Alles Teufelszeug? II

closs
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#551 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » So 27. Mär 2016, 01:05

SilverBullet hat geschrieben:Irgendwann wird das 2D-Lebewesen fragen: „wer bist du?“ und dann wird es eine vernünftige Antwort bekommen.
Wenn das 3D-Wesen aber dann sagt: "Ich bin Gott" oder sonstwas, wird der Bewusstseinszustand des 2D-lers entscheiden, ob es dies als Humbug versteht oder als Höher-Dimensionales akzeptiert.

SilverBullet hat geschrieben:Das 3D-Lebewesen wird dem 2D-Lebewesen einfach direkt die Situation erklären.
Solche Dinge gibt es - allerdings sollte man nicht drüber reden, weil dies mindestens karriere-schädigend, wenn nicht sogar mit einer Einweisung in die Psychiatrie verbunden ist.

SilverBullet hat geschrieben:Nein, das nennt man nicht "Teleportation", weil das 3D-Lebewesen eine für das 2D-Lebewesen erlebbare Kommunikation durchführt und erklärt, wie es funktioniert und auf Rückfragen eingeht.
Du machst es Dir zu einfach:
a) 2D muss überhaupt erstmal erkennen, dass 3D mit ihm spricht.
b) Gibt 2D dies zu, wird er als religiöser Spinner bezeichnet.

Ansonsten gibt es diese Interaktion bei durchaus nicht wenigen Christen auch - "Gott hat zu mir gesprochen"/"Als ich heute dies und jenes gemacht habe, hat Gott gefügt, dass ich SilverBullet getroffen habe". - Letzteres wird als "Zufall" oder "Spinnerei" bezeichnet.

Unterm Strich:
All das, was Du hier als "konkret" bezeichnest, passiert alltäglich, wird aber naturalistisch subsummiert, wenn man davon spricht. - Außerdem: WENN es Gott gibt - welche Bedeutung hätte es, dass man ihm vorschreibt, wie er sich erkennbar macht. - Das sind eh innere Prozesse.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn du es verstehen würdest, dann würdest du mit dieser Religion anders umgehen.
Nein - weil ich weiss, dass Dein Versuch einer naturalistisch verwertbaren Version in sich irrig ist. - Gott ist vom Wesen her keine naturalistische Größe.

SilverBullet hat geschrieben:Das lehnst du aber ab, weil es dein Wunsch ist, dass deine Religion „Wirklichkeit“ beschreiben soll.
Es ist nicht beweisbar, aber es würde aber keinen Sinn machen, wenn Gott NICHT Wirklichkeit/Realität wäre. - Genauso wie es keinen Sinn zu machen, auf Naturwissenschaft zu bauen, wenn es sich herausstellen würde, dass alles, was wir wahrnehmen, nur unsere Vorstellung wäre.

SilverBullet hat geschrieben:Auf geht’s, versuche meine Aussage, die du für „praxis-fern“ hältst, zu widerlegen.
Wie soll das bei Deinem Weltbild gehen? - Du bräuchtest eine Weltbild dazu, das Transzendenz beinhaltet:
Woher kommt der Mensch? (Die naturalistische Antwort ist keine Antwort auf diese Frage, sondern lediglich eine Beschreibung der naturalistischen Umsetzung dieser Frage)
Oder: Was ist die Existenz des Menschen (Neurowissenschaftliche Antworten sind keine Antwort auf diese Frage, sondern lediglich eine Beschreibung der naturalistischen Umsetzung dieser Frage)
Warum gibt es Leid? (Die biologische Antwort, dies sei nötig, um den Menschen auf Fehlfunktionen hinzuweisen, ist keine Antwort auf diese Frage, da sie lediglich biologische Erklärungen zum Überleben liefert)
Warum kann der Mensch transzendent denken? (Die bisweilen zu hörende Antwort, dies sei gleichsam ein Kollateralschaden der Evolution ist nun wirklich zu schwach)
Etc.

Erst wenn man diese oder ähnliche Frage aufrichtig stellen KANN, weil man ein dazu geeignetes Weltbild hat, macht "Gott" überhaupt einen Sinn. - Wir reden also über Voraussetzungen - die musst DU aber bringen.

