärt, dass dies Jesu Haltung historisch gewesen ist, wenn die HKM-Hermeneutik der authentische Ansatz zu Jesu historischer Wirklichkeit ist.
Es ist vor allem eine Aussage, die auf Grund der Texte getroffen wird. Und was anderes gibt es nun mal nicht. Alles andere ist ideologisches Wunschdenken.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#96 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 7. Mai 2017, 11:23

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Selbst eine Vertreterin für systematische Theologie gibt unumwunden zu, dass der historische Jesus nicht identisch ist mit dem "geglaubten und verkündeten" Jesus der Kirche.
Der "geglaubte und verkündigte Jesus" ist eine hermeneutisch weiterentwickelte Version des historischen Jesus - und damit nicht sind beide natürlich auf Offenbarungs-Ebene NICHT identisch. - Entscheidend ist, ob die hermeneutische Weiterentwicklung des Jesus-Bildes AUTHENTISCH ist mit dem historischen Jesus.
Nein, ist sie nicht, das ist doch des Pudels Kern. :roll:

"Was vor allem gegen Anselm, gegen die Reformatoren und Katholiken, ja gegen
Paulus spricht und sich querstellt, ist wieder einmal der historische Jesus selbst, der sich
hier weder in katholische noch protestantische Dogmatiken einbauen lässt. Denn von
einer Erlösung durch Blut, von einer Vergebung am Kreuz findet sich bei Jesus keine
Spur. Ganz im Gegenteil, sein Gott vergibt, auch ohne dass Blut fließen muss. Unter
anderem ist es ja gerade diese verkündete Annahme der sündigen Menschen, die die
Botschaft des Nazareners so ansprechend gemacht hat. Wo Paulus ein
weltgeschichtliches Drama braucht, spricht Jesus einfach von den Sünden los. Im
Gleichnis vom verlorenen Sohn wird der reuige Sünder vom Vater wieder aufgenommen,
eine Satisfaktion ist nicht nötig (weswegen sich dessen Bruder ja sogar beklagt).
Freimütig spricht Jesus den Menschen die Vergebung der Sünden zu, ohne dass dafür
mehr nötig wäre als gläubiges Vertrauen und reuige Einsicht. Kein Mensch, kein Gott
muss dafür sterben. Dass der Menschensohn sein Leben für viele hingeben müsse (Mk
10,45), ist nach fast übereinstimmender Meinung der Exegeten eine späte Deutung der
Gemeinde. Jesus selbst aber hatte keine Erlösungslehre und brauchte auch keine. Gottes
Vergebung ist ein Geschenk an alle Israeliten, die zur Umkehr bereit sind. Vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, lässt er seine Jünger beten,
und es besteht kein Zweifel, dass er der Meinung war, dass diese Vergebung auch gewährt
wird. So gesehen war die Verkündigung Jesu ein wirkliches Evangelium für die
Menschen, während das finstere Gesetz von Schuld und Tod das paulinische Denken
bestimmt. An dieser Stelle leuchtet im Handeln Jesu ein kurzer Moment von
wegweisender Humanität auf, hier wächst er tatsächlich über seine Zeit hinaus. Paulus
dagegen kann sich aus seinen legalistischen Fesseln nicht befreien, so sehr er auch gegen
das Gesetz als solches predigt. Aus dem menschenfreundlichen Gott, dem liebenden
Vater, wird bei Paulus wieder ein Rachegott, der mit Blut besänftigt werden muss.
Die Erlösung durch das Blut Christi beim Apostel Paulus steht so in krassem
Gegensatz zur Verkündigung Jesu. Wieder einmal zeigt sich, wie rigoros Paulus hier seine
Sicht der Dinge zur Geltung bringt und wie wenig der irdische Jesus in seiner Theologie
eine Rolle spielt. Dass Paulus das Denken Jesu adäquat zur Geltung bringe, war aber
unausgesprochene Denkvoraussetzung aller Kirchen. Deshalb rekurrierte selbst die
Reformation nicht auf Jesus. Auch sie kam nur bis Paulus. Erst die neutestamentliche
Forschung hat die Differenz zwischen dem Denken Jesu und dem Denken des Paulus
entdeckt und beschrieben, erst durch sie gelang es, Jesus aus den Fesseln und der
Übermalung der paulinischen Theologie zu befreien.
Je mehr der wirkliche Jesus Konturen bekommt, desto mehr muss der dogmatische
Christus der Kirchen verblassen. Der Jesus, der uns entgegentritt, ist zwar authentischer
als sein kirchliches Gegenbild, er kann aber kein Gegenstand religiöser Verehrung mehr
sein. Er ist bestenfalls ein guter oder weiser Mensch, ein Lehrer, vielleicht ein Vorbild.
Aber kein Gott, kein Erlöser, kein Richter."

