Alles Teufelszeug?

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Münek
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#601 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Di 16. Feb 2016, 21:06

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du redest hier im Forum, wie Du es gar nicht meinst.
Ich glaube, meine Denkweise wird einfach nicht verstanden.

Das ist ja nun (schon seit Jahren) nichts wirklich Neues. Wie wärs denn langsam mal mit einem Volks-Hochschul-Kurs "Wie schaffe ich es, mich meinen Mitmenschen gegenüber in Glaubensdingen verständlich auszudrücken?"

Wenn Du wirklich verstanden werden willst, sollte bei Dir die Bereitschaft bestehen, Deine Diskussionspartner empathisch dort abzuholen, wo sie sich befinden. Deine ständigen Hinweise auf Philosophen sind da kontraproduktiv. Sie erschweren den Dialog. Zumal diese Jungs ohnehin nicht mehr wissen als Deine Tante Emma - was die Existenz Gottes betrifft. ;)

Da wirst Du mir wahrscheinlich zustimmen, trotzdem wieder in Deinen alten Trott verfallen.

Erkläre doch einfach mal, welche Vorstellungen Dich konkret bewogen haben, von der Existenz ausgerechnet des biblischen Gottes mit all seinen widersprüchlichen Attributen auszugehen. Das wäre doch mal endlich was. Auf dieser Ebene könnte man astrein diskutieren. Wieso sperrst Du Dich diesbezüglich?

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Savonlinna
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#602 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Di 16. Feb 2016, 21:11

Thaddäus hat geschrieben: Einmal in die Welt gesetzt, hat die Forderung nach einem "methodologischen Atheismus" eine Eigendynamik angenommen, denn es wurde schnell klar, dass sie sich letztlich an alle Wissenschaften richtet und richten muss.
Wem genau wurde es klar?
Ich möchte diese Spur gerne verfolgen.
Ich kenne diesen Begriff nur aus dem Streit zwischen Kreatiionismus und Ablehnern des Kreationismus.
Wer hat den Begriff erstmalig auf andere Bereiche übertragen, gar ihn zu einem wissenschaftstheoretrischen Begriff gemacht?

closs
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#603 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 16. Feb 2016, 21:20

Pluto hat geschrieben:Du wirst feststellen, das genau das Gegenteil passiert. In der westlichen Kultur ist Gott-Gläubigkeit eindeutig rückläufig.
Du hast mich total missverstanden - natürlich ist religiöser Glaube im Westen rückläufig. - Ich sprach vom Ersatz-Glauben an den Staat und dessen Rechtsprechung, den man innerlich zunehmend (mangels eigenem Profil) zum Maßstab für "gut" und "böse" hernimmt.

Münek hat geschrieben: dass die dogmatisierten Glaubenswahrheiten ausschließlich auf unsicheren "Rezeptions-Texten" beruhen
Logisch - aber hier kommt das "Prüfet und behaltet das Gute" ins Spiel - was eben nur geht, wenn man eigene geistige Urteilsfähigkeit hat. - Oder denkst Du, die Kirchen glauben die Bibel einfach so ab?

Münek hat geschrieben: Das Schlimme ist, dass Du Deine unberechtigten Beschuldigungen der Wissenschaft gegenüber wider besseren Wissens ständig wiederholst.
Das werde ich solange tun, bis mir eine gemäßigte und differenzierte Ausdrucksweise zu diesem Thema zu Ohren kommt.

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Münek
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#604 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Di 16. Feb 2016, 21:28

Savonlinna hat geschrieben:Und nun - Witz des Abends - verlangt Münek, und er hat da ja Recht, dass man nicht die Aussagen der Foristen dafür verantwortlich machen kann, wenn man den Wissenschaftlern zu Unrecht Ünfähigkeit unterstellt.

HERR, WIRF HIRN HERAB....

FAKT ist, dass ein breiter KONSENS im wissenschaftlichen Lager hinsichtlich Jesu Naherwartung und seines Irrtums besteht.

FAKT ist nicht, dass Theologen dieses Forschungsergebnis als TATSACHE darstellen. Wissenschaftler machen so etwas nicht.

Jetzt endlich geschnallt!?

