Keineswegs! Albert zieht nur den Schluss aus den historischen Erfahrungen bis in die Jetztzeit hinein. Das Konzept der doppelten Wahrheit gab es ja, und es hat sich herausgestellt, dass es zu genau dem geführt hat, worüber Albert schreibt.closs hat geschrieben:Dass es hier eine Problematik gibt, ist offenkundig. - Aber er löst diese Problematik auf einseitige Weise auf.Thaddäus hat geschrieben: Albert zeigt auf, worin das Problem dieses Glaubens an eine doppelte Wahrheit besteht.
Albert ist genau wie Popper ein Vertreter bzw. Miterfinder des kritischen Rationalismus, er ist nur nicht ganz so berühmt geworden wie Popper und wird darum gelegentlich vergessen.closs hat geschrieben:Ich kenne von Albert nur das, was in wiki steht und was Du drüber sagst - somit bin ich auf Dich angewiesen.Thaddäus hat geschrieben:Vor allem ist Hans Albert ein ausgewiesener Wissenschaftstheoretiker und sein "Traktat über kritische Vernunft" ist Standardliteratur in der Wissenschaftstheorie.
Wenn du übrigens den Artikel in Wiki zum Stichwort "Wissenschaftstheorie" überfliegst, wirst du bemerken, dass da eine Fülle von Positionen aufgeführt werden und eine Menge klassisch gewordener Modelle wie Hempels H-O-Schema etc. In keiner einzigen von diesen wird aber ein Konzept der doppelten Wahrheit vertreten oder die Legitimation eines Rechtfertigungsbezugs auf religiöse oder metaphyische Überzeugungen. Noch nicht einmal in dem relativistischen Modell des "Anything goes" von Paul Feyerabend ist es erlaubt. Es gibt - wie du selbst sehen kannst - nicht einmal innerhalb der realistischen Wissenschaftstheorie eine Position, die übernatürliche oder religiöse Erklärungen, doppelte Wahrheiten oder Bezugnahmen auf metaphysische Entitäten vertritt. Savonlinna sollte dies ebenfalls zur Kenntnis nehmen. Deine Behauptung closs, es gäbe eine solche Position in der Wissenschaftstheorie ist also defintiv falsch, jedenfalls gilt dies für die seriöse Wissenschaftstheorie. Die von dir vertretene Position spielt in der Wissenschaftstheorie keinerlei Rolle.
Es gibt keine beliebigen Defintionen von Wissenschaft, Vernunft, Geist, Wahrnehmungssystem etc. Der ganze Sinn einer Defintion ist, dass das Definiendum (also das, was definiert wird) idealerweise nur eine einzige korrekte Defintion hat, auf die man sich als plausibelste einigt. Darum geht es ja. Da kann nicht jeder daherkommen und zentrale Begriffe einfach so definieren, wie er es gerne hätte. Kann er schon, nur wird das dann von den Experten des Faches ignoriert, soweit er nicht absolut überzeugende Gründe vorbringen kann.closs hat geschrieben:Aber das hat doch mit der Definition von "Wissenschaft" zu tun.Thaddäus hat geschrieben:Zudem ist eine Erklärung nicht schon tendenziös, nur weil sie das religiöse Konzept einer doppelten Wahrheit kritisiert, die von keinem mir bekannten Wissenschaftstheoretiker zurecht noch vertreten wird.
Über den Daumen sagt Albert gar nichts. Der ist sehr konkret, in dem, was er sagt.closs hat geschrieben: - Wenn ich wik und Dich richtig interpretiere (korrigiere mich), sagt Albert über den Daumen:
Albert weit darauf hin, wozu das historische Konzept einer doppelten Wahrheit führt: nämlich zu Immunsierung und der Aufgabe des zentralen logischen Widerspruchsprinzips in der Forschung: das etwas nämlich nicht zugleich so und das Gegenteil davon sein kann. Gibt man den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch auf, wird jede beliebige Erklärung möglich und das bedeutet den Tod jeder Wissenscahft. Deshalb ist ein Konzept doppelter Wahrheit von vornherein auszuschließen. Weil sie wissenschaftliches Erklären und damit Wissenschaft verhindert.closs hat geschrieben: * Es gibt hier eine Problematik der doppelten Wahrheit
* Da es nur EINE Wahrheit gibt, kann eine Entscheidung nur zugunsten der Wissenschaft fallen.
Richtig?
Moderne Wissenschaft (Natur- und Geisteswissenschaften) hat heute gar nicht mehr den Anspruch absolute Wahrheiten zu postulieren, die nicht mehr hinterfragt werden können oder dürfen.
Das gilt sogar für die Grundfeste der Naturwissenschaft, das Naturgesetz. Kein Wissenschaftler behauptet, die Naturgesetze seien in einem absoluten Sinne wahr. Das geht schon darum nicht, weil niemand empirisch nachprüfen kann, dass bestimmte Naturgesetze jenseits unser Galaxie z.B. ebenfalls gelten. Es spricht alles dafür, dass die Naturgesetze überall im Universum gelten, aber bewiesen ist das nicht. Man geht davon aus, dass es so ist, und zwar solange, bis etwas dagegen spricht und diese Annahme also falsifiziert wird. Das ist der Sinn von Poppers Falifikation!
Es geht in den Wissenschaften zwar um Wahrheit, aber nicht um absolute Wahrheit, die nicht erreichbar ist. Es geht um die höchstmögliche Plausibilität von Annahmen und Theorien und ihre empirische Bestätigung, wenn das möglich ist. Gleichzeitig kann es keine doppelte Wahrheit geben, denn wenn etwas mit höchster Plausibilität so ist, wie es ist und also als vorläufig wahr angenommen werden kann, dann ist es unmöglich, dass das Gegenteil hiervon mit der gleichen Plausibiltät wahr ist. Genau das erlaubt das Konzept der doppelten Wahrheit.closs hat geschrieben: Falls mein Eindruck richtig wäre: Kann es nicht sein, dass "Wahrheit" eine Frage der Perspektive ist?