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#97 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » So 7. Mai 2017, 11:53

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Trotzdem haben Glaubensbekenntnisse in der Wissenschaft nichts verloren.
Die HKM IST ein Glaubensbekenntnis.
Das glaubst auch nur Du. Es wird Dir nicht gelingen, Wissenschaft auf Deine Glaubensebene herabzuziehen. Wissenschaft hat kein "Credo".

closs hat geschrieben:Wie auch immer: Wenn Du das laienhaft findest, besprich es selber mit Theißen.
Theißen und die absolute Mehrheit seiner Exegetenkollegen haben Jesu Naherwartung und seinen Irrtum konstatiert. Da gibt es nichts mit ihm zu besprechen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man glaubt, einen Text besser zu verstehen als der Textverfasser, dann hat man den Knall nicht gehört.
Schlicht falsch. - JEDER Historiker weiß, dass man danach schlauer ist, als als Zeitzeuge. - Dazu muss man kein Theologe sein.
Man sollte in erster Linie der Versuchung widerstehen, Texte eisegetisch zu interpretieren. Wie Deine Ausführungen immer wieder bele-
gen, scheint Eisegese DAS Mittel Deiner Wahl zu sein. Was Du aus persönlichen Glaubensgründen in die Texte hineinliest, geht auf keine Kuhhaut.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wieso legst du die Aussage Jesu dem Volk in den Mund? Merkst du nicht, wie du dir selbst ins Knie schießt?
Nee - Du hast es wieder mal nicht verstanden: Wenn man die (irrige) Volks-Rezeption der Zeit "Wir erwarten eine nahe physikalische Erlösung" gleichsetzt mit Jesu Meinung, braucht man sich nicht zu wundern, wenn man zum Schluss kommt, dass Jesus eine Naherwartung hatte. :lol:
Jesu Zeitgenossen erwarteten gewiss keine "physikalische Erlösung". Von was wollten sie denn erlöst werden? :o

Dass das Reich Gottes (Gottesherrschaft) nahe herbeigekommen ist, stand bekanntlich im Zentrum von Jesu Botschaft an das Volk. Da scheinst Du einen blinden Fleck zu haben. Seinen Sühnetod und seine Auferstehung hat er seinen Landsleuten ganz bestimmt nicht verkündigt. Johannes der Täufer auch nicht und Jesu Jünger bei ihrer Missionstätigkeit in Judäa und Galiläa ebenfalls nicht. Kannst Du nachlesen... :)

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Unbelegte Behauptungen sind keine Nachweise. Tautologien sind keine Argumente. Geschwurbel sind keine Begründungen. Formale Logik ersetzt weder Plausibilitäten noch Evidenzen. Setzungen und Glaubensvorstellungen erschaffen keine Realitäten. Hermeneutiken machen falsche Prämissen nicht richtig.
Jeder Teilsatz ist richtig. :) .
Reines Lippenbekenntnis - mehr nicht.

closs
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#98 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 7. Mai 2017, 12:57

sven23 hat geschrieben:Und es wird dich überraschen: in der historischen Forschung ist sie maßstäblich.
In der historisch-kritischen Forschung!!! - Erinnere Dich daran: Wir waren uns einstmals einig, dass "Historie" und "Wirklichkeit" ontologische und nicht methodische Größen sind. - Vergessen?

sven23 hat geschrieben:Nur, wenn man verstehen mit goutieren gleichsetzt.
Völlig falscher Ansatz - ich habe etwas ganz anderes geschrieben. - "Goutieren" und "wirklich verstehen" sind nun wirklich zwei komplett disparate Begriffe.

sven23 hat geschrieben:Die Wissenschaft ist doch gar nicht in der Verlegenheit, ein Erklärungsmodell für die Unwirksamkeit der Homöopathie liefern zu müssen.
Natürlich hat sie ein Erklärungs-Modell - das betreitet doch keiner. - Meine Zweifel beziehen sich nicht DARAUF, sondern auf das, was in Wirklichkeit "ist".

sven23 hat geschrieben:Eine gute Methodik ist immer noch der beste Weg, sich der "Realität" anzunähern.
Intellektuell stimmt das - und da ich Intellektualität sehr schätze (zuviel, sagen sogar Menschen, die mich kennen), ist an Deiner Aussage natürlich was dran. - Aber es ist keine Garantie für das, was wirklich ist - es gibt Menschen, die dies im Geistigen unmittelbar und ohne Methodik erkennen. - Wir beide können das nicht ändern.

