closs hat geschrieben:Ich war und bin irritiert, weil Sven die Hermeneutik als Teil der HKM bezeichnet hat, als sei es eine wissenschaftliche, also weltanschauungs-freie Größe. - Auch wenn es eine reine Definitions.Frage ist: Würdest Du die Hermeneutik einer Methodik als Teil der Wissenschaft, also Teil des Weltanschauungs-Freien verstehen? - Wäre doch irgendwie inkonsequent - oder?
Nun, ich werde da der Fachwelt nicht wiedersprechen. In der
Google-Suche solltest Du im dritten Suchvorschlage eine kurze PDF-Datei finden können. Dort wird klargestellt:
Methodik, Quellen- und Textkritik, Hermeneutik und Heuristik bilden die Grundlage der geschichtswissenschaftlichen Foruschung und werden unter dem Begriff Historik zusammengefasst.
Das Problem eines klaren Begriffsverständnisses besteht für mich darin, dass die Erklärungen zur "Hermeneutik" so umfangreich in "sperrigen" Texten erfolgt, die verschiedene Erklärungen bieten. Ich denke, wir sollten uns hier auf die Bibelhermeneuetik beschränken, wobei ich schon annehme, dass jüdische Religionswissenschafter hier anders an den Tanach herangehen, als katholische Alttestamentler (dies ist aber nur eine Vermutung).
Die
Bibelhermeneutik als Schriftauslegung lässt sich offenbar in drei Perspektiven unterscheiden:
Idealtypisch lassen sich drei Perspektiven unterscheiden, die mit je eigenen Methoden umgesetzt werden: 1. hermeneutica auctoris: Biblische Texte sind historische Quellen, die eine geschichtliche Kommunikationssituation zwischen Autor und historischen Adressaten eingefangen haben. Mit diachronen, historischen Methoden kann man versuchen, diesen ursprünglichen Sinn zu rekonstruieren. 2. hermeneutica operis: Erst durch den linguistic turn und postmoderne Geschichtstheorien hat man erkannt, dass die Texte auch als autonome Kunstwerke ihre Berechtigung haben. Sinn wird als kohärenter Textsinn mit literaturwissenschaftlichen Methoden (z.B. narratologische Figurenanalyse) erkannt. 3. hermeneutica lectoris: Schließlich bedarf es immer eines Rezipienten, der mit seinem Verstehenswillen Sinn entdeckt und auf seine spezifische Lebenswelt hin zur Entfaltung bringt (vgl. Körtner, 1994). Auch diese Perspektive ist keineswegs ‚un-wissenschaftlich', sondern folgt z.B. als rezeptionsästhetische Methode einem intersubjektiven Regelwerk mit übergeordneten Rahmentheorien.
closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben: Ein jüdischer Rabbiner wird Jesaja natürlich anders exegesieren als ein Christ, weil seine jüdische Hermeneutik eine christologische Exegese auschließt.
So - und welche Hermeneutik hat positivistische Theologe?
Ich denke eine vom Rationalismus und Positivismus geprägte Hermeneutik. Ein Gott, der in die Welt eingreift, wäre dann ausgeschlossen, woraus logisch folgt, dass Jesu Worte nicht als Worte des "Sohnes Gottes" zu verstehen sind, sondern als Worte eines jüdischen Reformators und somit eine religiös-politische Dimension entfalten. Daraus folgt dann die Naherwartung der Parusie als kognitiven Irrtum zu interpretieren.
In Grunde ein Zirkelschluss, denn wenn Gott nicht in die Welt eingreifen kann, kann Jesus auch nicht durch Heiligen Geist gezeugt wurden sein und somit nicht Gottes einziggezeugter Sohn im christlichem Sinne sein. Aus dieser Anschauung folgt natürlich, dass die christologische Hermeneutik rational abzuweisen ist. Dies ist aber nur meine bescheidene Meinung.
