Alles Teufelszeug? III

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sven23
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#581 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Fr 15. Jul 2016, 21:00

2Lena hat geschrieben: Du klagst zu Recht rum: "Wo ist eigentlich die versprochene Prophezeiung?"
Das muss man sich nicht erst nach 2000 Jahren fragen. Es gab ja auch schon damals kritische Zeitgenossen, denen die Vergottung des Wanderpredigers spanisch vorkam. In Bezug auf die Naherwartung stellten sie die berechtigte Frage: wo bleibt er denn....
Darauf sahen sich die Schreiber genötigt zu reagieren und schoben den sog. 2. Petrusbrief nach, der darauf eine Antwort geben sollte. Alles ziemlich leicht durschschaubar.
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closs
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#582 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 15. Jul 2016, 21:22

sven23 hat geschrieben:Gerade weil die Naherwartung ein Irrtum war und die Schreiber diesen Irrtum anfangs mitschleppen mußten, gilt die Naherwartung als höchst authentisch.
Sie ist sogar seit ewig historisch dokumentiert - das haben schon Theologen gelernt, die heute über 80 sind.

sven23 hat geschrieben:Warum sonst sollten gottgläubige Theologen wie Theißen sonst schreiben: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Das ist ein logischer Satz aus Sicht der historisch-kritischen Methodik, nach (bei weitem nicht nur) meiner Meinung aber falsch - es ist ein Satz, der methodisch folgerichtig ist, aber aus mehrfach genannten Gründen vermutlich historisch falsch ist ("historisch" hier verstanden im Sinne von: "Was wirklich vor 2000 Jahren der Fall war").

sven23 hat geschrieben:Aber Propheten haben nun mal das Schicksal, dass sie an ihren Prophetien gemessen werden.
Das ist nicht das Problem - das Problem liegt woanders: Man muss die Prophetien verstanden haben.

sven23 hat geschrieben:Deshalb hält sich die Forschung an die Quellen, und die sprechen eine deutliche Sprache.
Das kann man dann getrost nach Hause tragen - aber das könnte halt zu wenig sein.

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sven23
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#583 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Fr 15. Jul 2016, 22:06

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gerade weil die Naherwartung ein Irrtum war und die Schreiber diesen Irrtum anfangs mitschleppen mußten, gilt die Naherwartung als höchst authentisch.
Sie ist sogar seit ewig historisch dokumentiert - das haben schon Theologen gelernt, die heute über 80 sind.
Ja eben, deshalb macht es doch keinen Sinn, die Naherwartung zu leugnen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Warum sonst sollten gottgläubige Theologen wie Theißen sonst schreiben: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Das ist ein logischer Satz aus Sicht der historisch-kritischen Methodik, nach (bei weitem nicht nur) meiner Meinung aber falsch - es ist ein Satz, der methodisch folgerichtig ist, aber aus mehrfach genannten Gründen vermutlich historisch falsch ist ("historisch" hier verstanden im Sinne von: "Was wirklich vor 2000 Jahren der Fall war").
Die theologische Forschung sieht es genau anders und sie kann es begründen. Ratzinger liefert dagegen keine Begründung, sondern will einfach nur, dass alles ganz anders ist, damit das Glaubensgebäude nicht einstürzt. Aufrufe zum Glaubensentscheid sind kein ernst zu nehmendes Argument gegen die historisch-kritische Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber Propheten haben nun mal das Schicksal, dass sie an ihren Prophetien gemessen werden.
Das ist nicht das Problem - das Problem liegt woanders: Man muss die Prophetien verstanden haben.
Nun, was ist an der Aussage: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen...., nicht zu verstehen?
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#584 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 15. Jul 2016, 22:27

sven23 hat geschrieben:Ja eben, deshalb macht es doch keinen Sinn, die Naherwartung zu leugnen.
Dass viele Urchristen eine Naherwartung hatten und einige Schreiber auch, wusste sogar Ratzinger vor uns. - Hier geht es darum, ob Jesus eine Naherwartung hatte - eine ganz andere Fragestellung. - Aber dieser Unterschied sollte eigentlich schon seit Beginn dieser Diskussion vor einigen Jahren bekannt gewesen sein.

sven23 hat geschrieben:Die theologische Forschung sieht es genau anders und sie kann es begründen. Ratzinger liefert dagegen keine Begründung
Die historisch-kritische Forschung kann es natürlich im Sinne ihrer Methodik begründen - aber sie tut es (wenn ich Dir glauben soll) einseitig, weil sie die (nicht nur) von mir vorgetragenen Gründe nicht genug thematisiert.

