Alles Teufelszeug? VII

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Münek
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#621 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mi 25. Okt 2017, 01:35

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was Descartes "vorab geglaubt hat", ist in Bezug auf die Realität IRRELEVANT.
Falsch: Es ist irrelevant in Bezug auf unsere Wahrnehmung, weil wir in beiden Fällen dasselbe wahrnehmen.
Descartes Glaube ist IRRELEVANT in Bezug auf die REALITÄT. Nur davon spreche ich hier.

closs hat geschrieben:In Bezug auf das Objekt ("Natur") ist es schon ein Unterschied, der darin besteht, ob es den Mond nur in der Vorstellung des Menschen existiert oder auch ohne diese.
Auch hier: Der Glaube tangiert die Realität nicht. Mit anderen Worten: Ob der Mond nur in der Vorstellung des Menschen oder auch ohne diese Vorstellung existiert, ist für die (erlebte) Realität völlig irrelevant.

closs hat geschrieben:Um Irrungen vorzubeugen: Die Tatsache, dass es aus unserer Wahrnehmung schon den Mond gab, bevor es den Menschen gab, ist KEIN Argument, da auch unsere Wahrnehmung der Erdgeschichte Vorstellung sein könnte
Das halte ich für absolut ausgeschlossen. Denn sofort stellt sich die Frage, WER oder WAS sollte solche Vorstellungen von der Existenz dieser von uns (nur bruchstückhaft) wahrgenommenen dynamisch-funktionierenden Welt mit ihren subatomaren Teilchen, Galaxien, Naturgesetzen, geschichtlichen Abläufen etc. entwickelt haben können?

closs hat geschrieben:wir glauben das nicht, aber wir würden es nicht merken, wenn es so wäre.
E-B-E-N. Deshalb stellt sich diese Frage überhaupt NICHT.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich spreche hier NICHT vom schlafenden "Ich" als Träumer, sondern vom "Traum-Ich" als in der Traumwelt denkende und agierende Persönlichkeit, die messerscharf schließt: "Ich denke, also bin ich".
OK - aber wer nimmt das Traum-Ich als Traum-Ich war?
Das fragst ausgerechnet Du? :o Hat Descartes die Existenz des denkenden ICH an die Bedingung geknüpft, dass dieses ICH von Dritten wahrgenommen wird? Ganz sicher nicht.

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Münek
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#622 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mi 25. Okt 2017, 03:13

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du Witzbold. Die "Päpstliche Bibelkommission" sagt genau das Gegenteil. In ihrem Dokument "Die Interpretation der Bibel in der
Kirche" stellt sie ausdrücklich fest:

"Die historisch-kritische Methode ist die UNERLÄSSLICHE Methode für die wissenschaftliche Erforschung des SINNES alter Texte."
OK - aber damit ist doch der Wortsinn gemeint und nicht der geistige Sinn (also das, was damit biblisch gemeint ist/wie etwas biblisch zu verstehen ist)
Das hört sich nach Wischi-Waschi an. Halten wir uns lieber an die Feststellung der "Päpstlichen Bibelkommission", nach der es das Ziel
der historisch-kritischen Methode ist, in vorwiegend diachroner Weise den SINN hervorzuheben, den die VERFASSER und REDAKTOREN ausdrücken wollten.


closs hat geschrieben:Egal wie Du es drehst:
ICH drehe ganz bestimmt NICHTS. Ich nehme die mühevolle Arbeit auf mich, Dich ständig u.a. durch entsprechende Zitate zu korrigieren.

closs hat geschrieben:Es geht um den Unterschied zwischen "Was steht da" und "Was hat das zu bedeuten".
Genau DAS ist die Aufgabe der Bibelexegese (= Textauslegung = Textinterpretation). Du hast das offensichtlich noch immer nicht kapiert.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nö - die neutestamentliche Forschung hält sich an die überlieferte Botschaft Jesu vom "Reich Gottes", das er und seine von ihm ausgesandten Jünger dem Volk als "NAHE herbeigekommene Gottesherrschaft" verkündigten. Gerade die NÄHE des Gottesreiches stand im ZENTRUM seiner Verkündigung.
Im Wortsinn richtig: Es geht in der Tat um die Nähe des Gottesreiches: "Es ist nah". So steht es da und so hat es wissenschaftlich festgehalten zu werden.
Und trotzdem kommst Du Großtheologe daher und behauptest gegen den Konsens der neutestamentlichen Exegeten, Jesus hätte keine Naherwartung gehabt.