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Thaddäus
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#605 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Di 16. Feb 2016, 21:30

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:sondern lediglich ihre Bedeutungslosigkeit für die wissenschaftliche Arbeit und für die wissenschaftliche Theoriebildung. Das hatte ich aber gerade schon geschrieben ...
Hattest Du. ;) - aber dann müssen wir es auch zu Ende denken:

Wenn die wissenschaftliche Arbeit zum Ergebnis kommt, dass aus Sicht der Textverfasser - lass uns unsere eingeführten Testfall heranziehen - Jesus, je nach Quellenlage und methodischem Umgang damit, eine Naherwartung hatte, spricht die Wissenschaft ausschließlich von Rezeption durch die Textverfasser. - Warum diese genau anders sein könnte, als es Jesus gemeint hat, habe ich mehrfach ausgeführt. - Das heisst:
Nein, da fängt der Fehler im Gedanken nämlich schon an.
Was Jesus selbst gemeint oder geglaubt hat, wissen wir nicht und kein Mensch kann es wissen.
Will man aber wissen, was er - vermutlich und mit der höchsten zu erreichenden Wahrscheinlichkeit - gemeint hat, dann gelingt das nur über vernünfte, wissenschaftlich-methodische Analyse und Rückschlüsse aus dem, was andere über ihn gedacht und niedergeschrieben haben!

closs hat geschrieben: Die zwangsläufige Begrenzung der Wissenschaft ...
... ist eine Begrenzung für alle Menschen, auch für die gläubigen unter ihnen, denn auch die können nicht wissen, was Jesus selbst gedacht und geglaubt hat. Deine angebliche Alternative hierzu existiert schlicht und einfach nicht!

closs hat geschrieben: auf diese Textverfasser-Rezeption der Schreiber in Bezug auf Jesus kann nicht zu Tatsachen-Behauptungen führen wie "Jesus hatte eine Naherwartung", wenn es gesamtkanonisch sehr triftige Gründe gibt, dass dem gerade NICHT so ist.
Es existieren keine gesamtkanonischen und gleichzeitig wissenschaftlichen Begründungen dafür, dass Jesus nicht an eine Naherwartung geglaubt hat. Es existieren aber ausreichend gute Begründungen dafür, dass er es getan hat.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Aber sie sind ihrem Anspruch nach allgemeingültig, eben weil jeder Mensch Vernunft besitzt.
Was ist, wenn man Vernunft als das definiert, das über sich selbst hinausschauen kann, also weiss, dass es etwas über den eigenen Vernunft-Möglichkeiten geben könnte? (Zumal dies Kant selber angedeutet hat) - Neigt man nicht heute dazu, Kant und in Ergänzung Popper quasi so zu dogmatisieren, wie es das Mittelalter bei Aristoteles getan hat? - Ist Dir bewusst, wieviele Setzungen Dein Absatz hier in sich trägt?
Vernünftig ist, was vernünftig ist. Und vernünftig ist das, was du als folgerichtig einsehen kannst ohne Legitimation durch übernatürliche Kräfte, die gerade nicht allgemeinverbindlich als vernünftig eingesehen werden.
Die Vernunft geht ohnehin über sich hinaus, denn sie reflektiert sich selbst.
Es ist keine wissenschaftliche Option, die Möglichkeit einer Aber- und Über-Vernünftigkeit in Betracht zu ziehen, weil das keinerlei wissenschaftliche Relevanz hat. Jeder kann ansonsten glauben, was er will, daraus Schlüsse ziehen und das auch kundtun. Nur wird das keinen interessieren, weil die vernünftige Allgemeinverbindlichkeit fehlt. Kant hat in Betracht gezogen, es könne etwas geben, was über die Vernünftigeit am Ende hinausgeht, nur hat er auch darauf hingewisen, dass dies keinerlei Rolle für die Erkenntnis der Welt spielt.


closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:in diesem Falle die philosophische Ethik - etwas zu Werten sagen und auch Werte hervorbringen, die dann aber eine vernünftige und keine Glaubensgrundlage haben.
Weil sie Vernunft als das setzt, was sie darunter versteht.
Nein, sondern weil Vernunft und Vernünftigkeit das ist, was sie sind. Ob eine Gedanke vernünftig ist oder nicht, kann prinzipiell von allen Menschen eingesehen werden. Das Verstehen selbst ist Vernünftigkeit, nämlich das Einsehen von plausiblen Zusammenhängen und Schlussfolgerungen! Letztlich ist dies die unmittelbare Evidenz der logischen Grundgesetze.