SilverBullet hat geschrieben:Und warum brauchst du dann ein Buch, eine Religion, „Glaubensexperten“, Hermeneutik und eine Anfangssuggestion, um (aus deiner Sicht) diese „Realität“ zu erkennen?
Braucht man alles NICHT. - Das "Buch" ist dazu da, eigene Empfindungen und eigenes transzendentes Gespür zusammen zu fassen bzw. neue Aspekte hinzuzufügen. - Glaubens-Experten und Hermeneutik sind primär nicht für den glaubenden Menschen gemacht, sondern zur Reflexion auf intellektueller Basis - Meta-Ebene.

Genauso könntest Du fragen "Wozu braucht man Philosophie oder Literatur" - braucht man nicht. - Umgekehrt wird ein Schuh draus: Philosophie, Literatur und auch Partituren von Musikern brauchen Menschen, die innerlich darauf ausgerichtet sind, es zu verstehen.

Theologisch gilt nach wie vor als oberster Grundsatz "das innere Gesetz in Dir" - das magst Du mit "Gewissen" oder mit "Liebe" oder mit "Transzendenz-Bewusstsein" übersetzen. - So etwas muss DA sein, bevor "Bücher", transzendente Fragestellungen und Musik/Literatur greifen.

SilverBullet hat geschrieben:Du kannst ganz normale Zusammenhänge verwenden, die nicht im Verdacht stehen, „mystisch/religiöse Metaphysik“ zu sein.
Du verwechsest offenbar "normal" mit "naturalistisch/materialistisch". - Für geistige Menschen, ob mit IQ 130 oder IQ 70, ist das Transzendente "normal" - selbst wenn es ein IQ-70-Mensch es vermutlich nicht so benennen kann. - Aber er spürt es als Grundlage seines Seins.

Ob Du willst oder nicht: Du vertrittst hier ein Weltbild, das den Menschen als nichts anderes sieht als ein besonders fortschrittlich entwickeltes Tier.

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#552 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » So 27. Mär 2016, 01:09

Münek hat geschrieben:Mit theologisch-wissenschaftlichem Lager meine ich die an den Falkultäten historisch forschenden Exegeten.
Das ist eine Eingrenzung, mit der Du nur bei Brights durchkommen wirst. - Natürlich kann man Wissenschaft solange definieren, bis das übrig bleibt, was der eigenen Weltanschauung entspricht. - Sowohl Berger als auch Ratzi sind Spitzen-Wissenschaftler, die seit Jahrzehnten zum theologisch-wissenschaftlichen Lager gehören.

Münek hat geschrieben:Wie soll denn wissenschaftliche Forschung feststellen, dass Jesus am Kreuz für unsere Sünden gestorben ist, um einen göttlichen Heilsplan zu erfüllen?
Herrschaft noch mal - jetzt streng Dich mal an.

Es geht doch nicht darum, dass Wissenschaft religiöse Aussagen beweist, sondern darum, was ich x-mal geschrieben habe (nämlich - wie so oft - etwas ganz anderes):

Die Frage, welche wissenschaftlich NICHT-beweisbaren Voraussetzungen zur Basis genommen werden, beeinflusst die Interpretation wissenschaftlicher Beobachtungen - konkret:
DIESELBEN Bibel-Quellen sind anders zu interpretieren, ob
a) Jesus ein x-beliebiger Wanderprediger war, oder
b) Jesus der war, für den ihn das Christentum hält.

WÄRE Jesus a), wären seine (mutmaßlichen) Aussagen anders zu bewerten und zu interpretieren, als wenn Jesus b) wäre. - Deshalb müsste die HKM sowohl a) und b) berücksichtigen, weil sie beides nicht beweisen kann, also beides möglich ist. - Wenn aber beides möglich ist, kann beides Realität sein. - Und wenn Wissenschaft nur EINEN Teil einer möglichen Realität abdecken will, verrät sie sich selbst. - Das war jetzt wirklich das letzte Mal, dass ich das erkläre.