closs hat geschrieben:Und jetzt kommt der nächste Schritt zu "Was hat dieser Wortsinn eigentlich zu bedeuten?"
Ob das der "nächste Schritt" ist, weiß ich als Laie nicht. Es bringt nichts, darüber eine Diskussion zu führen. Ich habe keine Veranlassung, das Fachwissen der Exegeten in Zweifel zu ziehen.

closs hat geschrieben:und da meint die HKM offenbar auf ihrer säkularer Interpretationsbasis: "Das Reich Gottes kommt in kurzer Zeit physisch und löst meinetwegen die Römer ab"
Ich empfehle Dir, Dir durch das Lesen eines exegetischen Lehrbuches die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen.

closs hat geschrieben:Die christliche Interpretationsbasis meint: "Wir reden hier von einem geistigen Prozess, der im Menschen nah gekommen ist und bspw. durch Jesu Auferstehung vollendet ist - ab dann ist das nahe Gottesreich da".
Es ist dein gutes Recht, das so zu sehen. Aber in einer wissenschaftlichen Diziplin haben fromme Glaubensüberzeugungen nichts zu suchen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Seine diesbezüglichen Aussagen werden von der HKM nicht als fromme Legenden, sondern authentische Äußerungen und damit als historisch echt angesehen.
Natürlich sprach er vom nahen Gottesreich - aber was bedeutet es?
Das fragst Du mich? Ich bin kein Theologe. Frage aber nicht Deinen Pfarrer, was Jesus und seine Zeitgenossen unter "Gottesherrschaft" verstanden. Was die Mutter Kirche darunter versteht, ist allerdings irrelevant. Die hat sich ja selbst jahrhundertelang als das "Reich Gottes" angesehen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Exegese vertritt KEINEN Alleinvertretungsanspruch.
Das ist genauso ein Feigenblatt-Argument wie die Aussage, dass die HKM offen ließe, dass Jesus göttlich sei.
Völliger Blödsinn. Ich habe es Dir erklärt.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Feststellung, dass es NICHTS zu entscheiden gibt, lässt logischerweise keine Entscheidungsfrage zu.
Es ist sehr wohl zu entscheiden, ob man seine Wahrnehmung auf Glaubensbasis erkennt oder auf Wissensbasis wähnt.
Na dann entscheide Du mal, wenn es Dir so wichtig ist. Da bist Du frei wie ein Vogel.

closs hat geschrieben:Wenn man wähnt (kommt von "Wahn"), wird man meinen, die HKM sei diesbezüglich eine andere Wissenschaft als christliche Exegese-Formen. - WEnn man erkennt, wird man meinen, dass beide auf Glaubensentscheidungen beruhen. - Damit aber fällt der Kritische Rationalismus als Philosophie (!) in sich zusammen (als Methodik ist und bleibt er gut).
Mir bleibt nur zu sagen, dass Du Dich völlig in was verrannt hast.

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#623 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Pluto » Mi 25. Okt 2017, 09:26

Roland hat geschrieben:M.a.W. , wenn die HKM voraussetzt, dass keine übernatürliche Macht in die Geschichte eingreifen kann, dann folgt daraus, dass es maximal einen Gott im Sinne einer Idee oder eines Prinzips geben kann, nicht aber DEN personalen, handelnden Gott der Bibel.
Setzt denn die HKM etwas voraus?

Roland hat geschrieben:Dann bin ich gespannt, wie du, als Agnostiker, die Berichte von der Auferstehung Jesu neutral auslegst.
Ich schließe mich aus, denn ich gehöre zu den Ungläubigen
Was könnte denn objekiver sein, as die Bibel von einem Agnostiker interpretieren zu lassen?

Roland hat geschrieben:Er irrt insofern nicht, als die HKM genau so tatsächlich die Bibel auslegt.
Ihr irrt Beide.
Die HKM interpretiert lediglich den Text, so wie er da steht, also ganz frei von Voraussetzungen. Warum willst du das denn nicht akzeptieren?

