Bestreiten kann man alles. Die Frage ist, ob es sich auch mit guten Gründen bestreiten lässt. Die Textbelege sprechen eine recht eindeutige Sprache, was Jesu Naherwartung angeht. Will man die in den Texten vorfindbare Naherwarung, wie sie aus den Jesusworten und auch bei Paulus recht offensichtlich hervorgeht und die ein offensichtlicher Irrtum der beiden darstellt, in eine Nicht-Naherwartung und damit keinen Irrtum umdeuten, dann muss man später eingefügte Zitate und andere Textstellen zu zeitlich frühen Textstellen erklären. Dem folgt aus guten Gründen kaum ein Exeget, - und Ausnahmen bestätigen in diesem Fall die Regel. Ich zumindest kenne keinen theologischen neutestamentlichen Kommentar zu den hierzu relevanten neutestamentlichen Texten, die nicht entsprechend einer Naherwartung von Jesus und Paulus kommentieren.Halman hat geschrieben:Dies lässt sich sehr wohl bestreiten.Thaddäus hat geschrieben: Genau, - und rein sachlich gesehen, also vom einzigen ausgehend, was wir haben, nämlich den neutestamentlichen Schriften, hatte Jesus eine Naherwartung.
Anders als die kanonische Exegese, vertritt die historisch-kritische Methodik keine spezielle Weltanschauung, es sei denn, du bezeichnest die Anwendung von in der Praxis bewährten philologischen Methoden bereits als eine Weltanschauung.Halman hat geschrieben: Erstens spielt die Weltanschauung als hermeneutischer Zugang sehr wohl eine Rolle und zweitens basiert die Textexegese primär auf theoretischen Überlegungen (Rekonstruktion). Faktisch beweisbare Befunde der empirischen Textkritik sind nur ein Teil der umfangreichen Methodik.
Die Anwendung der historisch-kritischen Methoden setzt weder voraus, dass Gott nicht existiert, noch, dass Gott-Vater - Sohn - und hl. Geist nicht wesensähnlich sind, noch, dass Jesus nicht leiblich auferstanden ist usw. Wenn closs solches dennoch behauptet, dann ist das schlicht falsch. Sie kann gleichermaßen angwendet werden von Menschen, die an sämtliche katholische Dogmen glauben oder an keines dieser Dogmen, von Atheisten, von Agnostikern und theoretisch auch von Evangelikalen. Ob sie die Methoden korrekt anwenden, lässt sich nämlich klar sagen, und auch, ob die so erzielten Ergebnisse der Methodenanwendung adäquat sind oder nicht. Es gibt durchaus unsichere Ergebnisse, wenn die Quellenlage nicht eindeutig ist. Dann kann man sich über die Sachlage und deren Konsequenzen streiten. Eine spezielle Weltanschauung oder gar Ideologie kann ich da weit und breit nicht erkennen. Die HKM wird nicht von Atheisten und Kirchenkritikern betrieben. Sie hat sich in der christlichen Theologie selbst ausgebildet und wird von zumeist gläubigen Christen wissenschaftlich angewendet. Ich möchte diesen Wissenschaftlern nicht absprechen, gläubig zu sein, wie auch immer sie die Ergebnisse ihrer Arbeit in ihren Glauben integrieren können.
Vor dem Konzil war der Arianismus, der erklärt, dass ALLEIN der Vater Gott ist, Jesus aber nicht wesensgleich mit Gott und also nicht göttlich sein kann, der Glaube sehr vieler früher Christen. Die Wesensgleichheit Jesu mit dem Vater lehnten die Arianer ab, weil ihrer Ansicht dann kein Monotheismus mehr vorliegt, sondern Vielgötterei.Halman hat geschrieben: Und hier stelle ich einen fachlichen Fehler fest: Die Trinität wurde bereits vor dem Konzil ausgeformt. Schon vor dem Konzil gab es den arianischen Streit und auf diesem Konzil einigte man sich dann u.a. auf die Verbindlichkeit der Trinität. Die nach-nicäische Theologie wurzelt in der vor-nicäischen Theologie.
Auf dem Konzil von Nicäa hat man dadurch versucht, sich diesem berechtigten Vorwurf zu entziehen, dass man dogmatisch festlegte, dass Gott-Vater, Sohn und hl. Geist nicht wesensgleich, sondern nur wesensähnlich sind. Das ist eine ziemlich spitzfindige ad hoc-Defintion, die man überhaupt nur vor dem Hintergrund neuplatonischer Philosophie verstehen kann. Die Arianer wurden aber in der Folge einfach zu Häretikern erklärt und verfolgt.
Ohne ein hohes Maß an Humor lassen sich solche Streitgespräche überhaupt nicht ernsthaft führen ...Halman hat geschrieben: Schön, dass ihr so fröhlich seid.![]()

