Alles Teufelszeug? III

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sven23
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#591 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jul 2016, 15:12

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Es bestätigt doch deine Aussage, dass man aus unterschiedlichen Perspektiven zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.
Aber Du bewertest mit Deiner Gegenüberstellung und vergisst dabei, dass auch die HKM glaubens-dogmatisch, da methodik-verengt interpretieren kann. -
Unsinn. Welche Glaubensdogmen sollen das sein?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, eine naheliegende Interpretation auf Grund der Quellen.
EINE naheliegende Interpretation - denkt man perspektivisch anders, ist etwas anderes naheliegend.
Sag ich doch, aus nicht wissenschaftlicher Perspektive kommt man zu andern, nicht wissenschaftlich begründbaren Ergebnissen. Das ist aber so neu nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung muß hier überhaupt nichts setzen
Das ist der entscheidende Punkt, der oft einfach nicht verstanden wird: Selbstverständlich ist ein kritisch-rationaler Ansatz eine methodische Setzung - was denn sonst? Dass dies dem einzelnen Forscher mangels philosophischer Bildung im Einzelfall nicht bewusst sein muss, ändert doch nichts daran.
Natürlich ist den Forschern bewußt, dass sie nur eine Methode benutzen dürfen, die wissenschaftlichen Kriterien genügt. Alles andere wäre auch indiskutabel.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mit ein bißchen gesundem Menschenverstand ist das schon erklärbar und nachvollziehbar, so wie es die Forschung aufzeigt.
Ja - das ist es. - Aber das gilt für die andere Seite auch.
Nein, ich denke nicht, dass Wunder, Auferstehung und Jungfauengeburt mit gesundem Menschenverstand vereinbar sind, aber das wäre noch mal ein anderes Thema.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Ihr werdet mit den Städten Israel nicht zu Ende kommen" liefert Daten und Interpration in einem.
Nein - interpretieren sollte man seriöserweise nur im Gesamtkontext. Da ist ein Puzzleteil zu wenig.
Genau das tut die Forschung. Sie erklärt die Widerprüche in den Texten, also Naherwartung und Fernerwartung (Parusieverzögerung). Die Kanoniker picken sich die Fernerwartung heraus, weil sie sich nach 2000 Jahren als richtig erwiesen hat und ignorieren die Naherwartung. Das kann man so nicht ernsthaft betreiben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Selbst ein Kardinal Kasper spricht hier von "Verheißungsüberschuss", was aber nichts anderes bedeutet, als dass Jesus mehr verheißen hat, als er einlösen konnte.
Stimmt - diese Aussage finde ich persönlich komplett unmöglich. - Nach meinem Eindruck hat sich die gesamt-kanonische Exegese (sie hieß vor Ratzinger anders - er hat nur einen neuen Namen gefunden) vom HKM-Hype derart überrumpeln lassen, dass sie gelegentlich dazu neigt, sie innerhalb ihrer eigenen Logik zu widerlegen - Kardinal-Fehler.
Nein, der Kardinal hat keinen Fehler gemacht, er hat lediglich versucht, die Forschungsergebnisse zu euphemisieren. Aber er ist wenigstens ehrlich in der Feststellung, dass es dieses Versprechen des nahen Gottesreiches gab.

closs hat geschrieben: Die HKM ist auch aus meiner Sicht in sich folgerichtig - aber eben nur da und nicht notwendigerweise in Bezug auf das, was historisch TATSÄCHLICH passiert ist. Aber das scheint nicht zu interessieren, weil es letztlich nicht um die tatsächliche Historizität, sondern um die methodische Historizität geht. - System-Schutz.
Völlig daneben. Gerade deshalb bedient sich die Forschung der historisch kritischen Methode in der historischen Jesusforschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Unredliche ist, dass man z. B. die Naherwartung als Irrtum der Schreiber abtun will, aber andere Stellen, die von der Forschung als Eigenkomposition der Schreiber gesehen werden (Bergpredigt, Johannesevangelium), als authentisch verkaufen will.
WENN Johannes mit seinen Schriften dem Wesen des historischen Jesus näher ist, ist er ihm gegenüber authentischer als ein Verfasser x, dessen SChriften von der HKM als authentisch angesehen werden. - Konkret:
Ja, wenn Katzen Pferde wären, könnte man die Bäume rauf reiten. Die Forschungsergebnisse sind nun mal anders.

