Descartes und Glaube

closs
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#81 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Mo 25. Apr 2016, 00:13

Pluto hat geschrieben:Es ist ein großer Unterschied, ob man das "Ich" als Subjekt betrachtet (wie du es tust), oder als perspektivisches Konstrukt unseres Bewusstseins.
Aber irgendetwas muss doch das Subjekt sein - etwas lässt sich doch ohne Wahrnehmungs-Träger nicht wahrnehmen? - Wie stellst Du Dir das vor?

Wenn es weiterhilft, können wir "Ich" als "Bewusstsein" bezeichnen - "Res cogitans" heisst doch nichts anderes als "Ich-Bewusstsein". - Ich verstehe wirklich nicht.

Pluto hat geschrieben: Denn ohne die fünf Sinne des Körpers kann es keine Wahrnehmung geben, und somit auch keine geistige Sicht der Welt.
Genau das ist eben eine reine Perspektiven-Aussage aus naturalistischer Sicht. - Genau das ist eine Wertung aus der Existenz des "Ich-Bewusstseins" heraus.

Man kann auch werten, dass "Ich-Bewusstsein" eine geistige Größe ist, die lediglich im Dasein mit dem Körper verbunden ist, aber sui generis nicht sein muss.

Deine Aussage ist erst weit NACH Descartes's ontologischen Überlegungen als EINE Lösung angesiedelt.

Pluto hat geschrieben:Keineswegs zweitrangig, sondern "erste Geige"
Dito - das ist genau das Problem seit jeher. - Ich betrachte ontologisch, Du betrachtest naturalistisch.

Pluto hat geschrieben:Eben das ist Wahrnehmung.
Genau - aber völlig unabhängig davon, ob es eine "Res extensa" "in echt" gibt oder nicht. - Das gilt auch dann, wenn wir alle fürs Dasein davon ausgehen, dass die "Res extensa" "echt" sind.

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#82 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Mo 25. Apr 2016, 00:24

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es ist ein großer Unterschied, ob man das "Ich" als Subjekt betrachtet (wie du es tust), oder als perspektivisches Konstrukt unseres Bewusstseins.
Aber irgendetwas muss doch das Subjekt sein - etwas lässt sich doch ohne Wahrnehmungs-Träger nicht wahrnehmen? - Wie stellst du Dir das vor?
Ich stelle mir gar nichts vor, sondern verlasse mich auf die Experten, und die sagen eindeutig: Das Gehirn erzeugt das Bewusstsein, und das Bewusstsein erzeugt die Ich-Perspektive.

closs hat geschrieben:Wenn es weiterhilft, können wir "Ich" als "Bewusstsein" bezeichnen
Du stellst es dir zu einfach vor. Das ist keinesfalls dasselbe. Ich nenne es lieber das Selbstgefühl.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Denn ohne die fünf Sinne des Körpers kann es keine Wahrnehmung geben, und somit auch keine geistige Sicht der Welt.
Genau das ist eben eine reine Perspektiven-Aussage aus naturalistischer Sicht.
Mag sein...
Aber ist vermutlich die richtige Sicht.

closs hat geschrieben:Deine Aussage ist erst weit NACH Descartes's ontologischen Überlegungen als EINE Lösung angesiedelt.
Warum ist das wichtig?

Pluto hat geschrieben:Keineswegs zweitrangig, sondern "erste Geige"
Dito - das ist genau das Problem seit jeher. - Ich betrachte ontologisch, Du betrachtest naturalistisch.[/quote]Nein. Das Modell entsteht aus Beobachtungen.

Pluto hat geschrieben:Eben das ist Wahrnehmung.
Genau - aber völlig unabhängig davon, ob es eine "Res extensa" "in echt gibt oder nicht. - Das gilt auch dann, wenn wir alle fürs Dasein davon ausgehen, dass die "Res extensa" "echt" sind.[/quote]Wenn du mit "res extensa" den Organismus meinst, dann ist dieser von zentraler Bedeutung für die Wahrnehmung.
Es gibt ohne Körper kein "Ich".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#83 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Mo 25. Apr 2016, 02:11

Pluto hat geschrieben:verlasse mich auf die Experten, und die sagen eindeutig: Das Gehirn erzeugt das Bewusstsein, und das Bewusstsein erzeugt die Ich-Perspektive.
Das sind naturwissenschaftliche Experten, die ausschließlich unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten urteilen können.

