Alles Fügung, oder was?

closs
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#91 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von closs » Mi 22. Jan 2014, 15:47

Pluto hat geschrieben:..die aber nicht miteinander kompatibel sind
Wenn wir dasselbe meinen, sind wir uns da einig. - Der Mensch lebt sein Leben zu Ende - vollkommen unabhängig und im eigenen Bewusstsein unberührt davon, ob es Fügung gibt oder nicht.

Pluto hat geschrieben:Du meinst also, Gott hat es geplant, Menschen wie Mengele auf die Welt zu setzen?
Die Frage ist komisch. - Gott weiß, dass es im Spannungsfeld zwischen gut und böse (Dasein) Mengeles geben wird. - Gott sagt NICHT: "Heute machemer mal "den" Mengele". - Obwohl Gott weiss (Allpräsenz), dass aus dem heute geborenen Kind "der" Mengele werden wird - und die Mutter, die das Kind stolz in den Armen hat, weiss nichts davon.

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#92 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von closs » Mi 22. Jan 2014, 15:48

Demian hat geschrieben:Unser modernes Weltbild gründet auf der Idee: "ICH denke, also bin ich". Das ist aber falsch.
So ist es.

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#93 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von closs » Mi 22. Jan 2014, 15:58

ThomasM hat geschrieben:Es gibt ein sehr interessantes Wort in den Evangelien, in dem es um den Verrat von Judas geht. Es besagt sinngemäß (die genaue Stelle habe ich gerade nicht parat): Das (der Verrat) musste geschehen, aber wehe dem Menschen, der diesen Verrat durchführt.
Das passt sehr gut.

Der Verrat ist gefügt, da notwendig. - Trotzdem ist der Verrat selbst ein autonomes Geschehen.

Ob diese Geschehen nun willens- oder trieb - oder fremd-gesteuert ("der Satan fuhr in Judas") ist, ist wieder eine andere Frage. Gemeinsam haben diese Versionen, dass sie die Fügung erfüllen.

"Wehe dem Menschen" ist auch wieder sowas. - "Segen" und "Fluch" heisst NICHT, dass der eine gerettet und der andere verloren ist, sondern dass Gott den einen innerhalb des guten und den anderen innerhalb des bösen Weges begleitet. - Kain bekommt sein Zeichen nicht, damit die Welt sieht, wie ein Verlorener aussieht, sondern um ihn auf seinem Weg zurück zur Wahrheit zu schützen. - Auch hierin gibt es aus meiner Sicht erhebliche exegetische Mängel.

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#94 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von closs » Mi 22. Jan 2014, 16:03

ThomasM hat geschrieben:Aber jeder Mensch hätte auch anders entscheiden können.
Aber nur unter der Voraussetzung entsprechender Erkenntnis. - Und diese Erkenntnis ist gegeben oder nicht: (5.Mose 29,3 Aber einen Verstand, der wirklich erkennt <Buber: „ein Herz, zu erkennen“> … hat der Herr Euch bis zum heutigen Tag nicht gegeben (Passiv!!)"

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#95 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von Demian » Mi 22. Jan 2014, 16:11

closs hat geschrieben:Die Frage ist komisch. - Gott weiß, dass es im Spannungsfeld zwischen gut und böse (Dasein) Mengeles geben wird. - Gott sagt NICHT: "Heute machemer mal "den" Mengele". - Obwohl Gott weiss (Allpräsenz), dass aus dem heute geborenen Kind "der" Mengele werden wird - und die Mutter, die das Kind stolz in den Armen hat, weiss nichts davon.

Liebe können wir, als ein positives Kraftfeld beschreiben. Gewalt hingegen, als ein negatives Kraftfeld. Die Gewalt wird früher oder später zerstören, negative Energie entladen. Aber ist deswegen der Mensch wirklich ein „böser“ Mensch? In gewisser Weise erschaffen wir das Böse dadurch, dass wir die Welt dualistisch wahrnehmen. Das ICH mich von der Welt abgrenze. Das Wesen des Faschismus ist die Abgrenzung selbst. Wenn ich diese Abgrenzung fallen lasse, dann gibt es keine Feinde mehr. Keine Trennung. Wenn ich erkannt habe, dass es keine Trennung gibt, dann kann ich auch nichts „böses“ mehr tun. Im Umkehrschluss ist das Gute für mich: natürliches und spontanes Sein in der Einheit. Die Liebe ergibt sich einfach, wenn ich die trennenden und unrichtigen Vorstellungen loslasse. Im Grunde muss ich nichts dafür tun. Die Liebe ist der innerste Kern unsres Seins, unsre wahre Natur.