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#553 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » So 27. Mär 2016, 01:23

Savonlinna hat geschrieben:Wenn er Literaturwissenschaftler ist, wird er die Rezeptionstheorie kennen, sie ist über 50 Jahre alt.
Darin ist der Gedanke enthalten, dass ein Werk umso vielschichtiger ist, je mehr es in immer neuen Schichten reaisiert wird, das Potential also immer wieder neu ausgeschöpft wird.
Spitz gefragt: Warum wissen das all die Kubitzas nicht? - Oder wissen sie es und verschweigen es?

Savonlinna hat geschrieben:"Und so geht es immer wieter...".
Das wäre eine lockere Umschreibung von "Hermeneutik".

Savonlinna hat geschrieben:Diese Rezeptonstheorie ist inzwischen in abgewandelter Form in vielen anderen Wissenschaften enthalten, auch in der Wissenschaftstheorie.
Mit Wissenschafts-Theorie kenne ich mich nicht vertieft aus. - Warum habe ich den Eindruck, dass Deine Ausführungen "von der Wissenschaft" als unwissenschaftlich zurückgewiesen werden? (Natürlich hast Du hier recht)

Ist mein Eindruck richtig, dass man in der Theologie inzwischen so ver-naturalistischt ist, dass der heutige Usus hinter die von Dir erläuterten Gedanken zurückgefallen ist? - Ich will nicht den Teufel an die Wand malen - aber irgendwie kommt es mir so vor.

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#554 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 27. Mär 2016, 07:48

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Mit theologisch-wissenschaftlichem Lager meine ich die an den Falkultäten historisch forschenden Exegeten.
Das ist eine Eingrenzung, mit der Du nur bei Brights durchkommen wirst.
Vor allem kommt man damit bei der Wissenschaft durch. Wissenschaft muß sich über ihre Methodik Rechenschaft ablegen. Was du "Eingrenzung" nennst, ist in Wahrheit Vorraussetzung für wissenschaftlilches Arbeiten. Wenn du diesen Anspruch nicht hast, solltest du auch nicht den Eindruck zu erwecken versuchen, als ob du ihn hast. Auch das erinnert mich stark an die Vorgehensweise der Homöopathie.

Apropos Brights: ich glaube nicht, dass die Brights für Raztinger und Co ein Problem darstellen. Viel ärgerlicher ist doch, dass die Demontage des biblischen Jesus aus dem eigenen Haus kam und kommt und man auf wissenschaftlicher Ebene nichts dagegen machen kann. Auf die Forschung verzichten kann man aber auch nicht, weil man sonst die Daseinsberechtigung an den Universitäten verliert. Ich glaube in Fachkreisen nennt man das ein Dilemma. ;)


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wie soll denn wissenschaftliche Forschung feststellen, dass Jesus am Kreuz für unsere Sünden gestorben ist, um einen göttlichen Heilsplan zu erfüllen?
Herrschaft noch mal - jetzt streng Dich mal an.
Na, na, zu viel Eierlikör genascht? :lol:

closs hat geschrieben: Es geht doch nicht darum, dass Wissenschaft religiöse Aussagen beweist, sondern darum, was ich x-mal geschrieben habe (nämlich - wie so oft - etwas ganz anderes):

Die Frage, welche wissenschaftlich NICHT-beweisbaren Voraussetzungen zur Basis genommen werden, beeinflusst die Interpretation wissenschaftlicher Beobachtungen - konkret:
DIESELBEN Bibel-Quellen sind anders zu interpretieren, ob
a) Jesus ein x-beliebiger Wanderprediger war, oder
b) Jesus der war, für den ihn das Christentum hält.

WÄRE Jesus a), wären seine (mutmaßlichen) Aussagen anders zu bewerten und zu interpretieren, als wenn Jesus b) wäre. - Deshalb müsste die HKM sowohl a) und b) berücksichtigen, weil sie beides nicht beweisen kann, also beides möglich ist. - Wenn aber beides möglich ist, kann beides Realität sein. - Und wenn Wissenschaft nur EINEN Teil einer möglichen Realität abdecken will, verrät sie sich selbst. - Das war jetzt wirklich das letzte Mal, dass ich das erkläre.
Im Grunde implizierst du das aber, weil du annimmst, mit der "geistigen" Einstellung, dass Jesus der Sohn Gottes ist, würden ganz andere Ergebnisse in der historisch-kritischen Forschung rauskommen.
Dabei hat Thaddäus dir doch schon erklärt, dass dies nicht der Fall ist.

