Das ist aber etwas ganz anderes als "naturalistisch nachvollziehbar". - im übrigen ist auch die kanonische Exegese in der Art ihrer Ausführung intersubjektiv nachvollziehbar - die Frage ist, ob deren Hermeneutik nachvollziehbar ist. - Das sind zwei ganz unterschiedliche Baustellen.Thaddäus hat geschrieben:Da steht aber, dass wissenschaftliche Methodik grundsätzlich intersubjektiv nachvollziehbar sein muss.
Irrtum. - Jeglicher Glaubensentscheid erfolgt nach den Plausibilitäts-Kriterien - selbst wenn am Ende nur einer davon wahr wäre.Thaddäus hat geschrieben: Die Wahl der Prämissen erfolgt selbst nach Plausibititätskriterien. Glaubensentscheide erfolgen jedoch ausdrücklich nicht nach Plausibilitätskriterien, sonst wären es ja keine Glaubens-Entscheidungen.
Das liegt daran, dass "Plausibilität" durch die Vorannahmen der jeweiligen Hermeneutik definiert ist: Wenn man annimmt, dass Jesus nur Mensch ist, ist etwas anderes plausibel, als wenn man annimmt, dass Jesus göttlich ist.
Mit Verlaub: Das ist ein arg mageres Verständnis von Hermeneutik. - Lies mal "Hermeneutik" von Ast bis Gadamer. - Ich kenne Gadamer nicht sehr gut, habe aber in dem wenigen, was ich gelesen habe, verstanden, dass jede "Hermeneutik" auf Grundlagen ("Vorannahmen") beruht, die oft gar nicht falsifizierbar sind (siehe: "Jesus = nur Mensch"/"Jesus = göttlich"), aber den Korridor vorgeben, in dem Ergebnisse zu erwarten sind oder gar festgelegt sind. - Konkret:Thaddäus hat geschrieben:Die Hermeneutik untersucht die Frage, was es bedeutet, etwas zu verstehen (z.B. einen Text, es kann aber auch z.B. ein Signalton sein).
Wenn Bultmann bspw. einen naturalistischen Wirkungszusammenhang der Geschichte postuliert und dies zur Grundlage seiner Hermeneutik macht, KANN er gar nicht Jesu leibliche Auferstehung als historisches Geschehen verstehen - selbst wenn es ein historisches Geschehen "ist". - Das ist ein Glaubensentscheid Bultmanns.
Den Begriff "Glaubensentscheid" finde ich streng genommen unglücklich, weil es eigentlich heißen müsste: "Wer das, was Jesus historisch ist und meint, erfassen will, muss AUCH eine Hermeneutik benutzen, die Jesus als göttlich annimmt - tut man es nicht, kann man den Fall, dass Jesus tatsächlich göttlich war, in seinem historischen Urteil nicht berücksichtigen - und das wäre eben NICHT ergebnisoffen.Thaddäus hat geschrieben:Wenn das Verständnis christlicher Schriften - wie du es propagierst - davon abhängig ist, an ganz bestimmte christliche Glaubensinhalte zu glauben
Deshalb habe ich schon mehrmals vorgeschlagen, dass man zwischen rein technisch-sachlicher Wissenschaft ("Diese Quelle stammt aus den Jahren 80 - 120 n.Chr.") und interpretativer Wissenschaft unterscheidet - denn letztere bedarf der Vorannahmen einer Hermeneutik - egal ob sie von Bultmann oder von Ratzinger ist.
"Plausibel" in Bezug auf welche Vorannahmen? - Bultmann oder Ratzinger?Thaddäus hat geschrieben: aber immer im Rahmen der Plausibilitätskriterien der entwickelten Methode.
Bei den hier diskutierten konkreten Fragen zur Bibel spielt es in der Tat keine Rolle - aber bei der Frage, ob es Wissenschaft ohne Setzungen gibt.Thaddäus hat geschrieben:1. ist es falsch anzunehmen, dass Descartes hier irgendeine Rolle spielt.
Und wie das ein Glaubensentscheid ist - zwar ein für uns selbstverständlicher, aber das ändert nichts.Thaddäus hat geschrieben:3. ist es falsch anzunehmen, es sei ein Glaubensentscheid die Überzeugung zu gewinnen, die res extensae (also die ausgedehnten, körperlichen Dinge) seien KEINE Illusion.
Nee - seine Vorannahme ist der "wohlwollende Gott", der den Menschen in dessen Wahrnehmung nicht verarscht - und WEIL diese Vorannahme gesetzt wird, können wir munter Naturwissenschaft betreiben, weil wir auf dieser Basis nicht fürchten müssen, Illusionen aufzusitzen - ein echter Glaubensentscheid.Thaddäus hat geschrieben:Descartes ist kein Apostel und Prediger, sondern gottseidank Philosoph, weshalb er versucht logisch zu beweisen, dass die Dinge der Welt tatsächlich real sind und eben nicht nur Illusion.
