Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Catholic
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#61 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von Catholic » Fr 22. Nov 2013, 15:46

Hallo Münek,

etwas anders formuliert würde ich Deine Aussage sofort unterschreiben.
Wenn in Deinem Beitrag stünde "entspricht auf keinem Fall der heute bekannten naturwissenschaftlichen Wirklichkeit" würde ich sofort zustimmen.
Leider denken viele Evangelikale dass der Mensch erst vor 6000 Jahren erschaffen---nur die Bibel sagt davon nichts.
Sie sagt nichtmal,wann die Erde erschaffen wurde.

Liebe Grüsse,
Catholic

Münek hat geschrieben: Hallo Catholic,

Dass die Welt und der Mensch (wie es die Bibel nahelegt) erst seit ca. 6000 Jah-
ren existieren
, ist ein Mythos und entspricht auf keinem Fall der Wirklichkeit.

Machs gut

Münek

Rembremerding
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#62 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von Rembremerding » Fr 22. Nov 2013, 16:47

Vor allem muss klar sein, dass man Gott nicht auf den Tisch legen kann, wie das Ergebnis von Mathematik und Physik, sonst wäre der Glaube auch kein "Verdienst", keine Gottesgnade.
Zunächst kann die Völkerkunde und die Religionswissenschaft darauf hinweisen, dass es niemals ein religionsloses Volk der Geschichte gegeben hat!
Alfred Adler, der Begründer der Tiefenpsychologie, führte den Nachweis, dass der Mensch "unheilbar religiös" sei, also Religion zum Wesen des Menschen gehört. Alle Anlagen, alles Triebe des Menschen sind stets auf ein konkretes "Objekt" gerichtet, sind damit erfüllbar und sinnvoll. Es wäre absurd, dass ausgerechnet die Anlage des Menschen nach dem Sinn und Ursprung der Welt und seines Daseins zu fragen ins Leere gerichtet sein soll und ebenso die Frage, was hinter der materiellen Wirklichkeit ist, welche für ihr Dasein und ihr Sosein, sowie ihre Zeitlichkeit doch einer letzten immateriellen tragenden Ursache bedarf (Kausalitätsgesetz, Kontingenz).
Das ganze sichtbare Universum, dessen zeitlichen Anfang und Ursprung wir berechnen können, sollte sich also selbst ins Dasein gebracht haben? Aus Nichts wird Nichts, das haben schon die alten Griechen gesagt.

Ein großes Problem in Diskussionen scheint unter anderem die "aristotelische Philosophie" zu sein, deren sich die Kirche des Westens bedient und die von den Jüngern des Atheismus, aus Mangel eigener philosophischer Grundlagen, übernommen wurde. Die Kirche des Ostens bedient sich der "platonischen Philosophie".
Die aristotelische Philosophie ist eine analythische, die alles zerlegt, bis zuletzt der Fachmann unendlich viel über unendlich wenig weiß! Die platonische Philosophie ist hingegen synthetisch. Sie erkennt nach dem berühmten Höhlengleichnis, dass sie über Gott nur Aussagen machen kann, welche in die richtige Richtung zielen, aber das ganze Sein an sich intellektuell und verbal nicht erfassen kann. So bleibt Gott immer der "Unergründliche", mit menschlichen Begriffen "Unfassbare". Gott kann niemals mit Verstand und Erkenntnis erkannt werden, sondern nur mit der Liebe und durch die Liebe!

Die Offenbarung Gottes im AT und NT bleibt eine menschlich vermittelte Offenbarung, welche die zeitliche Fassungskraft des Menschen ansprechen muss. Daher bedarf sie, geführt vom Hl. Geist, der theologischen und philosophischen Interpretation, sonst endet sie in einem sektenartigen Biblizismus!

Viele Atheisten und Agnostiker in diesem Forum sind gute Beispiele dieser suchenden Menschen und sie sind im Grunde ebenso "unheilbar religiös", auch wenn sie es sich nie eingestehen würden. Auch sie suchen Antworten auf die Gottesfrage, die auch Sie nicht loslässt!
Viele Gottesbilder in der Geschichte zeichnen sich allerdings tatsächlich durch Insuffizienz aus, doch auf diese Annahme antwortet bereits Leo Tolstoi, wenn er schreibt:
"Wenn ein Eingeborener aufhört seinen Götzen aus Holz anzubeten, dann heißt das nicht, dass es keinen Gott gibt, sondern nur, dass er nicht aus Holz ist!"
So spiegelt sich Gott auch immer im Gottesbild des unvollkommenen Menschen, wird vom Menschen zu dem gemacht, was er sich gerade in Zeit und Raum darunter vorstellen möchte und ihm dienlich ist. Das SEIN Gottes, das LEBEN in Gott und das ERKENNEN in und durch Gott bleibt dadurch jedoch völlig unberührt.