Thaddäus hat geschrieben: 4. Die Ergebnisse historisch-kritischer Analyse der biblischen Schriften ändern sich nicht unter der Annahme zusätzlicher metaphysischer Eigenschaften der historischen Person Jesus aus Nazareth oder eines göttlichen Heilsplanes.

Es ist doch gerade die Stärke einer Methode, wenn sie unabhängig von einer Glaubensprämisse angewendet werden kann.
Theissen und viele andere Theologen sind gläubig und kommen trotzdem zu den bekannten Ergebnissen. Gibt dir das nicht zu denken?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#555 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » So 27. Mär 2016, 12:01

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wie soll denn wissenschaftliche Forschung feststellen, dass Jesus am Kreuz für unsere Sünden gestorben ist, um einen göttlichen Heilsplan zu erfüllen?
Herrschaft noch mal - jetzt streng Dich mal an.
Na, na, zu viel Eierlikör genascht? :lol:

:lol: :lol: :lol:

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#556 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » So 27. Mär 2016, 12:15

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Mit theologisch-wissenschaftlichem Lager meine ich die an den Falkultäten historisch forschenden Exegeten.
Das ist eine Eingrenzung, mit der Du nur bei Brights durchkommen wirst.
Vor allem kommt man damit bei der Wissenschaft durch. Wissenschaft muß sich über ihre Methodik Rechenschaft ablegen.
Was hat Deine Aussage mit der Aussage von closs zu tun?
Du antwortest auf etwas, was er gar nicht gesagt hat.

sven23 hat geschrieben:Was du [= closs] "Eingrenzung" nennst, ist in Wahrheit Vorraussetzung für wissenschaftlilches Arbeiten.
Nein.

sven23 hat geschrieben:Es ist doch gerade die Stärke einer Methode, wenn sie unabhängig von einer Glaubensprämisse angewendet werden kann.
Theissen und viele andere Theologen sind gläubig und kommen trotzdem zu den bekannten Ergebnissen. Gibt dir das nicht zu denken?
Man merkt, dass Du von wissenschaftlichem Arbeiten nichts verstehst, sven. Das ist kein Manko, weiß Gott nicht.
Aber vorzugeben, als verstünde man was davon, das finde ich schon... naja.

Also: eine Methode inkludiert die Prämisse. Du kannst sie Glaubensprämisse nennen oder einfach Prämisse, es spielt keine Rolle.
Solange noch Menschen forschen und keine Maschinen, werden von anständigen Wissenschaftlern diese Prämissen auf den Tisch gelegt.

Gerade Theißen hat das eben getan. Ich habe das in diesem Forum mehrfach zitiert.
Er hat seinen Blickwinkel und seine persönlichen Voraussetzungen deutlich markiert, unter denen er seine Betrachtungen anstellt.

Im Übrigen: Was Du "bekannte Ergebnisse" nennst, sind ja nicht die, die Du unentwegt wiederholst.
Theißen ist sehr viel differenzierter als Du. Ist ja auch kein Wunder, er versteht sein Handwerk.

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#557 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » So 27. Mär 2016, 12:43

sven23 hat geschrieben: Was du "Eingrenzung" nennst, ist in Wahrheit Vorraussetzung für wissenschaftlilches Arbeiten.
Das hieße nicht mehr und nicht weniger, dass "Wissenschaft" sich nur für einen Teil der Realität zuständig fühlte - nämlich im Rahmen methodischer Erfüllung. - Will die Wissenschaft diesen Preis wirklich bezahlen? Meinerseits kein Problem.

sven23 hat geschrieben:Wenn du diesen Anspruch nicht hast, solltest du auch nicht den Eindruck zu erwecken versuchen
Mein Anspruch ist nicht die Erfüllung einer Methodik, sondern dass sein darf, was ist.

sven23 hat geschrieben: Viel ärgerlicher ist doch, dass die Demontage des biblischen Jesus aus dem eigenen Haus kam
Bis heute kann ich keine Demontage Jesu feststellen. - Allerdings ist richtig, dass sich eine an sich wertvolle Disziplin - HKM - gelegentlich zum trojanischen Pferd entwickelt hat.

