Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Rembremerding
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#821 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Rembremerding » Di 4. Aug 2015, 16:30

Pluto hat geschrieben:Das Buch wurde von einem Experten der Archäologie seines Landes, dem israelischen Prof. Israel Finkelstein verfasst.

Das ist inzwischen alter Käse, in Israel tut sich in den letzten Jahren archäologisch-historisch gesehen gewaltiges. Finkelstein ist ein brillianter Archäologe. Er stellte und stellt sich gegen die pro-zionistische Archäologie, die überall alt-israelische Funde erkennen will und die vom Staat Israel gefördert wird. Er kämpft also gegen eine ideologisch verbrämte Archäologie und er tut dies mittels einer anti-zionistischen Archäologie, die somit zu einem Politikum wird (gerade in den Palästinensergebieten). Er hat also ebenso seine Prämissen. Israel wird dadurch zu einem heißen Pflaster für Archäologie und Schlussfolgerungen israelischer Forscher müssen sehr vorsichtig bewertet werden, obwohl sie natürlich hervorragende Kenntnisse der Befundlage besitzen.

Tatsächlich ist es zur Zeit die beste Methode, um aktuelle Funde in Israel zu bewerten, wenn diese von europäischen Archäologen geprüft werden, so weit ihnen Zugang dazu gewährt wird.

Omri ist übrigens eindeutig historisch belegt, glücklicherweise noch durch einen Fund im 19. Jh.
https://archive.org/details/lastlededhibanou00cler
Es ist eine Stele des Königs Mescha von Moab (frühes 9. Jh v. Chr.), man findet sie im Louvre. Etwa in Zeile 4 bis 7 steht:
4 denn er rettete mich von allen den Königen und liess mich meine Lust sehen an allen meinen Feinden. | Omri,
5 der König von Israel, der bedrückte Mô’âb lange Zeit, denn es zürnte Kemôs auf sein
6 Land. | Und dann folgte ihm sein Sohn und auch der sprach: ich will Mô’âb bedrücken; | in meinen Tagen sprach er solches,
7 aber ich sah meine Lust an ihm und an seinem Hause | und Israel ging auf ewig zu Grunde. Und Omri nahm ein das ganze Land


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closs
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#822 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Di 4. Aug 2015, 17:25

Pluto hat geschrieben:Dennoch wurden die Mauern von Jericho vermutlich durch ein Erdbeben zerstört, und nicht weil irgendeiner in ein Horn pustete.
Gut möglich. - Die Bibel ist eine Mischung aus Historie und Gleichnis - was was ist, kann man historisch/archäologisch untersuchen. - Diese Frage nimmt weder der Bibel etwas noch gibt es der Bibel etwas.

Pluto hat geschrieben:Aber du weißt, dass die Echtheit der Inschrift hoch umstritten ist?
Nein - deshalb mein Hinweis, dass diese Aussage meinerseits nicht überprüft ist (wie auch?). - Aus Google-zugänglicher Literatur ergibt sich ein gemischtes Bild (siehe science.orf, 2009) - ich kann es nicht beurteilen. - Die Platte selbst scheint (C14) 2.250 Jahre alt zu sein - das hieße 3 Jh. v.Chr. - also zu spät.

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#823 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Di 4. Aug 2015, 17:26

Anton B. hat geschrieben:Du bist informationsresistent
Hast Du verstanden, was Ratzinger gemacht hat?

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Münek
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#824 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Di 4. Aug 2015, 23:14

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Und nein, den prinzipiellen Unterschied, nach dem ich gefragt hatte, hast Du nicht begründet.
OK - dann in Kürze: "Geistig" wird es, wenn man über die reine Beobachtung hinaus interpretiert....

...auf dem diamanten-festen Fundament persönlicher Wunsch- und Glaubensvorstellungen
- unter Ausschluss entgegensprechender Fakten.
Jau, so isset. :thumbup:

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#825 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Di 4. Aug 2015, 23:24

Münek hat geschrieben:...auf dem diamanten-festen Fundament persönlicher Wunsch- und Glaubensvorstellungen
Möglicherweise - Hauptsache ist, man verwechselt nicht Wissenschaft und weltanschauliche Aussagen. - Genau das ist mein Vorwurf an die Kubitzaner - und genau diesen Vorwurf kann man Ratzinger nicht machen, weil er deutlich macht: HKM als wissenschaftliche Größe "JA", aber als weltanschauliche Größe "NEIN".

Da solltest Du jetzt aber Ratzinger auch mal loben.