Zu den Begriffen Mythen und Mythos sei zudem noch erwähnt, dass sie beispielsweise hinsichtlich der Schöpfungstexte in Genesis nicht richtig sind! Ein Mythos ist eine Göttergeschichte, ihr liegt immer ein zyklisches Weltbild zu Grunde, Christen wissen jedoch von einem linearen Weltbild!
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closs
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#63 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von closs » Fr 22. Nov 2013, 19:21

Rembremerding hat geschrieben: Ein Mythos ist eine Göttergeschichte, ihr liegt immer ein zyklisches Weltbild zu Grunde, Christen wissen jedoch von einem linearen Weltbild!
Interessant. - Heisst das, dass Mythen keine teleologische Komponente haben?

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sven23
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#64 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von sven23 » Fr 22. Nov 2013, 19:39

Ich glaube, daß Gott existiert. Nein, ich bin nicht verrückt geworden. :lol:
Ich glaube fest daran, daß er existent ist, allerdings nur in den Köpfen der Menschen. Er ist ein Produkt menschlicher Vorstellungskraft und Fantasie, mehr nicht. (Feuerbach läßt grüßen)
Ob es sinnvoll ist, sein Leben nach einem Produkt menschlicher Fantasie auszurichten, muß jeder für sich selber entscheiden. Daß es auch ohne dieses Phantasma geht, davon legen viele Menschen beeindruckendes Zeugnis ab.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Rembremerding
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#65 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von Rembremerding » Fr 22. Nov 2013, 20:21

closs hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben: Ein Mythos ist eine Göttergeschichte, ihr liegt immer ein zyklisches Weltbild zu Grunde, Christen wissen jedoch von einem linearen Weltbild!
Interessant. - Heisst das, dass Mythen keine teleologische Komponente haben?
Ich beziehe mich hier auch auf Adorno und Horkheimer, die in: „Dialektik der Aufklärung“ auf S. 19 schreiben:
„Mythen wie magische Riten meinen die sich wiederholende Natur. Sie ist der Kern des Symbolischen; ein Sein oder ein Vorgang, der als ewig vorgestellt wird, weil er im Vollzug des Symbols stets wieder Ereignis werden soll“
Eine transzendente teleologische Komponente besitzt demnach der Mythos nicht, weil er im ewigen das immer gleiche ereignen lassen will und dafür Symbole verwendet. Die Göttergeschichten, der frühe Mythos, erzählen von Götter, die noch personalisierte Naturgewalten waren, die wiederholend agierten und dafür Symbolkraft erhielten. Diese zyklische Komponente der Natur (im Herbst sterben, im Winter Tod, im Frühjahr neues Leben) übertrug der Mensch bald auch auf sein SEIN. Es entstand nach Totemismus ein Animismus der wiederkehrenden Seele, des Geistes in Reinkarnationen. Im weiteren lässt beispielsweise Buddha zwar den Mythos bestehen, will aber nun allein den Menschen den Weg ebnen selbst sein Ziel zu erreichen, allerdings im Nichts.

Gott indes wiederholt nichts und auch nicht das Nichts, sondern erschafft jeden Augenblick alles aufs Neue mit festem Plan und Ziel. Dem Menschen kann es deshalb nur durch das Leben im Augenblick in Gott gelingen sein innewohnendes Ziel zu erreichen und seinen Sinn zu vervollkommnen, niemals in sich selbst.
Christus Jesus ist der Weg. Er ist gerade auf ein Ziel gerichtet und lässt uns niemals wieder am Ausgangspunkt zurück, wenn wir nur bereit sind seine Hand zu ergreifen. :Herz:

:o Könnte nun aber leicht OT werden.
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Salome23
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#66 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von Salome23 » Fr 22. Nov 2013, 20:36

sven23 hat geschrieben: Ob es sinnvoll ist, sein Leben nach einem Produkt menschlicher Fantasie auszurichten, muß jeder für sich selber entscheiden.
Daß es auch ohne dieses Phantasma geht....
...kann man sehr schön erkennen bei den Pirahá (klick)
Vor 30 Jahren kam der amerikanische Missionar Dan Everett ins brasilianische Amazonasgebiet, um den Pirahá-Indianern das Wort Gottes beizubringen und es kam alles anders: Dan Everett wurde selbst missioniert. Dan Everett musste erst mühsam die Sprache der Indianer lernen um ihnen Gottes Botschaft überhaupt vermitteln zu können. Dabei stieß er jedoch nicht nur auf eine der rätselhaftesten Sprachen der Welt, sondern vor allem auf eine Gesellschaft, die ausschließlich in der Gegenwart lebt: Die Pirahás kommen ohne Zahlen aus, bilden keine Nebensätze, kennen keine Formen für Vergangenheit und Zukunft. Sie leben, so erkannte er an ihrer Sprache, ganz im Hier und Jetzt und schöpfen daraus eine Zufriedenheit, die einzigartig scheint. Jesus Christus? Haben sie nie gesehen gibt es also nicht! Für Dan Everett eine Erkenntnis, die so erstaunlich war, dass er selbst den Glauben an seinen Gott verlor.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirah%C3%A3

