closs hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:Sag ich doch die ganze Zeit, deshalb besteht die Kirche auf Historizität.
Logisch - es ist die plausibelste Erklärung im biblischen Gesamtkontext. - Aber genauso unbeweisbar wie das Gegenteil.
Das sagt nichts aus über die Plausibilität von Behauptungen. Im übrigen gibt es auch Dogmen, die längst widerlegt sind.
Dogma 53
Gott schützt und leitet durch seine Vorsehung alles Geschaffene.
Das ist vermutlich auch der Grund, warum sich immer weniger auf Gott als Schutzmacht verlassen und lieber privaten Sicherheitsdiensten vertrauen.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist nur das ok., was scheinbar irrelvant für das Glaubenskonstrukt ist
Stimmt - weil der methodische Arm der HKM nicht weit genug reicht, um in relevante Fragen einzugreifen.
Das stimmt so nicht. Die Naherwartung ist eine relevante Frage für das Glaubenskonstrukt und diese wird von der Forschung für authentisch gehalten, aus den viel zitierten Gründen.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der entscheidende Punkt ist, dass die Schreiber hier Geschichtliches vorgaukeln, um die vermeintlichen Widersacher der jüdischen Sekte in ein schlechtes Licht zu rücken.
Das ist eine These, die historisch wahr sein KANN. -
Natürlich ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit wahr. Wäre es ein singulärer Fall, könnte man drüber hinwegsehen, aber das unhistorische zieht sich wie roter Faden durch die Texte. Es sind meist Rückprojektionen, die einzig dem Ziel dienen, die neue Theologie mit Futter unterlegen zu können oder kritische Fragesteller zu befriedigen. Dass da auch einiges schief ging, zeigt sich z. B. an den widersprüchlichen Geschlechtsregistern.
"Beide Stammbäume, die eindeutig über Joseph gehen, wimmeln auch sonst von Widersprüchen. Heißt doch bereits der Vater des Joseph bei Matthäus »Jakob«, bei Lukas »Eli«; wie überhaupt die beiden Genealogien in einem Jahrtausend, nur zwei Namen gemeinsam haben und Lukas von Abraham bis Jesus 56, Matthäus 42 Generationen zählt. So höhnt schon Kaiser Julian: „. . .aber nicht einmal diese Erfindung habt ihr geschickt auszuführen vermocht. Denn Matthäus und Lukas findet man in der Genealogie Jesu miteinander in Widerspruch.“"
Quelle: glauben&wissen
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also die Hoffnung der Glaubensdogmatiker ist, dass der "echte" Jesus ganz anders war, als der in den biblischen Quellen beschriebene. Das ist interessant.
Gar nicht. - Der in den biblischen Quellen beschriebene Jesus ist bei entsprechendem Zugang so auslegbar, dass es zweitrangig ist, ob einzelne Passagen mit Irrtümern behaftet sind oder nicht. - Aber das muss man erst mal einem HKM-ler beibringen.
Die Irrtümer beschränken sich ja nicht auf blaue Gewänder, sondern ziehen sich komplett durch die Texte durch. Und das, was von der Forschung als authentisch betrachtet wird wie die Naherwartung, wird heftig bestritten, ohne eine entsprechende sachliche Begründung.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und wo finden wir, ob die Ausführungen Jesus geistig gerecht werden? Natürlich in der Bibel.
Nicht nur - ein beliebiger richtig guter Buddhist oder Moslem würde die Hauptaussagen der Bibel auch in seinen Schriften finden - oder vermissen. - Aber eben verstehen. - DIe Bibel ist nicht der Erfinder von geistigen Botschaften, sondern Träger derselben.
Sie ist vor allem Träger eines christlichen Antijudaismus. Jesus wäre sicher entsetzt, was aus seiner Botschaft gemacht wurde. Aber als Mensch konnte er das nicht vorraussehen, als Gott hätte er es vorraussehen
müssen.
q.e.d.
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb hält sich die Forschung an die Quellen, denn "was tatsächlich der Fall" war, kann niemand sagen. Theoretisch könnte Jesus auch eine rein literarische Figur sein. Dann hätte das Schicksal der Juden in den letzten 2000 Jahren noch eine zusätzliche, tragische Note.
Stimmt alles. - Um so wichtiger wäre, dass die HKM-Forschung erkennt, dass sie eine ganz andere Schiene verfolgt als die systematische Forschung. - Im Grunde wertet das eine das andere nicht ab - es sei denn, es wird ideologisiert.
Die theologische Forschung ist im Regelfall sehr zurückhaltend, was Wertungen oder Bewertungen betrifft. Man merkt halt doch, dass es sich um Angestellte der Kirchen handelt. Die Theologen haben auch oft eine Tendenz, unangenehme Dinge sprachlich zu "euphemisieren". Dazu könnte ich viele Beispiele nennen.
Pseudepigrafie ist so ein Beispiel. Es hört sich natürlich besser an als Fälschung, aber im Grunde ist es nichts anderes.
"Pseudepigraphen wurden üblicherweise biblischen Gestalten zugeschrieben bzw. untergeschoben, die hohes Ansehen genossen. Deren Autorität wurde genutzt, um eigene Vorstellungen und Ideen zu verbreiten bzw. ihnen Geltung zu verschaffen. Im Bereich biblischen Schrifttums muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass die Aufnahme in den biblischen Kanon oder in die Liturgie bezweckt wurde."
Quelle: Wikipedia
Ein zweites Beispiel aus der Sintflutgeschichte:
Zum Symbol des Regenbogens schreibt der Theologe Baumgart:
"Dabei wird ebenfalls ein Wandel hervorgehoben: Gott entschärft die todbringenden Gefahren auf Seiten der Lebewesen, die zur Flut geführt haben, und schließt aus, eine derartige katastrophale Folge nochmals zuzulassen."
Quelle: bibelwissenschaft.de
"Zuzulassen" erweckt den Eindruck, als habe Gott nicht gerade erst selber die Katastrophe herbeigeführt.
Es gibt aber auch Theologen, die Kartext reden, die sich nicht scheuen, die Dinge beim Namen zu nennen, was ihnen dann den Vorwurf der Ideolgie einbringt.
Vielleicht wäre es ja besser, wie Kubitza z. B. fordert, wenn es mehr
unabhängige Forschung gäbe. Forschung, die keine Rücksichten nehmen muss auf einen überempfindlichen Arbeitgeber.