closs hat geschrieben: Hätte ein "Hofschreiber" Jesus begleitet und das Gehörte nach seinem Verständnis niedergeschrieben, wäre er historisch-kritisch authentisch. - Hätte Johannes mit seiner freien Schrift Jahre danach in seinem Verständnis Jesus WIRKLICH verstanden, würde er ihm WIRKLICH historisch gerecht werden.
Hätte, hätte, Fahradkette. Zu viele Konjunktive sind in der Forschung ungünstig. Man muss sich auch mal an die Quellen halten.

closs hat geschrieben: Wer entscheidet das? - Niemand kann es entscheiden. - Denn die HKM kann lediglich ihre Methodik runterspulen und Quellen-Ergebnisse hoch-interpretieren auf Jesus hin - hat aber methodisch keinen geistigen Ansatz, Jesu geistigen Paradigmenwechsel zu verstehen. - Die kanonische Exegese hat zwar diesen Ansatz, kann ihn aber nur geistig erklären, weil er historisch-kritisch nicht SUBSTANTIELL erklärbar ist (die Verschärfung der Torah durch dieses oder jenes Äußerliche ist keine angemessene Erklärung).
Wobei das "Geistige" ja gerade das Produkt der Schreiber ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#592 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 16. Jul 2016, 16:00

sven23 hat geschrieben: Welche Glaubensdogmen sollen das sein?
Schon WIEDER?

sven23 hat geschrieben:Gerade deshalb bedient sich die Forschung der historisch kritischen Methode in der historischen Jesusforschung.
Trotzdem kann es gut sein, dass die kanonische Exegese dem, was Jesus vor 2000 Jahren WIRKLICH war, näher kommt.

sven23 hat geschrieben:Die Forschungsergebnisse sind nun mal anders.
Was Du als "Forschungs-Ergebnisse" bezeichnest, sind methodische Inzuchts-Ergebnisse.

sven23 hat geschrieben:Zu viele Konjunktive sind in der Forschung ungünstig. Man muss sich auch mal an die Quellen halten.
Wenn man nur Aussagen über die Quellen machen will, geht das. - Aber Du scheinst meine Szenarien inhaltlich überhaupt nicht zu verstehen.

sven23 hat geschrieben:Wobei das "Geistige" ja gerade das Produkt der Schreiber ist.
Es ist eine Wahrnehmung der Schreiber, die entweder authentisch zum historischen Jesus ist oder nicht.

Der Verdacht erhärtet sich, dass Du unter "historischer Jesus" nicht "wirklicher Jesus", sondern "methodischer Jesus" meinst. - Nochmal: Wenn Du allen historischen Möglichkeiten gerecht werden willst, musst Du AUCH den Fall untersuchen, wer Jesus anhand der Quellen und der dann anderen Interpretation derselben wäre, wenn Jesus "Gottes Sohn"/Gott gewesen wäre - ganz einfach deshalb, weil er es historisch gewesen sein könnte. - Alles andere ist Dogmatik.

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#593 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jul 2016, 16:45

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gerade deshalb bedient sich die Forschung der historisch kritischen Methode in der historischen Jesusforschung.
Trotzdem kann es gut sein, dass die kanonische Exegese dem, was Jesus vor 2000 Jahren WIRKLICH war, näher kommt.
Nein, sie kommt höchstens dem näher, was die Schreiber konstruiert haben. Das ist aber ein Zirkelschluss.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschungsergebnisse sind nun mal anders.
Was Du als "Forschungs-Ergebnisse" bezeichnest, sind methodische Inzuchts-Ergebnisse.
Natürlich, die Forschung produziert nur Inzuchtergebnisse. Die Physiker haben also keine Atombombe gebaut, sondern nur eine Inzuchtbombe. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zu viele Konjunktive sind in der Forschung ungünstig. Man muss sich auch mal an die Quellen halten.
Wenn man nur Aussagen über die Quellen machen will, geht das. - Aber Du scheinst meine Szenarien inhaltlich überhaupt nicht zu verstehen.
Das Szenario stellt sich ziemlich eindeutig dar, wenn man alle Forschungsergebnisse zusammen nimmt. Die Vergottung des Wanderpredigers war ein nachträgliches Konstrukt der Schreiber.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wobei das "Geistige" ja gerade das Produkt der Schreiber ist.
Es ist eine Wahrnehmung der Schreiber, die entweder authentisch zum historischen Jesus ist oder nicht.
Aha, Fantasy und Fälschung nennt man jetzt Wahrnehmung. :lol:

