Alles Teufelszeug? IV

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sven23
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#771 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Do 20. Okt 2016, 06:04

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, es ist die Quellenlage, und nichts anderes Alles andere ist Fiktion.
Auch die Quellenlage ist Fiktion (= menschliche Wahrnehmung) dessen, was der Fall ist..
Das wäre die Position der Radikaltheologen, die Jesus als eine rein literarische Fiktion ansehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es geht um das Erschleichen von angeblichen Zeugenaussagen.
Das wird in einigen Fällen wirklich so gewesen sein - insofern durchaus :thumbdown: . --- Nur - was ändert das an der Frage, was von allem, egal ob es :thumbup: oder :thumbdown: motiviert war, dem, was wirklich mit dem, was Jesus gemeint hat, übereinstimmt?..
Die Forschung sagt eben, dass alles, was später hinzu erfunden wurde, nur noch sehr wenig mit dem historischen Jesus zu tun hatte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Ähnlichkeit ist nur marginal. Es ist ein Unterschied wie zwischen 1. Liga und Kreisklasse.
So ungnädig siehst es die "geistige Fraktion" nicht - aber WENN dieser Vergleich da wäre, würde sie sich selber als 1.Liga verstehen.
In der historischen Jesusforschung darf sie nicht mal Balljunge spielen. Es bleibt ihr nur die Zuschauerrolle. :lol:
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closs
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#772 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Do 20. Okt 2016, 10:19

Münek hat geschrieben:sie ist laut closs immer schuld daran, dass der Eindruck entsteht, sie sei innerhalb der universitären Theologie das Maß der Dinge.
So wird es dargestellt - besondern deutlich von Dir. - Ich zitiere den von Dir vertretenen Anspruch der HKM innerhalb der Theologie - dass es faktisch NICHT so ist, weiß ich auch.

Münek hat geschrieben:Dogmatiker und Fundamentaltheologen sollten sich halt größere Mühe geben, den den Theologiestudenten vermittelten Ergebnissen der Exegese glaubwürdig und überzeugend "geistliche Alternativen" entgegenzusetzen. An dieser Fähigkeit scheint es ihnen aber schwer zu mangeln.
Da ist was dran - und hier kommen wir auf einen Punkt, der mir endlich mal die Möglichkeit gibt, die Theologie zu kritisieren. - Denn es gibt dort zwei extreme Gegenspieler, die mit ihren Polarisierungen wenig Platz für eine "gesunde Mitte" lassen:

Die eine, oft verklebt katholische, Seite vermittelt Theologie als Wiedergabe des "Wortes Gottes" als Ableserei der Bibel in eigener Interpretation. - Das führt dazu, dass man immer dann, wenn man nicht weiter weiß, die Karte "göttliches Geheimnis" zieht. Daran, dass man selber falsch eingestielt ist, kommt man meistens nicht.

Die andere, libertinär-säkulare, Seite vermittelt Theologie als "aufgeklärtes" Anhängsel des säkularen Mainstreams ("wir müssen uns mit der Gesellschaft entwickeln"), ist also im Grunde rein pastoral ausgerichtet (was ja noch ein Kompliment wäre), tut aber so, als sei sie fundamental-theologisch satisfaktions-fähig (was sie NICHT ist).

BEIDE Extreme laden einen Theologiestudenten nicht dazu ein, geistiges Vertrauen zu verfassen. - Einerseits weil "göttliches Geheimnis" keine Begründung ist, andererseits weil eine letztlich materialistische Theologie keine Theologie ist. - Unter "Mitte" würde ich nun verstehen, dass das Christentum/die Bibel genau das vertritt, was eine ontologische Philosophie auch ohne Christentum erkennt - und diese Mitte gibt es auch, aber eben nicht mit der Macht eines Trendsetters.

Man kann also dann ohne Selbstzweifel Theologie studieren, wenn man im einen Fall so sehr glaubt, dass es egal ist, was einem vorgesetzt wird - oder im anderen Fall, wenn man so sehr in die Tiefe geht und so gute Lehrer hat, dass dabei etwas Universales herauskommt. - Ersteres findet man noch, aber eher selten. Letzteres findet man ebenfalls eher selten, da heute eine libertinär-säkulare Haltung überwiegt, die die überwiegende Mehrheit ausmacht. - In anderen Worten: Die Theologie ist in einer Krise.

closs
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#773 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Do 20. Okt 2016, 10:44

Münek hat geschrieben:Die Theologie teilt was wesentlich nicht?
Wertende Schlussfolgerungen der HKM aus ihren sachlichen Beobachtungen.

