Alles Teufelszeug? III

2Lena
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#851 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von 2Lena » Fr 29. Jul 2016, 14:26

Sven23 hat geschrieben:Das ist höchst unwahrscheinlich, das dieser kanonisierte "Endjesus" ein völlig christlich kontaminiertes und okkupiertes Kunstprodukt ist und kein jüdischer Sektierer, der er eigentlich war.
Die Unterstreichung "jüdischer Sektierer" habe ich gemacht, um euch mit der Nase drauf zu stoßen, dass so eine Annahme überhaupt nicht passt. Bis zu seinem ca. 30 Lebensjahre war Jesus nicht in der Öffentlichkeit aufgefallen. Nach den auffallenden Ereignissen um seine Geburt, und den vielen Wundern, die in seiner frühen Kindheit passiert sind, die seine Göttlichkeit bewiesen, wurde es ruhig um ihn. Sektiererischen Bestrebungen des Landes schloss er sich nie an.

Schau mal bitte an, was an "Lehreren" damals in Jerusalem los war ... Es wird nicht jemand "Sektierer", der einen Riesenvorsprung hat. Ein Kind zeigte wo es lang ging. Jesus verblieb als 12-Jähriger im Tempel. Erst wegen der üblichen Jungendprüfung und dann mehrere Tage, als ihm ein Gönner von den Lehrkräften "Fragezeit" erkaufte. Die fiel tragisch aus, weshalb Jesus zeitlebens unter den Angriffen und den Verfolgungen der Priesterkaste zu leiden hatte.

Zwar stand das Judentum früher in einem guten Ruf. Nach den Zeiten Alexander des Großen wurden von dort Gelehrte zur Übersetzung der Bibel nach Alexandria geholt. Sie galt als das beste Werk und wurde überaus gelobt. Doch kaum dreihundtert Jahre danach ließen sich die Gelehrten (noch immer) ehren, ohne dass Wohlstand und Wissen im Lande gestiegen waren. Im Gegenteil - das Eingreifen der Römer erst machten den Streiterein der Führungsschicht ein Ende. Die Steuergelder wurden in Judäa hinterzogen, Hungersnot war überall, Unabhängigkeitskämpfe kosteten kosteten Tausenden das Leben und Flucht - und schließlich kam noch der Verlust des Tempels dazu.
Zuletzt geändert von 2Lena am Fr 29. Jul 2016, 14:37, insgesamt 3-mal geändert.

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#852 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von 2Lena » Fr 29. Jul 2016, 14:28

Sven23 hat geschrieben:"Das Verdikt der Unechtheit der beiden von Eusebius überlieferten Briefe wurde schon 494 von Papst Gelasius I. ohne wissenschaftliche Begründung ausgesprochen.
Die Unterstreichung "ohne wissenschaftliche Begründung" im Zitat habe ich gemacht, denn das ist seltsam.
Hat wohl "politisch" nicht in das untergegangene Römische Reich gepasst,
Die religiöse Rolle hat es (wie prophezeit) behalten.
Das Datum, dass so auffällig zur Teilung Roms passt, das macht mich auch noch misstrauisch.

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#853 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 29. Jul 2016, 14:37

sven23 hat geschrieben:Das ist höchst unwahrscheinlich, das dieser kanonisierte "Endjesus" ein völlig christlich kontaminiertes und okkupiertes Kunstprodukt ist
Das meint die christliche Theologie auch - sie hält ihn für historisch. Wobei sie auch nicht immer den Nagel auf den Kopf treffen müssen.

sven23 hat geschrieben:Mit Primärverständnis eines Textes ist nichts anderes als die urprüngliche Intention des Schreibers gemeint.
Logisch - die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" täuscht aber ein Primärverständnis nicht des Textes, sondern Jesu vor. - Für die HKM ist das Primärverständnis eines beliebigen Textes wichtig, für die Theologie das Primärverständnis Jesu.

sven23 hat geschrieben: Bultmann konnte die kanonische Exegese noch überhaupt nicht kennen.
Doch - sie ist ein Revival einer uralten Exegese-Form.

sven23 hat geschrieben:Wenn man sich dem historischen Jesus nähern will, geht das nur historisch-kritisch. Siehe dazu die Ausführungen von Theißen.
Dann hast Du Theißen nicht verstanden. - Er meint mit "historischem Jesus" den "historisch-kritischen Jesus".