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#826 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Di 4. Aug 2015, 23:28

closs hat geschrieben:und genau diesen Vorwurf kann man Ratzinger nicht machen, weil er deutlich macht: HKM als wissenschaftliche Größe "JA", aber als weltanschauliche Größe "NEIN".
Ich glaube nicht, dass Ratzinger mit seiner Aussage frei von weltanschaulichen Vorurteilen ist.
Seine Weltanschuung ist einfach eine andere, spirituelle.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#827 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Di 4. Aug 2015, 23:37

Pluto hat geschrieben: dass Ratzinger mit seiner Aussage nicht frei von weltanschaulichen Vorurteilen ist.
Natürlich hat er ein weltanschauliches Modell namens Christentum - das würde er nie bestreiten. - Aber gerade weil er das weiss, sagt er: "Hier Wissenschaft (HKM), dort Glauben (Hermeneutik)".

Im Grunde versteht Ratzinger HKM als wissenschaftliche Basis, die er intensiv nutzt (Quellen, Sprache, Archäologie, Ethnologie, Geschichte, etc.). - Mit diesen wissenschaftlichen Schätzen im Rücksack geht er dann weiter in die Hermeneutik.

Das Gegenmodell wäre - und diesbezüglich ist mein Verdacht sehr gewachsen - , dass man die HKM selbst als hermeneutische Größe versteht, also Wissenschaft und weltanschauliche Deutung in EINEM Topf verrührt. - Diesen Verdacht sähe ich gerne ausgeräumt, mache mir aber diesbezüglich ehrlich gesagt wenig Hoffnung.

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#828 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Pluto » Di 4. Aug 2015, 23:48

closs hat geschrieben:Im Grunde versteht Ratzinger HKM als wissenschaftliche Basis, die er intensiv nutzt (Quellen, Sprache, Archäologie, Ethnologie, Geschichte, etc.). - Mit diesen wissenschaftlichen Schätzen im Rücksack geht er dann weiter in die Hermeneutik.
Ja. Aber nicht ohne weltanschauliche Vorurteile.

closs hat geschrieben:Das Gegenmodell wäre - und diesbezüglich ist mein Verdacht sehr gewachsen - , dass man die HKM selbst als hermeneutische Größe versteht, also Wissenschaft und weltanschauliche Deutung in EINEM Topf verrührt. - Diesen Verdacht sähe ich gerne ausgeräumt...
Warum eigentlich?
Wie kann eine wissenschaftliche Untersuchung zu falschen Schlüssen führen?
Wenn man vorurteilsfrei herangeht, liefert die HKM dank ihrer starren Methodik nicht zuverlässige Antworten?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#829 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Hemul » Di 4. Aug 2015, 23:58

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Und nein, den prinzipiellen Unterschied, nach dem ich gefragt hatte, hast Du nicht begründet.
OK - dann in Kürze: "Geistig" wird es, wenn man über die reine Beobachtung hinaus interpretiert....

...auf dem diamanten-festen Fundament persönlicher Wunsch- und Glaubensvorstellungen
- unter Ausschluss entgegensprechender Fakten.
Jau, so isset. :thumbup:
Bei dem Kupferkessel Witze machen, aber sich mit Clösschen unendlich Scheingefechte liefern-dafür ist Deine Zeit nicht zu schade-gelle? ;)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#830 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Mi 5. Aug 2015, 00:10

Pluto hat geschrieben:. Aber nicht ohne weltanschauliche Vorurteile.
Natürlich nicht - jede Weltanschauung hat das.

Pluto hat geschrieben:Wie kann eine wissenschaftliche Untersuchung zu falschen Schlüssen führen?
Nicht zu falschen, sondern zu disziplinär unzureichenden. - Die HKM ist zuständig für die geschichts- und literaturwissenschaftliche Erforschung der Umwelt und der Entstehungsbedingungen der biblischen Texte, aber nicht für deren Auslegung.

Die Auslegung selbst ist verbunden mit einer "Confessio":
a) "Ich glaube, dass die Bibel das Wort Gottes ist und interpretiere auf Basis der HKM-Ergebnisse dementsprechend", oder
b) "Ich bin Agnostiker und interpretiere auf Basis der HKM-Ergebnisse dementsprechend".
Und "Confessio" hat eben nichts mehr mit Wissenschaft zu tun, wie Du sie als Naturwissenschaftler kennst.

Pluto hat geschrieben:Wenn man vorurteilsfrei herangeht, liefert die HKM dank ihrer starren Methodik nicht zuverlässige Antworten?
Ja - aber nur im Rahmen ihre Zuständigkeit - also diesseits christlicher oder agnostischer "Confessiones". - Deshalb sollte man doch "diesseits" und "jenseits" bewusst trennen.

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