Alles Teufelszeug? III

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#661 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Do 21. Jul 2016, 00:37

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jesus aus dem Spiel zu lassen, wie Du es in Deiner laienhaften Vorstellung von der wissenschaftlichen Theologie verlangst, scheint ein nicht gangbarer Weg zu sein.
Aus Sicht der Quellen kann man über ihn reden - aber nicht so tun, als würde man aus seiner eigenen Sicht reden.
Ich denke, Jesu überlieferten Worte - soweit man sie als authentisch ansieht - sollte man schon heranziehen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wer sollte diese heikle Mission nach Deiner Meinung übernehmen?
Das ergibt sich von selbst - es wird eine Spaltung der Theologie geben (wahrscheinlich ist das bereits passiert).
Kann ich mir nicht vorstellen. Die Exegese und die Dogmatik arbeiten doch schon sehr lange schiedlich-friedlich nebeneinander.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Warum sollte die Wissenschaft den Gott der Bibel "als Wirklichkeit" ansehen?
Weil es nur dann Sinn macht, theologisch auszulegen.
Das beantwortet nicht meine Frage.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was Du persönlich unter "substanziell-inhaltlich" verstehst, ist für die neutestamentlichen Wissenschaftler völlig ohne Belang.
Genau diesen Verdacht habe ich schon lange.
Was Du suchst, findest Du bei der kleinen Schwester der wissenschaftlichen Schriftauslegung - nämlich der Dogmatik.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ist es für Dich wirklich so katastrophal (glaubensgefährdend), dass Jesus sich in seiner Naherwartung geirrt hat?
Meine Weltanschauung ist viel umfassender angelegt, als dass es an Episoden scheitern könnte - das ist nicht das Problem.Das Problem ist, dass ein materialistischer Paradigmenwechsel im Umfeld der Theologie, das sich selbst als Teil der Theologie versteht, grundlegende Irrungen in die Gesellschaft trägt. - Es werden unter dem Etikett einer vermeintlichen Aufklärung Dinge als Fakten erklärt, die gar nicht intersubjektiv gewusst werden KÖNNEN.
Das nehme ich Dir nicht ab. Dass die Exegese sich nur der historischen Wahrheit verpflichtet fühlt, scheint einigen dogmenverkleisterten Ideologen offensichtlich mächtig zu stinken. Schämen sollten sie sich. Was solls - die Karawane zieht weiter.

closs hat geschrieben:Du tätest gut daran, nicht nur die von Halman eingestellten Berger-Zitate zu lesen, sondern auch zu verstehen - er hat das grundlegende Problem auf den Punkt gebracht.
Ich teile die orthodoxen Auffassungen dieses theologischen Außenseiters nicht. Berger hat sich irgendwie verrannt.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#662 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 21. Jul 2016, 01:41

Münek hat geschrieben:Ich denke, Jesu überlieferten Worte - soweit man sie als authentisch ansieht - sollte man schon heranziehen.
Historisch-kritisch gesehen sind es Quellen-Worte. - Nächste Hürde: Selbst wenn diese Worte wirklich authentisch sind, nützt es nichts, wenn man sie falsch auslegt, weil man heutiges Verständnis zugrundelegt. - Mit anderen Worten: Quellen-Beobachtung und -Beschreibung tut's auch.

Münek hat geschrieben:Die Exegese und die Dogmatik arbeiten doch schon sehr lange schiedlich-friedlich nebeneinander.
Die systematischen Wissenschaften bedienen sich der reinen Sachergebnisse der HKM und ignorieren einfach den Rest. Insofern passt das zu Deiner Analyse.

Ich sehe die größere Gefahr gegenüber der Bevölkerung. Wobei das wahrscheinlich auch schon vorbei ist - die Leute machen immer mehr ihren eigenen Stiefel - die Macht der Experten wird immer geringer. - Das ist einerseits schlimm, andererseits leider nötig.

Münek hat geschrieben:Das beantwortet nicht meine Frage.
Das war schon eine Antwort - eine andere Antwort wäre: Gott ausschließlich NICHT als Wirklichkeit anzusehen, vereitelt Ergebnisoffenheit der Arbeit.