sven23 hat geschrieben:Dass man die christliche Kontamination des jüdischen Wanderpredigers beschreiben kann, ist doch unbestritten.
Wenn man geistig auf der Reihe ist, kann man christliche Kontaminierung und christliche De-Kontaminierung unterscheiden.

sven23 hat geschrieben:Wenn Theißen sagt:
„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
dann meint er das auch so, weil die Forschung ja gerade mittels der historisch-kritischen Methode sich dem historischen Jesus zu nähern versucht.
Wenn ein Wissenschaftler etwas sagt, sagt er es immer in seinem methodischen Kontext. - Verstehst Du jetzt, was ich Dich vor einiger Zeit gefragt habe mit "Was ist für Dich 'historisch?'" --- ???---

Erst jetzt kommt folgender Zusatz:
"Selbstverständlich können unterm Strich historisch-methodisches Ergebnis und tatsächliche historische Wirklichkeit koinzident sein". - Das alte Thema mit "Wahrnehmung" und "Sein".

sven23 hat geschrieben:weil sie nur das "beweist", was sie vorher vorrausgesetzt hat
Erstens WILL die kanonische Exegese gar nicht Gott beweisen - sonst müsste sie ihn nicht setzen. - Zweitens schließt die HKM die Aussage "Es gibt Gott" genauso aus wie die kanonische Exegese die Aussage "Es gibt Gott NICHT".

sven23 hat geschrieben:Ist sie schon, wenn sie als nachtägliches christliches Konstrukt entlarvt wurde.
Entscheidend ist nicht, DASS es ein nach-jesuanisches Konstrukt ist, sondern OB es authentisch zu Jesus ist. - Die Frage ist doch nicht, ob theologische Aussagen (meinetwegen "Trinität") historisch-kritisch nachweisbar sind (sind sie NICHT), sondern ob sie in Bezug auf Jesus wahr sind/sein können.

sven23 hat geschrieben:Es geht Ratzinger darum, dass der verkündete Jesus der Evangelien mit dem historischen identisch ist. Obwohl er vorher noch eingesteht, dass eine Rekonstruktion des historischen Jesus gar nicht mehr möglich ist. Das ist ein Widerspruch
Das ist überhaupt kein Widerspruch.

Jesus in seiner historischen Wirklichkeit zu rekonstruieren, ist nur peripher historisch-kritisch möglich - das, was man dabei (historisch-kritisch) rausfindet, kann "identisch" sein (mir wäre das Wort "koinzident" lieber, weil damit auch Teilbereiche gemeint sein können, während "identisch" missverstanden werden kann als "=" im Gesamten, was per Wahrnehmung eh nicht geht).

Dasselbe gilt auch für die kanonisches Exegese - halt auf anderem Weg.

sven23 hat geschrieben:Das wäre dann wieder der Zirkelschluss.
Nein - wenn man eine Brille aufsetzt und mehr sehen kann, ist es kein Zirkelschluss, dass man mehr sieht.

Münek hat geschrieben:Dass Jesus seine Predigt von der nahen Gottesherrschaft mit seinem Tod und seiner Auferstehung verbunden haben soll, ist absurd.
Puuh - dann kläre das mal mit der kirchlichen Theologie.

Münek hat geschrieben:Dann unterlasse doch einfach mal Behauptungen, die Du auf Nachfrage nicht belegen kannst.
Es ist Realität seit Jahrzehnten.

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#854 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 29. Jul 2016, 14:47

Pluto hat geschrieben:Woraus besteht diese Methodik? Nach welchen Kriterien wird denn gearbeitet?
Hermeneutisch. - Vielleicht kann ein theologischer Insider dazu noch etwas ergänzen. - Aber um Hermeneutik = Heilsgeschichte = Teleologie kommt man bei geistig-spiritueller Exegese nichtrum.

Pluto hat geschrieben:Du meinst das Problem der kanonischen Exegese?
Nee - zwischen kanonischer Exegese und HKM-Exegese.

Pluto hat geschrieben:Ist das biblisch?
Schon - suche Dir einen beliebigen gut gebildeten Theologen, der Dir dazu konkrete Hinweise geben kann (ich werde jetzt nicht das NT durchblättern). - Das ist die Grundlage kirchlicher/christlicher Theologie.