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#96 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von closs » Mi 22. Jan 2014, 16:17

Demian hat geschrieben:Aber ist deswegen der Mensch wirklich ein „böser“ Mensch?
Im umgangssprachlichen Wortsinn nicht notwendigerweise - im objektiv-nüchtern Sinne des "böse = Nicht-Sein des Guten" ja.

Demian hat geschrieben: In gewisser Weise erschaffen wir das Böse dadurch, dass wir die Welt dualistisch wahrnehmen.
"Dualismus"/"Dialektik" sind genau die richtigen Stichworte - "erschaffen" tut das aber nicht der Mensch. - Im Gegenteil: Er wird geboren, nimmt wahr und stellt fest, dass er im Spannungsfeld zwischen gut und böse ist.

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#97 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von Demian » Mi 22. Jan 2014, 16:31

closs hat geschrieben:Im umgangssprachlichen Wortsinn nicht notwendigerweise - im objektiv-nüchtern Sinne des "böse = Nicht-Sein des Guten" ja.

Das wahrhaft Gute - und das kann man gar nicht oft genug sagen, in meinen Augen - ist nicht das Gegenteil des Bösen. Das wahrhaft Gute ist das Gute in sich selbst, völlige Einheit von der nichts mehr ein Gegenteil sein kann. Der Zusammenfall der Gegensätze, philosophisch gesagt. Direkt als Erfahrung einfach Liebe. Dazu gehört ganz praktisch die Vergebung, sodass allen alles vergeben sei. Das ist einfach, weil es so naheliegend ist, aber nicht immer leicht, oft ist es sogar sehr schwer oder es fühlt sich sogar unmöglich an. Das Einfachste zu tun, kann das Schwierigste sein. Beispiele ließen sich genügend finden. Aber es ist unerlässlich und wichtig das zu verstehen, wenn man ein sinnerfülltes Leben möchte. Denn das kann ich nur haben, wenn ich wirklich mit allem Frieden schließe, auch mit dem sogenannten Bösen. Sehr wichtig ist da die Frage: gibt es überhaupt einen derart freien Willen, tut der Mensch das Böse wirklich mutwillig oder ist es nicht einfach die Anhaftung an seinen unrichtigen, trennenden Vorstellungen, die ihn das Böse tun lassen?

Demian hat geschrieben:"Dualismus"/"Dialektik" sind genau die richtigen Stichworte - "erschaffen" tut das aber nicht der Mensch. - Im Gegenteil: Er wird geboren, nimmt wahr und stellt fest, dass er im Spannungsfeld zwischen gut und böse ist.

In gewisser Weise erschaffen wir Trennung, in dem wir unsre Aufmerksamkeit auf die trennenden Gedanken richten und uns mit ihnen identifizieren. Einen absolut freien Willen gibt es nicht, denn der Wille ist Teil des Verstandes und der Verstand ist sehr bedingt. Wir können aber erkennen, dass wir alle diese Vorstellungen nicht sind, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen, in dem wir von den Gedanken in die Gefühle und den Moment gehen. Wir können das Böse nicht abschaffen, weil es das Böse an sich gar nicht gibt. Es ist nur Teil ohnehin unrichtiger Vorstellungen. Wenn wir diese unrichtigen Vorstellungen zur Basis unsres Weltbildes machen, dann gibt es immer einen Feind. Und wenn dieser Feind die selben Vorstellungen zur Basis seines Weltbildes nimmt, dann haben wir einen Krieg. Das aber nicht, weil die Menschen wirklich bösartig sind, sondern weil sie verblendet sind. Solche Menschen sind in gewisser Weise Schlafwandler, die erst noch erwachen müssen. Sie wissen nicht wirklich, was sie da tun. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!

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#98 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von closs » Mi 22. Jan 2014, 17:31

Demian hat geschrieben:Das wahrhaft Gute ist das Gute in sich selbst, völlige Einheit von der nichts mehr ein Gegenteil sein kann.
Das wäre meine Definition von "Gott". - Da aber "gut" als dialektisches Gegenstück zu "böse" definiert ist, ist "gut" ungleich "Gott". - Gott ist - streng genommen - nicht "das Gute" (sondern die Liebe), weil "gut" als dialektische Größe (in seiner Eigenschaft als Gegenstück zu böse) eine teleologische Größe ist.

Trotzdem: Ich spüre, dass wir uns einig sind - das hat mehr was mit definitorischen Dingen, also mit Sprache, zu tun.