Sie stellen zu Recht eine Korrelation fest und schließen - übergriffigerweise - daraus, dass das Ich ausschließlich Produkt ihrer naturwissenschaftlichen Perspektive ist. Hier ist eine Verwischung von Wissenschaft und Weltanschauung gegeben.

Pluto hat geschrieben:Warum ist das wichtig?
Weil Descartes ontologisch, also VOR dem Einschalten epistemologischer Fragen, denkt (Thaddäus denkt hier allerdings im Sinne der materialistischen Philosophie des 20./21, Jh. wie Du). - Hier ist etwas zusammengewachsen, was aus meiner Sicht nicht vermischt werden dürfte.

Pluto hat geschrieben:Das Modell entsteht aus Beobachtungen.
Natürlich - aus naturwissenschaftlichen Beobachtungen. - In deren Rahmen interpretiert man
a) im Sinne einer Korrelation (Wissenschaft)
b) im Sinne einer primären Kausalität (Weltanschauung)

Pluto hat geschrieben:Es gibt ohne Körper kein "Ich".
Eine rein weltanschauliche Aussage. - Milliarden Menschen sehen und sahen es anders - darunter auch Philosophen, die wussten, wovon sie sprachen.

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#84 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Thaddäus » Mo 25. Apr 2016, 07:55

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:versucht jede von ihnen, den eigenen Denkansatz so plausibel wie irgend möglich darzulegen, denn es soll überzeugt, aber nicht überredet werden
Hier kann ich wirklich keinen Unterschied zwischen Theologie (wie ich sie kenne) und Philosophie - der Unterschied: Die Theologie bekennt sich zu ihren Setzungen ("Ich setze Gott und begründe ihn wie folgt"),
Da folgt in der Theologie eben keine Begründung, sondern Glaube. Wenn eine einleuchtende Begründung folgen würde, wäre es Philosophie.

closs hat geschrieben: während Philosophie heute eher versucht den Eindruck zu vermitteln, sie bedürfe keiner Setzungen - genau DAS ist doch die Selbstimmunisierung.
Setzungen in der Philosophie müssen elementar evident sein. Sind sie das nicht, wird es Theologie oder Esoterik. Selbstimmunisierend ist dagegen deine Setzung, alle Erklärungsmodelle seien Setzungen.

closs hat geschrieben: Philosophen und Weltanschauungen wie etwa der Rationalismus oder der Naturalismus neigen eher dazu zu g-l-a-u-b-e-n, sie hätten keine Setzung - aus meiner Sicht eine unglaubliche geistige Disziplinlosigkeit.
In der Philosophie wird nicht geglaubt, sondern begründet. Deshalb ist der Ausdruck "katholische Philosophie" auch ein Widerspruch in sich.

closs hat geschrieben: Erschreckt hat mich diesbezüglich Deine Bemerkung, die menschliche Ratio - wohl angelehnt an Kant - sei ein "fundamentum inconcussum" (Du hast es anders gesagt) und als letztgültiger Maßstab anzuerkennen. - Sorry, DAS ist Dogmatik.
Vernünftiges und plausibles Argumentieren ist nicht gerade das Kennzeichen von Dogmatik. Deshalb haben Dogmatiker auch gehörige Angst vor einleuchtender Kritik und kluger Argumentation. Das versaut ihnen das un-wissenschaftliche Geschäft. Es wundert mich insofern nicht, dass es dich zutiefst erschreckt, wenn ich genau das von dir einfordere, - selbstverständlich vergeblich. :)