Pluto hat geschrieben:Du kannst es nennen wie du willst, es bleibt ein Dogma.
Nix dagegen - dann ist die HKM eben ebenfalls dogmatisch. - Du hast es so gewollt. :lol:

Pluto hat geschrieben:Also redet man um den heißen Brei, in der Hoffnung, Keiner kriegt was mit.
Das muss keiner mitkriegen, weil es schon weder weiß. - Genauso wie die HKM weiss, dass die Setzung "Jesus ist nur Wanderprediger" ein Glaubenssatz ist.

Pluto hat geschrieben:Welche beiden möglichen historischen Fälle?
a) Jesus ist "Gottes Sohn"/Gott.
b) Jesus ist NICHT "Gottes Sohn"/Gott.

Beides ist historisch möglich und sollte deshalb dementsprechend untersucht werden.

sven23 hat geschrieben:Welche Wissenschaftler arbeiten denn sonst noch mit Prämissen, die von der Irrtumslosigkeit von alten Texten ausgehen?
Gefällt mir in dieser Konnotation auch nicht - das ändert nichts daran, dass man damit wissenschaftlich umgehen kann.

Nochmal:
Es ist NICHT das Ziel wissenschaftlicher Untersuchungen der kanonischen Exegese, Gott zu beweisen oder die "Irrtumslosigkeit der Schrift" zu beweisen, sondern auf dieser Basis/mit diesem Modell/mit dieser Setzung Zusammenhänge zu begreifen.

Genauso wie die HKM nicht beweisen will, dass Jesus nur ein Wanderprediger war, sondern auf dieser Basis/mit diesem Modell/mit dieser Setzung Zusammenhänge zu begreifen sucht.

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#855 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Fr 29. Jul 2016, 15:28

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mit Primärverständnis eines Textes ist nichts anderes als die urprüngliche Intention des Schreibers gemeint.
Logisch - die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" täuscht aber ein Primärverständnis nicht des Textes, sondern Jesu vor. - Für die HKM ist das Primärverständnis eines beliebigen Textes wichtig, für die Theologie das Primärverständnis Jesu.
Da es aber keine Texte von Jesus selbst gibt, geht die Annäherung nur über die Primärintention der Schreiber. Und gerade für diese zeigt die kanonische Exegese kein Interesse.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Bultmann konnte die kanonische Exegese noch überhaupt nicht kennen.
Doch - sie ist ein Revival einer uralten Exegese-Form.
Trotzdem firmierte sie erst nach Bultmanns Tod unter diesem Namen. "Bibeltreue" Exegese kannte Bultmann natürlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man sich dem historischen Jesus nähern will, geht das nur historisch-kritisch. Siehe dazu die Ausführungen von Theißen.
Dann hast Du Theißen nicht verstanden. - Er meint mit "historischem Jesus" den "historisch-kritischen Jesus".
Womöglich bist du es, der nichts verstehen will. Als jemand, der mal beruflich mit Literatur zu tun hatte, hast du ein seltames Textverständnis. Oder wird das bei dir alles durch die ideologische Glaubensbrille unbewußt gefiltert?

„Historisch-kritisch“ meint: Kein Historiker vertraut blind den Quellen, sondern prüft sie auf ihre
Glaubwürdigkeit - er verhört sie, wie ein Richter Zeugen verhört, um durch Widersprüche
hindurch herauszufinden, was wirklich geschah."

Natürlich meint Theißen den historischen Jesus, was er auch im Vorwort lang und breit erklärt. Die Methode dazu ist die historisch-kritische Methode.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass man die christliche Kontamination des jüdischen Wanderpredigers beschreiben kann, ist doch unbestritten.
Wenn man geistig auf der Reihe ist, kann man christliche Kontaminierung und christliche De-Kontaminierung unterscheiden.
Tja, und Juden und Moslems sind geistig so auf der Reihe, dass sie Jesus eben geistig nicht als den Sohn Gottes sehen. Soweit zur Schlüssigkeit von "geistigen Einsichten".