Warum das so ist, weiß ich nicht - ich vermute es hat etwas mit einem methodischen Hype zu tun, der es unmodern erscheinen lässt, wenn man übergeordnete Ansätze (Paradigmen-Wechsel, etc.) heranzieht.

Natürlich liefert Ratzinger eine Begründung - aber sie passt nicht ohne Weiteres in das HKM-Schema. - Auch hier gilt umgekehrt: Das Glaubensgebäude der HKM-Liturgie will von manchen nicht in Gefahr sehen.

sven23 hat geschrieben:Aufrufe zum Glaubensentscheid sind kein ernst zu nehmendes Argument gegen die historisch-kritische Forschung.
Da stimme ich Dir zu - man muss sachlich begründen - dazu gehört allerdings AUCH, dass man Jesus auch für den Fall historisch-kritisch interpretiert, dass er eben NICHT nur Wanderprediger war.

Mir ist absolut schleierhaft, warum auch ein Atheist fragen könnte: "Wie würde man das alles interpretieren, wenn Jesus als Gott diesen Paradigmen-Wechsel herbeigeführt hätte? Was würde dann auf welche Weise in anderem Licht erscheinen?". - Dazu muss man selber keinen Glaubensentscheid treffen - man muss nur die HKM ausweiten auf eine andere HISTORISCHE (!!!) Möglichkeit, wie es gewesen sein könnte. - Tut man es nicht, ist man in Bezug auf die Beurteilung der damaligen Wirklichkeit nicht ergebnisoffen.

sven23 hat geschrieben:was ist an der Aussage: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen...., nicht zu verstehen?
Nichts ist daran nicht zu verstehen. - Hier wird aufgrund einer entsprechenden Rezeption oder Tradierung oder Übersetzung der Eindruck erweckt, Jesus habe selber eine Naherwartung gehabt. - Natürlich führt dies zu Widersprüchen mit anderen Stellen, was eine Gesamt-Interpretation schwer macht - aber so ist das halt mal in der HKM.

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#585 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jul 2016, 07:07

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ja eben, deshalb macht es doch keinen Sinn, die Naherwartung zu leugnen.
Dass viele Urchristen eine Naherwartung hatten und einige Schreiber auch, wusste sogar Ratzinger vor uns. - Hier geht es darum, ob Jesus eine Naherwartung hatte - eine ganz andere Fragestellung. - Aber dieser Unterschied sollte eigentlich schon seit Beginn dieser Diskussion vor einigen Jahren bekannt gewesen sein.
Und du meinst, diese Frage sei für die Forschung völlig neu? Man kann vielleicht als Laie zu diesem Schluss kommen, wenn man sich hartnäckig weigert, entsprechende Fachliteratur zu lesen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die theologische Forschung sieht es genau anders und sie kann es begründen. Ratzinger liefert dagegen keine Begründung
Die historisch-kritische Forschung kann es natürlich im Sinne ihrer Methodik begründen - aber sie tut es (wenn ich Dir glauben soll) einseitig, weil sie die (nicht nur) von mir vorgetragenen Gründe nicht genug thematisiert.
siehe oben

closs hat geschrieben: Warum das so ist, weiß ich nicht - ich vermute es hat etwas mit einem methodischen Hype zu tun, der es unmodern erscheinen lässt, wenn man übergeordnete Ansätze (Paradigmen-Wechsel, etc.) heranzieht.
Das tut die Forschung doch, nur engt sie den Paradigmenwechsel nicht so einseitig auf ein einziges Thema ein, wie ein Laie dies tut.

closs hat geschrieben: Natürlich liefert Ratzinger eine Begründung - aber sie passt nicht ohne Weiteres in das HKM-Schema.
Sie paßt überhaupt nicht zu einer wissenschaftlichen Methode, weil sie expilizit als Gegenmodell zu einer wissenschaftlichen Methode entwickelt wurde. Die versuchte Synthese musste deshalb in die Hose gehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aufrufe zum Glaubensentscheid sind kein ernst zu nehmendes Argument gegen die historisch-kritische Forschung.
Da stimme ich Dir zu - man muss sachlich begründen - dazu gehört allerdings AUCH, dass man Jesus auch für den Fall historisch-kritisch interpretiert, dass er eben NICHT nur Wanderprediger war.
Nochmal: es werden Texte untersucht, nicht ob Jesus Wanderprediger oder der uneheliche Sohn Gottes ist. Was die Forschung machen kann: sie zeichnet seine "Karriere" innerhalb der Rezeption nach. Das heißt, sie zeigt, wie das Glaubenskonstrukt um Jesus herum im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut wurde.