closs hat geschrieben: Der Verdacht erhärtet sich, dass Du unter "historischer Jesus" nicht "wirklicher Jesus", sondern "methodischer Jesus" meinst. - Nochmal: Wenn Du allen historischen Möglichkeiten gerecht werden willst, musst Du AUCH den Fall untersuchen, wer Jesus anhand der Quellen und der dann anderen Interpretation derselben wäre, wenn Jesus "Gottes Sohn"/Gott gewesen wäre - ganz einfach deshalb, weil er es historisch gewesen sein könnte. - Alles andere ist Dogmatik.
Nein, die Forschung hat immer die Möglichkeiten ausgelotet. Schon Mitte des letzen Jahrhunderts kam man zu folgendem Ergebnis:

"Es gibt nicht einen Jesus, es gibt mindestens vier: den Jesus0, den Jesus0,5, den Jesus1 und den Jesus2. Auf diese Formel brachte es der Baseler evangelische Theologieprofessor Bo Reicke, der Jesus gleich "J" setzte.
...
Und eine Kirche hat Jesus "nicht geschaffen und nach der Überzeugung vieler Neutestamentler nicht einmal gewollt", stellte der Tübinger evangelische Theologieprofessor Ernst Käsemann 1963 fest.
J1 ist der historische Jesus. J2 der Jesus der Bibel, der Christus des Glaubens. Doch J1 ist nicht gleich J2. Was 40 bis 70 Jahre nach dem Tode Jesu über ihn geschrieben wurde und in den vier Evangelien des Neuen Testaments steht, ist kein historischer Bericht, sondern Zeugnis des Glaubens. Darüber sind sich nahezu alle evangelischen und neuerdings auch die meisten katholischen Theologen einig."

Quelle: Spiegel 14/1966

Die kanonische Exegese hält sich an J2, die Forschung versucht J1 zu rekonstruieren.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#594 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 16. Jul 2016, 18:10

sven23 hat geschrieben:Nein, sie kommt höchstens dem näher, was die Schreiber konstruiert haben.
DAS macht genau die HKM. - Die kanonische Exegese versucht darüber hinaus herauszufinden, was Jesus WIRKLICH gemeint hat - und nicht, was die Rezeptionen meinen.

sven23 hat geschrieben:Natürlich, die Forschung produziert nur Inzuchtergebnisse. Die Physiker haben also keine Atombombe gebaut, sondern nur eine Inzuchtbombe.
Nein - HKM ist nicht Naturwissenschaft - HKM kann belegen, aber nicht PRIMÄR (also aufs Objekt bezogen) nachweisen.

sven23 hat geschrieben:Das Szenario stellt sich ziemlich eindeutig dar, wenn man alle Forschungsergebnisse zusammen nimmt. Die Vergottung des Wanderpredigers war ein nachträgliches Konstrukt der Schreiber.
Gut möglich. - WENN Jesus wirklich "Gottes Sohn"/Gott war, haben die Schreiber damit etwas nachgeholt, was frühere Schreiber nicht erfasst haben. - Wenn nicht, hat die HKM recht. - Was auch immer richtig ist: Wenn es richtig ist, ist es historisch.

sven23 hat geschrieben:Fantasy und Fälschung nennt man jetzt Wahrnehmung.
Nein - Wahrnehmung ist das, was jemand authentisch oder nicht-authentisch in Bezug aufs Objekt von sich gibt.

sven23 hat geschrieben:Schon Mitte des letzen Jahrhunderts kam man zu folgendem Ergebnis:

"Es gibt nicht einen Jesus, es gibt mindestens vier: den Jesus0, den Jesus0,5, den Jesus1 und den Jesus2.
Korrekt - das sind die jeweiligen Perspektiven, die zu solchen Ergebnissen führen. - Eine davon ist die authentischste in Bezug auf Jesus - aber wir wissen nicht, welche es ist - auch die HKM weiß das nicht.