Roland hat geschrieben:Und deshalb ist es falsch, wenn z.B. gesagt wird "DIE Forschung hat gezeigt, dass Jesus nur ein Mensch war, der sich geirrt hat…"
Wie kann sich die Textauslegung irren. Gibt es denn Bibelstellen, die Jesus als göttlich darstellen, oder handelt es sich um eine Annahme der Theologen?

Roland hat geschrieben:Nein, eine Exegese, die davon ausgeht, dass es Gott nur als Idee geben kann, kommt zu diesem Ergebnis.
Glaub' ich dir. Aber wer kommt auf diese Idee? Du doch nicht?

Roland hat geschrieben:Nein, denn keine Wissenschaft der Welt kann Gott widerlegen und folglich auch nicht, dass er in der Geschichte handeln kann.
Da Negativbeweise nicht möglich sind, liegt es auch an den Gläubigen, die Existenz Gottes nachzuweisen.


Roland hat geschrieben:Du gehst erstmal davon aus, dass die Naturgesetze grundsätzlich und immer gelten und ihnen alles folgt. Und schließt mithilfe dieser Voraussetzung aus, dass derjenige, der die Naturgesetze GEMACHT hat, diese für eine gewisse Zeit ändern kann. Begründung: Weil sie nämlich grundsätzlich und immer gelten und ihnen alles folgt.
Ein Zirkelschluss.
Meinst du?
Überlege mal... Gott hat sich doch nicht die Mühe gemacht, die Naturgesetze zu schaffen, um sie bei nächst bester Gelegenheit wieder zu brechen, oder?


Roland hat geschrieben:Noch nie was von beamen gehört? "Scotty beam me up!" :lol:
Nein. Ich habe davon nicht gehört.
Du meinst sicher Science Fiction? Was hat das mit der Realität zu tun?

Roland hat geschrieben:Wo ist das logische Problem?
Erster Satz der klassischen Logik: A gleich A; A ungleich B.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#624 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Roland » Mi 25. Okt 2017, 11:06

Pluto hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Dann bin ich gespannt, wie du, als Agnostiker, die Berichte von der Auferstehung Jesu neutral auslegst.
Ich schließe mich aus, denn ich gehöre zu den Ungläubigen
Du hast dich aber schon als Agnostiker bezeichnet. Jetzt, wo's ernst wird, bist du schnell wieder Atheist. :)

Pluto hat geschrieben: Was könnte denn objekiver sein, as die Bibel von einem Agnostiker interpretieren zu lassen?
Versuchen wir es anders: Wenn du da so sicher bist, wie würde ein Agnostiker die Berichte von der Auferstehung Jesu neutral auslegen?

Pluto hat geschrieben: Die HKM interpretiert lediglich den Text, so wie er da steht, also ganz frei von Voraussetzungen. Warum willst du das denn nicht akzeptieren?
Weil das eine falsche und unbegründete Behauptung ist. Wenn es so wäre, bräuchten wir uns nicht über das Thema zu unterhalten.
Lesen wir doch mal bisschen aus dem Text, "so wie er da steht":

Im Johannesevangelium steht:
"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit." (Joh. 1,1+14)

Jesus sagt von sich selbst u.a.:
" Wer mich sieht, der sieht den Vater." (Joh.14, 9),
"Ich und der Vater sind Eins" (Joh.10, 30),
"Ehe Abraham war, BIN ICH" (Joh. 8, 58)

Die Geschehnisse auf dem Berg der Verklärung:
"Und es kam eine Wolke, die überschattete sie. Und eine Stimme geschah aus der Wolke: Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören!" (Mk. 9,7)

Oder bei seiner Taufe:
" Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." (Mt. 3,17)

In Off. 22, 12+13 spricht der erhöhte und als Richter wiederkommende Jesus Christus:
"Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, um einem jeglichen zu vergelten, wie sein Werk sein wird. Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende."

Eine ganz kleine Auswahl aus dem NT, dem "Text, so wie er da steht".