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn dennoch Setzungen in der Philosophie gemacht werden müssen, dann sollten diese Setzungen unmittelbar evident sein, das heißt, sie sollten logisch unmittelbar einleuchten.
Das ist doch weltanschauungs-abhängig.
Logik ist keine Weltanschauung, sondern formuliert elementare Gesetze des Denkens selbst. Du hast nicht einmal die Freiheit, die Wahrheit der Aussage: "Es regnet oder es regnet nicht" NICHT einzusehen. Ebenso ist es dir unmöglich, die Wahrheit der Aussage: "Es ist nicht möglich, dass es zugleich regnet und nicht regnet" nicht einzusehen. Es sei denn natürlich, man ist geistig schwer gehandicapt, also medizinisch als Idiot eingestuft (früher war das in der Psychologie ein Mensch, dessen IQ unter 75 liegt). Aber ich bin mir nicht sicher, ob nicht sogar ein Mensch, dessen IQ unter 75 liegt, diese elementaren logischen Wahrheiten als wahr einzusehen vermag. Ich vermute es fast ...
Um solche Evidenzien gedankenexperimentell anzweifeln zu können, muss man schon - wie Descartes - ein kontrafaktisches Täuschergottszenario entwerfen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die Selbstimmunisierungstendenz zum Beispiel in der katholischen Philosophie oder im Marxismus, wird gerade von Philosophen wie Popper oder Albert scharf kritisiert.
Beim Kritischen Rationalismus hat man diesbezüglich einen guten Stand - allein deshalb, weil er von Popper selbst als "Methodik" verstanden wird. - Aber dann muss man auch einen Schritt weiter gehen und sich überlegen, was damit fassbar ist und was nicht.
Damit sind alle Aussagen einordenbar, die Behauptungen über die Welt aufstellen.

closs hat geschrieben: Popper hat das gewusst und hat deshalb sehr lakonisch auf methodische Regeln verwiesen: "Was in meine Methodik passt, ist relevant - was nicht, nicht" (das gefällt mir wirklich). - Aber es ist halt keine Philosophie im ernsteren Sinn des Wortes, sondern eben Methodik.
Du scheinst der Auffassung zu sein, philosophische Methodiken seien keine Philosophie. Interessant ... ;)


closs hat geschrieben:Selber bin ich mit großer Wahrscheinlichkeit NICHT selbst-immunisierend, eben weil mir meine Setzungen bekannt und bewusst sind. - Da bist Du ihn größerer Gefahr - und das ist keine billige Retourkutsche, sonder wirklich ganz ernst gemeint - aus obigen Gründen.
:lol:
Ich befürchte fast, du meinst das wirklich ernst ...

closs hat geschrieben: Etwas verkürzt gesagt, spricht vieles dafür, dass sich Philosophie heute mehrheitlich als Disziplin des Kritischen Rationalismus versteht (kannst Du dazustimmen - ist meinerseits gar nicht provozierend gemeint).
Der kritische Rationalismus ist eine unter vielen philosophischen Theorien und Denkansätzen. Insofern kann ich natürlich nicht zustimmen. Markus Gabriel beispielsweise entwickelt mit seinem Neuen Realismus eine ganz andere Richtung.

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#85 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Mo 25. Apr 2016, 09:19

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:verlasse mich auf die Experten, und die sagen eindeutig: Das Gehirn erzeugt das Bewusstsein, und das Bewusstsein erzeugt die Ich-Perspektive.
Das sind naturwissenschaftliche Experten, die ausschließlich unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten urteilen können.
Es spielt letztlich keine Rolle, welche Methodik man anwendet um sich der Wahrheit zu nähern. Die Naturwissenschaft isteinfach stringenter (strenger) als die Theologie welche sich weitgehend auf Dogmen (unbegründete Behauptungen) stützt.
Der große Unterschied:
Der Naturwissenschaft versucht immer mit echten Argumenten seine Thesen zu untermauern. Die Theologie hingegen, behauptet, zweifelt aber nie an ihren Erkenntnissen -- wenn sie nicht weiter kommt, macht sie daraus ein Dogma.
Nicht umsonst ist ein Leitspruch der Theologen immer, "Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein."

closs hat geschrieben:Weil Descartes ontologisch, also VOR dem Einschalten epistemologischer Fragen, denkt...
Vielleicht war genau das der Fehler von Descartes. Vielleicht hätte er besser zuerst empirisch denken müssen. Dann hätte er seinen Fehler mit dem Dualismus von Körper und Geist nicht begangen.

closs hat geschrieben:Hier ist etwas zusammengewachsen, was aus meiner Sicht nicht vermischt werden dürfte.
Eine Vermutung von dir?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das Modell entsteht aus Beobachtungen.
Natürlich - aus naturwissenschaftlichen Beobachtungen.
Mit der Empirie testen wir unsere Modelle. Wenn sie den Test bestehen, und das Modell bestätigen, so haben si allgemein Gültigkeit. Mit anderen Worten: Sie sind System unabhängig.

closs hat geschrieben: In deren Rahmen interpretiert man
a) im Sinne einer Korrelation (Wissenschaft)
b) im Sinne einer primären Kausalität (Weltanschauung)
(a) ist richtig, (b) hingegen falsch.