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#595 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Sa 16. Jul 2016, 19:58

closs hat geschrieben:Die kanonische Exegese versucht darüber hinaus herauszufinden, was Jesus WIRKLICH gemeint hat - und nicht, was die Rezeptionen meinen.
Da die kanonische Exegese keine weiteren Informationen zur Verfügung hat als der Bibeltext hergibt, ist das was darüber hinaus geht reines Wunschdenken.

closs hat geschrieben:Nein - HKM ist nicht Naturwissenschaft
HKM wird generell zu den Geisteswissenschaften gezählt.
closs hat geschrieben:HKM kann belegen, aber nicht PRIMÄR (also aufs Objekt bezogen) nachweisen.
Was ist der Unterschied?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#596 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jul 2016, 20:32

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, sie kommt höchstens dem näher, was die Schreiber konstruiert haben.
DAS macht genau die HKM. - Die kanonische Exegese versucht darüber hinaus herauszufinden, was Jesus WIRKLICH gemeint hat - und nicht, was die Rezeptionen meinen.
Und wie macht sie das? Wirft sie Hühnerknochen? :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich, die Forschung produziert nur Inzuchtergebnisse. Die Physiker haben also keine Atombombe gebaut, sondern nur eine Inzuchtbombe.
Nein - HKM ist nicht Naturwissenschaft - HKM kann belegen, aber nicht PRIMÄR (also aufs Objekt bezogen) nachweisen.
Wohl wahr, aber sie kann Quellen untersuchen und daraus Schlüsse ziehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Szenario stellt sich ziemlich eindeutig dar, wenn man alle Forschungsergebnisse zusammen nimmt. Die Vergottung des Wanderpredigers war ein nachträgliches Konstrukt der Schreiber.
Gut möglich. - WENN Jesus wirklich "Gottes Sohn"/Gott war, haben die Schreiber damit etwas nachgeholt, was frühere Schreiber nicht erfasst haben. -
Man kann auch glauben, dass im Sport noch nie gedopt wurde. Man kann glauben, dass Pumuckel der uneheliche Sohn von Donald und Daisy Duck ist. Aber wie wahrscheinlich ist das?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Fantasy und Fälschung nennt man jetzt Wahrnehmung.
Nein - Wahrnehmung ist das, was jemand authentisch oder nicht-authentisch in Bezug aufs Objekt von sich gibt.
Also pure Beliebigkeit und Willkür statt intersubjektiver Überprüfbarkeit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Schon Mitte des letzen Jahrhunderts kam man zu folgendem Ergebnis:
Es gibt nicht einen Jesus, es gibt mindestens vier: den Jesus0, den Jesus0,5, den Jesus1 und den Jesus2.
Korrekt - das sind die jeweiligen Perspektiven, die zu solchen Ergebnissen führen. - Eine davon ist die authentischste in Bezug auf Jesus - aber wir wissen nicht, welche es ist - auch die HKM weiß das nicht.
Die theologische Forschung hält sich weitgehend auf Grund der Quellen an J1, dem J2 von den Schreibern übergestülpt wurde.

Zur Naherwartung nur 2 Punkte:

Punkt 1: Wie erklärt man z. b. die Ethik Jesu, die auf kurze Zeit angelegt war? (verkaufe deinen Besitz und folge mir nach). Daseinsvorsorge war nicht mehr nötig.

Punkt 2: Warum hat Jesus, der angeblich des Lesens und Schreibens mächtig war, keine einzige schriftliche Zeile hinterlassen? Auch hier paßt die Antwort zur Naherwartung. Wenn das Gottesreich unmittelbar bevorstand, war es unnötig, der Nachwelt Schriftliches zu hinterlassen. Wer sollte es dann noch lesen?

Alle Puzzelteile hat die Forschung zusammengetragen und sie fügen sich zu einem plausiblen Bild. Jesus glaubte an das zeitlich nahe Gottesreich. Diese Botschaft stand im Zentrum seiner Verkündigung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#597 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 16. Jul 2016, 22:35

Pluto hat geschrieben:Da die kanonische Exegese keine weiteren Informationen zur Verfügung hat als der Bibeltext hergibt
Stimmt - aber er gibt einem kanonisch Denken-Könnenden ganz andere Sache her als einem reinen HKM-ler.

Pluto hat geschrieben:HKM wird generell zu den Geisteswissenschaften gezählt.
So solltes es sein - aber "Geisteswissenschaft" und "kritischer Rationalismus" sind ein Widerspruch in sich selbst. - Man braucht den kritischen Rationalismus, aber er macht das Entscheidende der Geisteswissenschaft nicht aus - nämlich den Geist.

Pluto hat geschrieben:Was ist der Unterschied?
Der eine untersucht sekundär (Rezeptions-Quellen) und versucht NUR daraus auf das Objekt (hier: Jesus) hin Schlussfolgerungen zu ziehen. - Der andere sucht tut das AUCH, hat aber darüber hinaus einen übergeordneten Entwurf, wie er die sekundären Erkenntnisse zusammenbauen kann. - Selber bauen sie sich nämlich nicht zusammen - dafür ist "sekundär" zu wenig.