sven23 hat geschrieben:Und weil er weiß, was sie kann sagt er ganz klar: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Du verstehst es grundlegend immer noch nicht: Im Rahmen seiner gewählten Methodik "kann" diese Methodik zu diesem Ergebnis kommen - richtig. - Und jetzt?

sven23 hat geschrieben:Weil das eine ziemlich laienhafte Vorstellung wäre.
Nicht alles, was Du nicht verstehst, ist laienhaft. - Willst Du wirklich zum Ausdruck bringen, dass "methodische Ergebnisse zur Historie" und "das, was historisch wirklich war" kategorial identisch sind? - DIESER Glaube wäre laienhaft - die Zugangskriterien zum Beginn eines Philosophiestudiums wären damit nicht erfüllt.

sven23 hat geschrieben:Nur mit dem Unterschied, dass er bei den Ergebnissen ins geistige Koma fällt.
Auch hier wieder: Du verstehst etwas nicht - und schon ist es "Schizophrenie" oder "Koma". --- :?: ---

sven23 hat geschrieben:Genauer gesagt: die Methodik darf nicht durch ein ideologische präjudiziertes Wunschergebnis verbogen werden.
So ist es - und exakt das ist ein ernstzunehmendes Argument gegen Ratzingers Forderung an die HKM, sie möge sich geistig öffnen. - Geistiges Öffnen wäre nämlich ganu das: Eine Verbiegung der HKM.

sven23 hat geschrieben:Wir müssen vor allem unterscheiden zwischen historischem Jesus und dem posthum verklärten und mythologisierten Jesus. Dass beide nicht identisch sind, ist Ergebnis der Forschung und wird auch von vielen systematischen Theologen nicht bestritten.
Mit anderem Zungenschlag habe ich dasselbe gesagt - der Unterschied: Ich halte es für möglich, dass eine hermeneutische Entwicklung des historischen (nicht historisch-kritischen!!!) Jesus immer noch authentisch zur historischen Identität Jesu sein kann. - Du schließt dies aus.

sven23 hat geschrieben:Das ist laienhaft platter Unfug.
Auch hier wieder: Alles, was Dich geistig überfordert, bezeichnest Du als "schizophren", ""Koma" oder jetzt "laienhaften Unfug". Du hast es nicht verstanden - ich erkläre es Dir hiermit zum 784 Mal :D :

Die Kanonik spricht davon, wie Verfasser- (Rezeptions-) Texte zu einem kanonisch wahrgenommenen Jesus stehen - das Original ist Jesus. - Die HKM spricht davon, wie sich andere als unmittelbare Rezeptions-Intentionen (auch noch aus säkularer, also ungeistiger Sicht) zu diesen Rezeptions-Texten verhalten (insofern stimme ich Dir Deinem Satz zu) - das Original sind die Rezeptions-Texte. - Merkst Du nicht, dass das zwei vollkommen unterschiedliche Ansätze sind?

sven23 hat geschrieben:Es ist vor allem eine Aussage, die auf Grund der Texte getroffen wird.
Nicht mal das ist richtig, weil die Texte gelegentlich nicht einmal im Sinne der Verfasser verstanden werden (siehe nur als Beispiel "Paulus und die Lüge" - das ist nur EIN Beispiel).

sven23 hat geschrieben:Kubitza,
Kubitza ist kein geistiger Mensch, sondern ein säkular/materialistisch deutender Analyst - so wie ein Tauber Musik interpretieren würde. - Er nähme zwar Interessantes anhand der sichtbaren Partituren wahr, würde aber nie hören/verstehen. - Diese Hürde kann nicht genommen werden, wenn man nur historisch-kritisch-methodisch denkt. - Oder in Deiner Umdeutung: Wer Partituren lesen kann, aber auch Musik hören kann, ist "schizophren". :lol:

closs
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#99 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 7. Mai 2017, 13:10

Münek hat geschrieben:Wissenschaft hat kein "Credo".
Wissenschaftliche METHODIK ist ein Credo - darum geht es.

Münek hat geschrieben:Theißen und die absolute Mehrheit seiner Exegetenkollegen haben Jesu Naherwartung und seinen Irrtum konstatiert.
Auf historisch-kritischer Ebene ist das nachvollziehbar.