Und die HKM hat einen einfachen Menschen aus ihm gemacht, einen Wanderprediger, der falsche Erwartungen hatte, der sich geirrt hat (Naherwartung). Denn einen Gott, der selbst Mensch wird, der handelt und in die Geschichte eingreift, darf es aufgrund methodischer Voraussetzungen nicht geben.

Nochmal Bultmann:
"Die historische Methode schließt die Voraussetzung ein, dass die Geschichte eine Einheit ist im Sinne eines geschlossenen Wirkungs-Zusammenhangs, in dem die einzelnen Ereignisse durch die Folge von Ursache und Wirkung verknüpft sind. […] Diese Geschlossenheit bedeutet, dass der Zusammenhang des geschichtlichen Geschehens nicht durch das Eingreifen übernatürlicher, jenseitiger Mächte zerrissen werden kann, dass es also keine "Wunder" in diesem Sinne gibt."
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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#625 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Mi 25. Okt 2017, 11:27

Münek hat geschrieben:Descartes Glaube ist IRRELEVANT in Bezug auf die REALITÄT.
Das heißt aber NICHT, dass die Realität das sein muss, was Du glaubst. Bei Dir klingt es so, als sei Realität in jedem Fall eine naturalistische Größe und nicht nur Vorstellung - genau das ist aber offen bzw. von uns nicht entscheidbar.

Münek hat geschrieben: Ob der Mond nur in der Vorstellung des Menschen oder auch ohne diese Vorstellung existiert, ist für die (erlebte) Realität völlig irrelevant.
DAS wiederum ist richtig. - Der Sinn von Descartes liegt darin, dass seit ihm keiner mehr denken braucht, unsere Wahrnehmung von Realität sei etwas anderes als Glaube.

Münek hat geschrieben:Das halte ich für absolut ausgeschlossen.
Auch das ist ein Glaube - davon abgesehen: Auch ich glaube das - aber ich weiß, dass es Glaube ist.

Münek hat geschrieben: Hat Descartes die Existenz des denkenden ICH an die Bedingung geknüpft, dass dieses ICH von Dritten wahrgenommen wird?
Nein - aber er hat das, was Du an Dir als Wahrnehmung verstehst, nicht als Traum bezeichnet, sondern als existierendes Ich. - Denn wenn das Ich selbst ein Traum wäre, müsste es ein Traum von dem sein, der träumt - und das läuft immer auf das Ich raus - am Anfang steht immer ein Ich.

Münek hat geschrieben: nach der es das Ziel der historisch-kritischen Methode ist, in vorwiegend diachroner Weise den SINN hervorzuheben, den die VERFASSER und REDAKTOREN ausdrücken wollten.
Ja - was haben diejenigen gemeint, die geschrieben haben - so muss es sein. - Aber selbst das, was diese gemeint haben, stellt sich in einem anderen Licht dar, ob man es säkular oder christlich interpretiert - also auch hier gibt es die Trennlinie zwischen reiner Sachfeststellung (= Wissenschaft) und Interpretation (= NICHT Wissenschaft???).

Münek hat geschrieben:Genau DAS ist die Aufgabe der Bibelexegese (= Textauslegung = Textinterpretation). Du hast das offensichtlich noch immer nicht kapiert.
Da stimme ich Dir - für Dich vielleicht überraschend - tatsächlich zu, da die Trennlinie zwischen "Sach-Ermittlung" und "geistige Interpretation" unklar ist - die Trennung "Das eine ist Exegese, das andere ist Hermeneutik" scheint es, wie ich es aus meinem Studium kenne, nicht mehr zu geben - man scheint heute beides zu vermischen.

Aber selbst wenn man es vermischt, bleibt die Frage: Was ist an der Exegese Wissenschaft, wenn sie nicht nur Sachfeststellungen, sondern auch Interpretationen macht, die zwangsläufig weltanschaulich unterlegt sind ("Glaubensentscheid" - egal ob säkular oder theologisch)?

Für mich ist BEIDES Wissenschaft - bspw. für Pluto und wohl auch für Dich NICHT - hmm.