Pluto hat geschrieben:Es gibt ohne Körper kein "Ich".
Eine rein weltanschauliche Aussage. - Milliarden Menschen sehen und sahen es anders - darunter auch Philosophen, die wussten, wovon sie sprachen.[/quote]Wo denn?
Wo gibt es Wahrnehmung ohne Körper?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#86 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Mo 25. Apr 2016, 10:39

Thaddäus hat geschrieben:Da folgt in der Theologie eben keine Begründung, sondern Glaube.
Es folgt Begründung für Glaube - im Wissen, dass es ab einem gewissen Level kein Wissen mehr sein kann.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn eine einleuchtende Begründung folgen würde, wäre es Philosophie.
Dann wäre Theologie sehr wohl Philosophie - nur dann nicht, wenn unter "Licht" etwas Unterschiedliches verstanden wird. - Meinst Du wirklich, das theologisch oft gebrauchte Wort "lux" sei so daher gesagt?

Thaddäus hat geschrieben: Selbstimmunisierend ist dagegen deine Setzung, alle Erklärungsmodelle seien Setzungen.
Vielleicht ist "basieren" auf" besser.

Thaddäus hat geschrieben:Setzungen in der Philosophie müssen elementar evident sein.
Das sieht die Theologie ebenfalls genauso - nur dann nicht, wenn unter "elementarer Evidenz" etwas Unterschiedliches verstanden wird.

Thaddäus hat geschrieben:In der Philosophie wird nicht geglaubt, sondern begründet.
Das ist doch schon wieder der zweite Schritt. - Im ersten Schritt werden gewisse Grundlagen geglaubt (ich verweise auf Deine Definition von "ratio") - ODER: Man ignoriert, dass man dies glaubt. Oder thematisiert es nicht. - Irgendwo ist hier ein abgetauchtes Feld, aus dem dann plötzlich die Aussage auftaucht: Wir glauben doch gar nicht, wir begründen.

Thaddäus hat geschrieben:Deshalb haben Dogmatiker auch gehörige Angst vor einleuchtender Kritik und kluger Argumentation.
Das stimmt nach meinen Erfahrungen wirklich nicht. Ich habe schon hochintelligente und komplexe Begründungen für Dogmen gehört. - Was man allerdings NICHT akzeptiert, wenn menschliche Ratio zum unbedingten Maßstab für ein Urteil genommen wird - das verstehe ich aus eigener Erkenntnis.

Thaddäus hat geschrieben:Das versaut ihnen das un-wissenschaftliche Geschäft.
WENN Wissenschaft das ist, wie Du es definierst (ich meine, dass es andere Definitionen gibt), dann WILL und DARF Theologie gar nicht wissenschaftlich sein. - Sie kann nicht an Selbst-Maß-Modellen des Menschen gemessen werden. - Ein "Bright" KANN Theologie nicht sinnvoll betreiben - peripher ja, aber nicht substantiell.

Thaddäus hat geschrieben:Du hast nicht einmal die Freiheit, die Wahrheit der Aussage: "Es regnet oder es regnet nicht" NICHT einzusehen.
Ja - aber man hat die Freiheit, göttliche Vernunft unbekannterweise als qualitativ ÜBER unserem Vernunft-Verständnis anzusiedeln. - Dementsprechend ist es jenseits unserer Verständnis-Möglichkeit nicht auszuschließen, dass Jesus tatsächlich leiblich auferstanden ist (Diskussion dabei: Was ist eigentlich "Leib"?) und dass das Grab deshalb leer war.

Mit anderen Worten:
Glaube ist doch nicht Ersatz der Vernunft durch irgendein Irrlicht, sondern Ausdruck der Erkenntnis, dass es eine höhere Vernunft als unsere geben kann. - Denke Deine Vernunft dialektisch hoch - und Du wirst sie nicht mehr verstehen - es sei denn, Du gehst selber mit hoch, was aber möglicherweise erst nach Deinem Tod geht. Man kann den Spatzen in der Hand namens Vernunft loslassen und er fliegt wohin, wohin Du nicht folgen kannst. - Aufgabe des Selbstmaßes.

Thaddäus hat geschrieben:Damit sind alle Aussagen einordenbar, die Behauptungen über die Welt aufstellen.
Über die physikalische Welt - ja. Da ist der KR auch Mittel der Wahl.