Vielleicht wird es Dich freuen zu sehen, dass in
Theoliteratur erkennbar ist, dass es auch einen alternativen Ansatz zur historisch-kritischen Methode gibt, die biblisch-historische Auslegung.
closs hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Als Beispiel verweise ich auf die kanonische Auslegung, deren "Prämisse" verschieden von der historisch-kritischen ist.
So - und da komme ich auf die Frage zurück:
a) Ist Hermeneutik Teil der HKM, oder
b) Ist HKM Teil der Hermeneutik, oder
c) Weder noch.
Ich denke, a) trifft zu. Unter
Allgemeines zur Historisch-kritischem Methode wird erklärt:
... Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass der Sinn eines Textes herausgearbeitet werden müsse, den der Verfasser in seinem historischen Umfeld zum Ausdruck bringen wollte, bevor eine weitergehende Interpretation erfolgen könne. Diese Herangehensweise ist der Kern der historisch-kritischen Methode.
Die Bezeichnung Historisch-kritisch verweist auf eine Kombination zweier Grundannahmen dieser hermeneutischen Methoden:
Demzufolge liegen hermeneutische Methoden der Historisch-kritischem Methode zugrunde. Wäre es zu gewagt, wenn ich behaupte. Die historisch-kritische Hermeneutik ist die Grundlage für die historisch-kritische Exegese?
Übrigens, dass Wissenschaft im allgemeinen Sinne nur dann als solche gilt, wenn eine bestimmte Methode (wie ein "Kochzezept") angewandt wird, ist wissenschafltich-historisch nicht haltbar (diesbezüglich verweise ich auf Kuhn und Feyerabend ). Es mag aber sein, dass es auch Wissenschaften gibt, die sich über Methoden definieren. Dies mag in der Theologie der Fall sein.
closs hat geschrieben:Wir haben c) gelernt - denn es gibt auch Hermeneutik zu einem Gedicht wie bspw. "Über allen Gipfeln ist Ruh". - Unter HKM verstehe ich demnach nüchterne, weltanschauungs-freie, saubere wissenschaftliche Arbeit:
1) Wann ist ein ein Text entstanden?
2) Wo?
3) Durch wen?
4) Original/Abschrift?
5) Zeit zwischen Original und Abschrift?
6) Rezeption?
7) Historisches zur Zeit der Original-Entstehung?
8) Dito Abschrift-Entstehung?
9) Sprache/Übersetzung?
10) etc.
Keinerlei Interpretation. - NACH dieser Kärrner-Arbeit kommt die Hermeneutik: "Was hat das zu bedeuten?"
Hat sich Deines Wissens diese Definition von HKM inzwischen verändert?
Die Hermeneutik kommt soweit ich das verstanden habe nicht nur am Ende, sondern ist auch Grundlage und Methode. So wird in der historisch-kritischen Exegese festgestellt, dass es historisch den Exodus nie gab und somit kollegtive Erfahrungen rückblickend religiös ausgedeutet und in mythischer Form aufgeschrieben wurden. Dies hat viel mit Rückbindung und Identität zu tun.
Ich empfehle Dir "Theologie-Examen" von Prof. Erich Zenger, einem sehr bedeutenden katholischen Exegeten. Exegese geht meines Wissens schon über die von Dir angeführten Aspekte hinaus. So wird verneint, dass Jesus eine christliche Gemeinde/Kirche wollte, weil er ja nur das Judentum refomieren wollte usw.
Exegese heißt
Auslegeung, und was ist das anderes Interpretation auf Basis einer wissenschaftlichen Methodik?
Zum Abschluss möchte ich nicht verschweigen, dass ich hierhin keinerlei Ausbildung habe. In meinem Deutsch-Unterricht kamen solche Begriffe noch nicht einmal vor. Du hast studiert

, ich habe Mittlere Reife.
Könnte man sagen, Hermeneutik ist eine perspektive Methodik, um Texte zu entschlüsseln und somit für die Auslegung (Exegese) so bedeutsam?