Münek hat geschrieben:und sie drittens aus genau diesem Grund keinen Widerspruch erhebt bzw. eine Gegenposition zur exegetischen Position einnimmt."
Sie nimmt in der Tat keine Gegenposition zu wissenschaftlicher Sacharbeit ein - aber sie versteht unter "Exegese" auch inhaltlich-geistige Exegese. - Also nicht nur "Was steht in dieser Quelle nach damaligem Sprachverständnis?", sondern auch "Was hat das Geschriebene im geistigen Kontext zu bedeuten?". - Nur letzteres ist eigentliche Exegese - alles andere ist fach-wissenschaftliche Vorarbeit.

Münek hat geschrieben: Er verkündigte keine Jenseitsbotschaft, die sowieso jedermann bekannt war
Zu meinem Verständnis: Glaubst Du, dass die Juden damals an eine geistige Existenz im Jenseits glaubten? So formulierst Du.

sven23 hat geschrieben:Er war aber ein anderer
Ergo: Du verstehst Jesus nur als Wanderprediger. Auf dieser Setzung sind Deine Schlussfolgerungen dann vermutlich korrekt.

sven23 hat geschrieben:Es ist keine Setzung, sondern Ergebnis der Forschung
Aber dieses Ergebnis ist doch nur möglich auf Basis der Setzung, dass Jesus nur Wanderprediger ist. - Es ist in sich folgrichtig, aber im Großen zirkelreferent.

Münek hat geschrieben:Als "Gott" hätte Jesus den Mythos-Charakter der biblischen Urgeschichte selbstverständlich durchschaut und sich ganz sicherlich nicht auf sie berufen.
Doch - und zwar deshalb, weil es wurscht ist, ob die Offenbarungs-Grundlage historisch oder legendenhaft ist. Hauptsache, sie ist geistig authentisch.

Münek hat geschrieben:Eine offizielle Gegenposition der Glaubensfraktion zur Exegese existiert zwar - aber nur in Deiner Wunschvorstellung.
WENN Du im speziellen Fall "Exegese" mit "Naherwartung" gleichstellst, betrifft meine "WUnschvorstellung" die maßgebliche Theologie von Katholizismus, Protestantismus und Orthodoxie. - Ich muss da nichts wünschen - alles schon erledigt.

Münek hat geschrieben:Was Du nicht wahrhaben willst ist, dass Dogmatiker und Fundamentaltheologen keine Exegeten sind
Sie sind keine historisch-kritischen Exegeten, die wissen, sondern sich nur berichten lassen können, wann welcher Text entstanden oder verändert wurde. - Aber INHALTLICH sind sie selbstverständlich Exegeten - da geht doch die substantielle Exegese erst los, wenn man biblische Texte fundamental auslegt.

sven23 hat geschrieben:Das wäre die Position der Radikaltheologen, die Jesus als eine rein literarische Fiktion ansehen.
Nein - die Tatsache, dass unsere Wahrnehmung in gewisser Weise immer Fiktion ist, heisst nicht, dass Geschehenes Fiktion ist.

sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung darf sie nicht mal Balljunge spielen. Es bleibt ihr nur die Zuschauerrolle.
Umgekehrt ist es wirklich genauso - hier ziehen zwei Karawanen in verschiedene Richtungen weiter.

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#774 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Münek » Fr 21. Okt 2016, 03:01

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:sie ist laut closs immer schuld daran, dass der Eindruck entsteht, sie sei innerhalb der universitären Theologie das Maß der Dinge.
So wird es dargestellt - besondern deutlich von Dir. - Ich zitiere den von Dir vertretenen Anspruch der HKM innerhalb der Theologie - dass es faktisch NICHT so ist, weiß ich auch.
So wird es eben hier im Forum NICHT dargestellt. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die neutestamentliche Exegese ausschließlich um biblisch-historische Sachverhalte, niemals um Glaubensfragen kümmert.