Münek hat geschrieben:Was Du suchst, findest Du bei der kleinen Schwester der wissenschaftlichen Schriftauslegung - nämlich der Dogmatik.
ICh wünschte, es wäre die kleinere - die wird aber von der heutigen HKM immer größer gemacht. - Ratzingers Vorschlag der Ent-Ideologisierung der HKM in Richtung geistige Offenheit würde zu einer riesigen Aufwertung der HKM führen. - Dann könnte sie die größere Schwester werden.

Münek hat geschrieben: Dass die Exegese sich nur der historischen Wahrheit verpflichtet fühlt, scheint einigen dogmenverkleisterten Ideologen offensichtlich mächtig zu stinken.
Die HKM, wie Du sie vertrittst, fühlt sich ihrer Methodik, nicht aber der historischen Wahrheit verpflichtet.

Münek hat geschrieben:Ich teile die orthodoxen Auffassungen dieses theologischen Außenseiters nicht.
Ein guter Moment, dies sachlich zu begründen.

Münek hat geschrieben:die Karawane zieht weiter.
Ist sie schon. - So wie Du klingst, gibt es zwei Karawanen.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#663 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Do 21. Jul 2016, 02:36

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich denke, Jesu überlieferten Worte - soweit man sie als authentisch ansieht - sollte man schon heranziehen.
Historisch-kritisch gesehen sind es Quellen-Worte. - Nächste Hürde: Selbst wenn diese Worte wirklich authentisch sind, nützt es nichts, wenn man sie falsch auslegt, weil man heutiges Verständnis zugrundelegt.
Bei der Interpretation der Worte Jesu legt die Wissenschaft ganz gewiss NICHT das heutige Verständnis zugrunde. Das Gegenteil ist richtig.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Exegese und die Dogmatik arbeiten doch schon sehr lange schiedlich-friedlich nebeneinander.
Die systematischen Wissenschaften bedienen sich der reinen Sachergebnisse der HKM und ignorieren einfach den Rest.
Wie die historischen Forschungsergebnisse rezipiert werden, dürfte die Wissenschaftler wenig interessieren.

closs hat geschrieben:Ich sehe die größere Gefahr gegenüber der Bevölkerung. Wobei das wahrscheinlich auch schon vorbei ist - die Leute machen immer mehr ihren eigenen Stiefel - die Macht der Experten wird immer geringer. - Das ist einerseits schlimm, andererseits leider nötig.
Den Menschen steht heute das Internet als einzigartige Informationsquelle zur Verfügung. Die merken ganz schnell, wenn ihnen der Pfarrer oder Religionslehrer was vorschwindelt.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was Du suchst, findest Du bei der kleinen Schwester der wissenschaftlichen Schriftauslegung - nämlich der Dogmatik.
ICh wünschte, es wäre die kleinere - die wird aber von der heutigen HKM immer größer gemacht.
Ach was - wer interessiert sich heute schon für katholische Glaubensdogmen? Die kleine Schwester der Exegese führt ein Schattendasein.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Dass die Exegese sich nur der historischen Wahrheit verpflichtet fühlt, scheint einigen dogmenverkleisterten Ideologen offensichtlich mächtig zu stinken.
Die HKM, wie Du sie vertrittst, fühlt sich ihrer Methodik, nicht aber der historischen Wahrheit verpflichtet.

Das nehme ich jetzt mal nicht ernst.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#664 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Do 21. Jul 2016, 06:08

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Und Propheten sind nun mal auch nur Menschen.
So einfach ist es nicht - würde ein Mensch in seiner Eigenschaft als Prophet dummes Zeug reden oder glauben, wäre er kein Prophet mehr. - Da hätten die Juden und Moslems auch in ihrer Sicht ein Problem..
Was die Zukunft betrifft, haben die meisten Propheten dummes Zeug geredet.
q.e.d.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mehr kann die Forschung auch nicht leisten.
Dann soll sie ihre Quellen-Interpretationen machen und gut ist - aber sie soll Jesus selbst aus dem Spiel lassen..
Ach so, In der historischen Jesusforschung soll man Jesus aus dem Spiel lassen. Sag das mal Theißen und Co, die kriegen einen Lachkrampf. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was Ratzinger wollte, wäre das Ende der historisch-kritischen Methode gewesen. Zum Glück hat er aber in der Forschung nichts zu melden.
Was das bedeutet hätte, weiss ich auch nicht ganz genau. - Aber sicherlich hätte die HKM dann einen höheren Stellenwert in der Theologie bekommen können..
Innerhalb der Glaubensdogmatik würde man das sicher gerne sehen. Aber es wäre das Ende der historisch-kritischen Jesusforschung.