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:weil sie nur das "beweist", was sie vorher vorrausgesetzt hat
Erstens WILL die kanonische Exegese gar nicht Gott beweisen - sonst müsste sie ihn nicht setzen. - Zweitens schließt die HKM die Aussage "Es gibt Gott" genauso aus wie die kanonische Exegese die Aussage "Es gibt Gott NICHT".
Solcher Setzungen bedarf die HKM gar nicht, das sind clossche Potemkindörfer.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ist sie schon, wenn sie als nachtägliches christliches Konstrukt entlarvt wurde.
Entscheidend ist nicht, DASS es ein nach-jesuanisches Konstrukt ist, sondern OB es authentisch zu Jesus ist. -
Oh doch, gerade das ist sehr wichtig. Je weiter sich die Texte zeitlich von Jesu Tod entfernen, desto mehr schreitet die Vergottung voran. Sie entfernt sich immer mehr vom historischen Jesus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es geht Ratzinger darum, dass der verkündete Jesus der Evangelien mit dem historischen identisch ist. Obwohl er vorher noch eingesteht, dass eine Rekonstruktion des historischen Jesus gar nicht mehr möglich ist. Das ist ein Widerspruch
Das ist überhaupt kein Widerspruch.

Jesus in seiner historischen Wirklichkeit zu rekonstruieren, ist nur peripher historisch-kritisch möglich - das, was man dabei (historisch-kritisch) rausfindet, kann "identisch" sein (mir wäre das Wort "koinzident" lieber, weil damit auch Teilbereiche gemeint sein können, während "identisch" missverstanden werden kann als "=" im Gesamten, was per Wahrnehmung eh nicht geht).
Das ist großer Blödsinn. Wenn man schon eingesteht, dass eine Rekonstruktion des historischen Jesus nicht mehr möglich ist, dann ist es absolut kontraproduktiv, zu behaupten: dann ist der historische Jesus halt ebenso wie in den Evangelien beschrieben. Ratzinger weiß schon, warum er auf den Glaubensentscheid angewiesen ist. Mit verstandesmäßigem Zugang hat das nicht mehr viel zu tun.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Dass Jesus seine Predigt von der nahen Gottesherrschaft mit seinem Tod und seiner Auferstehung verbunden haben soll, ist absurd.
Puuh - dann kläre das mal mit der kirchlichen Theologie.
Stand der Forschung ist jedenfalls, dass Jesus seinen Tod weder geplant noch vorrausgesehen hat und demzufolge der Erlösungsmythos ein nachträgliches christliches Konstrukt ist.

"Die Leidensankündigungen in den Evangelien wurden Jesus nachträglich in den Mund gelegt und haben die Funktion, den schmachvollen Kreuzestod Jesu als Bestandteil des göttlichen Heilsplans erscheinen zu lassen. Entsprechendes gilt für Jesu Voraussagen seiner Auferstehung. Schließlich handelt es sich auch bei den Ankündigungen des Verrats durch Judas, der Verleugnung durch Petrus und der Zerstreuung aller Jünger um im Nachhinein formulierte Weissagungen."
Quelle: Bibelwissenschaft
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#856 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 29. Jul 2016, 16:24

sven23 hat geschrieben:Da es aber keine Texte von Jesus selbst gibt, geht die Annäherung nur über die Primärintention der Schreiber.
Annäherung ja, aber nicht Problem-Lösung.

sven23 hat geschrieben: Und gerade für diese zeigt die kanonische Exegese kein Interesse.
Es ist schon wichtig für die kanonische Exegese, aber nicht entscheidend. - Oder im spirituellen Jargon gesagt: Quellen sind nur erschließbar mit dem Heiligen Geist.

sven23 hat geschrieben:Trotzdem firmierte sie erst nach Bultmanns Tod unter diesem Namen.
Ja - alter Wein in neuen Schläuchen.

sven23 hat geschrieben:Natürlich meint Theißen den historischen Jesus, was er auch im Vorwort lang und breit erklärt. Die Methode dazu ist die historisch-kritische Methode.
Es ist das Ziel der historisch-kritischen Methodik, dem historischen (im Sinne von: wirklichen) Jesus möglichst nahe zu kommen. - Dieses Ziel erreicht sie sicherlich in vielen Fällen ganz gut. - Bei diesen vielen Fällen geht es aber um säkulare Fragestellungen, die vergleichbar sind - man kann also sozusagen ERfahrungs-Werte als Grundlage benutzen. - Diese Erfahrungs-Werte taugen nur wenig, wenn es um den nur EINMAL geschehen könnenden Fall "Jesus ist Gottes Sohn/Gott" geht - dazu gibt es keine Vergleichsfälle, wenn dieser Fall historisch stimmt.