Thaddäus hat geschrieben:Du scheinst der Auffassung zu sein, philosophische Methodiken seien keine Philosophie. Interessant ...
Das war eigentlich Poppers Idee - er hat sich verbeten, "Philosoph" genannt zu werden (Zitat von Pluto - ich weiss nicht, wo es steht). Ich verstehe das sehr gut.

Denn damit war Popper frei dafür, sich ohne ontologischen Fragestellungen auf die Welt der physikalischen Erscheinungen zu stürzen und für deren Interpretation methodische Regeln aufzustellen - mit großem Erfolg. - Ich finde Popper gut - als Methodiker.

Davon abgesehen:
Natürlich kann jeder Philosoph Methodiken entwickeln, die man dann "philosophisch" nennt. - Allerdings würde ich erwarten, dass jeder Philosoph sagt: "Ich weiss, dass das nur EINE MEthodik ist - mal schauen, wie weit ich damit komme". - Also kein Universal-Anspruch.

Thaddäus hat geschrieben:Ich befürchte fast, du meinst das wirklich ernst ...
Ja - in der Tat. - Und Deine Reaktion zeigt, dass Dir NICHT klar zu sein scheint, dass Deine geistige Freiheit INNERHALB eines betonierten Blocks stattfindet.

Thaddäus hat geschrieben:Markus Gabriel beispielsweise entwickelt mit seinem Neuen Realismus eine ganz andere Richtung.
Ok - da wirst Du recht haben. - Frage: Bezieht Gabriel eine geistige Welt in seinen Gedanken mit ein, die NICHT Folge von Materie ist?
Zuletzt geändert von closs am Mo 25. Apr 2016, 11:21, insgesamt 2-mal geändert.

Samantha

#87 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Samantha » Mo 25. Apr 2016, 10:42

Thaddäus hat geschrieben:Logik ist keine Weltanschauung, sondern formuliert elementare Gesetze des Denkens selbst. Du hast nicht einmal die Freiheit, die Wahrheit der Aussage: "Es regnet oder es regnet nicht" NICHT einzusehen. Ebenso ist es dir unmöglich, die Wahrheit der Aussage: "Es ist nicht möglich, dass es zugleich regnet und nicht regnet" nicht einzusehen. Es sei denn natürlich, man ist geistig schwer gehandicapt, also medizinisch als Idiot eingestuft (früher war das in der Psychologie ein Mensch, dessen IQ unter 75 liegt). Aber ich bin mir nicht sicher, ob nicht sogar ein Mensch, dessen IQ unter 75 liegt, diese elementaren logischen Wahrheiten als wahr einzusehen vermag. Ich vermute es fast ...
Um solche Evidenzien gedankenexperimentell anzweifeln zu können, muss man schon - wie Descartes - ein kontrafaktisches Täuschergottszenario entwerfen.
Du tust ja so, als würde man Gott erfinden und sich damit als Geisteskranker outen.
Die Menschen, die wirklich an Gott glauben, sind sich seiner Existenz sicher. Ich weiß, dass es ihn geben muss - Du lässt diesen Gott einfach außen vor und nutzt Deine schwache Logik, nur um Dich abgrenzen zu können. Es ist eine kleine Welt, in der Du lebst. Sie wird aber irgendwann größer, so dass auch Gott rein passt. Warte einfach noch ein paar Jahrhunderte. :lol:


Pluto hat geschrieben:Der Naturwissenschaft versucht immer mit echten Argumenten seine Thesen zu untermauern. Die Theologie hingegen, behauptet, zweifelt aber nie an ihren Erkenntnissen -- wenn sie nicht weiter kommt, macht sie daraus ein Dogma.
Nicht umsonst ist ein Leitspruch der Theologen immer, "Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein."
Die Naturwissenschaft hat keine Argumente zu Gott - sie steht vor einem Spiegel und sieht nur Glas, während die Theologen zu krampfhaft vorgehen ... und manches verzerrt wahrnehmen.
Aber was nicht sein kann, vom "intelligenten" Gläubigen aus betrachtet, das ist vermutlich auch nicht. :mrgreen:

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#88 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Mo 25. Apr 2016, 10:49

Pluto hat geschrieben:Mit anderen Worten: Sie sind System unabhängig.
Pluto hat geschrieben: Die Naturwissenschaft isteinfach stringenter (strenger)
Das stimmt - und das kann sie auch, weil sie ein Feld beackert, auf dem es möglich ist.