closs hat geschrieben: Mir ist absolut schleierhaft, warum auch ein Atheist fragen könnte: "Wie würde man das alles interpretieren, wenn Jesus als Gott diesen Paradigmen-Wechsel herbeigeführt hätte? Was würde dann auf welche Weise in anderem Licht erscheinen?". - Dazu muss man selber keinen Glaubensentscheid treffen - man muss nur die HKM ausweiten auf eine andere HISTORISCHE (!!!) Möglichkeit, wie es gewesen sein könnte. - Tut man es nicht, ist man in Bezug auf die Beurteilung der damaligen Wirklichkeit nicht ergebnisoffen.
Und immer wieder der gleiche Strohmann: es ist nicht Aufgabe der Forschung nachzuweisen, ob Jesus der Sohn Gottes ist. Selbst unter dieser Annahme bleibt ja die Naherwartung anhand der Quellen bestehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:was ist an der Aussage: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen...., nicht zu verstehen?
Nichts ist daran nicht zu verstehen. - Hier wird aufgrund einer entsprechenden Rezeption oder Tradierung oder Übersetzung der Eindruck erweckt, Jesus habe selber eine Naherwartung gehabt. - Natürlich führt dies zu Widersprüchen mit anderen Stellen, was eine Gesamt-Interpretation schwer macht - aber so ist das halt mal in der HKM.
Die Forschung liefert aber eine schlüssige Interpretation, die vor allem auch die Chronologie der Texte berücksichtigt, incl. aller Veränderungen, Ergänzungen und Fälschungen und kann somit die Widerprüche bezüglich der Naherwartung auflösen. Dafür interessiert sich die kanonische Exegese überhaupt nicht, weshalb sie in der Forschung nicht ernst genommen werden kann.
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#586 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 16. Jul 2016, 08:47

sven23 hat geschrieben:Und du meinst, diese Frage sei für die Forschung völlig neu?
Natürlich nicht - aber offensichtlich wird sie je nach Perspektive völlig unterschiedlich beantwortet.

sven23 hat geschrieben:Das tut die Forschung doch, nur engt sie den Paradigmenwechsel nicht so einseitig auf ein einziges Thema ein, wie ein Laie dies tut.
Nee - das hat nichts mit Profi-Laie zu tun, sondern mit der geistigen Sicht. - Es ist ein Unterschied, ob man Jesus als alttestamentarischen Menschen versteht, der halt die Torah in diesem oder jenem Punkt verschärft ( das ist KEIN PAradiogmen-Wechsel), oder ob er die Denkweise des AT von innen erneuert. - Letzteres ist historisch-kritisch nicht greifbar, weil die HKM nichts mit BEgriffen wie "innen" und "außen" anfangen kann.

sven23 hat geschrieben:Was die Forschung machen kann: sie zeichnet seine "Karriere" innerhalb der Rezeption nach.
Genau so ist es.

sven23 hat geschrieben:Sie paßt überhaupt nicht zu einer wissenschaftlichen Methode, weil sie expilizit als Gegenmodell zu einer wissenschaftlichen Methode entwickelt wurde.
Gegenmodell zur (eigentlich: Erweiterung der) HKM hat nichts mit der Frage "wissenschaftlich" oder "nicht-wissenschaftlich" zu tun.

sven23 hat geschrieben:Und immer wieder der gleiche Strohmann: es ist nicht Aufgabe der Forschung nachzuweisen, ob Jesus der Sohn Gottes ist.
Das GEHT auch gar nicht und das WILL auch keiner. - Trotzdem wiederholst Du es immer wieder.

sven23 hat geschrieben:Das heißt, sie zeigt, wie das Glaubenskonstrukt um Jesus herum im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut wurde.
Mechanistisch gesehen ist das ja auch so: Closs schreibt, dass Sven 3 Ohren hat - Pluto schreibt, dass er 4 Ohren hat - Halman meint, dass er 2 Ohren hat. - Also hat er nachweisbar 3 Ohren.