closs hat geschrieben: Stelle Dir vor, die Christen hätten recht (die Wissenschaft könnte es nicht vermeiden, wäre es so) und unsere Vernunft ist nur ein Abglanz einer für uns nicht fassbaren Vernunft? - Hiob. - Was dann?
Damit du Hiob überhaupt in dieser Weise verstehen kannst, brauchst du Vernunft und vernünftige Einsicht. Tatsächlich ist deine Hiob-Interpretation aber nicht vernünftig, denn wie Sven23 bereits völlig korrekt schrieb, ist diese Narration keine Erzählung darüber, dass es einen der Vernunft Hiobs überlegenen Geist gibt, sondern es ist eine Erzählung über den treuen Glauben Hiobs, der selbst, wenn er annehmen muss, dass die gottgeschaffene Welt zutiefst ungerecht ist, er an diesem seinen Glauben an YHWH festhält.

closs hat geschrieben: Steckt in Deinem Ansatz nicht der Gedanke: Werte kann man nur das nennen, was wir intersubjektiv nachvollziehen können. ---???--- Im übrigen: Dieser Ansatz ist sicherlich richtig für eine säkulare Gesetzgebung. - Aber das sind Regelungen und keine Antworten auf die Frage "Was IST gut?"/"Was IST böse?".
Nein, Werte sind zunächst alles, was als Werte postuliert wird. Dann kommt es aber darauf an, die Berechtigung dieser Werte moralisch-vernünftig zu begründen. Jeder darf gerne an die Berechtigung der 10 Gebote glauben. Die Frage ist, ob sie über die reine religiöse Setzung hinaus noch irgendeine vernünftige Begründung erfahren können. Das können sie nicht. Damit sind die christliche 10 Gebote einzig und allein eine Sache des Glaubens, aber keine der intersubjektiven Vernünftigkeit. Darum glauben ja auch schon die Muslime letztlich an ganz andere Werte, obwohl auch die sich bis auf Abraham zurückführen. In Europa gelten heute keine christlichen Werte. Jeder der das behauptet lügt, wissentlich oder unwissentlich. In Europa (und in Argentinien) gelten zentrale und von vernünftigen Menschen sich selbst gesetzte Werte der Aufklärung! Z.B das Verbot von Sklaverei. Kein christlicher Wert, denn das frühe Christentum und Jesus selbst haben sich niemals gegen Sklaverei ausgesprochen. Aber die Aufklärung hat es getan aus moralischen Gründen.

closs hat geschrieben: Dieser Unterschied erscheint mir aus sehr pragmatischen Gründen wichtig zu sein:
Besonders in den USA, aber zunehmend auch bei uns greift der Glaube Raum, Rechts-Sprechung "im Namen des Volks" sei ein verbindlicher Stempel für Gerechtigkeit - also gleichsam die Zertifizierung/der Maßstab für "gut" und "böse". - Würdest Du es auch so meinen?
Selbstverständlich. Das ist ein zentrales Erbe der kantischen Moralphilosophie. Denn es war Kant, der vernünftig darlegen konnte, dass der Mensch immer schon sich seine moralischen Gesetze selbst geben muss, denen er sich dann - und das macht seine großartige moralische Autonomie aus - freiwillig unterwirft, weil er sie als vernünftig erkennen kann. Kein Gott kann das leisten, keine Bibel und kein Moses mit seinen 10 Geboten, denn an die muss man glauben. An Kants Moralphilosophie muss mann nicht glauben. Er erklärt, warum sie vernünftig ist. Man kann sich darüber streiten, ob die kantische Moralphilosophie so vernünftig schlüssig ist, dass sie jeder vernünftige Mensch wirklich akzeptieren muss, aber dann diskutiert man bereits auf wesentlich höherem Niveau, als wenn Moralität nur glaubend gesetzt wird.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Di 16. Feb 2016, 21:46, insgesamt 4-mal geändert.

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#606 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Di 16. Feb 2016, 21:35

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und nun - Witz des Abends - verlangt Münek, und er hat da ja Recht, dass man nicht die Aussagen der Foristen dafür verantwortlich machen kann, wenn man den Wissenschaftlern zu Unrecht Ünfähigkeit unterstellt.