Denk doch mal:
Die HKM kann - nach Ansicht einiger besonders "Aufgeklärter" :angel: - die Bibel nicht unter dem Aspekt interpretieren, dass Jesus wesensgleich mit Gott ist: "Lass uns Sven untersuchen unter der Voraussetzung, dass er eine Frau ist". :devil:

Wenn ich wüsste, dass Jesus nichts als ein beliebiger Wanderprediger wäre, würde ich die Bibel auch anders interpretieren - bei gleichem Text. - Die Aussage von Thaddäus, dass die HKM unabhängig davon zu selben Ergebnissen kommt, ob Jesus Gott oder Depp ist, geht nur dann, wenn man vorher methodisch ausschließt (und das tut man de facto), dass Jesus Gott ist. - Damit kann man in der Theologie nur Türsteher sein und nichts Substantielles zum semantischen Inhalt der Bibel sagen. - Macht nichts, wenn man es dann auch nicht beansprucht.

sven23 hat geschrieben:Auf die Forschung verzichten kann man aber auch nicht, weil man sonst die Daseinsberechtigung an den Universitäten verliert.
Vielleicht gibt es irgendwann einmal Bright-Universitäten und geistes-wissenschaftliche Universitäten - das will ich nicht ausschließen. - Aber ob diese Spaltung dem Universitätswesen gut täte, glaube ich nicht. - Ein Bedrohung für die Theologie wäre es ganz sicher nicht.

sven23 hat geschrieben:Im Grunde implizierst du das aber, weil du annimmst, mit der "geistigen" Einstellung, dass Jesus der Sohn Gottes ist, würden ganz andere Ergebnisse in der historisch-kritischen Forschung rauskommen.
Wenn es über rein technische Aussage hinaus geht wie "Diese Quelle entstand dann und dann" oder "Zur Zeit Jesu bedeutete das Wort x folgendes ..." oder "Die Drei Könige waren Drei Weise", etc, etc., also substantiell interpretiert werden müsste (etwa "Was bedeutet 'nah' im spirituellen Kontext?"), würden in der Tat ganz andere Ergebnisse herauskommen.

Ganz einfacher Test:
Wir nehmen den erfundenen Satz "Ich will mein Volk in die Freiheit führen, denn Gott ist die Liebe". - Was verstehen wir darunter? - Was soll dies bedeuten? - etc. - Und irgendwann: "Von wem stammt dieser Satz?". - Und da fresse ich einen Besen, dass DERSELBE Satz anders zu interpretieren ist, wenn Jesus diesen Satz sagt oder Stalin.

Das war jetzt ein Aufreißer-Beispiel, um klar zu machen, worum es geht. - Zurück zum Diffizileren: Es ist ein Unterschied, ob Jesus dies als nichts als ein Wanderprediger sagt oder als Gott. - Jeder Streit darüber würde mich überraschen.

sven23 hat geschrieben:Dabei hat Thaddäus dir doch schon erklärt, dass dies nicht der Fall ist.
Hierin irrt sie sich. - Das ist Selbst-Immunisierung.

sven23 hat geschrieben:Es ist doch gerade die Stärke einer Methode, wenn sie unabhängig von einer Glaubensprämisse angewendet werden kann.
Das soll sie doch auch. - Aber sie müsste ihre glaubensmäßige Unabhängigkeit dafür nutzen, verschiedene Möglichkeiten der Realität zu berücksichtigen. - Das tut sie offenbar nicht.