closs hat geschrieben: Auch mit dem Status Quo kann man leben - WENN die HKM diszipliniert mit ihrer Disziplin umgeht. - Tut sie es nicht, treffen die Vorwürfe von Ratzinger und Berger zu.
Das tut sie doch. Ratzinger und Berger können nicht nachweisen, dass die Methode falsch oder "undiszipliniert" angewendet wird. Ihr einziges Problem ist, dass ihnen die Ergebnisse nicht schmecken. Da liegt der Hund begraben.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#665 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 21. Jul 2016, 09:36

Münek hat geschrieben:Wie die historischen Forschungsergebnisse rezipiert werden, dürfte die Wissenschaftler wenig interessieren.
Das macht nichts, wiewohl die HKM schon daran interessiert sein sollte, wie ihre Vorarbeit eingesetzt wird.

sven23 hat geschrieben:Was die Zukunft betrifft, haben die meisten Propheten dummes Zeug geredet.
Da bin ich jetzt nicht thematisch drin. Wie gilt das fürs AT?

sven23 hat geschrieben:Ach so, In der historischen Jesusforschung soll man Jesus aus dem Spiel lassen. Sag das mal Theißen und Co, die kriegen einen Lachkrampf.
Man soll ihn dann aus dem Spiel lassen, wenn man sich nicht den Grundlagen seiner Interpretationen bewusst ist. - Natürlich soll man ihn aus den Quellen heraus thematisieren, aber fair.

Fair wäre:
a) HKM: "Das wäre Jesus, wenn er nur Wanderprediger gewesen wäre".
b) kanonische Exegese: "Das wäre Jesus, wenn er Gottes Sohn/Gott gewesen wäre.

a) und b) liegen jeweilige Glaubensentscheide zugrunde: Bei a) methodisch, bei b) bewusst.

sven23 hat geschrieben:es wäre das Ende der historisch-kritischen Jesusforschung.
Wenn man die Karten offenlegt, ist es weder in die eine oder die andere Richtung ein Rückschritt.

sven23 hat geschrieben:Ratzinger und Berger können nicht nachweisen, dass die Methode falsch oder "undiszipliniert" angewendet wird.
Moment: Die Methode selber kann nichts dafür. - Die Menschen ziehen undisziplinierte Schlüsse aus ihrer Methodik, weil sie sie überdehnen. Allerdings hat das System: Man will Weltanschauung als Wissenschaft verkaufen.

Das tut die RKK ebenfalls - aber sie gibt es zu. - Wir müssen uns hier immer wieder bewusst machen, dass wir hier über Dinge sprechen, die längst verstanden und gegessen sind - die Karawanen haben sich längst geteilt.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#666 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Do 21. Jul 2016, 19:09

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ach so, In der historischen Jesusforschung soll man Jesus aus dem Spiel lassen. Sag das mal Theißen und Co, die kriegen einen Lachkrampf.
Man soll ihn dann aus dem Spiel lassen, wenn man sich nicht den Grundlagen seiner Interpretationen bewusst ist. - Natürlich soll man ihn aus den Quellen heraus thematisieren, aber fair.