Das stimmt, wurde in diesem Kontext aber auch nicht behauptet.Thaddäus hat geschrieben:4. ist es falsch anzunehmen, es spielte z.B. für die wissenschaftliche, historisch-kritische Methode eine Rolle, ob man davon ausgeht, die Welt sei real oder nur eine Illusion.
Für die historisch-kritische Methodik spielen DEREN Vorannahmen eine Rolle - bspw. dass diese Methodik alternativlos ist, um historische Wahrheit zu ermitteln. - Oder als Frage formuliert: Wie willst Du Erkenntnis-Prozesse mit der Zeit ("Heilsgeschichte") in die HKM einbauen? - Wie verträgt sich das Postulat, ältere (Rezeptions-) Quellen seien authentischer zu Jesus als jüngere Quellen, mit einem "Damals habe ich/hat man es nicht verstanden - jetzt erst fällt der Groschen" ---???---
Die HKM untersucht die (Rezeptions-)Quellen und nicht primär Jesus - ein Kanoniker, Biblisch-Historischer, etc. untersucht primär Jesus und versucht dies über die Quellen. - "Original" für HKM ist Die Rezeption - "Original" für christliche Exegesen/hermeneutiken ist Jesus.
Und wie das ein Glaubensentscheid ist!!!!Thaddäus hat geschrieben:Es ist eben gerade kein Glaubensentscheid, supra-naturalistische Erklärungen aus der wissenschaftlichen Forschung konsequent auszuschließen.
Falsch. - "Wissenschaft" ist ein intersubjektiv nachvollziehbares Verfahren - egal ob das Objekt naturalistisch oder geistig ist.Thaddäus hat geschrieben:Wissenschaftliche Forschung kann es überhaupt nur geben, wenn man supra-naturalistische Erklärungen ausschließt.
Wird Euch so was gelehrt???Thaddäus hat geschrieben:Denn mit supra-naturalistischen Erklärungen kann jedes beliebige Forschungsergebnis erzielt werden, da man sich immer und stets auf eine "höhere Einsicht" berufen kann, die auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit und Plausibilität pfeift.
1) "Nachvollziehbarkeit" und "Plausibilität" beziehen sich nicht auf die wissenschaftliche Vorgehensweise und auf hermeneutische Vorannahmen.
2) Ja, es kann unterschiedliche Forschungsergebnisse zur selben Frage geben, wenn unterschiedliche Vorannahmen da sind. - Zwar ist nur eines davon ontisch wahr - aber welche, können wir in der Regel nicht wissen. - Konkret: Die Deutung der Historizität Jesu ist anders, ob Jesus nur Mensch oder auch göttlich war. - Beide Deutungen können wissenschaftlicher Natur sein, aber nur eine ist authentisch zu dem, was dann ontisch/wirklich ist.
Falsch. - "Plausibilität", etc. sind doch FOLGE der Vorannahme. - Wenn man setzt, dass Jesus historisch göttlich ist, ist es plausibel, dass er historisch leiblich aufersteht. - Wenn man setzt, dass Jesus nur Mensch ist, ist es plausibel, dass die Auferstehung ein Mythos ist. - Beide Aussagen sind im Sinne ihrer hermeneutischen Vorannahmen wissenschaftlich korrekt.Thaddäus hat geschrieben:Der Glaubensentscheid bestimmt hier das Ergebnis, nicht, ob ein Forschungsergebnis plausibel, vernünftig oder logisch ist und das jeder vernünftige Mensch verstehen kann, auch wenn er irgend einen Glaubensentscheid nicht getroffen hat.
Erstens spreche ich nicht von "derselben Berechtigung für alle" - wenn mein Glaubensentscheid wäre, dass Thaddäus Inkarnation von Jahwe wäre, müsste sehr viel weiteres Futter kommen, um diesen Glaubensentscheid gleichberechtigt mit naturalistischen oder christlichen Annahmen verstehen zu können.Thaddäus hat geschrieben:Genau dieser Sachverhalt stellt die endgültige Widerlegung deiner Ansicht dar, je nach persönlichem Glaubensentshceid käme man zu unterschiedlichen Ergenissen und diese hätten alle dieselbe Berechtigung.
Zweitens hast Du vom Prinzip her unrecht: Wissenschaftliche Ergebnisse sind in der Geisteswissenschaft in hohen Maß abhängig von den jeweiligen Vorannahmen - egal ob sie offen (Ratzinger) oder verdeckt (Thaddäus) sind.