Münek hat geschrieben:Man sollte in erster Linie der Versuchung widerstehen, Texte eisegetisch zu interpretieren.
Prinzipiell richtig - aber hier tappst Du in die selbe Falle wie Sven: Wenn etwas nicht verstanden wird, ist es "schizophren" oder "laienhaft" oder "eisegetisch". - Nach Deiner Theorie wären die großkirchlichen Theologien eisegetische Veranstaltungen. - Dir sollte auffallen, dass dies etwas zu einfach gedacht ist.

Münek hat geschrieben:Jesu Zeitgenossen erwarteten gewiss keine "physikalische Erlösung".
Ist die Naherwartung aus Deiner Sicht nicht die Erwartung einer physischen Macht auf Erden? (Insofern hätte ich vielleicht besser "physisch" als "physikalisch" schreiben sollen)

Münek hat geschrieben:Dass das Reich Gottes (Gottesherrschaft) nahe herbeigekommen ist, stand bekanntlich im Zentrum von Jesu Botschaft an das Volk. Da scheinst Du einen blinden Fleck zu haben.
:lol: Nein - das ist tatsächlich DIE Botschaft Jesu.

Münek hat geschrieben:Reines Lippenbekenntnis - mehr nicht.
Das könnten wir einzeln aufdröseln - was aber wahrscheinlich nichts brächte, weil unsere hermeneutischen Grundpositionen unterschiedlich sind.

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sven23
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#100 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 7. Mai 2017, 13:52

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und es wird dich überraschen: in der historischen Forschung ist sie maßstäblich.
In der historisch-kritischen Forschung!!! - Erinnere Dich daran: Wir waren uns einstmals einig, dass "Historie" und "Wirklichkeit" ontologische und nicht methodische Größen sind. - Vergessen?
Historie ist das, was geschehen ist. Dass wir nicht alles erfassen können, was geschehen ist, ist auch klar. Trotzdem können wir versuchen, uns über die Quellenlage der Historie zu nähern. Nichts anderes tut die Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur, wenn man verstehen mit goutieren gleichsetzt.
Völlig falscher Ansatz - ich habe etwas ganz anderes geschrieben. - "Goutieren" und "wirklich verstehen" sind nun wirklich zwei komplett disparate Begriffe.
Eben, und ein Psychologe kann "verstehen", wie das kranke Hirn eines Serienmörders funktioniert, aber es muss es deshalb nicht für gut befinden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Wissenschaft ist doch gar nicht in der Verlegenheit, ein Erklärungsmodell für die Unwirksamkeit der Homöopathie liefern zu müssen.
Natürlich hat sie ein Erklärungs-Modell - das betreitet doch keiner. - Meine Zweifel beziehen sich nicht DARAUF, sondern auf das, was in Wirklichkeit "ist".
Die Homöopathie hat ein angebliches Erklärungsmodell, das aber an der Realität regelmäßig scheitert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eine gute Methodik ist immer noch der beste Weg, sich der "Realität" anzunähern.
Intellektuell stimmt das - und da ich Intellektualität sehr schätze (zuviel, sagen sogar Menschen, die mich kennen), ist an Deiner Aussage natürlich was dran. - Aber es ist keine Garantie für das, was wirklich ist - es gibt Menschen, die dies im Geistigen unmittelbar und ohne Methodik erkennen.
Auch hier sollte man "erkennen" nicht mit subjektiver und ideologischer Wunschvorstellung verwechseln.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und weil er weiß, was sie kann sagt er ganz klar: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Du verstehst es grundlegend immer noch nicht: Im Rahmen seiner gewählten Methodik "kann" diese Methodik zu diesem Ergebnis kommen - richtig. - Und jetzt?
Und jetzt wissen wir, dass der Wanderprediger sich geirrt hat. Natürlich auf Basis der uns zur Verfügung stehenden Texte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil das eine ziemlich laienhafte Vorstellung wäre.
Nicht alles, was Du nicht verstehst, ist laienhaft. - Willst Du wirklich zum Ausdruck bringen, dass "methodische Ergebnisse zur Historie" und "das, was historisch wirklich war" kategorial identisch sind? - DIESER Glaube wäre laienhaft - die Zugangskriterien zum Beginn eines Philosophiestudiums wären damit nicht erfüllt.
Ein Historiker muss nicht unbedingt ein Philosoph sein. Natürlich kann man jedem Historiker vorwerfen, die "wirkliche Historie" sei aber ganz anders, wie genau, wisse man zwar nicht, aber sie sei anders. Welchen Nährwert hat diese Feststellung? Historie ist immer nur über die Quellenlage erschließbar, was anderes haben wir nicht. Und je mehr unterschiedliche Quellen wir haben, desto gesicherter sind die Erkenntnisse.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur mit dem Unterschied, dass er bei den Ergebnissen ins geistige Koma fällt.