Demian hat geschrieben:gibt es überhaupt einen derart freien Willen, tut der Mensch das Böse wirklich mutwillig oder ist es nicht einfach die Anhaftung an seinen unrichtigen, trennenden Vorstellungen, die ihn das Böse tun lassen?
Auch da sind wir uns einig - wenn die Deine Frage als rhetorische verstehe.

Genau deshalb spielt doch der Wille (entgegen der - aus meiner Sicht - kontaminierten Exegese des Abendlandes) in der Bibel selbst so gut wie keine Rolle. - Dort geht es nicht um wertende Dinge ("Du Böser, warum willst Du nicht? - Selber schuld - jetzt wirst Du aber bestraft"), sondern um Phänomene und deren Entwicklung zur Erkenntnis. - "Transportmittel" dieser Erkenntnis ist das Leid ("den Menschen durch Not zu Gott hin beugen" (vgl. 5.Mose)).

Das ist doch der Grund, warum Jesus den Tod ERLEIDET - wäre der Wille das entscheidende gewesen, hätte das "Dein Wille geschehe" gereicht (wie bei Abraham), um die Welt zur Erkenntnis hin zu erlösen.

Demian hat geschrieben:In gewisser Weise erschaffen wir Trennung, in dem wir unsre Aufmerksamkeit auf die trennenden Gedanken richten und uns mit ihnen identifizieren.
Wie kann man etwas erschaffen, wenn man gleichzeitig an Trennendes angehaftet (Passiv!) ist?

Demian hat geschrieben: Wir können das Böse nicht abschaffen, weil es das Böse an sich gar nicht gibt.
Ja - man kann das Böse als die Negierung des Guten verstehen - macht, meine ich, Augustinus schon - und ist sehr stimmig. - Wir können begnadet sein, den Gap zwischen Ist- und Soll-Zustand zu verringern. - Schließen können wir ihn nicht aufgrund seiner unvermeidbaren Ich-Orientierung (also Trennungs-Orientierung) - das kann nur ein Wesen, das Gott und Mensch ist, also die Klammer an BEIDEN Seiten dieses Gaps (zwischen Gott und Mensch) ansetzen kann. Das ist die eigentliche Bedeutung von Jesus - mit Alleinstellung im Christentum gegenüber allen anderen Religionen.

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#99 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von Demian » Mi 22. Jan 2014, 17:59

closs hat geschrieben:Wie kann man etwas erschaffen, wenn man gleichzeitig an Trennendes angehaftet (Passiv!) ist?

Wir geben dem Macht, wohin wir unsre Aufmerksamkeit richten. Wenn wir unsre Aufmerksamkeit auf die Vorstellung der Trennung richten, dann hat sie tatsächlich Macht, obwohl sie nur in unsren Gedanken existiert. Wenn jemand eine Angststörung erlebt, dann hat er Angst, obwohl diese Angst nicht mit der Realität übereinstimmt.

closs hat geschrieben:Wir können begnadet sein, den Gap zwischen Ist- und Soll-Zustand zu verringern. - Schließen können wir ihn nicht aufgrund seiner unvermeidbaren Ich-Orientierung (also Trennungs-Orientierung) - das kann nur ein Wesen, das Gott und Mensch ist, also die Klammer an BEIDEN Seiten dieses Gaps (zwischen Gott und Mensch) ansetzen kann. Das ist die eigentliche Bedeutung von Jesus - mit Alleinstellung im Christentum gegenüber allen anderen Religionen.

Das finde ich lustig. Dein Mind versucht da wieder eine Begründung hervor zu zaubern, um ein „Alleinstellungskriterium“ für die christliche Religion zu finden. Ich sehe da aber keine Trennung und auch kein Alleinstellungskriterium. Die Klammer, die du durch Jesus verkörpert siehst, braucht es gar nicht.

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#100 Re: Alles Fügung, oder was?

Beitrag von closs » Mi 22. Jan 2014, 19:10

Demian hat geschrieben: Die Klammer, die du durch Jesus verkörpert siehst, braucht es gar nicht.
Das habe ich anders erschlossen. - Das war überhaupt erst der Grund, warum ich am Christentum "hängengeblieben" bin.

Demian hat geschrieben:Wir geben dem Macht, wohin wir unsre Aufmerksamkeit richten.
Psychologisch würde ich dem zustimmen - ansonsten ist mir Deine Zeichnung des Ich zu stark - es klingt nach Selbst-Erlösung, welche ich NICHT für möglich halte.

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