HERR, WIRF HIRN HERAB....
Das wird er nicht tun.
Ich rede hier ein wenig vergebens. ;)

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#607 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Di 16. Feb 2016, 21:38

Savonlinna hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Einmal in die Welt gesetzt, hat die Forderung nach einem "methodologischen Atheismus" eine Eigendynamik angenommen, denn es wurde schnell klar, dass sie sich letztlich an alle Wissenschaften richtet und richten muss.
Wem genau wurde es klar?
Ich möchte diese Spur gerne verfolgen.
Ich kenne diesen Begriff nur aus dem Streit zwischen Kreatiionismus und Ablehnern des Kreationismus.
Wer hat den Begriff erstmalig auf andere Bereiche übertragen, gar ihn zu einem wissenschaftstheoretrischen Begriff gemacht?
Das kann ich dir nicht sagen, wie diese Forderung nach methodischem Atheismus geistesgeschichtlich weitergetragen wurde, obwohl es ganz sicher ganze Bücher über diese Entwicklung gibt.
Aber du musst dich nur umschauen in den Natur- und Geisteswissenschaften und du wirst sehen, dass alle Wissenschaften diesem methodologischem Atheismus heute folgen (weil sie ihm folgen müssen, wenn sie vernünftige Wissenschaft sein wollen). Jäger hat - vermutlich ohne dies selbst genau zu wissen - das Wesen von Wissenschaft und wissenschaftlich objektiver und intersubjektiver Arbeit mitdefiniert. Die Evidenz und Stringenz der Forderung nach methodologischem Atheismus ergibt sich nicht zuletzt aus der Geschichte der Wissenschaften selbst, die sich erst vonallen religiösen Überzeugungen emanzipieren musste, um zu unserer heutigen Natur- und Geisteswissenschaft werden zu können, die genau das Großartige leistet, was sie leistet.

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#608 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 16. Feb 2016, 21:45

Savonlinna hat geschrieben:'Wer nicht klar formulieren kann, denkt nicht klar.'
Ich denke schon, dass ich klar formuliere. Aber die Denkweise dahinter scheint dem 21. Jh. so fremd zu sein, dass man das klare Einfache ständig in die Denkweise(n) des 21. Jh. paraphrasieren muss.

Der Satz eben ist aus meiner Sicht klar:
"Diese Denkweise ... scheint dem 21. Jh. so fremd zu sein, dass man das klare Einfache ständig in die Denkweise(n) des 21. Jh. paraphrasieren muss". - Ist doch eigentlich klar - oder? - Jetzt guck mal, wie lange ich brauchen werde, diesen Satz zu erklären (falls sich jemand dafür interessiert) - normalerweise 10 Forums-Seiten). ;) - Und dann ist meistens nichts geklärt. :lol:

Savonlinna hat geschrieben:Paar Tage oder Wochen später sagte closs wieder, dass die Wissenschaftler heute verdorben seien, sie würden die Wissenschaft verraten. - So alle drei Monate habe ich closs erneut korrigiert, und immer kam der Satz: 'Na ja, aber so wird das hier doch dargestellt.
Ja - da ist was dran. - Es ist einfach eine unklare Gemengelage.

Es gibt einerseits sehr unterschiedliche wissenschafts-theoretische Auffassungen von Wissenschaft - hier die auf Falsifierbarkeit des Untersuchungs-Objekts ausgelegte - dort die auf die Falsifizierung der Bearbeitung eines Themas/Objekts ausgelegte. - Zwei Welten-

Es gibt einerseits sehr selbstbewusst vorgetragene Zitate von Wissenschaftlern, die (Zitate) man ernst nehmen möchte, ohne eigenes die Werke des Wissenschaftlers zu studieren. - Andererseits liest man schnell etwas anderes heraus, wenn man dann doch mal in die Werke dieser Wissenschaft reinspitzt.

Mein Vorschlag wäre eh ein anderer:
Wie wäre es, wenn wir mit dieser Testimonial-Wichserei einmal aufhören würden ("Prof. x ist renommiert, also hat er recht" *versteck ich mich mal dahinter*) und dafür eine eigene, selbst-erarbeitete fundierte Meinung einnehmen und begründen würden? - Dies geht nicht speziell gegen Dich, sondern ist als allgemeiner Aufruf zu verstehen.

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#609 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Di 16. Feb 2016, 22:27

Thaddäus hat geschrieben:Was Jesus selbst gemeint oder geglaubt hat, wissen wir nicht und kein Mensch kann es wissen.
Gut zu hören.

