Pluto hat geschrieben:Wie gesagt, ich definiere Evidenz nicht naturalistisch.
Was könnte für Dich "Evidenz" sein, die NICHT naturalistisch ist? - WIE müsste sie als nicht-naturalistische Evidenz belastbar sein`, damit Du sie anerkennst?
Detlef hat geschrieben:Der Einfluss der Kirchen, die sich ja hauptsächlich auf die Bibel als Fundament berufen, auf Politik und Gesellschaft ist aber nach wie vor sehr groß. Also muss man sich mit seinem Fundament auch einer solchen Prüfung bzw. Kritik stellen.
Prinzipiell richtig. - Nur: Wie soll das aussehen?
Ich frage deshalb, weil "Kritik" heute oft heißt: "Lass uns mit UNSEREN Maßstäben ANDERE Maßstäbe kritisieren/messen". - Das kann nicht funktionieren - rein technisch gemeint. - Konkret heisst dies im Konflikt zwischen säkular-historisch-kritischer und theologischer Exegese:
Wie kann ein methodisches System, das programmatisch (!) ausdrücklich auf transzendentelle Aspekte verzichtet, Bibel-Texte, die es nur deshalb gibt, weil sie transzendentell motiviert sind, angemessen auslegen? - Geht nicht.
Wir haben also nicht das Problem "Die kirchliche Theologie lässt sich nicht kritisieren", sondern das Problem "Die kirchliche Theologie lässt sich nur innerhalb der Theologie kritisieren - und da ist die säkulare HKM eben nicht verortet".
Es gibt noch einen anderen Weg: Man spricht der Theologie aus materialistischen/atheistischen Gründen ihr Existenzrecht ab - denn welchen Sinn würde Theologie machen, wenn es keinen Gott gibt? - Das kann man machen - aber dann kann man nicht beanspruchen, Instanz INNERHALB der Theologie zu sein. - Und so bleibt die Frage: Wo ist eigentlich die kritisch-historische Exegese zu verorten?
In der theologischen Praxis gibt es sehr wohl Antworten darauf, nämlich: Historisch-kritische Exegese wird von gläubigen Wissenschaftlern durchgeführt, die ihr Fach als Grundlagen-Disziplin verstehen, auf deren Basis die Texte wertend/geistig-spirituell ausgelegt werden. - Ob man diese wertende Auslegung dann innerhalb der historisch-kritischen Exegese macht (was wissenschafts-theoretisch schlampig wäre) oder außerhalb (bspw. per kanonischer Exegese oder halt der Exegeseformen, die es vor der historisch-kritischen Exegese gab), ist dann eher Geschmackssache - in der PRaxis funktioniert ist jedenfalls.
Oder man versteht kritisch-historische Exegese als externe Disziplin, deren Ergebnissen man sich in der Theologie bedient - mit dem selben Ergebnis, dass dann auf theologischer Ebene geistig-spirituell gewertet wird. - Aus Sicht der historisch-kritischen Exegese soll es jedoch anders sein:
Man sieht sich selber als Teil der Theologie, interpretiert aber bspw. Jesus so, als sei er nichts als ein Wanderprediger, also als sei er NICHT göttliche Person.
Dadurch entstehen zwei unterschiedliche historische Jesus-Bilder: Wie ist Jesus historisch vorzustellen, wenn er
a) nur Wanderprediger ist, oder
b) göttliche Person ist.
Das Problem: Man kann zwar verschiedene historische Jesus-Bilder haben, aber es gibt nur einen Jesus, wie er vor 2000 Jahren "der Fall war". - Somit stehen zwei gleichwertige Wirklichkeits-Bilder Jesu gegenüber - was an sich kein Drama ist, da es sich immer lohnt, die Wirklichkeit unter verschiedenen Aspekten zu sehen.
Das Problem: Die historisch-kritische Exegese besteht daraus, die beide Bilder nicht innerhalb ihrer Methodik gegenüberzustellen (was ginge), sondern sagt: "Nur der Wanderprediger Jesus kann der wahre historische Jesus sein - mit 'göttlich' haben wir nichts am Hut". - Kann man machen: Aber halt nicht als Maßstab innerhalb der Theologie, in der man ermitteln will, wie die historische Präsenz Jesu zu verstehen ist, wenn Jesus göttliche Person ist.
Da beides (Jesus=nur Wanderprediger/Jesus=göttliche Person) nicht falsifizierbar ist, also wissenschaftlich nicht ermittelt werden kann, gibt es einen Glaubenskampf INNERHALB der christliche Theologie (was an sich schon ein Witz ist) - und zwar zwischen denen, so wissenschaftlich arbeiten
a) als sei Jesus nur Wanderprediger,
b) als sei Jesus göttliche Person.
Wir reden also nicht von "Kritik" oder nicht, sondern von einem Grundlagen-Durcheinander, das dazu führt, dass beide Seiten getrennte Wege gehen - konkret: Die Theologie betrachtet säkular-kritisch-historische Forschung nur noch als Fakten-Lieferant und nicht mehr als theologische Disziplin.