Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

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Scrypt0n
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#601 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Scrypt0n » Do 30. Jul 2015, 16:46

Catholic hat geschrieben:Es gibt Historiker und Theologen,die davon ausgehen,dass die Apostelgeschichte nach (!) 70 n.Chr.,vieleicht sogar später entstand und unmöglich von dem Verfasser des Lukasevangeliums stammen kann.
Richtig; das ist die historische Befundlage.
Auch, wenn sie dem Gläubigen nicht schmeckt.

Catholic hat geschrieben:Das halte ich z.B. schon aus einem (!) Grund für sehr unwarscheinlich.
Welcher wäre?

Anton B.
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#602 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » Do 30. Jul 2015, 16:52

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das scheint nicht in Deinen Kopf hineinzugehen; dagegen sperrst Du Dich offen oder meist verdeckt mit Händen und Füßen..
Das ist dasselbe Thema: Handwerkliche Meisterschaft und geistige Positionierung sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. - Welchen Sinn macht es zu ermitteln, WIE jemand zu einem Ergebnis kommt, wenn dieses Ergebnis durch geistige Präjudizierung zustandekommt? - Das ist der eigentliche Konflikt - am Fachverstand dagegen zweifle ich nicht im geringsten.
[...]
Was unterstellst Du diesen Theologen? :o Inwiefern waren sie präjudiziert (= hatten sie eine vorgefasste Meinung)? :o

Ein literarisches Kleinod:
closs hat geschrieben:Welchen Sinn macht es zu ermitteln, WIE jemand zu einem Ergebnis kommt, wenn dieses Ergebnis durch geistige Präjudizierung zustandekommt?

Hier zeigt sich das Dilemma des closs: Er präjudiziert ein Ergebnis als Folge einer "geistigen Präjudizierung". Wie das Ergebnis aber begründet wird, muss er nun nicht weiter betrachten, weil ja eine "geistige Präjudizierung" gegeben ist.

Ganz und gar unvorstellbar bleibt dagegen eine Präjudizierung des closs, eine Steuerung des closs durch persönliche Ansichten.

Mit Recht allerdings kritisiert er die mangelnde Ergebnisoffenheit von Methoden. Zum Beispiel die mangelnde Ergebnisoffenheit des Zollstocks: Legt man ihn an ein und dieselbe Strecke an, wird immer wieder ein ungefähr identisches Ergebnis abgelesen. Dogmatismus?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Catholic
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#603 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Catholic » Do 30. Jul 2015, 17:02

Scrypt0n hat geschrieben:
Catholic hat geschrieben:Es gibt Historiker und Theologen,die davon ausgehen,dass die Apostelgeschichte nach (!) 70 n.Chr.,vieleicht sogar später entstand und unmöglich von dem Verfasser des Lukasevangeliums stammen kann.
Richtig; das ist die historische Befundlage.
Auch, wenn sie dem Gläubigen nicht schmeckt.
...

Dann frage ich mich,warum der Verfasser der Apostelgeschichte u.a. ausführlich über den Apostel Paulus sowie dessen Missionsreisen und Gemeindegründungen berichtet,aber die Hinrichtung des Apostels,für die frühen Christen immerhin ein einschneidendes Ereignis,nichtmal ansatzweise erwähnt?

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Scrypt0n
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#604 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Scrypt0n » Do 30. Jul 2015, 17:05

Catholic hat geschrieben:
Scrypt0n hat geschrieben:
Catholic hat geschrieben:Es gibt Historiker und Theologen,die davon ausgehen,dass die Apostelgeschichte nach (!) 70 n.Chr.,vieleicht sogar später entstand und unmöglich von dem Verfasser des Lukasevangeliums stammen kann.
Richtig; das ist die historische Befundlage.
Auch, wenn sie dem Gläubigen nicht schmeckt.
...
Dann frage ich mich,warum der Verfasser der Apostelgeschichte u.a. ausführlich über den Apostel Paulus sowie dessen Missionsreisen und Gemeindegründungen berichtet,aber die Hinrichtung des Apostels,für die frühen Christen immerhin ein einschneidendes Ereignis,nichtmal ansatzweise erwähnt?
Dir ist schon klar, dass von den ursprünglichen Schriften nichts mehr vorhanden ist und man daher nicht weiß, was es alles gab...
Es gibt hier lediglich Abschriften von Abschrieben von Abschriften.

Catholic
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#605 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Catholic » Do 30. Jul 2015, 17:08

Scrypt0n hat geschrieben:Dir ist schon klar, dass von den ursprünglichen Schriften nichts mehr vorhanden ist und man daher nicht weiß, was es alles gab...
Es gibt hier lediglich Abschriften von Abschrieben von Abschriften.

Stammt der "Gallische Krieg" von Gaius Julius Caesar,hat er den Text geschrieben?
Oder stammt der Text aus späterer Zeit,vieleicht sogar erst aus dem Mittelalter?