Thaddäus hat geschrieben:Will man aber wissen, was er - vermutlich und mit der höchsten zu erreichenden Wahrscheinlichkeit - gemeint hat, dann gelingt das nur über vernünfte, wissenschaftlich-methodische Analyse und Rückschlüsse aus dem, was andere über ihn gedacht und niedergeschrieben haben!
Das könnte jetzt zu einem ernsthaften Gespräch führen, ob dies WIRKLICH so sein muss - denn alternativ dazu ist auch möglich, dass man aus einem zwar schrift-gestützten, aber geistig zusammengeführten Gesamt-Kontext ähnliche oder höhere Wahrscheinlichkeit erzielt.

Wir dürfen nicht vergessen, dass der Mensch nicht nur "Sammler und Jäger" von vorliegenden Fakten sein muss, sondern auch eigenständige geistige Instanz sein kann - der Nachteil: Diese Version ist naturgemäß nicht intersubjektiv überprüfbar. - Was mich wieder zu meinen Erfahrungen in der Pianistik-Welt führt: Dort wird man eingeordnet nach geistig weniger oder mehr ausgebildet und nicht nach Intersubjektivität - eben weil man als Künstler eigenständige geistige Instanz ist. - Man erkennt sich gegenseitig oder nicht - und das geht ruckzuck. - Klingt elitär - ich kann's nicht ändern, denn es geht nicht anders, wenn man etwas hören will, das durch Mark und Pein gehen soll.

Thaddäus hat geschrieben:Deine angebliche Alternative hierzu existiert schlicht und einfach nicht!
Doch - aber sie hat nichts mit intersubjektivem Wissen zu tun und ist insofern methodisch unbrauchbar. - Betroffene interessiert das nicht, weil sie über die Substanz gemessen werden und nicht über einen intersubjektiven Nachweis ihrer Wahrnehmung. - Beispiel:

Wenn 10 Musikwissenschaftler sagen, dass das Stück x von Chopin nachweislich in einer Phase größter Depression des Komponisten entstanden ist und es deshalb "wahrscheinlich" sei, dass dieses Stück depressive Stimmung wiedergeben solle, und 10 internationale Pianisten dazu den Kopf schütteln, haben die Pianisten recht. - Die "merken" nämlich, was ein Stück wiedergeben soll - sonst haben sie ihren Beruf verfehlt.

Thaddäus hat geschrieben:Es existieren keine gesamtkanonischen und gleichzeitig wissenschaftlichen Begründungen dafür
Aber doch nur dann, wenn man einen Wissenschafts-Begriff unterlegt, der kanonische Exegese als unwissenschaftlich bezeichnet ...

Thaddäus hat geschrieben: Und vernünftig ist das, was du als folgerichtig einsehen kannst ohne Legitimation durch übernatürliche Kräfte
Eine vollkommen willkürliche Festlegung bzw. Einschränkung.

Gedanken-Experiment:
WENN es Gott als Entität wirklich gäbe (also christliche Lesart) und über unserer (mindestens diesseitigen) Einsichts-Fähigkeit vernünftig handeln würde: Wie würdest Du diese Vernunft dann nennen? - Neues Wort?

Thaddäus hat geschrieben:Es ist keine wissenschaftliche Option, die Möglichkeit einer Aber- und Über-Vernünftigkeit in Betracht zu ziehen, weil das keinerlei wissenschaftliche Relevanz hat.
Absolut einverstanden, WENN die Wissenschaft dann auch dazu steht, dass sie innerhalb ihres Methodik-Systems geistige Aussagen nur unter grundsätzlichem Vorbehalt machen kann. - DAS wäre aus meiner Sicht "Vernunft".

Thaddäus hat geschrieben: Tatsächlich ist deine Hiob-Interpretation aber nicht vernünftig
Das sagst Du dem richtigen. - Mich hat dieses Buch 4 Monate meines Lebens gekostet, weil es dialektisch derart verzwickt aufgebaut ist und zu recht folgendermaßen beurteilt wird (ich nehme ein spontan heraus-gegoogeltes Zitat von vielen ähnlich lautenden heraus: "Das Buch Hiob gehört wie kaum ein anderes Buch der Bibel zu den größten Werken der Weltliteratur neben Dantes Göttlicher Komödie und Goethes Faust." (U.Hohmann).

Deine zitierte Interpretation ist zwar unaufgeklärt mehrheitsfähig und vielleicht für den Religions-Unterricht für 6-Jährige geeignet (ich trage jetzt etwas dick auf ;) ), aber alles andere als werk-gerecht. - Da geht wirklich mehr ab.

