closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Paulus erschien den athenischen Griechen offenbar so lächerlich
Das mag sein, sagt nun aber wirklich nichts über Wert und Unwert des einen oder des anderen aus. - Dass sich die griechischen Philosophen der Zeit über Paulus kaputtlachten, sagt qualitativ nichts aus.
Oh doch, das tut es! Das Judentum und sich daraus entwickelnde Christentum war in einer geradezu erschreckenden Weise rückständig und konnte sich auch darum vor allem unter der einfachen, nicht-gebildeten Bevölkerung rasend schnell ausbreiten. Die Rückständigkeit des teilweise bizarren jüdischen apokalyptischen Glaubens zu dieser Zeit, den Jeshua als Jude ebenfalls predigte, ergab sich nicht zuletzt dadurch, weil das ganze Land Palästina rückständig und im Grunde unberührt von jeglicher höheren Geisteskultur war. Für jeden Römer war es eine Bestrafung, dorthin geschickt zu werden.
Während von Jesus erzählt wurde, er habe Dämonen in eine Herde Schweine fahren lassen, die sich daraufhin einen Abhang hinabstürzten, wussten die griechischen Philosophen und die gebildeten Menschen dieser Zeit längst, dass die Erde eine Kugel war, welchen ungefähren Umfang sie hatte, dass die Planeten und Gestirne durch natürliche Gesetze auf ihren Bahnen gehalten wurden, dass die Welt aus natürlichen Ursachen entstanden sein musste, dass Erdbeben und Vulkanausbrüche nicht durch wildgewordene Götter entstehen, dass der Mensch durch eigenverschuldete Verblendung Schuld auf sich lädt (Antigone, König Ödipus und die ganze Dramatik), dass sich die Mathematik auf Axiome zurückführen lässt (Euklid), dass man rein logisch schlussfolgern kann (Aristoteles), was Modallogik ist (Aristoteles) und und und. Die Athener benutzten bei Wahlen einen Wahlautomaten und in ihren Theatern gab es Hebebühnen und alle möglichen trickreiche mechanische Konstruktionen, um bestimmte Effekte zu erzielen. Mit Hilfe eines Apparates mit Planetengetriebe (Mechanismus von Antikythera), welches in dieser Komplexität erst 1000 Jahre später wieder erfunden werden sollte, wurden Sonnen- und Mondfinsernisse und alle möglichen kalendarischen Ereignisse durch einfaches Drehen einer Kurbel vorausberechnet und vorhergesagt.
Die Götter existierten zwar auch für einen gebildeten Griechen, aber sie lebten in den Zwischenräumen der Atome und kümmerten sich nicht weiter um die Menschen oder hatten großen Einfluss auf deren Leben (Stoa, Epikur). Die Götter gaben auch nicht vor, wie man Leben sollte. Wie man ein glückliches, verantwortungsbewusstes Leben führen konnte, dass lehrten die stoischen und epikureischen Schulen, die auch in Lebensgemeinschaften zusammenlebten.
Der Glaube an Magie, Zauberei, Dämonen usw. und die Götterverehrung waren vor allem unter der einfachen und nicht-gebildeten Bevölkerung verbreitet, also in der Volksfrömmigkeit.
Was glaubst du also, konnte Paulus diesen gebildeten Menschen erzählen, worüber die sich nicht kaputtgelacht hätten? Etwa im Ernst von einem jüdischen apokalyptischen Wanderprediger, der glaubte, die Welt gehe bald unter, der Dämonen in Schweine fahren lässt, angeblich übers Wasser latscht und von dem Paulus behauptet, er sei von den Toten auferstanden und er sei der Sohn eines Gottes, der diesen Sohn gleich wieder umbringt, weil die Menschen so sündig sind?
Natürlich haben sich die Philosophen auf der Agora und am Areopag über solchen blühenden Unsinn totgelacht, der dazu aus einer kulturlosen Hinterwäldlergegend stammt, wo die Leute noch von den Bäumen scheißen, um es einmal drastisch auszudrücken.
Die Philosophen auf der Agora verstehen nicht einmal, was Paulus von ihnen eigentlich will (
Was will dieser Schwätzer sagen? Andere aber: Es sieht so aus, als wolle er fremde Götter verkündigen.), denn was er ihnen erzählt, entbehrt jeder Vernunft und Logik. Die in Rhetorik und Argumentationslehre geschulten griechischen Philosophen, werden Paulus nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen haben.
Die kultivierte Überlegenheit der Philosophen auf der Agora besteht aber darin, dass sie durchaus hören wollen, was Paulus ihnen zu sagen hat, denn sie sind grundsätzlich neugierig und interesiert an neuartigen Ideen und Lehren. Sie sind aufgeschlossen und sperren sich nicht gegen neue Gedanken. Sie sind nämlich Philosophen!
Durch die christliche Umdeutung der Geschichte, haben wir uns lediglich daran gewöhnt, die Ausbreitung des Christentums grundsätzlich positiv zu sehen und bemerken gar nicht mehr, wie rückständig der frühe christliche Glaube war gegenüber einer zu dieser Zeit längst vorhandenen Bildung und eines längst vorhandenen Wissens. Paulus war zunächst einmal nichts anderes, als ein religiöser Fanatiker, der deshalb! völlig zu recht im Knast saß (wie die Apg. berichtet) und der aus einigen Städten hochkant wieder rausgeschmissen wurde, weil die Menschen ihn nicht in ihrem Ort haben wollten. Im NT wird dies natürlich als christliche Verfolgung beschrieben, wie auch anders? Tatsächlich war es aber nur die Abwehr der Menschen gegen seinen religiösen Fanatismus.
Die Rede des Paulus vor dem Areopag ist nichts anderes, als der Versuch eines gebildeten Christen (nämlich dem Verfasser des Lukasevangeliums), das völlige Scheitern des Paulus in Athen irgendwie doch noch positiv wirken zu lassen.