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#606 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Scrypt0n » Do 30. Jul 2015, 17:10

Catholic hat geschrieben:
Scrypt0n hat geschrieben:Dir ist schon klar, dass von den ursprünglichen Schriften nichts mehr vorhanden ist und man daher nicht weiß, was es alles gab...
Es gibt hier lediglich Abschriften von Abschrieben von Abschriften.
Stammt der "Gallische Krieg" von Gaius Julius Caesar,hat er den Text geschrieben?
Warum informierst du dich nicht darüber?

Bezüglich Caesar gibt es tausende voneinander unabhängige Befunde...
Zuletzt geändert von Scrypt0n am Do 30. Jul 2015, 17:12, insgesamt 1-mal geändert.

Anton B.
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#607 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » Do 30. Jul 2015, 17:11

Catholic hat geschrieben:Es gibt Historiker und Theologen,die davon ausgehen,dass die Apostelgeschichte nach (!) 70 n.Chr.,vieleicht sogar später entstand und unmöglich von dem Verfasser des Lukasevangeliums stammen kann.
Das halte ich z.B. schon aus einem (!) Grund für sehr unwarscheinlich.
Hmm, ja. Wenn es wissenschaftliche Aussagen sind, dann wird diese Aussage im wissenschaftlichen Kontext immer zusammen mit dem benutzten Methodenapparat dargestellt.

Es wären also diese Aussagen im Zusammenhang mit den verwendeten Methoden, als auch mit dem durch andere Methoden gewonnenen Wissen zu prüfen. Darin besteht zumindest zum Teil der wissenschaftliche Ansatz.

Zu Deinen Aussagen selbst: Es gibt Historiker und Theologen, die dies als Hypothese/Theorie vertreten. Doch der "Majoritätenkonsens" scheint doch der zu sein, dass eine relativ frühe Entstehung angenommen wird und der Verfasser des Lukas-Evangeliums als auch der Apostelgeschichte als identische Person angenommen werden. Aus dem schon mehrfach erwähnten Schnelle (Die ersten 100 Jahre des Christentums) entnehme ich die Ansicht, der Autor hätte eine "historisch" fortlaufende "Geschichte" in 2 Werken verfasst.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#608 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Do 30. Jul 2015, 17:26

Münek hat geschrieben:Was unterstellst Du diesen Theologen?
Nicht mehr und nicht weniger als allen Geistes-Wissenschaftlern. - Das gilt für Katholiken oder Materialisten genauso.

Münek hat geschrieben:Inwiefern waren sie präjudiziert (= hatten sie eine vorgefasste Meinung)? :o
Sie hatten KEINE vorgefasste Meinung - auch Katholiken und Atheisten haben keine vorgefassten Meinungen. - Aber: Der Ansatz, mit dem man geistig an was ran geht, gibt normalerweise einen Korridor vor, innerhalb dessen man ergebnisoffen arbeitet - es gibt hier keine absolute Ergebnisoffenheit.

Dieses "normalerweise" kann nur dann durchbrochen werden, wenn ein Faktum derart objektiv ist, dass keiner drum rum kommt (man stelle sich bspw. den sehr unwahrscheinlichen Fall vor, dass sämtliche neutestamentarischen Schriften physikalisch eindeutig auf etwa 500 v.Chr. datierbar wären). - Bei solchen Hämmern könnte es zu einer Überprüfung des eigenen Ansatzes führen - aber wie gesagt: Das ist selten.

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#609 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Scrypt0n » Do 30. Jul 2015, 17:29

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was unterstellst Du diesen Theologen?
Nicht mehr und nicht weniger als allen Geistes-Wissenschaftlern.
Die historisch kritische Methode ist jedoch keine geistige Methode.

Daher macht deine Aussage so schlicht keinen Sinn.

closs
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#610 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Do 30. Jul 2015, 17:30

Anton B. hat geschrieben:Er präjudiziert ein Ergebnis als Folge einer "geistigen Präjudizierung".
Einen Ergebnis-Korridor - ja.

Anton B. hat geschrieben:Wie das Ergebnis aber begründet wird, muss er nun nicht weiter betrachten, weil ja eine "geistige Präjudizierung" gegeben ist.
Doch - die Ergebnisse müssen natürlich im Sinne der HKM belegbar sein.

Anton B. hat geschrieben:Ganz und gar unvorstellbar bleibt dagegen eine Präjudizierung des closs, eine Steuerung des closs durch persönliche Ansichten.
Doch - sehr vorstellbar sogar. - Nur: Ich WEISS es und Ihr scheint es NICHT zu wissen.

Anton B. hat geschrieben:Legt man ihn an ein und dieselbe Strecke an, wird immer wieder ein ungefähr identisches Ergebnis abgelesen. Dogmatismus?
Nein - denn hier handelt es sich um ein naturwissenschaftliches Phänomen, das nicht geistig präjudiziert werden kann. - Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Geistes-Wissenschaft und Natur-Wissenschaft.

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