Ergo bemüht sich auch die "andere Fraktion", also die geistig vorgehende Disziplin "kanonische Exegese" um diesen Fall - mit allen Chancen, dass sie mit ihrer Setzung historisch recht hat. - Hat sie aber historisch recht, was man nie nachweisen kann (wie man umgekehrt nie nachweisen können wird, dass Jesus nur Wanderprediger ist), kann die HKM in ihrem interpretativen Teil einpacken, weil sie dann mit ihrer Methodik aufs falsche Pferd gesetzt hat.

sven23 hat geschrieben:Tja, und Juden und Moslems sind geistig so auf der Reihe, dass sie Jesus eben geistig nicht als den Sohn Gottes sehen.
Das wäre jetzt wieder eine Frage des heilsgeschichtlichen Levels, auf dem geistig gedacht wird. Es kann in der Tat sein, dass die Juden am Ende recht behalten. - Dann hat eben die kanonische Exegese aufs falsche Pferd gesetzt.

sven23 hat geschrieben:Solcher Setzungen bedarf die HKM gar nicht
Warum HAT sie sie dann? - Antwort: Weil sie nur so ihre Methodik sauber durchziehen kann.

sven23 hat geschrieben:Je weiter sich die Texte zeitlich von Jesu Tod entfernen, desto mehr schreitet die Vergottung voran.
Die entscheidende Frage wäre nun: Sind diese Interpretation nach Jesus authentischer zu seiner historischen Wirklichkeit als ältere Interpretationen oder nicht?

sven23 hat geschrieben:Sie entfernt sich immer mehr vom historischen Jesus.
Vom historisch-kritischen Jesus - ja. Aber was ist mit dem Jesus, der damals der Fall war? - DAS ist doch entscheidend. - Was würde Jesus sagen?

sven23 hat geschrieben:Wenn man schon eingesteht, dass eine Rekonstruktion des historischen Jesus nicht mehr möglich ist, dann ist es absolut kontraproduktiv, zu behaupten: dann ist der historische Jesus halt ebenso wie in den Evangelien beschrieben.
So formuliert würde ich Dir zustimmen.

Ich verstehe Ratzinger anders (vielleicht täusche ich mich hier wirklich), nämlich: Die historisch-kritische Rekonstruktion trifft nur peripher den wirklichen Jesus - der wirkliche Jesus ist besser über die Evangelien zu verstehen.

sven23 hat geschrieben:Stand der Forschung ist jedenfalls, dass Jesus seinen Tod weder geplant noch vorrausgesehen hat und demzufolge der Erlösungsmythos ein nachträgliches christliches Konstrukt ist.
Dann sind der "Stand der <säkularen> Forschung" und die Theologie ganz weit auseinander. - Wenn es Gott nicht gibt, ist diese Interpretation möglich - wenn nicht, nicht. - Das alte Lied.

Unterm Strich kommt es immer aufs selbe raus:
Gib es Gott, stimmt meine Version - gibt es Gott NICHT, stimmt Deine Version. - Beiden Fällen wird wissenschaftlich nachgegangen - leider in unterschiedlichen Disziplinen. Da ist wohl Ratzinger Wunsch nicht in Erfüllung gegangen - vielleicht geht's wirklich nicht.

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#857 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Fr 29. Jul 2016, 17:05

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da es aber keine Texte von Jesus selbst gibt, geht die Annäherung nur über die Primärintention der Schreiber.
Annäherung ja, aber nicht Problem-Lösung.
Was ist die Problem-Lösung, und wie willst du das nachweisen?

closs hat geschrieben:Diese Erfahrungs-Werte taugen nur wenig, wenn es um den nur EINMAL geschehen könnenden Fall "Jesus ist Gottes Sohn/Gott" geht...
Warum sollte Jesus der Sohn Gottes sein? Wer behauptet das denn? — Der Katechismus der rkK?
In der Bibel steht es jedenfalls nicht.

closs hat geschrieben:Unterm Strich kommt es immer aufs selbe raus:
Gib es Gott, stimmt meine Version - gibt es Gott NICHT, stimmt Deine Version.
In deiner Version gibt es leider viel zu viele "wenns".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#858 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 29. Jul 2016, 17:59

Pluto hat geschrieben:Was ist die Problem-Lösung, und wie willst du das nachweisen?
Es gibt keine Problemlösung, sondern nur eine Annäherung: Die eine aus historisch-kritischer Perspektive, die andere aus kanonisch exegetischer Perspektive, etc.

Pluto hat geschrieben:Warum sollte Jesus der Sohn Gottes sein? Wer behauptet das denn?
Das Christentum - aufgrund seiner Bibel-Interpretation.