Nein - so primitiv arbeitet die HKM nicht - aber an diesem Vergleich ist trotzdem etwas dran: Man vergleicht Quellen ÜBER Jesus, statt sich zu fragen, wieviele Ohren er hat. - Oder seriös gesagt: Wenn die Quellen-Lieferanten nicht genau genug verstehen KÖNNEN, weil vielleicht Jesus eben NICHT nur der Wanderprediger gewesen ist, geht die MEthode "Quelle/Subjekt = Quellen-Thema/Objekt eben nicht auf.

Oder man nimmt Deine Aussage wörtlich und äußert sich als HKM-ler nur über Quellen: "Closs schreibt da und da, dass Sven 3 Ohren hat - die spätere Auffassung Plutos, er habe 4 Ohren, darf als übertreibende Erfindung betrachtet werden. - Halmans Quelle ist noch Jünger und deshalb die am wenigsten authentischste. - Es darf also historisch davon ausgegangen werden, dass Sven 3 Ohren hatte". - Und Sven schaut sich das an und sagt: "Habt Ihr sie nicht alle?".

sven23 hat geschrieben:Die Forschung liefert aber eine schlüssige Interpretation, die vor allem auch die Chronologie der Texte berücktigt, incl. aller Veränderungen, Ergänzungen und Fälschungen
Davon abgesehen, dass "Fälschungen" ein präjudizierendes Wort ist, gebe ich Dir recht - genau das kann die HKM. - Und jetzt?

sven23 hat geschrieben:Dafür interessiert sich die kanonische Exegese überhaupt nicht, weshalb sie in der Forschung nicht ernst genommen werden kann.
Und von der systematischen Wissenschaft wird die HKM nur als Daten-Lieferant ernstgenommen. - Und jetzt?

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sven23
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#587 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jul 2016, 10:27

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und du meinst, diese Frage sei für die Forschung völlig neu?
Natürlich nicht - aber offensichtlich wird sie je nach Perspektive völlig unterschiedlich beantwortet.
Logisch, aus wissenschaftlicher Perspektive kommt man zu anderen Ergebnissen als aus glaubensdogmatischer Perspektive. Das verwundert nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das tut die Forschung doch, nur engt sie den Paradigmenwechsel nicht so einseitig auf ein einziges Thema ein, wie ein Laie dies tut.
Nee - das hat nichts mit Profi-Laie zu tun, sondern mit der geistigen Sicht. - Es ist ein Unterschied, ob man Jesus als alttestamentarischen Menschen versteht, der halt die Torah in diesem oder jenem Punkt verschärft ( das ist KEIN PAradiogmen-Wechsel), oder ob er die Denkweise des AT von innen erneuert. - Letzteres ist historisch-kritisch nicht greifbar, weil die HKM nichts mit BEgriffen wie "innen" und "außen" anfangen kann.
Natürlich kann sie das und hat es doch getan. Im Falle der Naherwartung hielt Jesus das Gottesreich für so zeitlich nahe, dass es bereits in der Gesellschaft wirksam wurde (inneres Gottesreich) und unmittelbar vor der Vollendung stand. (äußeres Gottesreich)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was die Forschung machen kann: sie zeichnet seine "Karriere" innerhalb der Rezeption nach.
Genau so ist es.
Nur dass am Anfang der Wanderprediger stand und am Ende der "Karriere" die Vergottung des Wanderpredigers.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie paßt überhaupt nicht zu einer wissenschaftlichen Methode, weil sie expilizit als Gegenmodell zu einer wissenschaftlichen Methode entwickelt wurde.
Gegenmodell zur (eigentlich: Erweiterung der) HKM hat nichts mit der Frage "wissenschaftlich" oder "nicht-wissenschaftlich" zu tun.
Doch, genau das hat es, ob dir das gefällt oder nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und immer wieder der gleiche Strohmann: es ist nicht Aufgabe der Forschung nachzuweisen, ob Jesus der Sohn Gottes ist.
Das GEHT auch gar nicht und das WILL auch keiner. - Trotzdem wiederholst Du es immer wieder.
Du bist es doch, der mantramäßig wiederholt, die Forschung müsse doch endlich "setzen", dass Jesus Gott ist, damit sie zu den Ergebnissen kommt, die den Glaubensdogmatikern gefallen.