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sven23
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#775 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Fr 21. Okt 2016, 06:05

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Er war aber ein anderer
Ergo: Du verstehst Jesus nur als Wanderprediger. Auf dieser Setzung sind Deine Schlussfolgerungen dann vermutlich korrekt..
Umgekehrt, die Ergebnisse legen nahe, dass er nur Wanderprediger war.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist keine Setzung, sondern Ergebnis der Forschung
Aber dieses Ergebnis ist doch nur möglich auf Basis der Setzung, dass Jesus nur Wanderprediger ist. - Es ist in sich folgrichtig, aber im Großen zirkelreferent..
Unsinn, es bedarf keiner Setzung. Zirkelschlüssig ist die kanonische Exegese, die mit kontaminierten Texten die Kontamination "beweisen" will. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das wäre die Position der Radikaltheologen, die Jesus als eine rein literarische Fiktion ansehen.
Nein - die Tatsache, dass unsere Wahrnehmung in gewisser Weise immer Fiktion ist, heisst nicht, dass Geschehenes Fiktion ist..
Das meist ist ja nicht geschehen, das ist doch der Witz an der Sache. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung darf sie nicht mal Balljunge spielen. Es bleibt ihr nur die Zuschauerrolle.
Umgekehrt ist es wirklich genauso - hier ziehen zwei Karawanen in verschiedene Richtungen weiter.
Richtig, in eine wissenschaftlich fundierte und eine glaubensdogmatische. Aber das ist seit dem Aufkommen der historisch-kritischen Forschung so.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#776 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von 2Lena » Fr 21. Okt 2016, 08:11

Sven23 hat geschrieben:Das meist ist ja nicht geschehen, das ist doch der Witz an der Sache.
Das klingt verrückt ...
Ich kenne Inhalte der Religion bloß so, dass einfach nachgesagt wurde ... richtig zwar, aber ...
Unter dem Motto: Der Papst und alle früheren wissen es, wussten es (konnten erklären) ...
Mittlerweile - ? findet sich ein Pfarrer - der selbst alles glaubt was er vorpredigt?
Bzw. die Predigten bewegen sich grad mal auf dem Stand heute gelehrter Philosophie und Psychologie.

Dort glaube ich, beißt sich die Katze bereits in den Schwanz. Dort fehlt ebenso viel Wissen, wie in der Religion, die noch grad äußerlich irgendwelche Bekenntnisse herleiert. Man geht mit Lösungen vor, die eigentlich kaum welche sind und steht recht ratlos bei den meisten Angelegenheiten.

Anders wäre es hier: Wenn ich zum Beispiel nur die Psalmen aufschlage. Sie erklären eine Menge an Zweifeln, Nöten, Schreie um Rettung und haben oft sehr widersprüchliche Aussagen. Liest man sie jedoch "anders" (ganzer Komplex in Mehrfachsinn, Frage, Antwort, Lösung) so tut sich da ein gewaltiger Sprung in der Entwicklung der Menschheit auf mit neuen Perspektiven und Kenntnissen! (Rückwirkung ist dann umsomehr das ganze Erlösungsgeschehen über Jesus, und auch solche Prophezeiungen sind in den Psalmen). Zuerst sollte man aber wissen, was da "eigentlich" drin ist...

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#777 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Fr 21. Okt 2016, 08:51

Münek hat geschrieben:So wird es eben hier im Forum NICHT dargestellt.
De facto schon - denn wenn Du sagst, dass die historisch-kritische Exegese DIE Exegese-Form schlechthin sei, wären deren wertenden Aussagen theologisch verbindlich.

sven23 hat geschrieben:Umgekehrt, die Ergebnisse legen nahe, dass er nur Wanderprediger war.
Aber diese Ergebnisse wären nicht möglich, würde man nicht säkular-kritisch-rationalistisch auslegen. - Historisch genauso plausibel ist es, wenn er NICHT nur Wanderprediger war - wenn man die Exegese aus anderer Perspektive betreibt.

sven23 hat geschrieben:Zirkelschlüssig ist die kanonische Exegese
Das ist doch die HKM genauso - weil es nicht anders geht (jetzt bist Du wieder bei MEINER Definition von "Zirkelschluss", obwohl Du sie an anderer Stelle abgelehnt hast).

sven23 hat geschrieben:Das meist ist ja nicht geschehen, das ist doch der Witz an der Sache.
Historisch war einiges vermutlich nicht so der Fall, wie es dargestellt wird. Aber warum schließt man daraus, dass Jesus deshalb nur Wanderprediger gewesen sein MUSS?

sven23 hat geschrieben:Richtig, in eine wissenschaftlich fundierte und eine glaubensdogmatische.
Diese Aussage selbst ist Ausdruck von Glaubensdpgmatismus.