Münek hat geschrieben:Und trotzdem kommst Du Großtheologe daher und behauptest gegen den Konsens der neutestamentlichen Exegeten, Jesus hätte keine Naherwartung gehabt.
Es ist in der Theologie Konsens, dass Jesus in dem Sinn, in dem Du es meinst, KEINE Naherwartung hatte. - Die Naherwartungs-These ist ein interpretatives methodisches Ergebnis der HKM, das als solches folgerichtig ist - mehr nicht.

Münek hat geschrieben:Es ist dein gutes Recht, das so zu sehen. Aber in einer wissenschaftlichen Diziplin haben fromme Glaubensüberzeugungen nichts zu suchen.
Im Grund sagst Du, dass in Deinem Wissenschaftsbegriff die Wissenschaft in der Theologie nur Wasserträger-Dienste leisten kann - in MEINEM Wissenschaftsbegriff sehe ich das anders.

Münek hat geschrieben:Mir bleibt nur zu sagen, dass Du Dich völlig in was verrannt hast.
Ich denke über das Sektorendenken unserer Zeit hinaus, was heute als unangemessen verstanden werden kann - echte Philosophen seit Platon würden ein solches Denken voraussetzen.

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#626 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Pluto » Mi 25. Okt 2017, 12:58

Roland hat geschrieben:Du hast dich aber schon als Agnostiker bezeichnet. Jetzt, wo's ernst wird, bist du schnell wieder Atheist. :)
Nein; Ungläubiger.
Der Grund ist folgender: Ich sehe mich nicht als radikaler Anti-Theist.

Roland hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Was könnte denn objekiver sein, as die Bibel von einem Agnostiker interpretieren zu lassen?
Versuchen wir es anders: Wenn du da so sicher bist, wie würde ein Agnostiker die Berichte von der Auferstehung Jesu neutral auslegen?
Keine Ahnung. Warum weichst du mit einer Gegenfrage aus?

Roland hat geschrieben:Wenn es so wäre, bräuchten wir uns nicht über das Thema zu unterhalten.
Genau! Die Diskussion ist tatsächlich überflüssig.
Ich halte deine (und clossens) diesbezüglichen Vorwürfe für reine Behauptungen, die du mit nichts belegen kannst.

Roland hat geschrieben:Im Johannesevangelium steht:
"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit." (Joh. 1,1+14)
Schön. Es steht da. Aber welche Belege hast du, dass das Johannesevangelium richtig ist?
Wie mein Vater immer sagte, "Papier ist geduldig".

Roland hat geschrieben:Jesus sagt von sich selbst u.a.:
" Wer mich sieht, der sieht den Vater." (Joh.14, 9),
"Ich und der Vater sind Eins" (Joh.10, 30),
"Ehe Abraham war, BIN ICH" (Joh. 8, 58)
Sind diese Aussagen nicht etwas anmaßend?

Roland hat geschrieben:Die Geschehnisse auf dem Berg der Verklärung:
"Und es kam eine Wolke, die überschattete sie. Und eine Stimme geschah aus der Wolke: Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören!" (Mk. 9,7)

Oder bei seiner Taufe:
" Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." (Mt. 3,17)

In Off. 22, 12+13 spricht der erhöhte und als Richter wiederkommende Jesus Christus:
"Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, um einem jeglichen zu vergelten, wie sein Werk sein wird. Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende."

Eine ganz kleine Auswahl aus dem NT, dem "Text, so wie er da steht".
Wie gesagt, "Papier ist geduldig"
Kolportierte historische Ereignisse werden um so glaubwürdiger, umso mehr Quellen dasselbe sagen. Nur, hier haben wir es mit Einzelmeinungen zu tun.

Roland hat geschrieben:Und die HKM hat einen einfachen Menschen aus ihm gemacht, einen Wanderprediger, der falsche Erwartungen hatte, der sich geirrt hat (Naherwartung).
Das ist eine ideologische Unterstellung, denn echte Wissenschaft setzt nichts.