closs hat geschrieben: Und Sven schaut sich das an und sagt: "Habt Ihr sie nicht alle?".
Da ist was dran. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung liefert aber eine schlüssige Interpretation, die vor allem auch die Chronologie der Texte berücktigt, incl. aller Veränderungen, Ergänzungen und Fälschungen
Davon abgesehen, dass "Fälschungen" ein präjudizierendes Wort ist, gebe ich Dir recht - genau das kann die HKM. - Und jetzt?
Das zeigt, dass man sich im Laufe der Zeit immer weiter vom "Original" entfernte. Zum Schluss hatte man einen derartigen Wildwuchs, dass es selbst der Kirche zu viel wurde.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dafür interessiert sich die kanonische Exegese überhaupt nicht, weshalb sie in der Forschung nicht ernst genommen werden kann.
Und von der systematischen Wissenschaft wird die HKM nur als Daten-Lieferant ernstgenommen. - Und jetzt?
Wenn sie denn die Daten zur Kenntnis nehmen würde, wäre das ja ok. Aber sie betreibt Cherry-Picking, d. h. nur das, was ihr genehm ist, wird anerkannt, was nicht genehm ist, wir geleugnet oder verschwiegen. (Conzelman läßt wieder mal grüßen)
Eigentlich müßte die Forschung sagen: wenn der Kuchen verteilt wird, haben die Krümel zu schweigen. :lol:
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#588 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 16. Jul 2016, 12:01

sven23 hat geschrieben:aus wissenschaftlicher Perspektive kommt man zu anderen Ergebnissen als aus glaubensdogmatischer Perspektive
Das ist schon wieder eine weltanschaulich-dogmatische Wertung.

sven23 hat geschrieben: Im Falle der Naherwartung hielt Jesus das Gottesreich für so zeitlich nahe
Das ist Deine weltanschauliche Interpretation.

sven23 hat geschrieben:Nur dass am Anfang der Wanderprediger stand und am Ende der "Karriere" die Vergottung des Wanderpredigers.
Bestenfalls in Deinem Sinne stand am Anfang eine solche Rezeption und danach eine andere. - Was tatsächlich der Fall war, ist damit nicht geklärt.

sven23 hat geschrieben:Doch, genau das hat es, ob dir das gefällt oder nicht.
Das wiederum ist eine wissenschafts-theoretische Frage, die sowohl in Deinem Sinne als auch in meinem Sinne beantwortet wird. - Auch hier kommen wir nicht weiter.

sven23 hat geschrieben:Du bist es doch, der mantramäßig wiederholt, die Forschung müsse doch endlich "setzen", dass Jesus Gott ist
Sie muss BEIDES setzen - einmal so, einmal so - , wenn sie ergebnisoffen Aufklärung erhalten will, was damals der Fall war. - Klassischerweise setzt sie methodisch bedingt (also nicht expressis verbis für jedes einzelne Projekt) nur eine Version und ist somit in ihrer Interpretation einseitig und somit nicht ergebnis-offen.

sven23 hat geschrieben:Das zeigt, dass man sich im Laufe der Zeit immer weiter vom "Original" entfernte.
Es gibt kein Original außer Jesus - und ob und wann man sich im näherte oder sich von ihm entfernte, ist nicht über eine Zeitschiene (je älter, um so näher) klärbar.

sven23 hat geschrieben:Wenn sie denn die Daten zur Kenntnis nehmen würde, wäre das ja ok.
Tut sie doch - aber eben nur die DATEN und nicht die Interpretationen.

sven23 hat geschrieben:Aber sie betreibt Cherry-Picking, d. h. nur das, was ihr genehm ist, wird anerkannt, was nicht genehm ist, wir geleugnet oder verschwiegen.
Das bezieht sich normalerweise nicht auf die Daten, sondern auf die Interpretationen.