Fair wäre:
a) HKM: "Das wäre Jesus, wenn er nur Wanderprediger gewesen wäre".
b) kanonische Exegese: "Das wäre Jesus, wenn er Gottes Sohn/Gott gewesen wäre.
zu a: die Forschung muss überhaupt nichts setzen, sie untersucht Textquellen. Dabei sollte man es belassen.
zu b: Genau das tut ja die kanonische Exegese und "beweist" damit das, was sie vorher gesetzt hat. Ein klassischer Zirkelschluss.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ratzinger und Berger können nicht nachweisen, dass die Methode falsch oder "undiszipliniert" angewendet wird.
Moment: Die Methode selber kann nichts dafür. - Die Menschen ziehen undisziplinierte Schlüsse aus ihrer Methodik, weil sie sie überdehnen.
Ist es ein undisziplinierter Schluss, wenn man z. b. den herodischen Kindermord als unhistorisch entlarvt hat? Da die Forschung ergebnisoffen arbeitet, hat sie kein Problem mit dieser Erkenntnis.
Die kanonische Exegese dagegen geht von der Inspiriertheit und Irrtumslogiskeit der Schrift aus und hält demzufolge den herodischen Kindermord für historisch. Sie hält ihn für wahr, weil es in der Bibel steht. Das genügt ihr als Begründung.
Dieses Muster zieht sich natürlich durch die gesamte Bibel und macht deutlich, warum die kanonische Exegese in der Leben Jesu Forschung völlig unbrachbar ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#667 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Do 21. Jul 2016, 19:58

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Abschließend zitiere ich einen Auszug aus einem weiteren Interview von Prof. Dr. Klaus Berger
Der Mann gefällt mir immer besser - er sagt am laufenden Band das besser, was ich hier ständig sagen will. - Da scheint sich also was zu tun - gut so.
Dann solltest du ihn auch mal aufmerksam lesen, denn was er sagt, entlarvt ihn auch ein Stück weit.
Berger gibt also zu, dass die historisch-kritische Methode sowohl in der evangelischen wie auch in der katholischen Theolgie die Standardmethode der Bibelexegese ist.
Er sagt ja sehr richtig, dass die Methode maßgeblich vom Hegelianer Ernst Troeltsch mit der Absicht entwickelt worden ist, Christentum und Moderne miteinander zu versöhnen, und zwar durch den Gebrauch der Vernunft. So weit so gut.
Nun hat aber die Methode die "unangenehme" Nebenwirkung, ergebnisoffen zu sein, d. h., sie liefert ggf. Ergebnisse, die so nicht erwartet worden sind. Und genau das ist hier passiert. Was also in "bester Absicht" entwickelt wurde, entpuppte sich als Rohrkrepierer, was die historische Zuverlässigkeit der NT betrifft.
Dass Berger dies nicht gefällt, kann man irgendwie verstehen, aber das ist sein persönliches Problem. Auch sein trotziges "ich bin hier der Exeget" gegenüber anderen Theologen ist nur Ausdruck von Hilflosigkeit.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#668 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 21. Jul 2016, 21:10

sven23 hat geschrieben:zu a: die Forschung muss überhaupt nichts setzen
Du scheinst ehrlich nicht zu verstehen, dass die HKM im Fall Jesus methodisch präjudiziert. - Das ist wirklich tragisch, weil Dir dann überhaupt nicht die Tragweite der Problematik bewusst werden kann.

sven23 hat geschrieben:Genau das tut ja die kanonische Exegese und "beweist" damit das, was sie vorher gesetzt hat.
Ja - die kanonische Exegese präjudiziert genauso. - Aber sie "beweist" nicht, dass Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist, sondern belegt ihre Annahme, dass Jesus "Gottes Sohn/Gott ist.

sven23 hat geschrieben:Ist es ein undisziplinierter Schluss, wenn man z. b. den herodischen Kindermord als unhistorisch entlarvt hat?
Nein, das nicht. - Wobei Deine Aussage trotzdem undiszipliniert ist - denn: Es müsste heißen "dass es nach heutigem Quellenstand den herodische Kindermord nicht gibt".

sven23 hat geschrieben:Die kanonische Exegese dagegen geht von der Inspiriertheit und Irrtumslogiskeit der Schrift aus und hält demzufolge den herodischen Kindermord für historisch.
Wenn sie das tut, macht sie aus meiner Sicht etwas falsch (ich müsste es aber überprüfen, da üblicherweise die RKK falsch interpretiert wird - aber es kann trotzdem gut sein, was Du sagst). - Also: Wenn eine Überprüfung bestätigen würde, dass die RKK wirklich den herodischen Kindermord programmatisch (!!) für historisch hält, ist das für mich indiskutabel - sie sollte sich mit der Bibel-Substanz beschäftigen und dazu bei Bedarf die HKM miteinbeziehen.