Roland hat geschrieben:Nochmal Bultmann:
"Die historische Methode schließt die Voraussetzung ein, dass die Geschichte eine Einheit ist im Sinne eines geschlossenen Wirkungs-Zusammenhangs, in dem die einzelnen Ereignisse durch die Folge von Ursache und Wirkung verknüpft sind. […] Diese Geschlossenheit bedeutet, dass der Zusammenhang des geschichtlichen Geschehens nicht durch das Eingreifen übernatürlicher, jenseitiger Mächte zerrissen werden kann, dass es also keine "Wunder" in diesem Sinne gibt."
Dazu David Hume:
Wenn wir Wunder beobachten, dann sollten wir uns immer fragen ob es wahrscheinlicher ist, dass die Naturgesetze gerade ausgesetzt wurden, oder dass wir Opfer einer Täuschung oder Illusion geworden sind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#627 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Mi 25. Okt 2017, 14:49

Pluto hat geschrieben:Das ist eine ideologische Unterstellung, denn echte Wissenschaft setzt nichts.
DANN darf sie nicht sagen "Jesus hatte eine Naherwartung" - denn das ist eine weltanschaulich unterlegte Interpretation. - Wenn Du Wissenschaft als das definierst, was nichts setzt, muss sich Wissenschaft auf das Beobachten und Beschreiben von Sachverhalten beschränken - dann ist sie nichts als ein Wasserträger für die Theologie, die auf ihrer weltanschaulichen Grundlage interpretiert. - Oder sie ist ein Wasserträger für den Agnostizismus, der auf seiner weltanschaulichen Grundlage interpretiert.

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#628 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Roland » Mi 25. Okt 2017, 14:57

Pluto hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Was könnte denn objekiver sein, as die Bibel von einem Agnostiker interpretieren zu lassen?
Versuchen wir es anders: Wenn du da so sicher bist, wie würde ein Agnostiker die Berichte von der Auferstehung Jesu neutral auslegen?
Keine Ahnung. Warum weichst du mit einer Gegenfrage aus?
Du stellst mit deiner Frage eine Behauptung auf - ich bitte dich das mal zu demonstrieren - du antwortest mit "Keine Ahnung" und unterstellst MIR, ich würde ausweichen. Du bist echt 'n Spaßvogel.
Deine ursprüngliche Aussage war:

Pluto hat geschrieben: Deshalb plädiere ich schon lange dafür, dass man, um Neutralität zu wahren, die Bibelauslegung unbedingt den Agnostikern überlassen sollte.
Und nun demonstriere mal, wie man die Berichte über die Auferstehung "neutral", "agnostisch" auslegen könnte.
Vielleicht kommst du ja selbst drauf, dass, sobald du die biblischen Texte beginnst auszulegen, also über das bloße geschichtswissenschaftliche Datensammeln hinausgehst, dir das nicht mehr unvoreingenommen gelingen wird, denn dann musst du dich zu dem Text irgendwie verhalten.
Und deshalb hat closs recht...

closs hat geschrieben:… dass es keine interpretative Auslegung ("Sinnauslegung") gibt, die NICHT weltanschaulicher Natur ist.
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#629 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mi 25. Okt 2017, 16:10

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Descartes Glaube ist IRRELEVANT in Bezug auf die REALITÄT.
Das heißt aber NICHT, dass die Realität das sein muss, was Du glaubst. Bei Dir klingt es so, als sei Realität in jedem Fall eine naturalistische Größe und nicht nur Vorstellung - genau das ist aber offen bzw. von uns nicht entscheidbar.
Nochmals - da gibt es nichts zu unterscheiden, weil zwischen Welt und Vorstellung dieser Welt kein Unterschied besteht. Sie sind identisch. Was ist, das ist.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Ob der Mond nur in der Vorstellung des Menschen oder auch ohne diese Vorstellung existiert, ist für die (erlebte) Realität völlig irrelevant.
DAS wiederum ist richtig. - Der Sinn von Descartes liegt darin, dass seit ihm keiner mehr denken braucht, unsere Wahrnehmung von Realität sei etwas anderes als Glaube.
Nochmals: Der Begriff "Glaube" ist hier deplatziert. Die Realität schert sich nicht darum, ob jemand an sie glaubt oder nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das halte ich für absolut ausgeschlossen.
Auch das ist ein Glaube.
Das ist Deine persönliche Annahme. Sie stimmt nicht - und wenn Du konsequent zu Ende denkst, wirst Du mir zustimmen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Hat Descartes die Existenz des denkenden ICH an die Bedingung geknüpft, dass dieses ICH von Dritten wahrgenommen wird?
Nein - aber er hat das, was Du an Dir als Wahrnehmung verstehst, nicht als Traum bezeichnet,
Das hat niemand behauptet. Ich denke, ich habe den Sachverhalt, um den es MIR geht, klar dargestellt.