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#589 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jul 2016, 12:40

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:aus wissenschaftlicher Perspektive kommt man zu anderen Ergebnissen als aus glaubensdogmatischer Perspektive
Das ist schon wieder eine weltanschaulich-dogmatische Wertung.
Wieso? Es bestätigt doch deine Aussage, dass man aus unterschiedlichen Perspektiven zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Im Falle der Naherwartung hielt Jesus das Gottesreich für so zeitlich nahe
Das ist Deine weltanschauliche Interpretation.
Nein, eine naheliegende Interpretation auf Grund der Quellen. Und was anderes steht uns nicht zur Verfügung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du bist es doch, der mantramäßig wiederholt, die Forschung müsse doch endlich "setzen", dass Jesus Gott ist
Sie muss BEIDES setzen - einmal so, einmal so - , wenn sie ergebnisoffen Aufklärung erhalten will, was damals der Fall war. - Klassischerweise setzt sie methodisch bedingt (also nicht expressis verbis für jedes einzelne Projekt) nur eine Version und ist somit in ihrer Interpretation einseitig und somit nicht ergebnis-offen.
Die Forschung muß hier überhaupt nichts setzen, das sind nur Ablenkungsmanöver. Die Quellen ändern sich daduch nicht.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das zeigt, dass man sich im Laufe der Zeit immer weiter vom "Original" entfernte.
Es gibt kein Original außer Jesus - und ob und wann man sich im näherte oder sich von ihm entfernte, ist nicht über eine Zeitschiene (je älter, um so näher) klärbar.
Aber nur, wenn man sich die Hose mit der Kneifzange zumacht. :lol: Mit ein bißchen gesundem Menschenverstand ist das schon erklärbar und nachvollziehbar, so wie es die Forschung aufzeigt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn sie denn die Daten zur Kenntnis nehmen würde, wäre das ja ok.
Tut sie doch - aber eben nur die DATEN und nicht die Interpretationen.
Das sind Haarspaltereien. "Ihr werdet mit den Städten Israel nicht zu Ende kommen" liefert Daten und Interpration in einem. Da gibt es nichts zu beschönigen.

Was wirlklich störend und ärgerlich ist, ist das unredliche Cherry-Picking. Selbst ein Kardinal Kasper spricht hier von "Verheißungsüberschuss", was aber nichts anderes bedeutet, als dass Jesus mehr verheißen hat, als er einlösen konnte.
Das Unredliche ist, dass man z. B. die Naherwartung als Irrtum der Schreiber abtun will, aber andere Stellen, die von der Forschung als Eigenkomposition der Schreiber gesehen werden (Bergpredigt, Johannesevangelium), als authentisch verkaufen will. Man sucht sich also wie in einem Selbstbedienungsladen die Einzelteile zusammen, die ins Glaubenskonzept passen.
Das hat mit seriöser Forschung nicht mehr das Geringste zu tun und das weiß im Grund auch jeder, einschließlich dem closs. ;)
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#590 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 16. Jul 2016, 13:42

sven23 hat geschrieben: Es bestätigt doch deine Aussage, dass man aus unterschiedlichen Perspektiven zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.
Aber Du bewertest mit Deiner Gegenüberstellung und vergisst dabei, dass auch die HKM glaubens-dogmatisch, da methodik-verengt interpretieren kann. - Fakt ist, dass hier historisch-kritische und systematische Wissenschaft/Perspektive gegenüberstehen und aus aus ihrer jeweils wohlbegründeten Position zu einem Ergebnis kommen, was damals wirklich historisch der Fall war.

sven23 hat geschrieben:Nein, eine naheliegende Interpretation auf Grund der Quellen.
EINE naheliegende Interpretation - denkt man perspektivisch anders, ist etwas anderes naheliegend.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung muß hier überhaupt nichts setzen
Das ist der entscheidende Punkt, der oft einfach nicht verstanden wird: Selbstverständlich ist ein kritisch-rationaler Ansatz eine methodische Setzung - was denn sonst? Dass dies dem einzelnen Forscher mangels philosophischer Bildung im Einzelfall nicht bewusst sein muss, ändert doch nichts daran.

sven23 hat geschrieben:Die Quellen ändern sich daduch nicht.
Die Quellen sind nicht das Problem - damit kommen beide Seiten bestens zurecht.

sven23 hat geschrieben:Mit ein bißchen gesundem Menschenverstand ist das schon erklärbar und nachvollziehbar, so wie es die Forschung aufzeigt.
Ja - das ist es. - Aber das gilt für die andere Seite auch.

