sven23 hat geschrieben: Es bestätigt doch deine Aussage, dass man aus unterschiedlichen Perspektiven zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.
Aber Du bewertest mit Deiner Gegenüberstellung und vergisst dabei, dass auch die HKM glaubens-dogmatisch, da methodik-verengt interpretieren kann. - Fakt ist, dass hier historisch-kritische und systematische Wissenschaft/Perspektive gegenüberstehen und aus aus ihrer jeweils wohlbegründeten Position zu einem Ergebnis kommen, was damals wirklich historisch der Fall war.
sven23 hat geschrieben:Nein, eine naheliegende Interpretation auf Grund der Quellen.
EINE naheliegende Interpretation - denkt man perspektivisch anders, ist etwas anderes naheliegend.
sven23 hat geschrieben:Die Forschung muß hier überhaupt nichts setzen
Das ist der entscheidende Punkt, der oft einfach nicht verstanden wird: Selbstverständlich ist ein kritisch-rationaler Ansatz eine methodische Setzung - was denn sonst? Dass dies dem einzelnen Forscher mangels philosophischer Bildung im Einzelfall nicht bewusst sein muss, ändert doch nichts daran.
sven23 hat geschrieben:Die Quellen ändern sich daduch nicht.
Die Quellen sind nicht das Problem - damit kommen beide Seiten bestens zurecht.
sven23 hat geschrieben:Mit ein bißchen gesundem Menschenverstand ist das schon erklärbar und nachvollziehbar, so wie es die Forschung aufzeigt.
Ja - das ist es. - Aber das gilt für die andere Seite auch.
Mein Weg war, erstmal mühsam zu erkennen, wie die HKM aufgebaut sein muss, um zu ihren Interpretations-Ergebnissen zu kommen. Wenn nur DAS Forschung wäre, müsste man gleichzeitig hinzufügen, dass Forschung ein enges Gebilde mit SCheuklappen ist. - Das muss nicht sein.
sven23 hat geschrieben:"Ihr werdet mit den Städten Israel nicht zu Ende kommen" liefert Daten und Interpration in einem.
Nein - interpretieren sollte man seriöserweise nur im Gesamtkontext. Da ist ein Puzzleteil zu wenig.
sven23 hat geschrieben:Selbst ein Kardinal Kasper spricht hier von "Verheißungsüberschuss", was aber nichts anderes bedeutet, als dass Jesus mehr verheißen hat, als er einlösen konnte.
Stimmt - diese Aussage finde ich persönlich komplett unmöglich. - Nach meinem Eindruck hat sich die gesamt-kanonische Exegese (sie hieß vor Ratzinger anders - er hat nur einen neuen Namen gefunden) vom HKM-Hype derart überrumpeln lassen, dass sie gelegentlich dazu neigt, sie innerhalb ihrer eigenen Logik zu widerlegen - Kardinal-Fehler.
Die HKM ist auch aus meiner Sicht in sich folgerichtig - aber eben nur da und nicht notwendigerweise in Bezug auf das, was historisch TATSÄCHLICH passiert ist. Aber das scheint nicht zu interessieren, weil es letztlich nicht um die tatsächliche Historizität, sondern um die methodische Historizität geht. - System-Schutz.
sven23 hat geschrieben:Das Unredliche ist, dass man z. B. die Naherwartung als Irrtum der Schreiber abtun will, aber andere Stellen, die von der Forschung als Eigenkomposition der Schreiber gesehen werden (Bergpredigt, Johannesevangelium), als authentisch verkaufen will.
WENN Johannes mit seinen Schriften dem Wesen des historischen Jesus näher ist, ist er ihm gegenüber authentischer als ein Verfasser x, dessen SChriften von der HKM als authentisch angesehen werden. - Konkret:
Hätte ein "Hofschreiber" Jesus begleitet und das Gehörte nach seinem Verständnis niedergeschrieben, wäre er historisch-kritisch authentisch. - Hätte Johannes mit seiner freien Schrift Jahre danach in seinem Verständnis Jesus WIRKLICH verstanden, würde er ihm WIRKLICH historisch gerecht werden.
Wer entscheidet das? - Niemand kann es entscheiden. - Denn die HKM kann lediglich ihre Methodik runterspulen und Quellen-Ergebnisse hoch-interpretieren auf Jesus hin - hat aber methodisch keinen geistigen Ansatz, Jesu geistigen Paradigmenwechsel zu verstehen. - Die kanonische Exegese hat zwar diesen Ansatz, kann ihn aber nur geistig erklären, weil er historisch-kritisch nicht SUBSTANTIELL erklärbar ist (die Verschärfung der Torah durch dieses oder jenes Äußerliche ist keine angemessene Erklärung).
Und so steht beides gegenüber: Die HKM hat recht, wenn Jesus WIRKLICH nur ein Wanderprediger war - nicht falsifizierbar. - Die kanonische Exegese hat recht, wenn Jesus WIRKLICH "GOttes Sohn"/Gott war - nicht falsifizierbar. - Also sind beide Interpretations-Grundlagen Glaubens-Grundlagen - und wenn man das jeweils andere kategorisch ausschließt, sind es Ideologien/dogmatische Weltanschauungen - beide.
Die Lösung besteht aus meiner Sicht seit langem darin, dass man sich seines eigenen Wahrnehmungs-Systems und dessen Grundlagen/Setzungen bewusst ist und somit nahvollziehen kann, warum beide - übrigens beide auf wissenschaftlichem Weg - zu ihren Erkenntnissen kommen. - Es besteht unter erwachsenen Leuten kein Anlass, hier Ideologie-Diskussionen zu führen.
Und da muss ich leider sagen, dass die HKM-Anhänger ideologischer/dogmatischer als die Ratzi-Exegeten auftreten, weil erstere gar nicht erkennen, dass sie ebenfalls Setzungen haben, mithin glauben, sie seien neutral. - Ein Neutralitäts-Dogmatismus mit Selbst-Immunisierungs-Effekt. - O.o. - Ratzi ist da weiter, weil er einen "Glaubensentscheid" haben will: "Wir wissen, dass wir EINE Perspektive einnehmen und es natürlich auch andere gleichwertige gibt, wenn auch für uns nicht akzeptabel".