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#778 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Fr 21. Okt 2016, 14:52

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:So wird es eben hier im Forum NICHT dargestellt.
De facto schon - denn wenn Du sagst, dass die historisch-kritische Exegese DIE Exegese-Form schlechthin sei, wären deren wertenden Aussagen theologisch verbindlich.
Sie ist nun mal der Goldstandard in der historischen Jesusforschung. Alles andere taugt nur für die Glaubensdogmatik.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zirkelschlüssig ist die kanonische Exegese
Das ist doch die HKM genauso - weil es nicht anders geht (jetzt bist Du wieder bei MEINER Definition von "Zirkelschluss", obwohl Du sie an anderer Stelle abgelehnt hast).
Nö, dann wäre jede historische Untersuchung zirkelschlüssig. Wer käme auf die Idee, bei Zeus vorraussetzen zu müssen, dass er wirklich der Göttervater war, andernfall sei Forschung nicht ergebnisoffen. Das ist so was von intellektuell unterirdisch, dass es schon weh tut.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das meist ist ja nicht geschehen, das ist doch der Witz an der Sache.
Historisch war einiges vermutlich nicht so der Fall, wie es dargestellt wird. Aber warum schließt man daraus, dass Jesus deshalb nur Wanderprediger gewesen sein MUSS?
Es ist das auf Grund der Quellenlage naheliegendste. Wenn man schon in so vielen Begleitumständen gefälscht und herumgepfuscht hat, warum sollte dann ausgerechnet die Auferstehung authentisch sein? So naiv kann man doch gar nicht sein.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Richtig, in eine wissenschaftlich fundierte und eine glaubensdogmatische.
Diese Aussage selbst ist Ausdruck von Glaubensdpgmatismus.
Nö, es ist die Beschreibung des Status Quo.
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#779 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Fr 21. Okt 2016, 15:23

sven23 hat geschrieben:Sie ist nun mal der Goldstandard in der historischen Jesusforschung.
Der HISTORISCHEN Jesusforschung, ja. - Aber was IST historische Jesusforschung:

* Wie waren die Zeitumstände damals? - Ja
* Wann ist Jesus wo gewesen? - Ja
* Wie sind die Stammbäume? - Ja
* Von wann ist die Quelle x? - Ja
* Wo wurde sie erstellt? - Ja
* Vom wem wurde sie erstellt? - Ja
* Was wurde damals gegessen und getrunken? - Ja
* Was ist politisch passiert? - Ja
* Gab es die Person des Herodes? - Ja
* Waren seine Jünger Fischer? - Ja
* Wie war damals das Wort x semantisch belegt? - Ja
* Lag damals so etwas wie eine Naherwartung (in Deinem Sinne) in der Luft - Ja
* etc.

Da ist eine ganze Menge zu beantworten - und da ist die HKM wirklich Goldstandard.

Aber NICHT für Fragen wie "Hatte Jesus wirklich eine Naherwartung?" - das ist eine geistige Frage, bei der man miteinbeziehen muss, ob Jesus nur eine Wanderprediger war oder nicht (beides nicht falsifizierbar) - denn dies ist eine GEISTIGE Frage, die in der HKM nichts zu suchen hat. - Da ist die HKM NICHT Goldstandard.

sven23 hat geschrieben:Nö, dann wäre jede historische Untersuchung zirkelschlüssig.
Solange es sich um reine historische Sachfragen ohne geistige Schlussfolgerungen handelt, sind historische Untersuchungen (so gut wie) nicht zirkelschlüssig (lassen wir hier grundlegende descartsche Fragestellungen außen vor, die im Praktischen eh keine Rolle spielen).

Aber bei Fragen, bei denen die Antworten davon abhängen, ob Jesus nur Mensch oder auch Gott ist, ist jede Antwort zirkelschlüssig, die nicht beides berücksichtigt. - Das gilt übrigens umgekehrt für die kanonische Exegese auch, die als Gegenmodell der HKM davon ausgeht, dass Jesus Gott ist und ebenfalls auf ihre Weise die Antworten präjudiziert. - Und "präjudizieren" ist aus meiner Sicht dasselbe wie "zirkel-schlussfolgern".

sven23 hat geschrieben: Wer käme auf die Idee, bei Zeus vorraussetzen zu müssen, dass er wirklich der Göttervater war, andernfall sei Forschung nicht ergebnisoffen.
So platt nicht - aber es ist ein Unterschied, ob man Zeus säkular als "Erfindung", "Phantasie" versteht oder spirituell als eine Chiffre für das Göttliche, das sich bei den Griechen auf (aus monotheistischer Sicht) anders niederschlägt.