Pluto hat geschrieben:Nicht umsonst ist ein Leitspruch der Theologen immer, "Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein."
Ich kenne Theologie auch anders. - Unabhängig davon: Diesen Vorwurf machen Theologen exakt gegen den Naturalismus/Materialismus.

Pluto hat geschrieben:Vielleicht hätte er besser zuerst empirisch denken müssen. Dann hätte er seinen Fehler mit dem Dualismus von Körper und Geist nicht begangen.
Dann hätte er diesen Dualismus gar nicht begehen KÖNNEN - dann gibt es ihn nämlich wahrnehmungs-mäßig nicht.

Aber "empirisch" kann unter ontologischen Gesichtspunkten eben gerade NICHT das "Zuerst" sein. - Man muss/müsste :angel: in der Philosophie von vorne anfangen, nicht mittendrin.

Pluto hat geschrieben:Eine Vermutung von dir?
EIgentlich eine offensichtliche Beobachtung.

Pluto hat geschrieben:Sie sind System unabhängig.
NEIN - sie sind immer von dem System abhängig, nach dessen Modell sie getestet wurden. Also für den Bereich, für den dieses Modell gelten soll. Das ist in der Wissenschaft die physikalische Welt.

Pluto hat geschrieben:(a) ist richtig, (b) hingegen falsch.
Wenn man dies konsequent auseinander hält, ist viel gewonnen.

Pluto hat geschrieben:Wo denn? Wo gibt es Wahrnehmung ohne Körper?
Sicherlich nicht in der physikalischen Welt. - Insofern ist die Aussage "Es gibt in der physikalischen Welt ohne Körper kein Ich" mindestens für den Hausgebrauch selbstverständlich korrekt.

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#89 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Thaddäus » Mo 25. Apr 2016, 13:17

Samantha hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Logik ist keine Weltanschauung, sondern formuliert elementare Gesetze des Denkens selbst. [...]
Um solche Evidenzien gedankenexperimentell anzweifeln zu können, muss man schon - wie Descartes - ein kontrafaktisches Täuschergottszenario entwerfen.
Du tust ja so, als würde man Gott erfinden und sich damit als Geisteskranker outen.
Die Menschen, die wirklich an Gott glauben, sind sich seiner Existenz sicher. Ich weiß, dass es ihn geben muss - Du lässt diesen Gott einfach außen vor und nutzt Deine schwache Logik, nur um Dich abgrenzen zu können.
Dieser Hinweis auf die logischen Fundamentalgesetze, die nicht weiter begründet werden müssen, weil sie unmittelbar evident sind, richtete sich nicht gegen Menschen, die an Gott glauben, sondern gegen closs' Behauptung, die Philosophie würde alle möglichen spekulativen Setzungen vornehmen und sei deshalb per se weltanschaulich. Die logischen Fundamentalgesetze sind aber keine Weltanschauungen.

Samantha hat geschrieben: Es ist eine kleine Welt, in der Du lebst. Sie wird aber irgendwann größer, so dass auch Gott rein passt.
Oh, - ich habe - weniger Gott -, als vielmehr die dogmatischen Setzungen der christlichen Großkirchen gerade deshalb aus meiner Welt hinausgeworfen, damit sie größer werden kann. ;)
Mit Gott ist das etwas komplizierter: stellt man sich ihn aber als ein unsichtbares, allmächtiges Wesen vor, welches das Universum und den Menschen erschaffen hat und der gelegentlich Freude daran hat, die Naturgesetze zu brechen, dann ist man eigentlich schon auf dem Holzweg. Begreift man Gott dagegen als einen Versuch des Menschen, sich in seinem Leben und in einer Welt zurechtzufinden, in der er weder gefragt wird, ob er geboren werden will, noch, ob er sterben will, noch, ob er töten will, um selbst zu überleben, dann kommt man der Sache langsam näher ... :)

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#90 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von SilverBullet » Mo 25. Apr 2016, 13:42