closs hat geschrieben:Denn wenn das Ich selbst ein Traum wäre, müsste es ein Traum von dem sein, der träumt.
Ich sprach von einem Traum-ICH, welches handelt und denkt und konstatiert: "Ich träume, also bin ich". Nur um dieses selbstständig agierende ICH geht es - nicht um den passiv schlafenden Träumer.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: nach der es das Ziel der historisch-kritischen Methode ist, in vorwiegend diachroner Weise den SINN hervorzuheben, den die VERFASSER und REDAKTOREN ausdrücken wollten.
Ja - was haben diejenigen gemeint, die geschrieben haben - so muss es sein. [Aber selbst das, was diese gemeint haben, stellt sich in einem anderen Licht dar, ob man es säkular oder christlich interpretiert.
Nein - das Verständnis des biblischen Verfassers bringt dieser in seinen Texten zum Ausdruck. Dieses kann man IM SINNE des Autors interpretieren, ohne dessen persönlichen Glauben zu teilen. Ich fand das kürzlich in hervorragender Weise bestätigt, als ich den Kommentar eines Exegeten zu einem Paulusbrief durchlas.

closs hat geschrieben:also auch hier gibt es die Trennlinie zwischen reiner Sachfeststellung (= Wissenschaft) und Interpretation (= NICHT Wissenschaft???).
Nein - Du kannst Dich selbst vom Gegenteil überzeugen, indem Du Exegese-Kommentare liest.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Genau DAS ist die Aufgabe der Bibelexegese (= Textauslegung = Textinterpretation). Du hast das offensichtlich noch immer nicht kapiert.
Da stimme ich Dir - für Dich vielleicht überraschend - tatsächlich zu, da die Trennlinie zwischen "Sach-Ermittlung" und "geistige Interpretation" unklar ist.
Du scheinst tatsächlich NICHT zu wissen, dass zum Aufgabenbereich der Exegese beide gehören: sowohl historische Rekonstruktion als auch Textinterpretation.

closs hat geschrieben:Aber selbst wenn man es vermischt, bleibt die Frage: Was ist an der Exegese Wissenschaft, wenn sie nicht nur Sachfeststellungen, sondern auch Interpretationen macht, die zwangsläufig weltanschaulich unterlegt sind
?
Du unterliegst einem Irrtum, wenn Du glaubst, Textinterpretation sei "zwangsläufig weltanschaulich unterlegt".

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Und trotzdem kommst Du Großtheologe daher und behauptest gegen den Konsens der neutestamentlichen Exegeten, Jesus hätte keine Naherwartung gehabt.
Es ist in der Theologie Konsens, dass Jesus in dem Sinn, in dem Du es meinst, KEINE Naherwartung hatte.
Dieser Konsens besteht insofern nicht, als sich "DIE THEOLOGIE" zu diesem Thema überhaupt nicht äußert, weil dieses außerhalb ihres Kompetenzbereiches liegt.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es ist dein gutes Recht, das so zu sehen. Aber in einer wissenschaftlichen Diziplin haben fromme Glaubensüberzeugungen nichts zu suchen.
Im Grund sagst Du, dass in Deinem Wissenschaftsbegriff die Wissenschaft in der Theologie nur Wasserträger-Dienste leisten kann.
Immerhin war es Ratzinger, der schrieb, dass sich christlicher Glaube der historisch-kritischen Methode zu stellen habe. Das besagt alles.

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#630 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mi 25. Okt 2017, 16:19

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das ist eine ideologische Unterstellung, denn echte Wissenschaft setzt nichts.
DANN darf sie nicht sagen "Jesus hatte eine Naherwartung" - denn das ist eine weltanschaulich unterlegte Interpretation.
Pluto sprach von "Setzung". Dass Jesus mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eine Naherwartung hatte, beruht NICHT auf einer Setzung, sondern ist das Ergebnis wissenschaftlicher historisch-kritischer Forschung.

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