Wenn, willkürliches Beispiel, Gaia aus dem "Chaos" kommt (also ungeboren ist) und selbst Ahnin aller Götter ist, somit über Zeus steht (wie die Moiren auch), dann ist dies eine theologische Aussage zu Gott hin - Zeus ist somit nicht substantiell etwas Erfundenes (namentlich natürlich schon), sondern der Wiederklang von realen Urbildern.

Insofern ist die Frage nicht, ob man Zeus als "Göttervater" (ist er das überhaupt?) historisch versteht, sondern ob die Chiffre "Zeus" für eine geistige Realität/Wirklichkeit steht. - Tut man es nicht, sondern versteht ihn als "Fantasie-Produkt" des Menschen, präjudiziert man selbstverständlich ebenfalls die Antworten.

sven23 hat geschrieben:Es ist das auf Grund der Quellenlage naheliegendste.
Aber doch nur bei präjudizierender (also eben NICHT ergebnisoffener) Untersuchung: Säkulare Untersuchungen geistiger Inhalte sind nicht ergebnisoffen.

sven23 hat geschrieben:es ist die Beschreibung des Status Quo.
Unter säkular/materialistisch-ideologischen Gesichtspunkten ist das wohl korrekt.

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#780 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Fr 21. Okt 2016, 16:44

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie ist nun mal der Goldstandard in der historischen Jesusforschung.
Der HISTORISCHEN Jesusforschung, ja. - Aber was IST historische Jesusforschung:

* Wie waren die Zeitumstände damals? - Ja
* Wann ist Jesus wo gewesen? - Ja
* Wie sind die Stammbäume? - Ja
* Von wann ist die Quelle x? - Ja
* Wo wurde sie erstellt? - Ja
* Vom wem wurde sie erstellt? - Ja
* Was wurde damals gegessen und getrunken? - Ja
* Was ist politisch passiert? - Ja
* Gab es die Person des Herodes? - Ja
* Waren seine Jünger Fischer? - Ja
* Wie war damals das Wort x semantisch belegt? - Ja
* Lag damals so etwas wie eine Naherwartung (in Deinem Sinne) in der Luft - Ja
* etc.

Da ist eine ganze Menge zu beantworten - und da ist die HKM wirklich Goldstandard.
So ist es.


closs hat geschrieben: Aber NICHT für Fragen wie "Hatte Jesus wirklich eine Naherwartung?" - das ist eine geistige Frage, bei der man miteinbeziehen muss, ob Jesus nur eine Wanderprediger war oder nicht (beides nicht falsifizierbar) - denn dies ist eine GEISTIGE Frage, die in der HKM nichts zu suchen hat. - Da ist die HKM NICHT Goldstandard.
Natürlich auch da. Warum sonst sollte die Naherwartung Standard in der Forschung sein? Laut Theißen löste aber die enttäuschte Naherwartung keine existentielle Glaubenskrise aus.
Vermutlich aus den gleichen Gründen wie heute: Gläubige gestehen sich selbst nur äußerst ungern ein, dass sie einem falschen Propheten oder einer falschen Idee aufgesessen sind.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Wer käme auf die Idee, bei Zeus vorraussetzen zu müssen, dass er wirklich der Göttervater war, andernfall sei Forschung nicht ergebnisoffen.
So platt nicht - aber es ist ein Unterschied, ob man Zeus säkular als "Erfindung", "Phantasie" versteht oder spirituell als eine Chiffre für das Göttliche, das sich bei den Griechen auf (aus monotheistischer Sicht) anders niederschlägt.
Bei nüchterner und unidiologischer Betrachtung ist es egal, welche Religion, Mythos oder Kult man untersucht. Bei keinem muss man irgendwas setzen. Der jüdisch-christliche Gott hat hier keinen Sonderstatus gegenüber tausenden von anderen Göttern zu beanspruchen.



closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist das auf Grund der Quellenlage naheliegendste.
Aber doch nur bei präjudizierender (also eben NICHT ergebnisoffener) Untersuchung: Säkulare Untersuchungen geistiger Inhalte sind nicht ergebnisoffen.
Die unhistorischen Fälschungen ändern sich nicht, wenn man setzt, dass Jesus Gott ist.
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