sven23 hat geschrieben:Berger gibt also zu, dass die historisch-kritische Methode sowohl in der evangelischen wie auch in der katholischen Theolgie die Standardmethode der Bibelexegese ist.
Deskriptiv schon. - Aber das ist doch kein Quätssiegel - das sagt doch nichts inhaltlich aus.

sven23 hat geschrieben:Nun hat aber die Methode die "unangenehme" Nebenwirkung, ergebnisoffen zu sein
Genau das ist sie nicht - und genau das ist das Problem.

Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#669 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Halman » Do 21. Jul 2016, 22:07

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau das tut ja die kanonische Exegese und "beweist" damit das, was sie vorher gesetzt hat.
Ja - die kanonische Exegese präjudiziert genauso. - Aber sie "beweist" nicht, dass Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist, sondern belegt ihre Annahme, dass Jesus "Gottes Sohn/Gott ist.

sven23 hat geschrieben:Ist es ein undisziplinierter Schluss, wenn man z. b. den herodischen Kindermord als unhistorisch entlarvt hat?
Nein, das nicht. - Wobei Deine Aussage trotzdem undiszipliniert ist - denn: Es müsste heißen "dass es nach heutigem Quellenstand den herodische Kindermord nicht gibt".

sven23 hat geschrieben:Die kanonische Exegese dagegen geht von der Inspiriertheit und Irrtumslogiskeit der Schrift aus und hält demzufolge den herodischen Kindermord für historisch.
Wenn sie das tut, macht sie aus meiner Sicht etwas falsch (ich müsste es aber überprüfen, da üblicherweise die RKK falsch interpretiert wird - aber es kann trotzdem gut sein, was Du sagst). - Also: Wenn eine Überprüfung bestätigen würde, dass die RKK wirklich den herodischen Kindermord programmatisch (!!) für historisch hält, ist das für mich indiskutabel - sie sollte sich mit der Bibel-Substanz beschäftigen und dazu bei Bedarf die HKM miteinbeziehen.
Kurt, gibt Dir doch nicht so viel Mühe - es ist doch Zwecklos. Gegen so viel Starrsinn kommt keine Stimme der Vernunft an. Die kanonische Exegese wird hier gründlich falsch verstanden und dies zu erklären stößt doch immer wieder auf "taube Ohren".

Die kanonische Exegese erforscht die Rezeption "kanonischer" Texte in der Glaubensgemeinschaft. Wie uns hier schon von Savolinna erklärt wurde, hat dies Parallelen zur Literaturwissenschaft. So kann man auch untersuchen, wie in unterschiedlichen Zeiten die Werke von Goethe rezipiert wurden.
Die kanonische Exegese betont sogar ausdrücklich die Polyphonie der Bibel, welche jedoch in ihrer Vielstimmigkeit als kanonische normative Größe für die Glaubensgemeinschaft rezipiert wird.
Zurzeit lese ich Zenges Einführung in das Alte Testament, wobei es sich um ein Standardwerk für das Theologie-Studium handelt. Hinterfrage bitte kritisch, was hier so alles verzapft wird. Teilweise wird hier Unsinn erzählt.
Zur Erinnerung verweise ich auf einen der bedeutensten Exegeten seiner Zeit und zwar in seiner Rezension zum Jesus-Buch des emeritierten Papstes:
Unter der Abschnitts-Überschrift "Drei hermeneutische Optionen" kannst Du Zengers Worte zur kanonische Exegese lesen. In seinem Sinne kann man die Bibel als „Auslegungsliteratur“ bezeichnen:
„So ist die Bibel fundamental ein durch Auslegung gewordener Text. Und von diesem Entstehungsprinzip her kommt dann der Auslegung der Bibel auch nach dem Akt der Kanonschließung eine große Bedeutung zu. Im Judentum erhält sie die Würde der mündlichen Offenbarung, zumindest wenn es sich um die Auslegung der Tora handelt.“
Zitatquelle: freiburger Rundbrief
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#670 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 21. Jul 2016, 23:14

Halman hat geschrieben:Kurt, gibt Dir doch nicht so viel Mühe - es ist doch Zwecklos.
Mein Glaube an die Aufklärung ist halt manchmal blind für Machbares - danke für Deinen Hinweis.