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#598 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 16. Jul 2016, 22:51

sven23 hat geschrieben:Und wie macht sie das?
Indem sie einen übergeordneten Entwurf hat, wie er die sekundären Erkenntnisse zusammenbauen kann. - Selber bauen sie sich nämlich nicht zusammen - dafür ist "sekundär" zu wenig.

sven23 hat geschrieben: aber sie kann Quellen untersuchen und daraus Schlüsse ziehen.
Dazu braucht sie aber eine Basis - und diese bekommt sie von den Quellen NICHT. - Die HKM hat ihre Basis indirekt in ihren methodischen Vorgaben, die sie Jesus nur lediglich als Wanderprediger und sonst nichts sehen lassen. - Diese Basis präjudiziert die Schlussfolgerungen genauso, wie der "Glaubensentscheid" auf der anderen Seite ebenfalls deren Schlussfolgerungen präjudiziert. - Aber "die andere Seite" weiß und sagt es, während HKM-Vertreter dies bei sich gelegentlich NICHT zu wissen scheinen.

sven23 hat geschrieben:Man kann glauben, dass Pumuckel der uneheliche Sohn von Donald und Daisy Duck ist. Aber wie wahrscheinlich ist das?
Würdest Du dies als HKM-ler sagen, wäre dies ein weiterer Hinweis für die Glaubenswelt der HKM. - Wieso ist es so schwer zu bemerken, dass man ein spirituelles Buch nicht materialistisch verstehen kann - außer in der Peripherie?

sven23 hat geschrieben:Also pure Beliebigkeit und Willkür statt intersubjektiver Überprüfbarkeit.
Nimm es als Phänomen - Du bist schon wieder auf einer ganz anderen Ebene - als sei Wahrnehmung davon abhängig, ob man etwas überprüfen kann.

sven23 hat geschrieben:Punkt 1: Wie erklärt man z. b. die Ethik Jesu, die auf kurze Zeit angelegt war? (verkaufe deinen Besitz und folge mir nach). Daseinsvorsorge war nicht mehr nötig.
Das gilt auch heute noch - ehrlich, das ist echt GANZ anders gemeint.

Aber da haben wir es wieder mal:
Man interpretiert etwas aus seinem komischen Weltbild heraus, was NICHTS mit der eigentlichen Sache zu tun hat, und macht daraus ein Argument für Naherwartung. - Es ist nicht zu fassen.

Zur Sache selbst:
Gemeint ist damit, dass der Mensch sich von weltlichen Gütern weitgehend lösen soll, weil dies dem göttlichen Reich im Wege steht. - Das hat mit Naherwartung in Deinem Sinn üüüüüüüüüüberhaupt nichts zu tun.

sven23 hat geschrieben:Punkt 2: Warum hat Jesus, der angeblich des Lesens und Schreibens mächtig war, keine einzige schriftliche Zeile hinterlassen? Auch hier paßt die Antwort zur Naherwartung. Wenn das Gottesreich unmittelbar bevorstand, war es unnötig, der Nachwelt Schriftliches zu hinterlassen.
Eine sehr phantasievolle Interpretation - würde man normalerweise nicht draufkommen.

Auch ich kann nur spekulieren, warum es so ist (denn wenn Jesus Gott wäre, könnte er es selbstverständlich, wenn er wollte) - die Antwort:
Selbst wenn Jesus ein arschklares Buch schreiben würde, würde es genauso missverstanden werden, wenn es von einer Wissenschaft mit materialistischer Basis interpretiert werden würde - weil es dann nicht geht. - Es wäre grade wurscht.

Ob eine Schrift Jesu oder die heute vorliegenden Quellen:
In beiden Fällen muss sich der Mensch in einen Zustand des Erkennen-Könnens bringen (lassen) - das ist gemeint mit "Heiliger Geist" - das ist auch der Grund, warum mir das "Solus Spiritus" wichtiger erscheint als das "Sola Scriptura".

Das kann eine HKM, die sich nicht geistig öffnet, nicht leisten. - Genauso wenig, wie man zum guten Liebhaber entwickelt, wenn man die Brüste einer Frau auf den Nanometer genau vermisst.

sven23 hat geschrieben:Alle Puzzelteile hat die Forschung zusammengetragen und sie fügen sich zu einem plausiblen Bild.
Ein METHODISCH plausibles Bild - mehr nicht. - Es ist IHR Bild, aber nicht DAS Bild.

