Thaddäus hat geschrieben: Albert zeigt auf, worin das Problem dieses Glaubens an eine doppelte Wahrheit besteht.
Dass es hier eine Problematik gibt, ist offenkundig. - Aber er löst diese Problematik auf einseitige Weise auf.
Thaddäus hat geschrieben:Vor allem ist Hans Albert ein ausgewiesener Wissenschaftstheoretiker und sein "Traktat über kritische Vernunft" ist Standardliteratur in der Wissenschaftstheorie.
Ich kenne von Albert nur das, was in wik steht und was Du drüber sagst - somit bin ich auf Dich angewiesen.
Thaddäus hat geschrieben:Zudem ist eine Erklärung nicht schon tendenziös, nur weil sie das religiöse Konzept einer doppelten Wahrheit kritisiert, die von keinem mir bekannten Wissenschaftstheoretiker zurecht noch vertreten wird.
Aber das hat doch mit der Definition von "Wissenschaft" zu tun. - Wenn ich wik und Dich richtig interpretiere (korrigiere mich), sagt Albert über den Daumen:
* Es gibt hier eine Problematik der doppelten Wahrheit
* Da es nur EINE Wahrheit gibt, kann eine Entscheidung nur zugunsten der Wissenschaft fallen.
Richtig?
Falls mein Eindruck richtig wäre: Kann es nicht sein, dass "Wahrheit" eine Frage der Perspektive ist? - Gar nicht relativierend gemeint, sondern durchaus objektiv im Sinne der jeweiligen Perspektive. - KANN überhaupt etwas "objektiv" sein, wenn es nicht ontologisch "ist"? - Ist ein Ergebnis "objektiv", weil die Wissenschaft
innerhalb ihrer Systematik/Methodik objektiv ist?
Ich habe da meine Zweifel - ziehen wir die HKM heran.
Ist die HKM objektiv? Wenn sie nicht fehlerhaft durchgeführt wird, ist sie es sicherlich im Rahmen ihrer Systematik.
Trifft sie damit die Wirklichkeit notwendigerweise mehr als eine kanonische Analyse? Beileibe nicht unbedingt.
Was wäre also objektive "Wirklichkeit"? Das was tatsächlich stattgefunden hat.
Was wäre die authentischste Wahrnehmung dazu? Naja, die halt am nächsten dran ist - unabhängig, durch welche Methodik man ihr nahe kam.
Thaddäus hat geschrieben:Albert kritisiert ebenso eine dogmatisch auftretende Vernunft, die ebenfalls dem Bedürfnis entspringt, absolute Begründungen und Wahrheiten zu liefern und ersetzt sie durch den Begriff der kritischen Vernunft, die dazu auffordert, sich selbst immer wieder kritisch zu überprüfen
Das gälte dann aber auch der Wissenschaft selbst gegenüber - und zwar nicht im Sinne von "Haben wir alle Regeln eingehalten?", sondern auch im Sinne von "Was KANN Wissenschaft eigentlich und was kann sie nicht?".
Mit anderen Worten:
Albert erweckt den Eindruck, als würde er etwas über Wissenschaft schreiben, und nicht, als würde er etwas über "Wahrheit" schreiben. Es scheint, er schreibe unter der Prämisse, dass ausschließlich über Wissenschaft "Wahrheit" ermittelbar sei. - Somit schriebe er nicht auf einer Metaebene ÜBER Wissenschaft und "Dogmatik", sondern INNERHALB der Wissenschaft. - Wie aber könnte man Allgemeinverbindliches aus einer betroffenen Perspektive schreiben?
Zwei Anmerkungen:
1) Ist der spirituell-geistige Ansatz notwendigerweise "dogmatisch"? - Ich verweise auf das Beispiel mit Musikern, die sich in ihrer Interpretations-Sicherheit von Werken nicht von Musik-Wissenschaftlern reinreden lassen. - Sind sie deshalb "dogmatisch"?
2) Alberts Ansatz ist ganz sicher richtig in Naturwissenschaften. - Wie ich ohnehin dazu neige, bei der von Dir vertretenen Wissenschafts-Definition sogenannte "Geistes-Wissenschaften" vollkommen aus dem Begriff "Wissenschaft" herauszunehmen. - Denn da geht es um Geist - oder er wird methodisch weggekürzt.