Nein, ich habe auch ganz vergessen, wo du den wann verlinkt hast.Halman hat geschrieben: Hast Du dich mit Zengers Ausführungen zur kanonischen Exegese beschäftigt? Ich hatte sie verlinkt.
Aber um die Sache abzukürzen:
Stimmt es denn nicht, dass die kanonische Exegese den aktuellen Bestand an (katholischen) Glaubensüberzeugungen voraussetzt, damit man den Kanon überhaupt theologisch sachgerecht verstehen und intepretieren kann?
Wenn dem nämlich so ist, dann setzt diese Exegese als ein Prämisse bereits voraus, was historisch-kritische Analyse erst einmal bestätigen muss.
Diese Art der Theologie wurde umfassend im Mittelalter betrieben. Sie widerspricht aber dem grundsätzlichen Ziel wissenschaftlicher Arbeit: denn die soll überhaupt erst plausibel und wahrscheinloch machen, was wir (halbwegs) gesichert wissen können. Wenn die Berechtrigung von Glaubensinhalten ohenehin als wahr vorausgesetzt wird, dann muss man sie nicht mehr wissenschaftlich prüfen. Will man sie aber wissenschaftlich prüfen, dann müssen sich die Glaubensinhalte nach den mehr oder weniger gesicherten Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeit richten (und das Mehr-oder Weniger macht die Spielräume aus, in denen man sich bewegen kann). Wenn man wissen will, ob Quecksilber schädlich oder Kaugummi unschädlich ist, dann muss man sie chemisch und medizinisch untersuchen. Setzt man aber bereits voraus, dass sie unschädlich sind, dann erübrigt sich jede weitere Untersuchung.
Die kanonische Exegese ist in dieser Hinsicht zutiefst unwissenschaftlich. Und allein deshalb hat sie keinerlei Chance, sich an den Universitäten durchzusetzen. Denn es gibt kein zurück ins Mittelalter ...

Nein, ich hebe nicht darauf ab, dass du oder andere keine theologischen Profis sind, denn ich bin es ja selbst nicht. ich schreibe keine profunden Kommentare zu neu- oder altestamentlichen Schriften. Ich habe genau 5 Semester ev. Theologie studiert, interessiere mich aber für das Thema, weshalb ich das ein und andere Buch dazu lese. Nicht mehr und nicht weniger.Halman hat geschrieben: Ich hatte mit mehreren Links nachgewiesen, dass die kanonische Exegese Thema in einigen Falkutäten ist. Dabei wird sie durchaus kritisch gesehen und keineswegs als Ersatz für die historisch-kritische Forschung gepriesen.
Die Erforschung der Rezeptionsgeschichte ist allerdings auch ein wichtiger Zweig. Savonlinna hatte dies wiederholt erklärt und wenn Du mir noch mal sagst, dass meine Position nicht ernst zu nehmen sei (weil ich ja nur ein Laie sei, denke ich mal) - nun, Savonlinna ist kein Laie. Lass es Dir doch von ihr erklären.
Ich verachte den Katholizismus nicht oder closs Ansichten zu den Themen hier, aber ich halte sehr viele Glaubensüberzeugungen von beiden für zutiefst falsch, auch für falsch im christlichen Sinne. Das ist meine Meinung dazu, die ich zu begründen versuche. Ich halte den Katholizismus in vielen seiner Glaubenüberzeugungen für hochgradig bedenklich. Aber das ist meine private Ansicht, wiewohl ich gute Gründe für diese Einschätzung zu haben glaube. Ich halte den Menschen für ein Wesen, welches ein tiefes bedürfnis danach verspürt, sich die Welt zu erklären, mal mit mehr, mal mit weniger Spiritualität. Ich habe meine eigenen Überzeugungen hierzu, und sie weichen von den Überzeugungen aller hier mitschreibenden Foristen offenbar doch erheblich ab. Aber es sind meine Überzeugungen ...
ich weiß zear nicht, wer Dr. Spieß ist, aber ich versthe durchaus, warum evangelische und katholische Christen darauf pochen, dass der Kern des christlichen Glaubens die Auferstehung Jesu ist. Diese aber unbedingt leblich verstehen zu müssen, dies konnte ich nie nachvollziehen. Ich denke in umfassenderen geistigen Maßstäben ...Halman hat geschrieben: Dies sieht Dr. Jürgen Spieß aber ganz anders.

Übrigens: auch Karl Barth (ev.) oder Romano Guardini (kath.) waren großartige Theologen. Und beide widersprachen Rudolf Bultmann. Aber sie haben es auf eine sehr inteligente Weise getan und gleichzeitig mit Verständnis dafür, worum es Bultmann ging.