Da muss man halt unterscheiden zwischen wissenschaftlich arbeitenden Theologen und Glaubensdogmatikern.closs hat geschrieben:Schön, dass Du das gefunden hast - ich kannte es nicht.Roland hat geschrieben:Josef Ratzinger war fast 25 Jahre Chef der Glaubenskongretation, bis 2005 und als er dann selbst Papst war, also sozusagen Chef der ganzen katholischen Kirche, schrieb er über diese Auslegung![]()
Aber genau das ist es, was ich seitens der katholischen Theologie weiß (und weiten Teilen der evangelischen auch). - Und trotzdem muss man sich anhören, dass diese beiden Theologien das Gegenteil meinen würden - es ist nicht zu fassen.
Unter ersteren ist die Naherwartung Konsens.
Im übrigen hat Ratzinger mal was Richtiges gesagt, als er Bonhöfer ziterte:
Gott ist nur eine Arbeitshypothese. Die Welt funktioniert auch ohne diese.
Zuerst verabschiedet Bonhoeffer in seinem Brief die „Arbeitshypothese: Gott“: „Der Mensch hat gelernt, in allen wichtigen Fragen mit sich selbst fertig zu werden ohne Zuhilfenahme der ‚Arbeitshypothese: Gott’.“ Hätte Bonhoeffer die Haft überlebt, er hätte miterleben und erkennen können, wie wissenschaftliche Erklärungsmodelle an die Stelle Gottes treten.
An die Stelle der Arbeitshypothese Gott hat sich die Evolutionstheorie gesetzt: Sie erklärt die Abstammung des Menschen von den Tieren, vom Einzeller bis zum Menschenaffen.
An die Stelle der Arbeitshypothese Gott haben sich Bakterien und Viren gesetzt. Sie sind die Verursacher von Krankheiten und Infektionen. Die Vogelgrippe ist keine Strafe Gottes, sondern „nur“ eine gefährliche Epidemie.
An die Stelle der Arbeitshypothese Gott haben sich aneinander reibende Erdplatten gesetzt. Wenn sie aneinander stoßen, verursachen sie verheerende Erdbeben und Tsunamis.
An die Stelle der Arbeitshypothese Gott haben sich Gene und der Zufall gesetzt. Beides zusammen bestimmt den Menschen, seinen Intellekt und seine Krankheiten, seine Fähigkeit zu fühlen und seine Lebenserwartung.
Der Zufall, die Gene, die Quanten, die natürliche Selektion – all das bestimmt blind und ohne Gnade die Entwicklung des Lebens auf der Welt. Die Naturwissenschaft hat Gott aus der Welt herausgedrängt. Wir brauchen Gott nicht mehr, um die Welt zu erklären. An die Stelle der Religion ist das stahlharte Gehäuse eines neuen Naturalismus getreten. Der Mensch denkt, das Gen lenkt.
Ganz hellsichtig sah Bonhoeffer, daß diese Entwicklung nicht nur Vorteile mit sich bringt: „Die zum Bewusstsein ihrer selbst und ihrer Lebensgesetze gekommene Welt ist ihrer selbst in einer Weise sicher, daß uns das unheimlich wird (...).“
Die Menschen werden sich bewußt: Wir haben uns von der Abhängigkeit von einem alles bestimmenden Gott befreit. Aber dieses Bewusstsein währt nur für einen kurzen historischen Moment. Dann treten neue Abhängigkeiten an die Stelle der alten Abhängigkeit von Gott. Die Abhängigkeit von den Genen, vom Zufall, von den gnadenlosen Mechanismen der Selektion.
Bonhoeffer mokiert sich über den „säkularisierte[n] Methodismus“ der Psychotherapeuten und Existenzphilosophen, die dem Menschen großartige Freiheit versprechen und in Wahrheit nur die alten und neuen Abhängigkeiten verdecken.
Quelle: Göttinger Predigten im Internet