sven23 hat geschrieben:Theissen und viele andere Theologen sind gläubig und kommen trotzdem zu den bekannten Ergebnissen. Gibt dir das nicht zu denken?
Das sagt zunächst nichts aus über die Qualität der wissenschaftlichen Leistung - sie kann also tadellos sein. - Aber vielleicht sagt Dir folgender Zitat-Ausschnitt etwas, was ich einem Link entnehme, den Magdalena eingestellt hat (Prof. F. Jung. Texas/Bonn):

"Seit Beginn der Neuzeit und vor allem im 19. und 20. Jahrhundert hat es eine ganze Reihe von Zweiflern, besonders im Raum der evangelischen Kirche, gegeben. Der Professor für Neues Testament an der Universität Marburg, Rudolf Bultmann (1884-1976), sagte sehr freimütig: Eine Auferstehung von den Toten als historische Tatsache ist völlig unvorstellbar.1 Die Bultmann-Schule, Theologen also, die von Bultmann stark beeinflusst worden sind, lehnt bis heute die Auferstehung als geschichtliche Tatsache ab. Die Schüler Bultmanns übernahmen seit den 50er Jahren des 20. Jh. mehr und mehr theologische Lehrstühle an den evangelisch-theologischen Fakultäten und haben die Pastorenschaft entscheidend geprägt. Gegenwärtig haben die „Ur-Enkel“ Bultmanns das Sagen. Gerd Lüdemann, früher Professor für Neues Testament an der Universität Göttingen, zählt zu dieser Enkelgeneration. Seine Thesen, die er seit einigen Jahren sehr medienwirksam verbreitet, sind im Grunde nichts Neues. Er formuliert nur sehr offen, was Hunderte von Professoren und Pastoren längst glauben.
"


Mein Kommentar:
Es gibt innerhalb der Theologie verschiedene Glaubens-Richtungen, die je nach Zeit mal Oberwasser haben, was sich interpretativ niederschlägt.

"Während bis zur Aufklärung jede Wissen¬schaft ihren Ursprung und ihr Ziel in Gott, dem Schöpfer aller Dinge sah, hat sich die wissenschaftliche Forschung seit der Aufklärung zu einer atheistischen Forschung entwickelt. Die Aufklärung wertet die menschliche Vernunft auf und erhebt sie zur letzten Prüfungs¬instanz für alle Fragen des Denkens, Glaubens und Handelns. ... Geforscht wird nun etsi Deus non daretur (als ob es Gott nicht gäbe). Das bedeutet: Die Wissenschaft stellt die Frage nach Gott gar nicht mehr und schließt deshalb auch ein Eingreifen Gottes in den Lauf der Geschichte aus. Die Geschichte wird als ein geschlossenes Ganzes betrachtet, als eine ununterbrochene Kette von Ursachen und Wirkungen, die nicht von außen beeinflusst werden kann. Historisch kann nur das sein, so wird fortan gelehrt, was den Prinzipien der Kritik, Analogie und Korrelation entspricht. Die Allmacht der Ana¬logie, von der Ernst Troeltsch sprach, wird zum entscheidenden Kriterium bei der Bewertung historischer Vorgänge. ... Analogie bedeu¬tet: Nur wenn ein angeblich geschichtliches Ereignis Parallelen in der Geschichte hat, ist es wahrscheinlich, dass dieses Ereignis wirklich historisch ist. Die Auferstehung von Jesus aber ist ohne Parallele. Keine andere Person ist jemals von den Toten erweckt worden und gen Himmel gefahren. Daher, so folgert man, müsse die Auferstehung ein Mythos sein. Unter den genannten beiden Voraussetzungen, dass es 1. kein Einwirken Gottes in den Lauf der Geschichte gibt und dass 2. je¬des Gesche¬hen Parallelen haben müsse, kann es keine Auferstehung von Jesus gegeben haben. Entweder war Jesus dann nur scheintot, hat also nach der Kreuzigung weitergelebt, oder er war tot und ist es auch geblieben."


Mein Kommentar:
Wer dieses Vorgehen nicht als prämisse-behaftet versteht, ist selbst-immunisiert. - Nun ist dies Ratzi ja ebenso - aber er gibt es zu, indem er sagt: "Ich entscheide mich üfr diese Prämisse". - Die HKM in oben beschriebener Ausformung weist dies in ihrer Selbst-Immunisierung zurück. - Und das ist der eigentliche wissenschaftliche Skandal.