Mein Weg war, erstmal mühsam zu erkennen, wie die HKM aufgebaut sein muss, um zu ihren Interpretations-Ergebnissen zu kommen. Wenn nur DAS Forschung wäre, müsste man gleichzeitig hinzufügen, dass Forschung ein enges Gebilde mit SCheuklappen ist. - Das muss nicht sein.

sven23 hat geschrieben:"Ihr werdet mit den Städten Israel nicht zu Ende kommen" liefert Daten und Interpration in einem.
Nein - interpretieren sollte man seriöserweise nur im Gesamtkontext. Da ist ein Puzzleteil zu wenig.

sven23 hat geschrieben:Selbst ein Kardinal Kasper spricht hier von "Verheißungsüberschuss", was aber nichts anderes bedeutet, als dass Jesus mehr verheißen hat, als er einlösen konnte.
Stimmt - diese Aussage finde ich persönlich komplett unmöglich. - Nach meinem Eindruck hat sich die gesamt-kanonische Exegese (sie hieß vor Ratzinger anders - er hat nur einen neuen Namen gefunden) vom HKM-Hype derart überrumpeln lassen, dass sie gelegentlich dazu neigt, sie innerhalb ihrer eigenen Logik zu widerlegen - Kardinal-Fehler.

Die HKM ist auch aus meiner Sicht in sich folgerichtig - aber eben nur da und nicht notwendigerweise in Bezug auf das, was historisch TATSÄCHLICH passiert ist. Aber das scheint nicht zu interessieren, weil es letztlich nicht um die tatsächliche Historizität, sondern um die methodische Historizität geht. - System-Schutz.

sven23 hat geschrieben:Das Unredliche ist, dass man z. B. die Naherwartung als Irrtum der Schreiber abtun will, aber andere Stellen, die von der Forschung als Eigenkomposition der Schreiber gesehen werden (Bergpredigt, Johannesevangelium), als authentisch verkaufen will.
WENN Johannes mit seinen Schriften dem Wesen des historischen Jesus näher ist, ist er ihm gegenüber authentischer als ein Verfasser x, dessen SChriften von der HKM als authentisch angesehen werden. - Konkret:

Hätte ein "Hofschreiber" Jesus begleitet und das Gehörte nach seinem Verständnis niedergeschrieben, wäre er historisch-kritisch authentisch. - Hätte Johannes mit seiner freien Schrift Jahre danach in seinem Verständnis Jesus WIRKLICH verstanden, würde er ihm WIRKLICH historisch gerecht werden.

Wer entscheidet das? - Niemand kann es entscheiden. - Denn die HKM kann lediglich ihre Methodik runterspulen und Quellen-Ergebnisse hoch-interpretieren auf Jesus hin - hat aber methodisch keinen geistigen Ansatz, Jesu geistigen Paradigmenwechsel zu verstehen. - Die kanonische Exegese hat zwar diesen Ansatz, kann ihn aber nur geistig erklären, weil er historisch-kritisch nicht SUBSTANTIELL erklärbar ist (die Verschärfung der Torah durch dieses oder jenes Äußerliche ist keine angemessene Erklärung).

Und so steht beides gegenüber: Die HKM hat recht, wenn Jesus WIRKLICH nur ein Wanderprediger war - nicht falsifizierbar. - Die kanonische Exegese hat recht, wenn Jesus WIRKLICH "GOttes Sohn"/Gott war - nicht falsifizierbar. - Also sind beide Interpretations-Grundlagen Glaubens-Grundlagen - und wenn man das jeweils andere kategorisch ausschließt, sind es Ideologien/dogmatische Weltanschauungen - beide.

Die Lösung besteht aus meiner Sicht seit langem darin, dass man sich seines eigenen Wahrnehmungs-Systems und dessen Grundlagen/Setzungen bewusst ist und somit nahvollziehen kann, warum beide - übrigens beide auf wissenschaftlichem Weg - zu ihren Erkenntnissen kommen. - Es besteht unter erwachsenen Leuten kein Anlass, hier Ideologie-Diskussionen zu führen.

Und da muss ich leider sagen, dass die HKM-Anhänger ideologischer/dogmatischer als die Ratzi-Exegeten auftreten, weil erstere gar nicht erkennen, dass sie ebenfalls Setzungen haben, mithin glauben, sie seien neutral. - Ein Neutralitäts-Dogmatismus mit Selbst-Immunisierungs-Effekt. - O.o. - Ratzi ist da weiter, weil er einen "Glaubensentscheid" haben will: "Wir wissen, dass wir EINE Perspektive einnehmen und es natürlich auch andere gleichwertige gibt, wenn auch für uns nicht akzeptabel".

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