Halman hat geschrieben:Rezension zum Jesus-Buch des emeritierten Papstes
Ich habe mal einige Zitate rausgenommen:

1) Ist es verwunderlich, dass die Bibelwissenschaft in Theologie und Kirche mehr und mehr an Einfluss verliert?
Genau das beobachte ich auch.

2. Wer mehrere dieser Rekonstruktionen nebeneinander liest, kann alsbald feststellen, dass sie weit mehr Fotografien der Autoren und ihrer Ideale sind als die Freilegung einer undeutlich gewordenen Ikone.
Das ist das, was ich mit "Anthropozentrismus" meine.

3. Es ist jene Passage, in der der Papst auf die 1899/1900 erschienene "Kurze Erzählung vom Antichrist" des russischen Philosophen und Dichters Wladimir Solowjew anspielt, in der dieser erzählt, der Antichrist habe als großer Bibelgelehrter von der Universität Tübingen den Ehrendoktor der Theologie erhalten.

Davon abgesehen, dass dies - contra Ratzi - eine Sottise ist, weist es auf den Umstand hin, dass - pro Ratzi - Dialektik technisch in der Lage ist, umzudeuten. - Formal einwandfrei, aber inhaltlich daneben.

4. Kein ernst zu nehmender Bibelwissenschaftler würde heute noch ein Leben Jesu schreiben wollen. Eine Biographie oder ein Psychogramm Jesu von Nazareth scheitert zunächst an der Spärlichkeit der Quellen. Als primäre Quellen hätten wir dafür die Evangelien und als sekundäre Quellen Hinweise bei Tacitus, Sueton und vielleicht bei Flavius Josephus. Das eigentliche Problem sind aber die Evangelien selbst, die keine historischen Berichte über die Vita Jesu sein wollen.

Das ist exakt der Punkt - die Evangelien sind schriftlich niedergelegte hermeneutische Prozesse bei den Verfassern. - Allerdings sehr wohl mit historischen Anteilen.

5. Er fragt nicht: Was können wir mit den Mitteln der historischen Forschung einigermaßen sicher über den historischen Jesus wissen, und wie kommen wir von diesem historischen Jesus zum Glauben an den Christus? Er fragt vielmehr: Worin konvergieren die vielfältigen Zeugnisse der Evangelien über Jesus, und ist dieses Glaubenszeugnis mit der geschichtlichen Gestalt Jesu historisch plausibel?
Genau - das ist der Unterschied, ob ein Maurer Steine findet und guckt, was er aus dem bauen kann, was zueinander passt - oder ob ein Architekt einen großen Entwurf hat und guckt, was der Steinbruch dafür hergibt.

6. Die kanonische Methode gründet im spezifischen Charakter der Bibel selbst und ist so alt wie die Bibel selbst, deren Vernunftgemäßheit ließe sich m.E. gut vom Wahrheitsbegriff der Hebräischen Bibel her entwickeln.
Auch hier wieder der Unterschied, ob man eine substantielle Kalibrierung hat oder nicht.

7. Biblische Texte haben also ein Sinnpotenzial, das über die Intention ihrer Erstverfasser hinausgeht.
Ein wichtiger Satz von Zenger - denn das gilt für ALLE geistigen Texte. - Und deshalb darf man und muss eigentlich sogar Hegels Dialektik nicht nur in dessen Anwendung verstehen, sondern in deren Sinnpotenzial, das sich hermeneutisch entwickelt. - Dasselbe gilt für Heidegger - übrigens auch für jedes große Werk der Musik.

Und hier scheiden sich Spreu vom Weizen:
Beschreibt man lediglich historisch beschreibt ("Was hat Hegel damit in der Anwendung gemeint?"/"Unter welchen Umständen schrieb Bach seine Kantate Nr.3?") oder substantiell untersucht ("Was steckt hier geistig drin?"). - Dies gilt auch für die Gegenüberstellung von HKM und kanonischer Exegese.

Gesperrt