Auch hier wieder: Du verstehst etwas nicht - und schon ist es "Schizophrenie" oder "Koma". --- :?: ---
Man kann nicht vordergründig die historisch-kritische Methode loben und dann ihre Ergebnisse ignorieren, weil sie nicht ins Weltbild passen. Ratzingers Forderung, den historischen Jesus doch der Einfachheit halber gleichzusetzen mit dem biblisch verkündeten, stieß auch bei Zenger auf Unverständnis.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genauer gesagt: die Methodik darf nicht durch ein ideologische präjudiziertes Wunschergebnis verbogen werden.
So ist es - und exakt das ist ein ernstzunehmendes Argument gegen Ratzingers Forderung an die HKM, sie möge sich geistig öffnen. - Geistiges Öffnen wäre nämlich ganu das: Eine Verbiegung der HKM.
Nein, es wäre das Gleichsetzen des historischen Jesus mit dem biblisch Verkündeten. Das ist Kanonikern und Glaubensdogmatikern vorbehalten, die keinen Anspruch auf historische Forschung erheben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wir müssen vor allem unterscheiden zwischen historischem Jesus und dem posthum verklärten und mythologisierten Jesus. Dass beide nicht identisch sind, ist Ergebnis der Forschung und wird auch von vielen systematischen Theologen nicht bestritten.
Mit anderem Zungenschlag habe ich dasselbe gesagt - der Unterschied: Ich halte es für möglich, dass eine hermeneutische Entwicklung des historischen (nicht historisch-kritischen!!!) Jesus immer noch authentisch zur historischen Identität Jesu sein kann. - Du schließt dies aus.
Da kann man so gut wie ausschließen. Die Entwicklung ist ganz klar nachgezeichnet. Je weiter sich die Texte zeitlich entfernen, desto legendenhafter werden sie. Auch gut zu sehen an den Apogryphen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist laienhaft platter Unfug.
Auch hier wieder: Alles, was Dich geistig überfordert, bezeichnest Du als "schizophren", ""Koma" oder jetzt "laienhaften Unfug". Du hast es nicht verstanden - ich erkläre es Dir hiermit zum 784 Mal :D :
Die Kanonik spricht davon, wie Verfasser- (Rezeptions-) Texte zu einem kanonisch wahrgenommenen Jesus stehen - das Original ist Jesus. - Die HKM spricht davon, wie sich andere als unmittelbare Rezeptions-Intentionen (auch noch aus säkularer, also ungeistiger Sicht) zu diesen Rezeptions-Texten verhalten (insofern stimme ich Dir Deinem Satz zu) - das Original sind die Rezeptions-Texte. - Merkst Du nicht, dass das zwei vollkommen unterschiedliche Ansätze sind?
Nein, Kanonik geht von der Irrtumslosigkeit der Schriften aus, die auch noch vom "Heiligen Geist" inspiriert sind. Zur Erinnerung: Der Heilige Geist ist kein jüdisches oder jesuanisches Glaubensgut, sondern ein späteres christliches Konstrukt.
Kanonik interessiert sich nicht für die ursprüngliche Bedeutung eines Textes, sondern für die spätere legendenhaft übersteigerte "Rezeption".
Im Gegensatz dazu geht die historisch-kritische Methode nicht von der Irrtumslosikeit der Texte aus und arbeitet die ursprüngliche Verfasserintention heraus.

"Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass wir denjenigen Sinn eines Textes herausarbeiten müssen, den der/die Autor/in im historischen Ursprungs-Kontext zum Ausdruck gebracht hat, und nicht den, den spätere Leserschaften ihm zuerkannt haben oder zuerkennen. Diese Herangehensweise macht die historisch-kritische Methode aus."

Schart, Aaron: Einführung in die historisch-kritische Methode der Textinterpretation

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist vor allem eine Aussage, die auf Grund der Texte getroffen wird.
Nicht mal das ist richtig, weil die Texte gelegentlich nicht einmal im Sinne der Verfasser verstanden werden
Doch: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen.... ist eindeutig als das unmittelbar bevorstehende Gottesreich zu verstehen.
Wie deuten denn Kanoniker diese Stelle?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kubitza,
Kubitza ist kein geistiger Mensch, sondern ein säkular/materialistisch deutender Analyst -
Er ist vor allem ein geistiger Analyst, sonst könnte er keine so fundierten und aufklärerische Texte schreiben.
Vor allem fällt es auch seinen Gegnern schwer, ihm inhaltliche Fehler nachzuweisen. Das meiste spiegelt den Stand der neutestamentlichen Forschung wider.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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