Pluto hat geschrieben:In deiner Version gibt es leider viel zu viele "wenns".
Das ist unvermeidbar: Entweder Jesus ist dieser oder jener. - Da ändern weder HKM noch Kanonik etwas daran. Sie können nur ihre Perspektive dazu formulieren.

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#859 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Fr 29. Jul 2016, 19:13

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Und gerade für diese zeigt die kanonische Exegese kein Interesse.
Es ist schon wichtig für die kanonische Exegese, aber nicht entscheidend. - Oder im spirituellen Jargon gesagt: Quellen sind nur erschließbar mit dem Heiligen Geist.
Und da sie vom "Heiligen Geist" inspiriert sind, sind die Texte irrtumsfrei. Und so dreht man sich ewig im Zirkelschluss-Teufelskreis.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich meint Theißen den historischen Jesus, was er auch im Vorwort lang und breit erklärt. Die Methode dazu ist die historisch-kritische Methode.
Es ist das Ziel der historisch-kritischen Methodik, dem historischen (im Sinne von: wirklichen) Jesus möglichst nahe zu kommen. - Dieses Ziel erreicht sie sicherlich in vielen Fällen ganz gut. - Bei diesen vielen Fällen geht es aber um säkulare Fragestellungen, die vergleichbar sind - man kann also sozusagen ERfahrungs-Werte als Grundlage benutzen.
So ist es und die Frage, ob Jesus an das nahe Gottesreich glaubte, ist eine ganz profane. Selbst Ratzinger räumt ja ein, dass Jesus damit eine Zeitmarke setzte, also nah im Sinne von zeitlicher Nähe.

closs hat geschrieben: - Diese Erfahrungs-Werte taugen nur wenig, wenn es um den nur EINMAL geschehen könnenden Fall "Jesus ist Gottes Sohn/Gott" geht - dazu gibt es keine Vergleichsfälle, wenn dieser Fall historisch stimmt.
Wenn man es mal ganz nüchtern und aus kritischer Distanz betrachtet: Die Wahrscheinlichkeit von Jungfrauengeburt, Wundern, Auferstehung und Gottessohnschaft ist genau so groß oder klein, wie bei den Kulten, aus denen sie entliehen sind. Was dort als Aberglaube belächelt wurde, wird im Christentum zum ultimativen Glaubensinhalt stilisiert.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Je weiter sich die Texte zeitlich von Jesu Tod entfernen, desto mehr schreitet die Vergottung voran.
Die entscheidende Frage wäre nun: Sind diese Interpretation nach Jesus authentischer zu seiner historischen Wirklichkeit als ältere Interpretationen oder nicht?
Es ist so ähnlich wie bei Verschwörungstheorien. Schon bald nach einem (katastrophalen) Ereignis setzt die Legendenbildung ein. Mit zunehmender Zeit werden die Geschichten immer abstruser. Zu glauben, dass die Geschichten damit glaubwürdiger und näher am Ereignis sind, ist noch abstruser.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie entfernt sich immer mehr vom historischen Jesus.
Vom historisch-kritischen Jesus - ja. Aber was ist mit dem Jesus, der damals der Fall war? - DAS ist doch entscheidend. - Was würde Jesus sagen?
Er sagt doch einiges, unter anderem, dass er an die nahe Gottesherrschaft glaubte, wie sein Vorbild Johannes. Anderes wird als wenig oder nicht authentisch identifiziert. Genau das ist doch die Leistung der Forschung. Für die Kanoniker ist alles gleichwertig, sie differenzieren gar nicht, bzw. wollen oder können es nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man schon eingesteht, dass eine Rekonstruktion des historischen Jesus nicht mehr möglich ist, dann ist es absolut kontraproduktiv, zu behaupten: dann ist der historische Jesus halt ebenso wie in den Evangelien beschrieben.
So formuliert würde ich Dir zustimmen.
Ich verstehe Ratzinger anders (vielleicht täusche ich mich hier wirklich), nämlich: Die historisch-kritische Rekonstruktion trifft nur peripher den wirklichen Jesus - der wirkliche Jesus ist besser über die Evangelien zu verstehen.
Dann lies noch mal Zengers Rezension. Genau so ist es gemeint.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Stand der Forschung ist jedenfalls, dass Jesus seinen Tod weder geplant noch vorrausgesehen hat und demzufolge der Erlösungsmythos ein nachträgliches christliches Konstrukt ist.
Dann sind der "Stand der <säkularen> Forschung" und die Theologie ganz weit auseinander. - Wenn es Gott nicht gibt, ist diese Interpretation möglich - wenn nicht, nicht. - Das alte Lied.
Das ist eben der Unterschied zwischen Wissenschaft und glaubensdogmatischer Textgläubigkeit.