Thaddäus hat geschrieben:Nein, Werte sind zunächst alles, was als Werte postuliert wird.
Vielen Dank - sehr gute Antwort. :thumbup:

Thaddäus hat geschrieben: In Europa gelten heute keine christlichen Werte. Jeder der das behauptet lügt, wissentlich oder unwissentlich. In Europa (und in Argentinien) gelten zentrale und von vernünftigen Menschen sich selbst gesetzte Werte der Aufklärung!
Auch das könnte zu kurz gesprungen sein.

Wie es ohnehin immer wieder erstaunlich ist, dass das Postulat, die Aufklärung bis zum 19. Jh. sei unterm Strich eine Gegenbewegung zu den Werten des NT gewesen, so kritiklos geglaubt wird. - Richtig daran ist mindestens, dass in den ersten Jahrhunderten der Aufklärung das Christentum von kirchen-selbstgefälligen Vorstellungen befreit wurde - was darüber hinausgeht, wäre nicht so pauschal zu beantworten.

Thaddäus hat geschrieben: Z.B das Verbot von Sklaverei. Kein christlicher Wert, denn das frühe Christentum und Jesus selbst haben sich niemals gegen Sklaverei ausgesprochen. Aber die Aufklärung hat es getan aus moralischen Gründen.
Auch da ist was dran - aber auch nicht viel mehr.

Eine alleinerziehende Mutter ohne Erbschaft (dito Mindestlohn-Familien) ist heute ähnlich versklavt wie ein Sklave im AT oder in der römischen Antike (Res familias) - Etiketten-Wechsel/-Schwindel ist keine Aufklärung.

Thaddäus hat geschrieben:Selbstverständlich. Das ist ein zentrales Erbe der kantischen Moralphilosophie.
OK - dann machen wir den Test, bevor wir darüber weiter reden:

Stelle Dir vor, Du wärest angeklagt (lassen wir offen, ob Du etwas ausgefressen hast oder nicht - das weißt nur Du). - Jetzt urteilt das Gericht:
a) schuldig oder
b) nicht schuldig.

Würdest Du Deine eigene Haltung zu Deiner Tat oder Nicht-Tat aufgrund von a) oder b) korrigieren, weil Du jetzt weisst, was "gerecht" ist? - "Die Instanz" hat gesprochen.

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#610 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Di 16. Feb 2016, 22:52

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: dass die dogmatisierten Glaubenswahrheiten ausschließlich auf unsicheren "Rezeptions-Texten" beruhen
Logisch - aber hier kommt das "Prüfet und behaltet das Gute" ins Spiel - was eben nur geht, wenn man eigene geistige Urteilsfähigkeit hat. - Oder denkst Du, die Kirchen glauben die Bibel einfach so ab?

Was die katholische Kirche glaubt, steht im "Katholischen Katechismus". Wo sonst?! Dort heißt es aber klipp und klar, dass die Texte der "Heiligen Schrift" letztendlich auf Gott als dem eigentlichen AUTOR zurückzuführen und die Textverfasser entsprechend vom "Heiligen Geist als göttliche Instanz" inspiriert worden sind.

Gott hätte nur das zugelassen - so heißt es da -, was er aufgeschrieben haben wollte - also keinen Nonsens.
Das ist doch wohl eine klare Aussage.

Entsprechend ähnlich lautende Passagen aus dem offiziellen Katechismus habe ich kürzlich zitiert. Möglicherweise fehlte den Verfassern des "Katholischen Katechismus" schlicht die "geistige Urteilsfähigkeit", wie sie Dir zu Gebote steht. :lol: Und Rat-
zinger, der maßgeblich an der Abfassung des Textes beteiligt war, hätte Dich natürlich konsultieren und Dein Plazet einholen müssen. :thumbup:

Sch...e aber auch! Da ist echt was falsch gelaufen. :lol: :lol: :lol:

PS
Übrigens: Das von Dir häufig angeführte paulinische Gebot, "alles zu prüfen und das Gute zu behalten", bezog sich keinesfalls auf die "Auslegung alttestamentlicher Schriften" (das "Neue Testament" gab es zu Pauli Zeiten noch nicht). Sieh Dir mal den Kontext an, in dem diese Aussage getroffen wurde. Dann weißt Du, dass Paulus nicht das gemeint hat, was Du hier ständig meinst.
Zuletzt geändert von Münek am Di 16. Feb 2016, 23:23, insgesamt 1-mal geändert.

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