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Demian
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#67 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von Demian » Sa 23. Nov 2013, 00:32

sven23 hat geschrieben:Ich glaube, daß Gott existiert. Nein, ich bin nicht verrückt geworden. :lol:
Ich glaube fest daran, daß er existent ist, allerdings nur in den Köpfen der Menschen. Er ist ein Produkt menschlicher Vorstellungskraft und Fantasie, mehr nicht. (Feuerbach läßt grüßen)

Eine drastische Fehldeutung der Gottesidee - oder besser gesagt Erfahrung - die Feuerbach zwar in Anbetracht einer anmaßend sich absolut setzenden religiösen Praxis richtig kritisierte, nur um dann anmaßender Weise seine Kritik absolut zu setzen. :lol:

Schon wieder das 19. Jahrhundert - da ist die christliche Mystik, in meinen Augen, deutlich weiter.

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#68 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von Salome23 » Sa 23. Nov 2013, 00:34

Rembremerding hat geschrieben:Christus Jesus ist der Weg.
Er ist gerade auf ein Ziel gerichtet und lässt uns niemals wieder am Ausgangspunkt zurück, wenn wir nur bereit sind seine Hand zu ergreifen.
Und jene, die diesen Weg nie kannten (kennen lernen durften) und daher auch nie seine Hand ergreifen konnten-hatten leider Pech!
Wie ungerecht :roll:

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#69 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von closs » Sa 23. Nov 2013, 00:41

sven23 hat geschrieben:Ich glaube fest daran, daß er existent ist, allerdings nur in den Köpfen der Menschen.
Wäre das so, würde sich jede weitere Diskussion erübrigen.

Rembremerding hat geschrieben:Diese zyklische Komponente der Natur (im Herbst sterben, im Winter Tod, im Frühjahr neues Leben) übertrug der Mensch bald auch auf sein SEIN.
Ich verstehe die Argumentation - aber wird das allgemein so gesehen? - Wie ist es mit der Ilias? Diese hat eigentlich eher heilsgeschichtliche als zyklische Züge.

Rembremerding hat geschrieben:Gott indes wiederholt nichts und auch nicht das Nichts, sondern erschafft jeden Augenblick alles aufs Neue mit festem Plan und Ziel. Dem Menschen kann es deshalb nur durch das Leben im Augenblick in Gott gelingen sein innewohnendes Ziel zu erreichen und seinen Sinn zu vervollkommnen, niemals in sich selbst.
Da sind wir uns vollständig einig.

Wie würde man die Zyklen innerhalb der Heilsgeschichte bewerten? Erst aufwärts, dann Noah - dann Babel - dann Sodom - also auch Zyklen. Der Mensch entfernt sich und wird druch "Not" wieder gebeugt (vgl. Deut.).

Salome23 hat geschrieben:Jesus Christus? Haben sie nie gesehen gibt es also nicht! Für Dan Everett eine Erkenntnis, die so erstaunlich war, dass er selbst den Glauben an seinen Gott verlor.
Das kommt davon, wenn Buch-Religion nicht gelebt wird. Insofern ist die Gegenwarts-Fremde vieler Christen eine ernste Mahnung. - Allerdings bedeutet das "Nur-in-der-Gegenwart" auch, dass man nicht nach seinem Woher und Wohin fragt - also nicht transzendent denkt.

Optimal wäre die Gegenwartsstärke der Pirahás plus die Transzendenzfähigkeit des Christentums - es gibt Christen, die das schaffen.

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Demian
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#70 Re: Der (imaginäre) transzendente Gott der Bibel

Beitrag von Demian » Sa 23. Nov 2013, 00:43

Salome23 hat geschrieben:
Christus Jesus ist der Weg.
Er ist gerade auf ein Ziel gerichtet und lässt uns niemals wieder am Ausgangspunkt zurück, wenn wir nur bereit sind seine Hand zu ergreifen.
Und jene, die diesen Weg nie kannten (kennen lernen durften) und daher auch nie seine Hand ergreifen konnten-hatten leider Pech!
Wie ungerecht :roll:

Die Wahrheit ist: es gibt ein Christentum für die Masse und es gibt ein mystisches Christentum. Die christliche Mystik ist für mich die ursprüngliche Botschaft Jesu und seiner Freunde. Jeder heutige Christ gehört zu diesem Freundeskreis, der nicht abhängen kann von äußerlichen Formen - Glaubensbekenntnissen - sondern nur vom inneren Handeln des Menschen. Dem Bewusstsein also. In der heutigen Zeit müssen wir Christus "universal" denken, als der kosmische, unendliche, alles durchtränkende Geist. Das "Massenchristentum" versucht aber die christliche Botschaft auf eine bestimmte religiöse Praxis, Symbolik, Ausdrucksweise zu reduzieren, um die Menschen von bestimmten Institutionen abhängig zu machen. Mit mir nicht - die göttliche Liebe ist mehr ;) :Herz:

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