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#599 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » So 17. Jul 2016, 02:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gerade deshalb bedient sich die Forschung der historisch kritischen Methode in der historischen Jesusforschung.
Trotzdem kann es gut sein, dass die kanonische Exegese dem, was Jesus vor 2000 Jahren WIRKLICH war, näher kommt.
Wenn es um die historische Rekonstruktion von etwas tatsächlich Geschehenem auf der Grundlage der überlieferten Quellen, hier insbesondere der echatologischen Worte Jesu geht, mit Sicherheit nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschungsergebnisse sind nun mal anders.
Was Du als "Forschungs-Ergebnisse" bezeichnest, sind methodische Inzuchts-Ergebnisse...
... stellt der renommierte GROSSTHEOLOGE CLOSS im Brustton der Überzeugung fest - und die Zunft der Exegeten zuckt erschreckt zusammen. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zu viele Konjunktive sind in der Forschung ungünstig. Man muss sich auch mal an die Quellen halten.
Wenn man nur Aussagen über die Quellen machen will, geht das.
Sven hat recht. Zu viele Konjunktive sind in der Forschung ungünstig. Deine Vorliebe für Konjunktive zeugt von einer gewissen argumentativen Hilflosigkeit.

Und ja - die Neutestamentler machen auch Aussagen über die Qualität der von ihnen untersuchten Quellen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wobei das "Geistige" ja gerade das Produkt der Schreiber ist.
Es ist eine Wahrnehmung der Schreiber, die entweder authentisch zum historischen Jesus ist oder nicht.
In der Tat stellen die neutestamentlichen Schriften primär Glaubenszeugnisse ihrer Verfasser dar. Diese Tatsache wird von den Exegeten aber bei ihren historischen Rekonstruktionen durch Nichtberücksichtigung gebührend berücksichtigt.

closs hat geschrieben:Der Verdacht erhärtet sich, dass Du unter "historischer Jesus" nicht "wirklicher Jesus", sondern "methodischer Jesus" meinst. - Nochmal: Wenn Du allen historischen Möglichkeiten gerecht werden willst, musst Du AUCH den Fall untersuchen, wer Jesus anhand der Quellen und der dann anderen Interpretation derselben wäre, wenn Jesus "Gottes Sohn"/Gott gewesen wäre - ganz einfach deshalb, weil er es historisch gewesen sein könnte. - Alles andere ist Dogmatik.
Mit dieser verqueren Auffassung wirst Du keine Anhänger finden. ;)

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#600 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » So 17. Jul 2016, 03:09

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Da die kanonische Exegese keine weiteren Informationen zur Verfügung hat als der Bibeltext hergibt
Stimmt - aber er gibt einem kanonisch Denken-Könnenden ganz andere Sache her als einem reinen HKM-ler.
Pluto hat recht. Fakt ist, dass einem kanonisch arbeitenden Exegeten nicht mehr Informationen zur Verfügung stehen als seinen Kollegen von der wissenschaftlichen Zunft.

Das allein ist das Entscheidende. Die bewusste Überkleisterung historischer Fakten mit Glaubenssoße ist unwissenschaftlich und intellektuell unredlich.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist der Unterschied?
Der eine untersucht sekundär (Rezeptions-Quellen) und versucht NUR daraus auf das Objekt (hier: Jesus) hin Schlussfolgerungen zu ziehen. - Der andere sucht tut das AUCH, hat aber darüber hinaus einen übergeordneten Entwurf, wie er die sekundären Erkenntnisse zusammenbauen kann. - Selber bauen sie sich nämlich nicht zusammen - dafür ist "sekundär" zu wenig.
Die Neutestamentler untersuchen natürlich nicht sekundär, sondern primär ihre Quellen (= biblische und außerbiblische antike Texte). Textauslegung ist ihre Hauptaufgabe. Sie versuchen u.a., mit viel Akribie und Sachverstand "echte" (= authentische) Worte Jesu, von "unechten" zu unterscheiden. Bei den (mit höchster Wahrscheinlichkeit) authentischen Aussprüchen Jesu handelt es sich selbstverständlich NICHT um Rezeptionen; das solltest Du langsam mal kapiert haben

Was den von Dir erwähnten "übergeordneten Entwurf" betrifft, handelt es sich lediglich um eine simple Glaubensannahme - manche sagen auch Hirngespinst. Also außerhalb kirchlicher Dogmatik absolut irrelevant.

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