closs hat geschrieben: Unterm Strich kommt es immer aufs selbe raus:
Gib es Gott, stimmt meine Version - gibt es Gott NICHT, stimmt Deine Version. - Beiden Fällen wird wissenschaftlich nachgegangen - leider in unterschiedlichen Disziplinen. Da ist wohl Ratzinger Wunsch nicht in Erfüllung gegangen - vielleicht geht's wirklich nicht.
Selbst das muss nicht stimmen. Gäbe es einen Gott, müßte er nicht zwangläufig einen unehelichen Sohn haben. So sieht es auch die Religion, aus der Jesus stammte.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#860 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 29. Jul 2016, 19:39

sven23 hat geschrieben:Und da sie vom "Heiligen Geist" inspiriert sind, sind die Texte irrtumsfrei.
Wie gesagt: Ich bin kein Fan vom Begriff der "Irrtumsfreiheit", da er mindestens missverständlich ist. Denn es stellt sich schon ganz anders dar, wenn man die dazu gehörige Princeton-Erklärung der 1980er zur Kenntnis nimmt, wonach sich die Schrift im Originaltext erst dann als irrtumsfrei herausstellen würde, wenn alle Fakten bekannt und der Text richtig ausgelegt sei.

sven23 hat geschrieben:So ist es und die Frage, ob Jesus an das nahe Gottesreich glaubte, ist eine ganz profane.
Nein.

sven23 hat geschrieben:Selbst Ratzinger räumt ja ein, dass Jesus damit eine Zeitmarke setzte
Aber doch nicht in Bezug auf eine apokalyptische Nahewartung.

sven23 hat geschrieben:Wenn man es mal ganz nüchtern und aus kritischer Distanz betrachtet: Die Wahrscheinlichkeit von Jungfrauengeburt, Wundern, Auferstehung und Gottessohnschaft ist genau so groß oder klein, wie bei den Kulten, aus denen sie entliehen sind.
Aus säkular-materialistischer Sichtweise stellt es sich zu Recht so dar.

Es gibt hier keine Wahrscheinlichkeit: Entweder es war so oder nicht.

sven23 hat geschrieben: Zu glauben, dass die Geschichten damit glaubwürdiger und näher am Ereignis sind, ist noch abstruser.
Wenn ein HKM-ler das sagen würde, müsste man ihm vorwerfen, dass er den gesamt-kanonischen Kontext geistig nicht gerafft hat. - Die Motive "Heilsgeschichte" und "NT-Paradigmenwechsel" lassen es naheliegend werden - aber dazu muss man den Background erst mal verstehen.

sven23 hat geschrieben:Er sagt doch einiges, unter anderem, dass er an die nahe Gottesherrschaft glaubte
Hiiiilfe - meinst Du, Jesus würde Dir zustimmen, wenn Du ihm sagst, dass Du es SO verstehst. :)

sven23 hat geschrieben:Genau so ist es gemeint.
Wie ich es verstehe?

sven23 hat geschrieben:Das ist eben der Unterschied zwischen Wissenschaft und glaubensdogmatischer Textgläubigkeit.
Willst Du damit sagen, dass historisch-kritische Methoden-Dogmen etwas anderes sind als Glaubensentscheidungen?

sven23 hat geschrieben:So sieht es auch die Religion, aus der Jesus stammte.
Wenn Zweifel an Jesu Gotteswesen in geistigen Diskussionen auftauchen (also auf Augenhöhe), wäre dies der Moment, an dem man nachdenken könnte: "Könnte Jesus nur ein Prophet gewesen sein?". - Die Juden kommen zu diesem Schluss und könnten recht haben.

Das ändert aber nichts am Problem des methodisch begründeten dogmatischen Ansatzes der HKM, die den Fall, dass Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist, erst gar nicht zulässt. - Mit einer HKM dieser Art kann man gar nicht über solche Fragen sprechen - mit einem gebildeten Rabbi sehr wohl. - Denn er würde verstehen, um was es geht. - Methodisch ist dieses Verstehen bei der HKM nicht vorgesehen.

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