Ich bin kein uneingeschränkter Ratzi-Fan, weil es Dinge gibt, die ich anders sehe. - Aber er ist mir lieber, weil er selbst-kritischer ist, was er dadurch beweist, dass er sich seiner Forschungs-Prämissen bewusst ist.

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#558 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » So 27. Mär 2016, 13:19

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Mit theologisch-wissenschaftlichem Lager meine ich die an den Falkultäten historisch forschenden Exegeten.
Das ist eine Eingrenzung, mit der Du nur bei Brights durchkommen wirst. - Natürlich kann man Wissenschaft solange definieren, bis das übrig bleibt, was der eigenen Weltanschauung entspricht. - Sowohl Berger als auch Ratzi sind Spitzen-Wissenschaftler, die seit Jahrzehnten zum theologisch-wissenschaftlichen Lager gehören.

Ratzinger ist von Haus aus Systematiker und Dogmatiker, aber kein Exeget. Berger ist - wie
er selbst einräumt - ein (frommer) Außenseiter innerhalb des wissenschaftlichen Lagers.

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#559 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » So 27. Mär 2016, 13:34

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wenn er Literaturwissenschaftler ist, wird er die Rezeptionstheorie kennen, sie ist über 50 Jahre alt.
Darin ist der Gedanke enthalten, dass ein Werk umso vielschichtiger ist, je mehr es in immer neuen Schichten reaisiert wird, das Potential also immer wieder neu ausgeschöpft wird.
Spitz gefragt: Warum wissen das all die Kubitzas nicht? - Oder wissen sie es und verschweigen es?
Man müsste sich mit Kubitza auseinandersetzen, um zu überprüfen, ob sie es tatsächlich nicht wissen.
Möglicherweise sind seine Schriften Polemiken und haben gar nicht das Ziel, möglichst objektiv zu sein.
Polemiken, also Streitschriften, sind eine anerkannte literarische Gattung, aber sie haben ihre eigenen Gesetze.
Man kann sie nicht nutzen für wissenschaftliche Untersuchung, denn Streitschriften sind niemals wissenschaftlich. Ihre Stärke liegt woanders.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:"Und so geht es immer weiter...".
Das wäre eine lockere Umschreibung von "Hermeneutik".
Richtig. Denn tatsächlich hat sich die Rezeptionstheorie aus der Hermeneutik entwickelt.

Unter Hermeneutik verstehe ich:

  • Mensch X hat ein ungelesenes Buch vor sich. Er hat unbestimmte Erwartungen.
  • Dann liest er das Buch durch, und während er liest, werden seine Erwartungen entweder erfüllt oder enttäuscht oder etwas dazwischen.
  • Ist er mit dem Buch fertig, ist er schlauer als vorher, denn er kennt nun das Buch.
  • Dann fängt er wieder von vorne an zu lesen und weiß also schon, wie es ausgeht.
    Bei diesem zweiten Lesevorgang liest er alles bereits anders als beim ersten Lesen, er sortiert die Einzelelemente bereits in das ganze Buch ein.
  • Liest er ein drittes Mal, hat er die Zusammenhänge im Buch bereits ahnungsweise verstanden und kann die Einzelteile nun noch mehr als Teil des Ganzen erkennen.
  • "Und so geht es immer weiter".

Die Rezeptionsforschung geht allerdings einen Schritt weiter.
Sie wendet dieses Prinzip der Erwartungshaltung auf ein Publikum in einem bestimmten Zeitraum an, nicht nur auf eine einzelne Person.
Das hier habe ich aus dem Internet gefischt und passt meiner Kenntnis nach:

Rezeptionstheorie:
Modell der Textanalyse, wie es vor allem von Hans Robert Jauß und Wolfgang Iser entwickelt wurde, das Texte von ihrer Rezeptionsgeschichte her versteht. Ausgangspunkt ist die Annahme, daß die Bedeutung eines Textes nicht fest ist oder mit der Autorintention zu identifizieren sei, sondern erst im Vorgang der Rezeption zustande kommt und daher sozial und historisch variabel ist. Schwerpunkt der literaturwissenschaftlichen Arbeit ist daher die Untersuchung der bedeutungsschaffenden Rezeptionsvorgänge und ihrer Geschichte
http://www.literaturkritik.de/public/on ... how&id=882

Mich fesselt dabei der Prozess des "Bedeutungsschaffens", vornehmlich in der Semiologie sprich Semiotik untersucht.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Diese Rezeptonstheorie ist inzwischen in abgewandelter Form in vielen anderen Wissenschaften enthalten, auch in der Wissenschaftstheorie.
Mit Wissenschafts-Theorie kenne ich mich nicht vertieft aus. - Warum habe ich den Eindruck, dass Deine Ausführungen "von der Wissenschaft" als unwissenschaftlich zurückgewiesen werden? (Natürlich hast Du hier recht)
Das Forum hier ist desbezüglich eine Art "Totenbeschwörung", eine Gespenstersitzung.
Ich erkenne in diesen Diskussionen nicht die heutige Zeit wieder.

closs hat geschrieben:Ist mein Eindruck richtig, dass man in der Theologie inzwischen so ver-naturalistischt ist, dass der heutige Usus hinter die von Dir erläuterten Gedanken zurückgefallen ist? - Ich will nicht den Teufel an die Wand malen - aber irgendwie kommt es mir so vor.
Man muss überprüfen, wodurch so ein Eindruck entsteht.
Ich kann dazu nichts sagen, weil ich bei bibelwissenschaft.de dergleichen nicht vorgefunden habe.
Da gerade wird ja die neu wichtig gewordene Kanonforschung als legitim erklärt.

Die meisten, die hier im Forum ihr Bild von der Theologie vorstellen, haben ja ein gespaltenes Verhältnis zur Religion. Insofern versuchen sie möglicherweise eine Theologie zu entwerfen, in der sie sich als Atheisten wiederfinden können.
Sie verstehen Theologie als Kritik und Verwerfung des biblischen Anliegens.

Das ist ihr Maß, nach dem sie Theologen messen.
Das muss man wissen, sonst ist man irritiert.

Es gibt auch Christen, die zumindest so ähnlich denken. Sie sehen allein in der Bergpredigt das Wesen des Christentums begründet.
Ich bin in Foren vielen von ihnen begegnet.

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#560 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » So 27. Mär 2016, 15:03

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Was du "Eingrenzung" nennst, ist in Wahrheit Vorraussetzung für wissenschaftlilches Arbeiten.
Das hieße nicht mehr und nicht weniger, dass "Wissenschaft" sich nur für einen Teil der Realität zuständig fühlte - nämlich im Rahmen methodischer Erfüllung . - Will die Wissenschaft diesen Preis wirklich bezahlen? Meinerseits kein Problem.

Dass es neben der REALITÄT noch eine weitere, "jenseitige" Realität geben soll, ist doch nur eine unbewiesene Annahme.

Die Wissenschaft - besser der Naturalismus lässt keinerlei Raum für übernatürliche Wesenheiten und
fordert positive Gründe dafür, warum man von der Existenz einer "Übernatur" ausgehen sollte: Warum
sollte man die Welt in unterschiedliche Sphären aufspalten?

Solange gute Gründe fehlen oder Begründungen der Kritik nicht standhalten, bleibt die von Gläubigen be-
hauptete "Transzendenz" (Jenseits) eine beliebige und überflüssige Annahme. Übernatürliche Wesenhei-
ten wie Götter, Engel und Dämonen und deren Aktivitäten kann man im Prinzip zur Erklärung von allem
und jedem heranziehen.


Die Wissenschaft bezahlt ganz gewiss keinen Preis, wenn sie die Beschäftigung mit himmlischen Wesenhei-
ten, die in einer jenseitigen transzendenten "Realität" hausen sollen, ablehnt.
Zuletzt geändert von Münek am So 27. Mär 2016, 15:44, insgesamt 1-mal geändert.

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