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Deine „Tatsache, dass man das Ich wahrnehmen kann“ halte ich für ein Gerücht, denn das Ich nimmt man nicht wahr, sondern man versteht die persönlichen Wahrnehmungszusammenhänge (vor allem die körperlichen Zusammenhänge) als „das Ich“.
Was ist denn das anderes als "Wahrnehmung"?
Der Gesamtvorgang des Verstehens gehört zur Wahrnehmung, aber es handelt sich beim „Ich“ um eine Abstraktion, eine Überblicksbildung und nicht um die „Begegnung mit einem Objekt“.
Solltest du dennoch einen "Objektbezug" suchen, dann ist es der Bezug zum Körper.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Der Objektcharakter, den du hier als „Tatsache“ anbringen möchtest, ist höchst fraglich
Mit "Objekt" meine ich das Thematisierte im Gegensatz zum Thematisierenden.
Das „Thematisierte“ kann man dann aber nicht als existenzielle Einheit ansehen.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dieses Experiment arbeitet vollständig mit Körperzusammenhängen.
Dann fokussiert man sich halt auf körperlich Aspekte. - Ontologisch zweitrangig.
Es ist „ontologisch“ nicht zweitrangiger als das „Ich“, denn wir sind hier vollständig innerhalb von wahrnehmungsabhängigen Zusammenhängen.

Dein Fehler ist, dass du das „Ich“ künstlich aus der Wahrnehmungsabhängigkeit herausnehmen möchtest und dies dann als das „fundamentale Existenzwissen“ verkaufen möchtest.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:In der Wahrnehmung ist es der abstrakte Überblick (siehe oben), bei Descartes ist es eine „unsichtbare Denk-Substanz“ – das beisst sich.
Wieso denn das?
Das „Ich“ ist wahrnehmungsabhängig und die „Denk-Substanz“ soll wahrnehmungsunabhängig sein, aber dennoch soll dies „fundamentales Wissen“ sein – das geht nicht, weil du vom „Ich“ ausgehend, philosophisch die „Denk-Substanz“ erfindest.
Es handelt sich also maximal um eine Vermutung, aber nicht um Wissen.
Aber dass es „unzweifelhaftes Wissen“ sein soll, wird ja gerade von Descartes aufgetischt -> Fehler

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Also besteht deine so genannte „logische Begründung“ lediglich in einem Umdeutungstrick für den Begriff „Ich“.
Das ist doch eine Aussage aufgrund eines Zurechtlegens von Dir.
Wieso zurechtlegen?
Gilt die Aussage „Ich bin 2m gross“ für den Körper oder für eine „unsichtbare Denk-Substanz“?
Sollte es (wie so ziemlich alle Menschen bestätigen würden) für den Körper gelten, dann stellt sich die Frage, wieso das „Ich“ plötzlich als etwas Anderes gelten soll.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Die drei Punkte, die ich genannt habe, denn es spielt keine Rolle, was in der Wahrnehmung abläuft, sondern nur dass etwas abläuft.
Bittel stelle es nochmal ein - ist zu weit hinten. - Mir ist bis dahin nicht klar, wieso eine als wahrnehmungs-unabhängig bezeichnete Sache festgestellt werden kann, wenn nicht durch Wahrnehmung.
Es wird nicht eine konkrete Sache festgestellt, sondern, dass es irgendeine Sache geben muss – das ist ein Unterschied.

Hier die drei Punkte (fundamentales, wahrnehmungsunabhängiges Wissen rund um die menschliche Wahrnehmung):
1. Es findet ein Ablauf/Vorgang statt
2. Es muss eine Existenz/Instanz geben, die diesen Ablauf/Vorgang durchführt
3. Im Ablauf/Vorgang kommt es zu einer Festlegung, für die Wirklichkeitsidentifikation

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:All das liegt vollkommen abseits von der direktesten Möglichkeit
Es gibt für den Menschen nur eine direkte Möglichkeit: Die Wahrnehmung selbst - de Mensch hat nichts anderes.
Warum versuchst du das Thema herumzudrehen.

Es geht doch darum, welches die direkteste Möglichkeit ist, um (aus der Wahrnehmung heraus) die obigen drei Wissens-Punkte in Bezug zu den "Wahrnehmungsinhalten" zu setzen.
Die direkteste Möglichkeit ist, dass die Wahrnehmungsinhalte eine „tatsächlich echte Welt“ darstellen sollen (wenn auch nicht 1:1) und dass diese „echte Welt“ evolutionär für die Funktionalitäten der Wahrnehmung „verantwortlich“ ist.
„Parallelwelten“ oder „Unsichtbarkeiten im Hintergrund“ werden nicht benötigt.

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